Erst einmal muss ich sagen, dass ihr, also @Turry und @yingyang und auch alle anderen, die gerade am Anfang stehen, euch wirklich erlauben solltet, euch so mies zu fühlen. Ihr seid in einer unglaublich belastenden Situation und gerade absolut im Survival-Modus. Eine Beziehung gibt uns im besten Fall gute Gefühle, Stabilität, Zufriedenheit, Ruhe, Ekstase...all das ist mit einem Schlag weg! Liebeskummer ist im Grunde wie ein Dro.entzug - das was uns gepusht hat und das worauf wir uns verlassen konnten und was uns Kraft und Freude gegeben hat, ist auf einmal weg. Natürlich tut das weh, natürlich versteht man das nicht! Und mit Sicherheit ist die Depression hier DER Auslöser und Mitspieler. Es ist also völlig ok, wenn ihr derzeit einfach nur reagiert, dass jegliche Steuerung verloren ist.
Als ich am Anfang war, konnte ich die diversen Tipps bezüglich Selbstmitgefühl, Achtsamkeit, Selbstfokus auch nur annehmen, aber nicht umsetzen. Das braucht einen Moment. Was mir geholfen hat, ist wirklich professionelle Hilfe. Ein Chat mit der Telefonseelsorge, eine Vermittlung an einen Fachmann für ein Gespräch über die Caritas, das Forum hier - das kann ich nur empfehlen und sind Dinge, die einem erst einmal helfen und das ist auch genug. Und klar dreht sich gerade alles um den Verlust, aber ihr müsst euch bemühen, aus dieser Gefangenschaft zu Befreien. Gedanken umlenken, Spazieren gehen, einen Podcast hören, Sudoku rätseln, Rezepte kochen und irgendwann hört man auf zu denken, dass man dieses Rezept ja auch mal für den anderen kochen könnte.
Denk an deine Analogie mit dem Auto, das hat unglaublich gut gepasst.
Die Frage, die sich letzten Endes stellt, ist, was es dir bringt zu wissen, dass das alles der Depression geschuldet ist. Es ist eine Erklärung und in gewissen Rahmen auch eine Entschuldigung. Fakt ist aber, dass es so nun einmal ist. Und dass es sich nicht in 2-3 Monaten wieder gelöst haben muss sondern dass es aller Wahrscheinlichkeit länger dauern wird. Der Partner oder die Partnerin muss sich gerade um sich kümmern. Es geht nicht mehr und erst recht nicht verlässlich. Was bringt dir das zu wissen, dass es die Depressionen sind? Eine Beziehung mit dem Partner jetzt im Moment und auch in der näheren Zukunft geht nicht.
Worauf du dich freuen kannst: Jeder psychische Ausnahmezustand wird sich wieder ausgleichen, auch deiner. Meine Therapeutin sagt immer, dass selbst eine Panikattacke irgendwann vorbei sein wird. Der Körper KANN es nicht aufrechterhalten. Auch in dieser Krise merkt man, dass es weniger schlimm wird. Die Frage, die du dir stellen kannst, ist ob du auch ausgelaugt sein willst, ob du dich durch diese Situation so zugrunderichten möchtest, dass du aufgibst und auch nur noch im Bett liegen kann oder ob du lieber wieder zu dir findest, diese Beziehung erst einmal aufgibst und Kraft für andere Dinge hast. Es muss ja nicht gleich die nächste Frau sein. Vielleicht gibt es beruflich etwas, das du umsetzen möchtest oder einen Wohnungswechsel oder irgendetwas anderes. Und man beginnt irgendwann anders über diese Beziehung nachzudenken, ohne dass man über sie weggekommen ist, aber einfach ruhiger und objektiver. Würdest du diese Belastung, die du gerade empfindest, noch einmal wollen? Was bräuchtest du, damit du das könntest? Kannst du beim nächsten Mal anders reagieren? Wenn ich mir ein Bein breche, ist es irgendwann verheilt (wenn wir diesen Krankheitsvergleich machen wollen zwischen psychisch und körperlich). Was ist, wenn sich deine Partnerin alle paar Monate das Bein bricht? Wie wirkt sich das auf dein Leben aus? Wie möchtest DU damit umgehen und wie kannst du das? Für mich unglaublich schwer zu begreifen: diese Krankheit wird aller Wahrscheinlichkeit wirklich jetzt zu diesem Menschen gehören. Man kann es behandeln, man kann es managen... aber diese Krankheit wird ab sofort ein Thema sein und wenn ich diesen Menschen in meinem Leben als Partner haben, wird auch die Depression meine Beziehung beeinflussen und darüber muss man irgendwann gemeinsam reden, wie man das gemeinsam händelt. Und es ist auch irgendwann so, dass man nicht einfach zurück in die Beziehung springen kann - man muss wieder zueinanderfinden, da sich die Dinge (leider) verändert haben...
Fakt ist und das wurde in beiden Fällen kommuniziert: Gerade geht nicht. Auch bei meinem Partner geht es gerade nicht. Und das ist kacke. Mich macht das persönlich nicht immer nur traurig, sondern ganz häufig auch einfach wütend. Manchmal hasse ich ihn dafür - das gebe ich zu. So nach dem Motto: wie konnte er zulassen, dass ich mich in ihn verliebe, wo er doch wusste, dass er so viele Baustellen hat und dass seit Jahren angehen wollte - war doch klar, dass es so weit kommt. Bringt mir das was? Nö. Auch ich muss meine Gefühle sortieren und dabei hilft Abstand sehr gut.
06.09.2021 15:44 •
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