Lieber M.,
vor ca. einem Jahr sind wir zwei zusammen gekommen. Zwischen uns lag aber mehrere Jahre lang etwas in der Luft und Ende vorletzten Jahres erst konnten wir uns das eingestehen.
Wir kamen unter schwierigen Umständen zusammen, aber ich erinnere mich immer noch an den Tag, als wir Arm in Arm auf der Bank am Sportplatz in A. saßen, uns die Sonne in's Gesicht schien und wir da schon wussten, dass wir immer füreinander bestimmt waren. All die schlechten Erfahrungen, die wir zwei die paar Jahre zuvor sammelten mussten, uns mit Händen und Füßen gegen unsere Gefühle füreinander gewehrt haben - all das hat uns letzten Endes nun doch endlich zueinander geführt. Ich erinnere mich an dein herzliches Lachen, deine liebevolle Art, mich in den Arm zu nehmen, mir in die Augen zu schauen und deine Nase an meine zu legen.
An manchen Abenden, an denen du völlig abgeschlagen neben mir auf der Couch liegst und vollkommen erschöpft aussiehst, treibt es mir die Tränen in die Augen. Die Krankheit hat so viel von dir gezehrt und du bist nur noch die Hülle deiner selbst.
An vielen Tagen mache ich es dir nicht leichter, trotz dem Wissen, dass du krank bist und nichts für dein Verhalten, deine Distanziertheit und Lieblosigkeit kannst. Du kannst dir nicht vorstellen, wie leid mir das tut. Dass ich manches Kommentar zu bissig rüber bringe, dich manchmal trotzdem noch mit der ein oder anderen Aussage unter Druck setze. Viel zu schwer liegt die Last, die deine Depressionen mit sich brachten. Die Nähe und Zweisamkeit, die du nicht mehr geben kannst, weil du dir selbst zuwider bist. Die vielen, vielen liebevollen Situationen und Momente, die wir uns letztes Jahr schaffen konnten, sind an manchen Tagen wie weggeblasen. Oft bemerke ich, wie du anscheinend in dem letzten halben Jahr Krankheit verlernt hast, mit mir als deine dich über alles liebende Partnerin umzugehen. Du stehst an manchen Tagen vor mir und kannst mir nicht mal richtig in die Augen blicken.
Vor einem Jahr an meinem Geburtstag lagst du neben mir, zwei Tage nach deiner offiziellen Trennung aus deiner toxischen Ehe. Du hattest mir einen Blumenstrauß mitgebracht und kaum, dass du neben mir saßt, fingst du an zu weinen, weil du so viel zu verarbeiten hattest.
Du bist so eine liebevolle, sensible, verständnisvolle Person und ich hoffe, dass du dich bald mit der hoffentlich zeitnah beginnenden Therapie wieder selbst lieben kannst und das auch erkennst.
Manchmal habe ich das Gefühl, wir führen eine eingefahrene Beziehung, in der man nur noch nebeneinander herlebt, weil du im Moment nichts Tieferes spüren, fühlen und erleben kannst. Ich erinnere mich dann daran, dass das dein Depressionsmonster ist, dass im Auge hat, dir alles zu nehmen, was dir eigentlich lieb und teuer ist.
Dann raffe ich mich zusammen und nehme dich in den Arm.
Ich hoffe, du erkennst irgendwann, dass mein verletztes Verhalten dann und wann keinesfalls gegen dich als Mensch gerichtet war, sondern gegen deine Depressionen. Ich liebe dich, so sehr und möchte einfach nur, dass es dir wieder gut geht. Dass du wieder der Mensch wirst, der du mal warst. Dass du am Leben wieder Freude empfindest und vielleicht dann auch wieder spüren kannst, wie schön es ist, dass wir einander haben.
Denn daran halte ich fest: An unsere schöne Zeit. In der wir uns trotzdem nach jedem Streit in den Armen lagen. Du mir gesagt hast, dass ich die Person bin, mit der du schon immer dein Leben für immer verbringen wolltest.
Es ist so schwer, jeden Tag aufzustehen und den Menschen an deiner Seite zu haben, den du über alles liebst. Aber dich trotzdem in seiner Nähe so einsam fühlst.
Bitte nimm es mir nicht übel, dass ich anfange, mir Zeit für mich zu nehmen und dich manchmal dabei auszuschließen, aber ich gerate sonst zu arg in den Strudel deiner Depressionen.
Wir schaffen das, hörst du? Wir haben zueinander gefunden, was schon so unglaublich unwahrscheinlich war. Wir sind beides starke Menschen. Und selbst, wenn du deine Gefühle nicht mehr so stark spürst, weil die Krankheit alles überdeckt, sage ich dir: Wir schaffen das. Das haben wir schon immer. Und glaube mir, wenn du es erst mal wieder aus deinem Loch herausgeschafft hast, dann kann uns nichts und niemand mehr trennen.
Ich liebe dich, M.
16.04.2021 19:54 •
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