Zitat von Sifu:....das ich meinen Eltern, die mich schwer traumatisiert habe wodurch später fast nicht in meinem Leben klappte, immer noch nicht ganz vergeben kann. Wie mache ich das ?
Hallo Sifu
Ich kann dir nicht raten, wie du das machst, und will es auch gar nicht versuchen.
Gerne mag ich dir aber etwas aus meiner Küche dazu schreiben. Das Vergeben, das von vielen therapeutischen Richtungen so hochgepriesen und teilweise fast zum Allheilmittel hochstilisiert wird, war mir immer irgendwie suspekt und ist es bis heute geblieben. Natürlich kommt es darauf an, was man genau darunter versteht.
Wenn es darauf hinausläuft, dass ich jemanden sozusagen begnadigen soll, dann kann ich wirklich nichts damit anfangen. Erstens stelle ich mich damit auf eine höhere Stufe und zweitens mache ich den anderen damit definitiv zum Übeltäter und mich zu seinem Richter.
Meine Eltern haben mir auch sehr übel mitgespielt, mehr mit dem, was sie unterlassen haben, als mit dem, was sie taten. Ich habe davon ein Bindungstrauma mitbekommen, das bis heute schwer wiegt im Rucksack.
Entscheidend dafür, dass es mir damit deutlich besser zu gehen begann, war kein Vergeben, sondern im Gegenteil die innere Erlaubnis, endlich einmal die schlimmen Gefühle zuzulassen, die ich ihnen gegenüber hegte, aber nie äussern durfte. Wenn schon vergeben, dann mir selber, dass ich derartige Wut-, Hass- und Rachegefühle in mir trug. Und erkennen, dass sie durchaus reale Ursachen hatten.
Dadurch begannen sich diese Gefühle nämlich allmählich aus ihrer bis dahin unlösbaren Verquickung mit den Eltern (und auch Geschwistern) zu lösen. Sie durften auftauen, ich konnte sie mir zu eigen machen, ich gewann Abstand zu der für mich toxischen Familienkonstellation. Und oh Wunder, konnte Eltern und Geschwister mehr und mehr sich selber überlassen. Tatsächlich begann dadurch - und wichtig, ohne dass ich das forcierte oder von mir erwartete - ein bisschen Verständnis aufzukeimen, dass sie schlicht und einfach nicht zu was anderem in der Lage waren. Dass sie keine schlechten oder bösen Menschen waren, denen man vergeben muss, sondern komplett überfordert und überdies nicht in der Lage, sich das einzugestehen. Die Last davon durfte ich dann tragen, was aber niemand so wahrnahm.
Es ist bis heute für mich und das Wohl meines inneren Kindes zentral, dass es seine bösen Gefühle haben darf. Andererseits hat es inzwischen etwas Vertrauen gefasst, dass es damit bei mir, dem heute Erwachsenen, aufgehoben ist, dass ich es schützen werde davor, noch einmal sowas zu erleben wie damals.
Was die Eltern und Geschwister betrifft, ist für mich mit Verstehen weit mehr getan als mit Vergeben, um sie innerlich loslassen zu können.
Das ist jetzt etwas lange geworden, hoffe, du kannst damit etwas anfangen.
Alles Gute auf deinem Weg!