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Perfektionistisch in der Ausbildung mit Depressionen

A
Hallo,

ich bin seit mehreren Jahren an Depressionen erkrankt, die mal mehr und mal weniger deutlich zum Vorschein kommen.

Seit 2014 habe ich ein myoklonus faciales links das bedeutet, das ich seit dem 24 Stunden ohne Unterbrechung ein zucken in der linken Gesichtshälfte habe. Dieses zucken ist aber für Außenstehende nicht immer sichtbar, da ich es seit drei Jahren mit Botox behandelt bekomme und wenn das Zucken von außen wieder stärker sichtbar ist lasse ich mir neues Botox spritzen. Durch das Zucken hat sich meine Depression erst entwickelt, da ich von der Gesellschaft sehr stigmatisiert worden bin, in der Schule gemobbt wurde und durch meine Erkrankung schmerzlich feststellen musste, wer zu meinen richtigen Freunden gehört und dies waren nicht viele.

Momentan geht es mir eigentlich ganz gut, doch seit Freitag merke ich, dass ich immer mal wieder in eine Gedankenspiele reinrutsche.

Ich mache zur Zeit eine Ausbildung zur Erzieherin und befinde mich im Anerkennungsjahr. Ich bin eine sehr gute Schülerin und plane Lehrerbesuche bis auf das kleinste Detail und in verschiedenen Varianten durch, damit ich gut vorbereitet bin. Meiner Lehrerin fällt mein Perfektionismus auch auf und sie hat es am Freitag im Lehrerbesuch angesprochen. Der Besuch war sehr gut ich hätte nur den Kindern etwas mehr Raum zum Mitdenken geben können, aber dies war auch der Zeitbegrenzung von 30 Minuten geschuldet, dass ich dies nicht gemacht habe.

Im Reflextionsgespräch ist meine Lehrerin noch einmal auf meinen Perfektionismus eingegangen und hat gesagt, dass ich etwas spontaner sein soll und mich auch mal darin üben soll, dass Sachen schiefgehen können. Dies hat aber direkt Druck bei mir ausgelöst und ich habe gemerkt, dass meine Schutzfunktion der Perfektionismus den ich mir über die Jahre, in denen ich an Depressionen erkrankt bin, aufgebaut habe um keine Angriffsfläche zu bieten nicht gut ist, das merke ich aber auch oft im Alltag da Perfektionismus auch ganz viel Kraft bedeutet wenn man alles genau und super machen möchte.

Als meine Lehrerin dies angesprochen hat habe ich versucht meine Gefühle zusammen zu behalten, doch ich musste anfangen zu weinen. Diese Situation hat meine Lehrerin dann etwas überrascht, da sie mich so gar nicht kennt und hat nur gesagt, das würde ihr jetzt leid tun, sie wusste nicht, dass mich das so berührt was sie angesprochen hat. Meine Betreuungslehrerin und auch kein anderer Lehrer an meiner Schule wissen von meiner Erkrankung, ich habe es immer verschwiegen, weil ich nicht als depressiv und nicht belastbar abgestempelt werden wollten. Meine Leitung und Anleitung aus dem Kindergarten waren dabei und kennen auch meine Krankheitsgeschichte, weil ich sie schon mehrere Jahre kenne und die Leitung eine Freundin meiner Eltern ist. Die Leitung hat dann nur gesagt, dass sie für mich da glaubt sie sprechen kann, dass ich es selber weis, dass mir in manchen Dingen der Perfektionismus oft im Weg steht.

Jetzt habe ich ein ganz schlechtes Gefühl, dass ich in dem Gespräch angefangen habe zu weinen und habe jetzt Angst, dass ich meinen Perfektionismus ganz ablegen soll, wodurch ich auch meine Sicherheit, die ich mir selber aufgebaut habe aufgeben muss. Dies bereitet mir auf der einen Seite große Angst. Auf der anderen Seite weiß ich aber auch selber, dass mir der Perfektionismus oft im Weg steht und habe daran auch schon mit einer Psychotherapeutin gearbeitet, die momentan leider aber in Elternzeit ist. Das Ablegen des Perfektionismus sehe ich rational auch in vielen Dingen als sinnvoll an aber ich habe Angst, dass dies alle meine Gefühle dann zum Vorschein bringt, da ich eigentlich eine sehr sensible Person bin, die sich hinter der Mauer der Perfektion verbarrikadiert.

Ich überlege ob ich mit meiner Lehrerin mal über die Situation reden soll und ihr meinen Perfektionismus mal erklären soll, was er in den letzten Jahren bewirkt hat.
Nun bin ich mir aber sehr unsicher ob ich diesen Schritt machen soll oder nicht. Vielleicht hat einer von euch hier eine Idee und könnte mir helfen, ich bin momentan echt verzweifelt und grübel viel darüber nach.

Vielen Dank schon mal, dass ihr euch die Zeit genommen habt meine Geschichte zu lesen.

28.09.2020 21:41 • #1


Albarracin
Experte

28.09.2020 21:59 • x 2 #2


A


Hallo AnKo,

Perfektionistisch in der Ausbildung mit Depressionen

x 3#3


Lost111
Hallo AnKo,

Perfektionismus kennt hier jeder auf die eine oder andere Art. Die Frage stellt sich nur: MUSS man perfekt sein?
Auch ich bin dem (leider) erlegen, aber ich versuche, die Mechanismen zu enträtseln, die mich dahin geführt haben.
Und: niemand muss/sollte sich schämen zu weinen. Was auch wieder so eine Sache ist...

Zitat:
Ich überlege ob ich mit meiner Lehrerin mal über die Situation reden soll und ihr meinen Perfektionismus mal erklären soll, was er in den letzten Jahren bewirkt hat.


