
Momo58
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Zitat von Oli:Gestern wieder einmal in einem Ratgeber gelesen, dass es bei einer Depression eines eisernen Willens bedarf, um sie loszuwerden: mal soll ich mich zwingen, dem schwarzen Hund davonzulaufen, dann soll ich mich überwinden, andere Menschen zu treffen und dann soll ich mir allabendlich einen Eintrag in mein Positivtagebuch abringen.
Ja, bestimmte Ratschläge haben im Moment Hochkonjunktur, z. B. auch das Thema Dankbarkeit. Es gibt sogar Dankbarkeitstagebücher. All diese Ratschläge sind wahrscheinlich nicht schlecht, setzen aber eine gewisse Disziplin voraus, sie regelmäßig zu praktizieren und die fehlt mir im Moment. Beim Thema Dankbarkeit ist es außerdem so, dass ich durchaus für manche Dinge in meinem Leben dankbar bin (z. B. habe ich eine schöne Wohnung), aber es sind auch nicht so viele verschiedene Dinge, dass ich jeden Tag für etwas anderes dankbar sein könnte. Und ständig wiederholen möchte ich mich nicht.
Die Depression akzeptieren und mit ihr leben? Dagegen spricht vielleicht der unbewusste Krankheitsgewinn:
Zitat:Erschwerter Genesungsprozess bei psychischen Erkrankungen
Menschen mit psychischen Erkrankungen wie „Burnout„, Depression, Angststörungen und Phobien gehören zu einer gefährdeten Gruppe von Menschen, die meist unbewusst in die Problematik des Krankheitsgewinns hineinrutschen. Die lange Dauer der Behandlung, die vielfältige Symptomatik und eine lange Überbelastung vor der Erkrankung können Lebensumstände schaffen, bei denen sich Betroffene in der Krankheitssituation „einrichten“, die Auseinandersetzung mit der zu Grunde liegenden Problematik scheuen oder den sozialen Rückzug durch die dauerhafte Hilfestellung des engen Familien- und Freundeskreises forcieren.
Quelle: https://www.schlosspark-klinik-dirmstei...-genesung/
Welche Rolle spielt der Wille? Interessant könnte hier der Vergleich mit Suchterkrankungen sein. Denn viele Menschen mit Depressionen greifen zu Substanzen, die kurzfristig Linderung versprechen, aber leider oft zu einer Suchterkrankung führen, z. B. Alk. oder Nikotin. Die älteste Selbsthilfebewegung der Welt, die Anonymen Alk. (AA), sprechen bei der Alk. ausdrücklich davon, dass der Wille bei der Überwindung keine Hilfe sei. Im Gegenteil: Der Alk. muss sich seine Machtlosigkeit gegenüber dem Alk. eingestehen und kapitulieren. Er kann nie wieder kontrolliert trinken und muss bereits das erste Glas stehen lassen. Wenn er Suchtdruck bekommt, muss er diesen aushalten oder sich ablenken. Auf dem Weg zu einem abstinenten und zufriedenen Leben hilft ihm die Gemeinschaft der AA und das 12 Schritte-Programm.
Nun ist die Depression keine Suchterkrankung. Wenn man sie hat, muss man mit ihr leben bzw. kann sich Hilfe holen. Vieles, was man liest, widerspricht der eigenen Erfahrung. Ich kann mich oft nicht aufraffen, das zu tun, was gut sein soll, nämlich rauszugehen. Während ich dies schreibe, bin ich noch im Schlafanzug. Ich bin heute wie gestern spät aufgestanden, weil ich keine Lust hatte, aufzustehen. Inzwischen habe ich gefrühstückt, aber mich anzuziehen, da fehlt mir oft der Antrieb. Aber ich glaube immer noch daran, dass jeder Tag ein neuer Anfang sein kann.