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Hochfunktionale Depressive

T
@maya60

Hey,

also bei mir ist es seit längerem so, dass ich mich von Nachrichten zu bestimmten Themen (Krieg, Klima) fernhalte. Das habe ich lange vermieden, da ich es als Gesellschaftsmitglied eigentlich notwendig finde, Dinge mitzubekommen und dann meine Meinung dazu im Alltag zu vertreten. Aber ich habe mir zugestanden, dass ich es psychisch-gesundheitlich weniger gut als andere vertrage und daher auf die Nachrichten verzichten darf. Und wenn wirklich essentielle Dinge wie eine Ausweitung des Kriegs passieren, würde man das ja schon irgendwie mitbekommen. Ich kann ja dennoch im Alltag sagen, was ich vom Krieg halte und mich ökologisch nachhaltig verhalten. Unabhängig davon ob irgendwo wieder eine Dürre droht.

Vielleicht ist das ja für dich auch eine Idee.

LG

12.07.2022 14:28 • x 2 #61


Schlüsselkind
Zitat von maya60:
Ideen von euch in eurem Leben?


Die Entlastung kann vermutlich nur rein gedanklich stattfinden. Also, dass man einen anderen gedanklichen Umgang damit findet, ohne sich einem Druck von außen auszusetzen. Es ist tatsächlich so, dass ich mir seitdem ich chronisch krank geworden bin (Endometriose, Migräne und Erschöpfung) hierzu auch verstärkt Gedanken mache. Zum einen hat mich der Gedanke erstmal entlastet, dass ich die Welt nicht retten kann und muss und mich dann auf wenige Dinge im Alltag beschränkt habe, die ich selbst beeinflussen kann (möchte hier keine Beispiele nennen, ich denke, dass führt nur wieder zu unnötigen Druck). Jede*r kann doch etwas tun, wie viel er/sie kann und wenn jemand gar nicht kann oder möchte, ist das ebenfalls in Ordnung (dafür macht dann jemand anderes mehr). Das hat mich erstmal etwas entlastet. Also mehr an das Jetzt zu denken und die Erkenntnis bzw. Unterscheidung, was ich selbst ändern kann und was nicht. Und das was-ich-nicht-ändern-kann ist doch sehr groß!

Zudem habe ich mich mehr dem Minimalismus oder wie man es nennen möchte zugewandt, also meinen Alltag meinen Fähigkeiten angepasst, um mir tägliche Arbeitsgänge möglichst einfach zu gestalten und sie schneller abarbeiten zu können. Mir hilft z. B. eine tägliche Routine sehr, die immer gleich abläuft.

Nachrichten etc. schaue/lese ich nur 1x am Tag und dann auch nicht mehr so häufig (dafür habe ich dann Warn-Apps, die mich benachrichtigen). Auch schaue ich abends nur noch selten Filme und lese dafür lieber, weil mich das einfach besser auf die Nacht vorbereitet (aber hier auch nur eine Idee, das muss man für sich selbst herausfinden, was einem da gut tut).

Zu Beziehungen/Freundschaften habe ich auch etwas sortiert. Jedenfalls investiere ich da nicht mehr so viel wie früher und merke ich, dass der Kontakt einseitig ist, beende ich es jetzt eher. Sicherlich könnte man es auch so schleifen lassen, aber ich merkte, dass mir dass zu viel Energie frisst, diese Oberflächlichkeit. Auch wenn ich früher öfter meine Hilfe angeboten habe, bezieht sich das jetzt nur noch auf enge Beziehungen und auch da schaue ich, ob ich die Energie dafür wirklich übrig habe und wenn nicht, sage ich dann Nein.

12.07.2022 14:53 • x 2 #62


A


Hallo maya60,

Hochfunktionale Depressive

x 3#3


maya60
Danke euch, @Topo und @Schlüsselkind ! Das sind auch meine Stellschräubchen seit Jahren wie auch der generelle Minimalismus im Alltag, der aussortiert und aus "weniger" mehr "macht"!
Gut zu sehen, wie ihr euch entlastet, das schafft Gemeinschaftsgefühl!

Ich bin schon seit Jahren weg vom Sorgendenken zu Bauchdenken, also mehr Intuitionsorientiert.