Sicherlich wäre das eine gute Option, denke ich. Dazu gehört viel Mut, keine Frage. Aber es könnte auch Klarheit schaffen. Andere sehen dich dann mit anderen Augen und können dich vllt. besser verstehen. Das ist meiner Meinung nach nichts negatives. Trau dich...!

Niemand sollte sich seiner Gefühle schämen müssen, denn sie sind menschlich. Warum hast du die Angst, sie zu zeigen? Wahrscheinlich ist es die Angst vor Ablehnung/Entwertung.

LG Lost111

28.09.2020 22:06 • x 1 #3


A
Hallo Lost111,
vielen Dank für dein schnell Antwort. Du hast mir gerade Mut gemacht und mich etwas darin bestärkt diesen Schritt zu wagen und darüber zu sprechen.

Ich schäme mich dafür mein Gefühle zu zeigen, weil es mir 2014/2015 zu Beginn meiner Erkrankung gezeigt hat, welche negativen Auswirkungen es haben kann Schwäche zu zeigen. Ich habe fast alle Freunde verloren, weil sie mit mir nichts mehr zu tun haben wollten weil ich nicht mehr die starke war die für alle da ist, ich habe dadurch meinen Traumberuf erst mal an den Nagel gehangen Lehramt zu studieren weil ich mein Abitur ein halbes Jahr vor der Prüfung abbrechen musste und habe nach harter Arbeit insgesamt 3/4 Jahr in der Psychiatrie meinen neuen Weg gefunden den ich momentan gehe und habe mich dazu entschieden erst mal eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen und vielleicht danach meinem alten Traumberuf wieder zu verfolgen.

28.09.2020 22:14 • #4


Lost111
Zitat:
ch habe fast alle Freunde verloren, weil sie mit mir nichts mehr zu tun haben wollten weil ich nicht mehr die starke war die für alle da ist, ich habe dadurch meinen Traumberuf erst mal an den Nagel gehangen Lehramt zu studieren weil ich mein Abitur ein halbes Jahr vor der Prüfung abbrechen musste und habe nach harter Arbeit insgesamt 3/4 Jahr in der Psychiatrie meinen neuen Weg gefunden den ich momentan gehe und habe mich dazu entschieden erst mal eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen und vielleicht danach meinem alten Traumberuf wieder zu verfolgen.


Da frage ich mich nur, waren das wirklich FREUNDE?

Aber sieh es doch mal so: du hast deinen Weg gefunden! Es war ein harter Weg bis dahin - aber du hast es geschafft!
Darauf kannst du wirklich stolz sein, ganz ehrlich! Glaub an dich!

LG Lost111

28.09.2020 22:23 • x 1 #5


buddl1
manchmal reicht ein Wort, ein Satz aus
und unsere selbst gebaute Mauer bricht zusammen und
was andere dann bei uns nur sehen,
das weinen und ja wir können dagegen in diesem Moment, nichts tun...

dein dir zurecht gelegte Weg im Perfektionismus, den hast du sich bereits wieder
voll aufgebaut und ja
er schützte dich bisher und wird es auch weiter tun.

schau,
die jetzige Arbeit erfüllt dich doch,
Kritik übte man doch nur weil eben nicht alles perfekt sein kann
und sei es eben der Zeitfaktor,
sei dir versichert, irgendetwas wäre auch so gefunden worden
und du vergisst dabei, das du nahezu ein perfektes Programm abgeliefert hast.
ich weiß nicht,
ob es wirklich immer dienlich nicht, sich jedem zu erklären
warum man eben so ist,
mir jedenfalls half es nie, es machte einen angreifbar und letztlich
wurde die eigene Mauer nur höher und breiter...

erkläre dich dahingehend, dass die Anerkennung und ja das war sie doch,
eben dich gefühlsmäßig ausbrechen ließ
letztlich hast du ein Ziel reicht und da darf man auch mal etwas heraus lassen.
und danach,
legst du neue Mauern für dich fest,
oder eben lernst von denen die dich umgeben.
die Kinder sie zeigen dir, was Unbekümmertheit
und im Chaos möglich ist.
aber vor allen, wenn sie dir zeigen, dass nicht jeder immer
das tut was er muss und dich dabei dennoch anstrahlt
weil es eben nicht perfekt ist...
buddl1,

29.09.2020 07:00 • x 1 #6


111Sternchen222
Zitat von AnKo:
Jetzt habe ich ein ganz schlechtes Gefühl, dass ich in dem Gespräch angefangen habe zu weinen und habe jetzt Angst, dass ich meinen Perfektionismus ganz ablegen soll,

Guten Morgen! Ich glaube dass Perfektionismus an sich nichts ist für das man sich schämen muss, es ist nur die Frage in welchen Lebensbereichen er vielleicht fehl am Platz ist.
Denn im Kindergarten, einem Raum von Schutz, Entwicklung und Autonomie ist Perfektionismus ein schlechter Ratgeber. Kinder sind nicht Perfekt nach unseren Maßstäben, und doch machen sie alles was sie tun aus gutem Grund. Wenn dir der Perfektionismus in Weg steht flexibel auf die Kinder zu reagieren muss die Lehrerin dir das sagen, denn den Kindern nicht genug Raum geben um selbst mitzudenken ist ja etwas grundsätzliches,etwas weshalb sie in den Kindergarten gehen. Du kannst ein Bildungsangebot noch so strikt planen, aber das einige was sicher ist,ist, dass nichts sicher ist. In anderen Lebensbereichen darfst du ungehemmt pefektionistisch sein, aber immer nur soweit, dass du damit niemanden anders in Meinung und Entwicklung beschneidest.
LG Sternchen

29.09.2020 07:27 • x 1 #7

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