Hallo zusammen,
habe jetzt etwas länger nicht mehr mitgelesen und musste einiges nachholen.
Ich finde nach wie vor bewundernswert, dass viele von euch den Weg zum seelischen Abstand gefunden haben und es euch damit wirklich besser geht. Darauf könnt ihr stolz sein!
Die Depression meines Freundes dauert jetzt bald ein Jahr an.. Falls ihr euch erinnert, wir wohnen zusammen und führen unsere Beziehung so gut es geht fort. Aber das erfordert unglaublich viel Anstrengung.. Von beiden Seiten.
Ich bin mittlerweile auch in Therapie und habe einen Therapeuten gefunden, der mir wirklich gut tut, bei dem die Chemie stimmt und der unglaublich kompetent ist. Da bin ich total froh drum.
Allerdings hat dieser mir letzte Woche eine mittelschwere Depression diagnostiziert.
Ich war zunächst etwas verwirrt und das hatte er bemerkt, sowie nach dem Grund meiner Irritation gefragt. Naja.. Jetzt merke ich wirklich, dass Depressionen viele Gesichter haben kann. Die Symptome wie Antriebslosigkeit, verminderte Aktivität und der Verlust der Verbindung zu einem Selbst, bleiben wohl ähnlich. Allerdings suche ich immer noch, zwar etwas vermindert, aber doch noch aktiv, die Nähe meines Partners. Er ist ja in einigen Bereichen doch sehr erkaltet.
Zu unserer Lage.. Gebessert hat es sich nicht wirklich. Wobei ich mittlerweile durch meine Co-Depression vieles wohl selbst nicht mehr klar sehen kann. Ich bemerke die Tage, an denen er durch den Türspalt der Depression herausschaut und etwas Schönes tut. Aber ich kann es nicht mehr fühlen. Ich habe den Entschluss gefasst, mir das jetzt immer situationsbedingt aufzuschreiben, wenn er mal wieder mehr er selbst ist. Klingt irgendwie banal.. Aber es hilft mir, Dinge nachzulesen und mir zu verinnerlichen.
Vor ein paar Wochen, als ich mal wieder weinend zuhause saß, weil er etwas gemacht hatte, was mich verletzte, fragte er mich, ob für mich eine Pause in Frage käme. Ich bekam Panik, aber er erklärte mir daraufhin, dass ich wüsste, dass er immer ehrlich wäre und hätte er die Pause gewollt, hätte er das schon unabhängig von meiner Meinung dazu kommuniziert. Es wäre nur wiefolgt: ich könnte ihn anmeckern, wie es mir beliebt. Damit käme er klar. Aber nicht damit, zu sehen, wie schlecht es mir wegen seinen Depressionen geht. Und dass ihn selbst das im Umkehrschluss noch mehr mit runter zieht und noch mehr Selbstvorwürfe schürt, wodurch es ihm noch schlechter geht. All das, was ich durch euch ja schon gelesen habe.
Ein paar Tage später saß ich oben alleine im Bett und mir war einfach mal nach weinen zumute. Ich halte das oft viel zu lange zurück und an solchen Tagen prasselt es dann aus mir raus.
Er kam hoch und hat mich gefragt, was los wäre. Hat mich gestreichelt. Die Kinder waren zu dem Zeitpunkt zweieinhalb Wochen am Stück da und es ist so, dass er mit ihnen noch ähnlich liebevoll umgehen kann wie vorher. Nicht ganz, aber etwas. Mich lässt er währenddessen links liegen.. Und er hat mir auch schon kommuniziert, dass er das nicht absichtlich macht. Aber ich habe ihm erklärt, dass mich das an meine Grenzen gebracht hat. Dass ich weiß, dass er nichts dafür kann und er ein wundervoller Vater ist. Seine Reaktion war, dass er mich zwei Mal auf die Stirn geküsst und in den Arm genommen hat. Danach gab er mir nochmal einen Kuss auf den Mund.
- daran muss ich festhalten. Die Liebe ist da. In solchen Momenten spüre ich sie. Und er wohl auch. Aber das hält nicht lange an und dann ist er der alte, von Depressionen gefangene Mensch.
Ich habe ihm klar gemacht, dass das nicht das ist, was ich für richtig halte. Er meinte, er wöllte die Pause auch nicht, wollte mir die Möglichkeit aber wenigstens einräumen.
Vor ein paar Monaten sagte er mir morgens beim Aufwachen, dass er befürchtet, dass er die nächsten Monate keine vernünftige Beziehung wird führen können - und ich weiß das und spüre das mittlerweile auch.
Es gilt, so, wie ich das hier schon gelesen habe, einen Umgang zu finden, der uns durch die Depression hilft. Als Paar. Es ist verdammt schwer. Und mittlerweile gibt es bei mir, durch die nun eigene Erkrankung, häufiger Tage, an denen ich keine Hoffnung greifen kann.
An manchen Tagen widerrum geht es und ich fühle mich ganz okay.
Ich weiß, dass das nicht er ist. Er weiß es auch, er hat es neulich erst gesagt. Und trotzdem mache ich ihm manchmal Vorwürfe für sein egoistisches, von mir abgewandtes Verhalten. Ich kämpfe immer noch damit, das abzustellen, habe aber warum auch immer Probleme damit. Ich weiß, dass man das Verhalten depressiver Menschen nicht persönlich nehmen darf, weil es so auch nicht gemeint ist. Dennoch fällt es mir immens schwer. Dann sitze ich oft da und bin verletzt. Manchmal fehlt mir die Kraft, meine Gedanken auf die Kränkung zu lenken.
Aber wir sind immer noch da. Nach einem Jahr Depressionen und jetzt nun auch von beiden Seiten. Wir sind immernoch da, obwohl wir zusammen leben. Er schafft es immer noch ab und zu, sein richtiges Ich durchblitzen zu lassen. Wenn auch sehr abgeschwächt. Aber er ist noch irgendwo da.
Trotzdem.. An vielen Tagen ist die Krankheit einfach nur schei.. Und es wäre schön, wenn es ihm jetzt bald mal etwas besser gehen würde. Wir hätten es verdient. Vor allem aber auch er. Oft bin ich damit überfordert. Aber gehen kommt für mich nicht in Frage.
LG an euch alle und einen dicken Drücker,
radysa
01.09.2021 18:57 •
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