Wenn aber dann Zeiten sind wie diese, wo im ersten Jahreshalbjahr ich gerade wegen dringender Krankheitsthemen bei mir und anderen Nahestehenden viel öfter die mir krankheitsbedingt nötige Stille daheim verlassen musste als zuvor und mit viel mehr Außenreizen umgehen musste als mir gesund ist, dann reicht das alles an Minimalismus und Stellschrauben manchmal nicht und ich muss da durch mit gutem Erfolg, aber ebenfalls mit altbekannten Überforderungsblessuren.

12.07.2022 15:13 • x 2 #63


Schlüsselkind
Zitat von maya60:
Wenn aber dann Zeiten sind wie diese, wo im ersten Jahreshalbjahr ich gerade wegen dringender Krankheitsthemen bei mir und anderen Nahestehenden viel öfter die mir krankheitsbedingt nötige Stille daheim verlassen musste als zuvor und mit viel mehr Außenreizen umgehen musste als mir gesund ist, dann reicht das alles an Minimalismus und Stellschrauben manchmal nicht und ich muss da durch mit gutem Erfolg, aber ebenfalls mit altbekannten Überforderungsblessuren.


Ja, diese krankheitsbedingten Stressfaktoren habe ich leider auch (seit einiger Zeit etliche weite Arztbesuche und Stress durch Untersuchungen, die zu nix führen, unnötige Diskussionen mit (überforderten) Ärzt*innen und Arztwechsel, alles während man sowieso schon nicht körperlich kann). Das ist tatsächlich auch meine Schwachstelle, denn das wirft gefühlt alles angewandte mit einem Wisch um. (Meine Therapeutin ist da auch immer ganz entsetzt, aber diese Außenreize – wie Du es so passend nennst – sind ja von einem selbst nicht beeinflussbar: Gesundheitssystem, Personalmangel etc.). Das einzige, was ich dahingehend jetzt anders umsetze, ist, dass ich nicht mehr zu viel an einem Tag abarbeite und die Termine nicht so knapp setze, sondern mir jetzt Urlaubstage genommen habe, um mir zumindest etwas den Stress zu nehmen (während ich früher während der Arbeitszeit zu Terminen gefahren bin, was extrem stressig war). Dafür habe ich auch noch keinen guten Umgang gefunden. Echt schwierig!

12.07.2022 15:29 • x 1 #64


maya60
Mal wieder hochschubsen, weil daueraktuell!

14.02.2023 22:26 • x 3 #65


Schlüsselkind
Zitat von maya60:
Mal wieder hochschubsen, weil daueraktuell!



Du hast da sehr recht, @maya60! Es ist leider weiterhin aktuell und ich weiss nicht wie ihr Lesenden das seht, aber ich habe pandemiebedingt jetzt keine großen Fortschritte bemerken können, was gesundheitliche Wahrnehmung oder Verbesserungen durch das Gesundheistsystem angeht. Bei jeglicher Art von Gesundheitsterminen ist es m. M. nach sogar schlimmer geworden (wohne aber auch in einer Großstadt, daher kann ich das nur aus dieser Sicht beurteilen).

Mal ein kleines Lebensupdate: Bei mir ist krankheitsbedingt diese chronische Erschöpfung immer so dauerbelastend. Wo die herkommt, k. A., die Psychotherapie hat mir sehr geholfen (auch mit meine chron. Dauerschmerzen) , aber die Erschöpfung kommt halt immer mal mit vollem Anlauf zurück.Haupterkrankung hat sich im letzten Jahr stark verbessert, Schmerzfreiheit erlangt. Nun arbeite ich gerade aus wirtschaftlichen Gründe weniger und habe gedacht, ich könnte mich mal endlich(!) meinen (leider) diversen Nebenerkrankungen widmen, nun bekomme ich aber immer erst in mind. 3 Monaten Vorlauf 1 einzigen Termin (nichts ist planbar mit meinen Arbeitszeiten). Andere Behandler*innen habe ich ausprobiert und es funktioniert nicht, die Auswahl meiner Krankheit betreffend ist eh schon mau.
Der kleine pol. Arbeitskreis bez. chron. Erkrankungen und Behinderungen und somit Austausch liegt auch brach.

Das sind dann Momente, in denen ich wieder der Verzweiflung nah bin, nunja, im eigenem Tempo weitermachen, auch wenns oft nicht weitergeht ist erst mal wieder mein Plan.

