@sylvinchen
hallo, Sylvi,
ja, das mit den Depressionen ist schon so was. Gerade im Tagebuch hab ich das sehr eindrücklich beschrieben, schreibe es vlt. nochmal in kurzen Zügen:
Meine Mutter war schwierig- jetzt im Rückblick würde ich sagen, sie war psychisch krank und depressiv. Wir wohnten in einem Weinbaugebiet und machten Wein auch selber. Wenn mein Vater mal beruflich 2 Tage unterwegs war, kam es öfter vor, dass sie mit einer Weinflasche an ihrer Nähmaschine saß. Gekocht hat sie dann nicht und wenn ich von der Schule kam, sagte sie oft: Schmier` dir halt ein Brot (O-Ton) Sie lebte da in ihrer eigenen Welt. Sie handarbeitete u. nähte auch unglaublich gut- war auch, was unser Haus u. Garten betraf, unglaublich kreativ. Aber diese dunklen Mächte waren eben auch da. Zu dieser Zeit sprach man nicht offen über sowas und schon gar nicht in dem kleinen Wohnort. Mit ca. 14 Jahren, hab ich ihr mal gesagt, dass ich wahrscheinlich Depressionen hab- da hat sie mir einen Spaten in die Hand gedrückt und ließ mich bis abends den Garten umschoren. Irgendwie war dieses Thema dann für mich lebenslang ein Tabu, über das man einfach nicht sprach. Ich bin für jeden Menschen dankbar, der seine D. mit Medis in den Griff bekommt, ich selbst lehne sie für mich ab. Ich sehe es als Eingriff in meine Seele, zu der eigtl. nur der Schöpfer Zugriff hat. Er hat sie erschaffen und er wacht darüber bis er sie zu sich ruft. Wie gesagt, das gilt jetzt nur für mich! Zu allen Zeiten gab es Menschen, die seelisch litten u. mit Sicherheit depressiv waren- man sagte damals die sind halt melancholisch. In der Regel griffen sie gern zum A. um diese Dunkelheit wegzudrücken. Ich hatte leider auch Phasen, in denen ich gefährdet war, zum Glück hab ich das aber überwunden. Die äußeren Umstände waren damals schwieriger als heute. Meine Tochter zeigt manchmal Wesenszüge meine Mutter, d.h. auch sie ist unglaublich happy, wenn sie kreativ sein kann. Sie und der Schw.-Sohn haben hier am Haus unglaublich schöne Sachen kreiert, heißt: der Schw.-Sohn hat den Innenbau fast alleine gemacht, S. meine Tochter, hat gestrichen, tapeziert, Lampen, Wandbehänge (Makramé) u. Vorhänge genäht und exotische Büsche, Bäume und Pflanzen angebaut. Sie liebt Antikes und wenn man in ihr Wohnzimmer kommt, meint man, man betritt ein Museum- alles wirklich toll u. gemütlich. Aaaaber manchmal spüre ich auch so einen altbekannten dunklen Gesellen aus meiner Kindheit! Manchmal beten wir zusammen oder musizieren (sie Klavier, ich Gitarre), die altbekannten Lieder aus der Gemeinde. Ja, Gemeinde ist natürlich auch wichtig. Hier am Ort haben wir eine große russlanddeutsche freie Gemeinde, alle unglaublich musikalisch (viele waren in Russland auf dem Konservatorium und haben Musik studiert) - sie spielen jeden Sonntag im Orchester beim Gottesdienst, auch der Chor ist phantastisch, da gibt`s fast kein Kind das kein Instrument lernt. Das ist ein unglaublich großes Privileg, auch was Gemeinschaft anbetrifft. Eigentlich ist da immer eine Unternehmung in der Gemeinde, es wird viel gefeiert oder man fährt zusammen in Urlaub. Gerade meine S. ist unglaublich dankbar für diese familiäre Gemeinschaft. Wir wohnen ja erst seit ca. zweieinhalb Jahren hier im neuen Haus zusammen, vorher lebten meine Jungen 2 h Autofahrt entfernt. Da hat sie mit Sertralin angefangen und nimmt es bis heute. Als Beobachter würde ich sagen, bei körperlicher Aktivität fühlt sich ein Depressiver besser. Ist das nicht so ? Auf der Couch liegend stundenlang erzeugt nicht gerade ein fröhliches Gesicht. Man fragt sich, was war zuerst da: Kraft-u.Mutlosigkeit-- Couch oder erzeugt die Couch die D. ? Keine Ahnung. Ist vlt. auch bei jedem Menschen anders und die Gene spielen natürlich auch noch mit.
Auf jeden Fall wünsche ich Dir aber jetzt eine schöne Adventszeit und sollten wir nichts mehr vor Weihnachten voneinander lesen, dann auch wunderschöne Feiertage.
Herzl. Grüße
F.
20.12.2022 19:24 •
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