Für mich war es auch eine schockierende Wende endgültig weg aus Wohlstandszeiten, als ich zum 1. Mal irgendwann nach der Jahrtausendwende Leute an einer der S-Bahnhöfen meines wohlhabenden Wohnortes und ebenso im nahen reichen München Alltags-Menschen, gar nicht mal Penner, in den Mülleimern nach Flaschen suchen sah - da wusste ich: Hier läuft gewaltig was schief.
War ich doch während meiner Kindheit und Jugendzeit in einer Welt der vorübergehenden Öffnung der Teilhabechancen in Sachen Bildung und Beruf aufgewachsen, so dass ich auch mit Bafög studieren konnte, was mir mit dem Familieneinkommen nicht möglich gewesen wäre. Und auch noch in den 80er Studienzeiten kannte ich viele MitstudentInnen aus ärmeren Familien wie meiner.
Dass sich das Ganze nicht nur wieder schloss, sondern sogar direkt umkehrte seit Zeiten der Agenda 2010, das bekam ich erst so nach und nach mit. Denn auch noch in den 90er Jahren konnte ich eine gemütliche Altstadtwohnung in meiner Unistadt in NRW alleine mit meiner unsicheren Halbtagsstelle finanzieren und hatte noch genug übrig zum Leben - und war das nicht prima?
Auch meine Umschulung, Fachausbildung und meinen Berufseinstieg dann in München verbuchte ich noch unter: Hohe Teilhabechancen bei gesundheitlichen Einbrüchen.
Und so genoss ich auch erstmal, als ich gar nicht mehr so arg auf´s Geld schauen musste, weil mein Mann gut verdiente, ein bisschen den Münchner Lifestyle und gehörte zu einer Cocktailgruppe an der Leopoldsstraße, verlief mich auch das ein oder andere Mal mit meiner Family in Sternerestaurants international daheim und auf Reisen.
Bis mich diese Flaschensammlerszene abrupt wieder auf den Boden der Realität brachte und ich meinen Lifestyle änderte und lieber Geld spendete, weil ich es perv. gefunden hätte, so weiterzuleben.
Und ich kann auch nicht mehr an BettlerInnen vorbei gehen, nur an denen, die zur Bettelmafia gehören, wobei mir die einzelnen BettlerInnen auch leid tun, denn die behalten ja meistens nichts von dem Geld.
Auch Obdachlosen, die versoffen aussehen, gebe ich Geld, denn sehr oft haben sie ihren Herzenshund noch dabei und außerdem kann ich mir mehr als eine anders verlaufene Lebenslinie bei mir selber vorstellen, die mich in den Alk. getrieben hätten.
Ja, auch die Münchner Obdachlosenzeitung kaufen wir monatlich und ich kenne direkt einen Verkäufer so gut, dass wir mittlerweile bei Facebook befreundet sind. Er sowie die Schreibgruppe im BISS, der Obdachlosenzeitung, haben mich viel darüber lernen lassen, wie nahe jeder Mensch einem solchen Schicksal ist.
Und ich mag viele von ihnen wirklich und freue mich, wenn ich sie aus ihren schriftlichen Selbstvorstellungen an ihrem Platz in München erkenne und rede gerne mit ihnen. Naja . . . . lang ist´s her . . . vor Corona.
Durch Corona, hat mir einer von ihnen vor 1 Jahr erzählt verkaufen sie ja viel weniger und durften das nicht mal im Anfang. So haben einige ihre Wohnungen verloren und das in München! Dass es da ein Innenstadtkloster gibt, das sie aufnimmt, ist nur ein schwacher Trost. Meine Geldspende auch!
Ja, dieses Thema geht an mir auch nicht einfach so vorbei, bei weitem nicht.
13.05.2021 14:39 •
x 4 #934