Lasse mal liebe Grüße hier!

16.02.2023 10:00 • x 1 #66


maya60
Zitat von Schlüsselkind:
Mal ein kleines Lebensupdate: Bei mir ist krankheitsbedingt diese chronische Erschöpfung immer so dauerbelastend.


Hallo liebes @Schlüsselkind Natürlich ist jetzt in dauernden Krisen- und Verteuerungsjahren nichts einfacher geworden!
Allein nur bei Kindern und Jugendlichen in 2022 60% mehr psychische Störungen durch die Coronajahreängstigungen und -Deprivationen!

Das kann momentan gar nicht aufgefangen werden, dazu kommen ja noch alle Erwachsenen, Ukraineflüchlinge, traumatisierte, und Asylsuchende, auch traumatisierte!
Da fehlt es hinten und vorne!

Dass Sohni schnell und gut begleitet wurde in 2022 und jetzt schon wieder fast gesund ist, ist den guten Anbindungen und Vernetzungen in seinem Behinderten-Netzwerk in der Großstadt München zu verdanken!

Und meine Psychologin vom Sozialpsychiatrischen Dienst reagiert auch zeitnah. Wäre das eine Unterstützungsidee für dich, Schlüsselkind?
Die arbeiten ja gar nicht auf Krankenkassenebene und zeitlich begrenzt.

Beim Thema Dauererschöpfung kann ich ja nur müde mein ADHS-Händchen heben!

Zitat von Schlüsselkind:
Haupterkrankung hat sich im letzten Jahr stark verbessert, Schmerzfreiheit erlangt.

Oh, wie wunderbare Nachricht!

Zitat von Schlüsselkind:
nun bekomme ich aber immer erst in mind. 3 Monaten Vorlauf 1 einzigen Termin (nichts ist planbar mit meinen Arbeit


Bei welcher Arztsorte?

Zitat von Schlüsselkind:
Der kleine pol. Arbeitskreis bez. chron. Erkrankungen und Behinderungen und somit Austausch liegt auch brach.


Warum das denn immer noch?

Zitat von Schlüsselkind:
Das sind dann Momente, in denen ich wieder der Verzweiflung nah bin, nunja, im eigenem Tempo weitermachen, auch wenns oft nicht weitergeht ist erst mal wieder mein Plan.

Lasse mal liebe Grüße hier!


Dein Plan ist gut, mach ich genauso!

Ganz herzliche Grüße! maya60

16.02.2023 13:04 • x 1 #67


Bennyhuggi
@maya60 Du sprichst mir aus dem Herzen. Ich wollte schon öfters mein Leben wegschmeißen. Die Menschen da draußen sagen Immer ich habe nur ein Leben und Familie . Diese Worte höre ich ,aber ich bin nicht in der Lage sie zu empfinden.

16.02.2023 13:11 • x 1 #68


maya60
Zitat von Bennyhuggi:
@maya60 Du sprichst mir aus dem Herzen. Ich wollte schon öfters mein Leben wegschmeißen. Die Menschen da draußen sagen Immer ich ...

Ich hoffe, du bist in guter Behandlung? Denn das scheint mir noch eine Schwerestufe stärker als das, was ich beschreibe. Ich schreibe hier als Laie von leichten bis maximal mittelschweren Depressionen, fast mit dem ganz normalen Arbeitsstress einer Leistungsgesellschaft zu verwechseln, von denen Till Raether berichtet. Sein Leben eben zu schwer zu finden. Zu dauererschöpfend. Zu freudlos. Aber immer vermeintlich vielleicht doch ganz „normal“? Obwohl man eine schon bei leichten Depressionen schwere Krankheit hat?

Das war bei mir früher oft auch so, ist aber durch gute Behandlung und Lebensführung erheblich besser geworden!

Sogar jetzt während der Trauer um beide Eltern.

Sein Leben wegschmeißen zu wollen ist denn doch nochmal etwas ganz anderes und gehört dringend in psychiatrische und psychotherapeutische Hände! Gute Besserung!

Liebe Grüße! maya60

16.02.2023 13:18 • #69


Bennyhuggi
Danke und Du hast Recht ! Leide an einer schweren Depression und bin immer in Behandlung. Erfolg auf ab.

