
maya60
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Zitat von Ylvi13:Guten Morgen,
als ich aus dem Loch langsam aufgetaucht bin, hat auch mein normales Denken wieder eingesetzt. Also ich habe die Dinge zunehemend so gesehen, wie sie sind und nicht depressionsbehaftet.
Irgendwie war mir auch klar, dass die Welt nicht wegen meiner Depression stehengeblieben ist. Im Gegenteil, um nicht selbst krachen zu gehen, hat mein Mann weitergelebt, mit allem was dazu gehört. Und wir haben soweit es jedem möglich war dafür Sorge getragen, das meine Tochter ein glückliches Kinderleben hat. Ihr MÜSST so leben und handeln , dass es euch so gut wie möglich geht, mit Distanz zur Depression. Bei uns hat sich alles wieder zusammengefügt, ich habe ja auch erst langsam wieder angefangen zu leben.
Liebe Ylvi, ja, das ist ein ganz wichtiger Fakt! Die Depression, wenn man sie behandelt und die Selbstverantwortung voll behält, ist zwar eine Krankheit, die Denken, Fühlen, Reden und Handeln betrifft, aber wenn man nicht gerade in einer akuten Episode ist, kann man klar und sachlich seine eigene Situation und die von Partner und ggfs. Kindern sehen und so gut wie möglich begleiten.
Dabei ist es sehr wichtig, dass jeder er selber sein kann und das auch, ohne rücksichtslos zu werden, ausleben kann.
Da das richtige Maß an gegenseitiger Anteilnahme am Leben des Partners zu dosieren, ist für beide Partner auch eine Aufgabe, die sich einspielt, aber auch viel Zeit, Selbsterkenntnis und Geduld braucht, auch um emotional und seelisch mitzukommen.
So habe ich aus leidvoller Erfahrung mit meinem depressiven Opa und meiner depressiven Mutter schon früh gelernt, dass es ein Horror wird, wenn die Kranken verlangen, dass sich alles nach ihnen drehen muss. Mein erstes Zählen als Vorschulkind habe ich mit den unzähligen farbigen Pillen meines Opas gelernt, die ich mit Stolz für die nächste Woche in ihre Fächer einsortierte. Und selbst der Hund war so von diesen Pillen fasziniert, weil mein Opa alles rund darum mit großem Auftritt öffentlich in der Küche direkt zelebrierte, so dass unser Hund mal heimlich auf die Fensterbank gesprungen ist, sie gefressen hat und dann trotz Magenauspumpen einen Tag lang schlief, bevor er mit eingezogenem *beep* immer unter den Tisch flüchtete, wenn mein Opa nur seine Pillendosen in die Hand nahm.
Aber Spaß beiseite: Weder darf das Haus ein Krankenhaus werden, weshalb ich meine Depressionsangelegenheiten selbstverantwortlich regle, meine eigenen Räume neben den gemeinsamen für meine Krankheitsbedürfnisse habe und lieber hier im Forum alle Veränderungen und Schmerzen detailliert bespreche als sie meinem Mann in epischer Breite darzulegen in täglicher Bauchnabelbeschau - noch darf der kranke Partner die Psychotherapeutin für ihren gesunden Partner darin ersetzen, alle Veränderungen, Verluste, Schmerzen und Belastungen durch den kranken Partner in epischer Breite täglich hören zu müssen und womöglich noch als Vorwurf, denn Schuldgefühle wegen der eigenen Krankheit, mehr Mitleid mit dem Partner als mit sich selbst laufen auch in die falsche Richtung.
Aufgrund der Behinderung unseres Sohnes und die Eigenbrötlerei meines Nerd-Mannes war nur immer ich für Besuche von und Besuchen bei Freunden und Verwandten früher zuständig und da hatten mein Mann und seine Familie hohe Standards, die mein Mann selber gar nicht erfüllen konnte und ich darum übererfüllte, im Nachhinein auch ein Blödsinn, aber anderes Thema.
Nun bin ich auch eine Eigenbrötlerin und nicht nur ich, sondern auch mein Partner musste sich einige bittere Wahrheiten über seine eigenen Grenzen eingestehen statt sie auf mich zu projizieren.
Und so ist unser Haus heute ein Eigenbrötlerhaus und nicht nur wegen meiner Krankheit. Aber Sohni ist gerade dabei, das ein bisschen zu verändern mit seiner Barrista- und Backliebe, womit er wohl selbständig demnächst Freunde ab und an bewirten wird. Alles gut.
Eine solche schwere Erkrankung geht tief in die Rollenverteilung eines eingespielten Paares hinein und nicht nur der kranke Partner erfährt über sich Dinge, die er eigentlich so genau gar nicht wissen wollte.
Liebe Grüße! maya