Jeden Morgen dieser Kampf. Ich halte es alles nicht mehr aus, doch das System, die Gesellschaft, mein Umfeld... Sie zwingen mich, durchzuhalten. Ich arbeite nun seit 13 Jahren in einer mittelgroßen Kanzlei. Eigentlich macht mir der Beruf ja Spaß, wären da nicht diese Stapel voller Bürokratie auf meinem Schreibtisch, die mich dran hindern, den Menschen tatsächlich zu helfen. Das zermürbt mich. So sehr, dass ich es morgens manchmal kaum schaffe, aufzustehen. Die Schwerkraft zieht mich in den Boden. Mein Leben wurde zur Tragödie. Ich könnte einfach alles hinschmeißen, doch was dann. Meine Freunde würden mich komisch anschauen, meine Familie wäre enttäuscht. Ich könnte in den nächsten trostlosen Job, doch da wäre das gleiche Spiel. Also was tun. Ich könnte arbeitslos werden, doch was dann. Mein Hund müsste das billige Futter essen, weil das Geld fehlen würde. Und ich müsste in eine billigere Wohnung ziehen. Vielleicht auch unter die Brücke. Eine mittelschwere Stichwunde, zugefügt mit meinem Brötchenmesser, während des Versuchs, eine Dose Thunfisch zu öffnen, holt mich raus aus der Vorstellung, zu verarmen. Ich liebe ja Thunfisch am Morgen.
Ich schleppe mich zur Arbeit und schaffe es an meinen Schreibtisch. Ich krame in meiner Aktentasche, denke ich habe ein Stachelschwein in der Hand, doch zücke eine halb zerkaute Barbie-Puppe hervor. Kurz überlege ich, wie die dort hinein kommt. Lilli, mein Mops muss sie angeknabbert und darin versteckt haben. Die Puppe habe ich schon ewig nicht mehr in der Hand gehabt. Kurz erinnert sie mich an meine glückliche Kindheit und dass ich damals immer gesagt habe, ich werde nie so grießgrämig wie die ganzen Erwachsenen.
Meine Kollegin kommt rein - Martina du sollst zum Chef kommen.
Ich hole mir eine Standpauke wegen eines vergessenen Termin ab. Kurz muss ich über mein Leben nachdenken - was für eine Tragödie. Chef, ich kündige.
Spielball, Armreif, Tintenfisch, Internet, Blauweiß
28.08.2023 20:53 •
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