16.02.2023 13:43 • x 1 #70


Schlüsselkind
Zitat von maya60:
Dass Sohni schnell und gut begleitet wurde in 2022 und jetzt schon wieder fast gesund ist, ist den guten Anbindungen und Vernetzungen in seinem Behinderten-Netzwerk in der Großstadt München zu verdanken!


Das freut mich sehr!
Gerade die kleinen und die jungen Menschen mussten in den letzten Jahren so schnell erwachsen werden und vieles entbehren, was vorher noch wesentlich leichter zugänglich war. Da hoffe ich doch sehr, dass es Eurem Sohn weiterhin gelingt, wieder etwas unbeschwerter leben zu können und dass es ihm weiter gut geht.

Zitat von maya60:
Und meine Psychologin vom Sozialpsychiatrischen Dienst reagiert auch zeitnah. Wäre das eine Unterstützungsidee für dich, Schlüsselkind? Die arbeiten ja gar nicht auf Krankenkassenebene und zeitlich begrenzt.


Vielen Dank, das ist sehr lieb von Dir, liebe @maya60!

Die Sitzungen meiner Psychotherapie habe ich im letzten Jahr beendet und habe da gute Werkzeuge im Hinblick auf meine Erkrankung(en) und allem was sich dazu drumherum so Leben nennt, gewonnen, daher bin ich diesbez. gut versorgt worden. Ich kann die Therapeutin in evtl. Krisenzeiten auch jederzeit wieder kontaktieren und sie vergibt - ein Glück! - sehr zeitnahe Termine. Soweit klappt es gut, nur es kommt es eben immer mal wieder zwischendurch zu Herausforderungen mit unserem Gesundheitssystem, was dann wieder diesen unangenehmen Stillstand verursacht.

Dranbleiben ist Alles.

Zitat von maya60:
Oh, wie wunderbare Nachricht!


Kann das fast immer noch nicht glauben, Obwohl ich jetzt immer noch die Nebenerkrankungen habe, die ich bearbeiten muss, bin ich so dankbar, dass die täglichen Schmerzen nun schon so lange fernbleiben.

Zitat von maya60:
Bei welcher Arztsorte?


Bis auf meine Hausärztin, alle Fachärzt*innen. Zumindest jene, zu denen ich gerne hinmöchte und meine Behandler*innen für Osteopathie und Akupunktur. Da sind gerade viele Engpässe, aber ich versuch es weiter.

Zitat von maya60:
Beim Thema Dauererschöpfung kann ich ja nur müde mein ADHS-Händchen heben!


Ist sie bei dir durchgängig oder hast Du auch mal zwischendurch einen Energieschub? Kannst Du das dann an äußeren Umständen festmachen und sogar selbst beeinflussen?

Zitat von maya60:
Warum das denn immer noch?


In diesem Falle nicht wegen der Pandemie. Andere Themen, wie Du ja bereits schriebst, sind gerade wohl wichtiger für die Entscheider*innen.

Zitat von maya60:
Dein Plan ist gut, mach ich genauso!


Klasse! Und nun kommt bald auch endlich der Frühling und mehr Sonne. Habe es mir seit letztem Jahr angewöhnt, mich regelmäßig vor die Infrarotlampe zu setzen. Die Wärme tut so gut.

Zitat von maya60:
Ich schreibe hier als Laie von leichten bis maximal mittelschweren Depressionen, fast mit dem ganz normalen Arbeitsstress einer Leistungsgesellschaft zu verwechseln, von denen Till Raether berichtet.


Mir ist aufgefallen, dass ich immer noch nicht das Buch von Till Raether gelesen habe, das wird nun am Wochenende endlich angefangen.

Liebe Grüße in die Runde!

18.02.2023 01:13 • x 2 #71


Schlüsselkind
Noch ein kleiner Zusatz: hab das Buch gelesen und bin wie meine Vorredner*innen auch echt begeistert. Vielen Dank für diesen grandiosen Tipp, liebe @maya60! So hatte ich das noch gar nicht betracht, gab mal wieder ein paar Aha-Momente (auch wenn ich mich hier nur zu einem kleinen Teil selbst wiedererkannt habe, weil bei mir doch diese körperliche Fatigue zu großem Teil dann zu mentalem Unwohlsein führt), so weist es aber Parallelen auf. Und am Ende ist es dann auch irgendwie egal, ob zuerst die Henne oder das Ei da war.

