Oh je, liebe Nickse,
ich bin nicht unterhaltsam heute. Ich mache halt meine Sachen, damit es daheim weitergeht, weil es niemandem etwas nützen würde, wenn ich nun meinen normalen Tagesablauf auch noch außer Acht ließe. Bin voller Traurigkeit und Mitleid. Unsere Tochter ist vor einigen Stunden wieder bei uns eingezogen nach 5 Jahren mit ihrem Partner. Bei mir ist alles gleichzeitig: Staunen, dass S. nebenbei immer wieder lachen kann, dass sie sich sattgegessen hat beim Abendessen, wo ich eigentlich dachte, dass sie vor lauter Kummer gar nichts essen kann. Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich höre, dass S. von ihrer verlassenen Wohnung von daheim spricht und sich dann gleich verbessert. Mein Vorstellungsvermögen möchte in ihren Kopf kriechen und nachforschen, wie sie sich fühlt, so vertraut bei uns und so verlassen von ihrem Partner. In mir ist Furcht, dass sie sich total zusammenreißt, und es nur noch einen Windhauch braucht, um ihr Kartenhaus komplett einstürzen zu lassen. Ich bin erschöpft, denn bisher wusste ich immer, dass nach ihrem lieben Besuch bei uns auch wieder Ruhe und Zweisamkeit einkehrt. Das ist nun ganz anders und es überfordert mich bereits. Dazu das Zuhören, Trösten, Bestätigen, Beruhigen, Mitweinen, Umarmen.
Viele Dinge, die mich stressen, sind hausgemacht von mir. Niemand verlangt von mir, die Tochter ständig beobachten zu müssen. Niemand verlangt von mir, heute Nacht wach zu bleiben. Niemand verlangt von mir, meine Tagesgestaltung plötzlich drastisch zu verändern. Niemand sagt mir, dass ich mit S. mithoffen muss. Es ist wie ein Zwang aus meiner Mitte seit so vielen vielen Jahren.
Ein Satz hilft mir ein bisschen weiter: Mit jedem Schritt, den man geht, erlebt man die Welt neu.
Auch als F. und ich bis gestern noch alleine waren, war die Welt auch nicht fest, so wie ich es glaubte. Und all die Tage zuvor auch. Schon immer in Veränderung mit jedem Schritt.
Ich wünsche mir Kraft, nicht wieder vor der ganzen Trauer wegzulaufen oder wegzuschauen, sondern diesen Prozess voller Vertrauen in mich und unsere Tochter zu durchlaufen. Sie ist so tapfer. Sie hofft, dass es nur einer räumlichen Trennung bedarf, um mit St. wieder zusammenzukommen.
12.05.2019 20:08 •
x 4 #865