Ich fange bald mit dem Buch Antigirl-Boss. Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen von Nadia Shehadeh an (tolle Kolumnistin, Autorin und Soziologin!), was thematisch gut zu dem hier genannten Buch passt. Vielleicht spricht das Buch hier auch noch jemanden an. Zufälligerweise scheinen sich Till Raether und Nadia Shehadeh wertzuschätzen, zumindest aber sind sie auf Twitter vernetzt, gutes Zeichen.

Zitat:
»Work hard, party hard!« »Leistung zahlt sich aus!« Solche hohlen Phrasen kann Nadia Shehadeh nicht mehr hören. Was, wenn der Führungsjob mit Verantwortung keinen Spaß macht, Papier sortieren am Kopierer aber schon? Was, wenn man kein Leben auf der Überholspur führen möchte, sondern lieber auf der Couch liegt und auf »productivity« pfeift? Und was, wenn das von vielen gelobte Leistungsprinzip eigentlich nur eine Mär ist, die Statusunterschiede nicht erklären kann und Menschen unglücklich macht?

Vor allem Frauen wird eingetrichtert, dass sie sich mit individuellem Ehrgeiz aus gesellschaftlichen Ungerechtigkeitsstrukturen befreien könnten. Das ist kollektiver Selbstbetrug, der uns auf perfide Art Chancengleichheit vortäuscht und zu immer mehr bezahlter und unbezahlter Arbeit antreibt, findet Nadia Shehadeh. Statt ein stressiges Leben auf der Überholspur befürwortet sie das Leben als Anti-Girlboss: Ambition spielt darin keine Hauptrolle mehr und das Durchschnittliche wird nicht verachtet, sondern begrüßt. Sie plädiert dafür, sich eine Komfortzone zu bewahren, die davor schützt, für Anforderungen von außen auszubrennen.
Wenn wir erkennen, dass es nicht so wichtig ist, alles zu haben, alles zu können und immer am Limit zu arbeiten, lebt sich das Leben nicht nur leichter, sondern auch glücklicher.

(Text via Webseite Ullstein Buchverlage.)

09.03.2023 20:10 • x 3 #72


maya60
Zitat von Schlüsselkind:
Ich fange bald mit dem Buch Antigirl-Boss. Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen von Nadia Shehadeh an (tolle Kolumnistin, Autorin und Soziologin!), was thematisch gut zu dem hier genannten Buch passt. Vielleicht spricht das Buch hier auch noch jemanden an. Zufälligerweise scheinen sich Till Raether und Nadia Shehadeh wertzuschätzen, zumindest aber sind sie auf Twitter vernetzt, gutes Zeichen.


Liebe Schlüsselkind, danke für den Buchtipp, hab das Buch gerade für meinen e-Reader gekauft und hochgeladen und bin gespannt!

Generell deutet sich ja in großen Jugend-Studien ein Paradigmenwandel an in den Ansichten zur LifeWorkbalance der jungen Generation Z der zwischen 1995 und 2010 Geborenen, wovon die Ältesten ja in diesem Jahr volljährig werden und die jüngsten geralde mal junge Jugendliche sind.
Angesichts von Weltkrisen und der Tatsache, dass der Trend, dass es die nachfolgende Generation immer wohlhabender haben werde als ihre Eltern, sich nun umkehrt, aber vor allem auch angesichts der Tatsache von Fachkräftemangel und der damit verbundenen großen Auswahlchancen für diese Generation, ist die neoliberale Konsum-Orientierung Für Karriere mache ich alles. gründlich vorbei und die jungen Leute sind zu Überstunden und Vernachlässigung von Privatleben nicht mehr bereit.

Habe gestern noch und in letzter Zeit immer häufiger darüber gelesen, dass sich da junge BerufseinsteigerInnen auch schon ganz anders verhalten und ihren Kopf durchsetzen gegenüber Unternehmen, die sich nun immer mehr um die raren BewerberInnen bemühen müssen und ihnen nicht mehr alles zumuten können.Generation Praktikum ist vorbei so allmählich! Gut so!

Das gilt nicht nur für Frauen.

Wenn das wirklich stimmt, tut mir das wirklich gut, einen solchen Wandel zu mehr gesundem Leben, weg vom Burnout in der Berufswelt vielleicht wirklich noch Schule machen zu sehen.

Ich gehöre ja zur Generation der Babyboomer ab Beginn der 60 er Jahre des letzten Jahrhunderts, die im Grunde während ihrer Wohlstandsjugend auch sehr für LifeWork-Balance eintrat, um auch nicht mehr so anfällig für Gehorsamsdrill zu sein wie die Elterngeneration im 2. Weltkrieg.

Als wir Riesenschub von BerufseinsteigerInnen dann allerdings auf den Berufsmarkt gingen, begann ja schon das Ende der Wohlstandsjahrzehnte nach dem Krieg und waren wir in unserer Arbeitskraftsumme natürlich dann gleich für Unternehmen ein Riesenauswahlpool, so dass die Realität dann anders aussah und dann nach Wiedervereinigung und Wirtschaftskrisen die Arbeitslosigkeit immer größer wurde.
Dann kamen Börsen und Aktien und Heuschreckenschwärme von Investoren in die Berufswelt, schließlich dann auch noch die IT-Welt, so dass alles einmal von oben nach unten umstürzte und von unseren Menschlichkeitsideen in der Berufswelt schnell nicht mehr viel übrig blieb als Überlebenskämpfe und Besitzstandswahrung.

So ist es ja der heutige schlechte Witz, dass meine Generation der Althippies als diejenigen gelten, die, nachdem sie wie nie zuvor selber jung die Chancen der Bildungsbeteiligung aller sozialen Gruppen erlebten, um dann selber heutzutage sich mit all ihren Privilegien abzuschotten und eine so hohe soziale Bildungsselektion für ihre eigenen Kinder und Enkel wieder aufgebaut haben, dass man sich schämen muss.

Wenn also meine Enkelgeneration (da ich spät Mutter wurde, gehört mein Sohn auch dazu) oder die Generation meiner Kinder in dem Punkt wieder mehr Würde als ArbeitnehmerInnen erleben dürften bei allen Belastungen, die ihnen mit globalen Weltkrisen aufgebürdet ist, dann wäre ich ja nur umso froher für sie.
Allein schon, weil sie uns dann nicht zu sehr hassen müssten, wenn sie hoffentlich dann beruflich zufriedener und wieder sozialer im Miteinander leben würden.

Und was die Emanzipation für uns Frauen betrifft, habe ich persönlich niiiiiiieeeeee kapiert, warum Doppelbelastung nur für Frauen in Beruf und Familie ein Fortschritt und vor allem eine Gleichberechtigung sein sollten?

Auf jeden Fall war ich schon immer eine Couchpotato und eine Chillosophin aus Überzeugung und auch aufgrund meiner Belastungsgrenzen und weiß eins ganz genau: So schwer auch alles war, auf meinem Grabstein steht niemals später mal unsichtbar: Vor lauter Pflichten verpasste ich meine Träume!
Weil alles sowieso immer so schwer war, hatte ich sehr schnell die Devise: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit. Denn andersrum blieb ich sitzen und kam erst gar nicht in die Gänge als ADHSlerin.

Gut, Schlüsselkind, dass du das Buch von Til Raether gelesen hast, es ist schon ein Augenöffner!

Liebe Grüße! maya60

12.03.2023 10:12 • x 1 #73


A


Hallo maya60,

x 4#14


maya60
Auch für dieses Thema hier der Hochfunktionalität trotz Depression ist es wichtig, ein eigenes Bewusstsein dafür zu bekommen im Sinne der Selbstfürsorge, um krankmachende Überforderung zu reduzieren, wie viele „kleine“ Handgriffe nebenher weder in den Alltagsplänen noch im Leistungsselbstbild mit aufgeführt werden!

Wie z.B., dass nach dem Duschen noch die Dusche geputzt wird!?

Dass beim Frühstückmachen noch vielerlei rechts und links aufgeräumt wird.

Ganz abgesehen von den ganz normalen Querschlägern vieler Handlungen: Abfluss verstopft, Handy suchen, Loch in der Hose nähen, Fehler im Manuskript finden, . . .

Diese ganzen Nebenhers summieren sich unendlich und zehren, ohne dabei sich noch als Erfolg angerechnet zu werden!

Und wenn wir dann ausgebrannt sind, dann wiegen sie richtig schwer!

24.03.2023 20:43 • x 4 #74

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