Nicht wissen ob es real ist - Dissoziation

David Spritz
Manchmal würde ich auch gerne vergessen können, wer, wo oder wann ich bin. Oft gelingt mir das nicht mal in einer Entspannungsübung, geschweige denn im Alltag, also das genaue Gegenteil von Dir. Auch das kann manchmal belastend sein.

Das mit der selektiven Amnesie kenne ich ebenfalls, allerdings nicht so, wie Du es beschreibst. Es sind eher bestimmte Zeitpassagen aus meiner Kindheit, die komplett ausgeblendet sind und an die ich mich nicht erinnern kann, egal wie sehr ich mich anstrenge. Wohl auch eine Art Trauma! Haben aber viele Menschen, hab ich gelesen.

Hast Du mal Übungen versucht, die die beiden Gehirnhälften in Kontakt miteinander bringen? Tai Chi kann da hilfreich sein. Oder im Fernsehen hab ich mal gesehen, wie ein Psychologe einen traumatisierten ehemaligen Soldaten mit schnellen Recht-Links-Bewegungen der Augen an sein Trauma herangeführt hat, damit er es verarbeiten konnte.

Was das Nicht-Wissen-ob-es-real-ist angeht, so hatte ich während meiner ersten schweren Depression ähnliche Probleme, und zwar in Bezug auf meine Ängste. Ich saß zum Beispiel in der Regionalbahn oben, das Fenster war eine Spalt offen, und ich hatte Angst, dass mir ein Kieselsteinchen durch das Fenster genau in mein Auge fliegen könnte und ich erblinde. Ich konnte nicht unterscheiden, ob diese Angst berechtigt oder übertrieben war. Also schrieb ich sie mir auf und wartete ab, bis die Angst vorbei und ich wieder einigermaßen klar war und las mir dann alle Notizen noch mal durch. Dann konnte ich beurteilen, was real war und was nicht, und wenn die Angst das nächste Mal kam, hatte ich ihr was entgegenzusetzen. Die Schriftform kann manchmal Wunder bewirken. Wenn Du auch solche klaren Momente hast, würd ich das vielleicht mal ausprobieren! Schaden kann es ja nicht.

05.09.2011 22:04 • #1


David Spritz
Wart mal ab, bis Du das in ein paar Jahren liest, was Du in Dein Büchlein geschrieben hast! Wenn ich mir z.B. heute mein Büchlein von 2004 durchlese, wird mir plötzlich so Einiges klar, was damals für mich noch völlig im Verborgenen lag.

08.09.2011 22:07 • #2


A


Hallo David Spritz,

Nicht wissen ob es real ist - Dissoziation

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David Spritz
Hi Fakefur!

Da ich momentan auch ziemlich mit der Vergangenheit beschäftigt bin, habe ich über Deine Worte übers Vergessen noch mal nachgedacht. Robert Betz behauptet ja: Ohne Deine Vergangenheit bist Du sofort frei.

Der Weg dorthin führt aber nicht übers vergessen, verdrängen, betäuben oder ablenken, sondern einzig übers Erinnern. Nur wenn wir uns an unsere Vergangenheit erinnern, können wir mit ihr unseren Frieden machen. Und nur wenn wir mit der Vergangenheit unseren Frieden machen, können wir sie loslassen und sie darf gehen. Wenn wir das geschafft haben, dann sind wir wahrhaft frei, daran glaube ich ganz fest.

09.09.2011 21:48 • #3


David Spritz
Vielleicht hast Du Recht, und es gibt Fälle, in denen die Vergangenheit dermaßen schlimm war, dass ein Menschenleben nicht ausreicht, um sie zu überwinden! Und vielleicht bist Du ja so ein Fall, ich kenne Deine Vergangenheit kaum. Ich fand meine Kindheit sehr schlimm, aber ich wurde weder blutig geprügelt noch vergewaltigt oder misshandelt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie ich mich dann jetzt fühlen würde.

Aber mit der psychischen Krankheit ist es ganauso wie mit der Vergangenheit: Wenn man sich nur bemüht, sie irgendwie wegzukriegen, dann stärkt man damit eher ihre Macht. Man muss sie als Teil seines Lebens, als Teil seiner Persönlichkeit akzeptieren und aufhören, dagegen anzukämpfen, nur das wird sie lindern.

Den Marathon-Vergleich Deines Therapeuten finde ich ziemlich entmutigend. Aber Therapeuten sind auch nur Menschen und haben nicht immer Recht. Wer weiß, vielleicht werden wir nie den Marathon gewinnen oder auch nur eine akzeptable Zeit hinlegen. Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht teilnehmen dürfen. Man muss halt lernen, kleinere Brötchen zu backen, aber das heißt nicht, dass wir die Dinge, die normale Menschen tun, nicht auch tun können. Es fällt uns halt nur alles ein bisschen schwerer. Aber gar nicht erst teilnehmen oder aufhören, wenigstens davon zu träumen, das ist nicht mein Weg. Ist es Deiner?

10.09.2011 12:48 • #4


JeanLucca
Hallo.

Zitat von Fakefur:
Ich bin heute an einem Punkt an dem ich denke, ich bin jetzt krank. Ich bin für immer krank. Nur die Art des Umgangs wird anders. Ich versuche das nicht mehr als von mir abgetrenntes, mich heimsuchendes Etwas zu betrachten, das weg gemacht gehört. Sondern als einen Teil von mir. Das zu erkennen und umzusetzen ist schwer,
Ja, genau so denke ich auch. Die Art des Umgangs - das trifft es gut.

Zitat von David Spritz:
... und es gibt Fälle, in denen die Vergangenheit dermaßen schlimm war, dass ein Menschenleben nicht ausreicht, um sie zu überwinden!
Das sehe ich bissi anders. Denn sich mit anderen vergleichen hilft nicht, weil ich immer jemanden finde der meine Geschichte noch toppen kann.
Ich glaube das jeder ein und dieselbe Situation ganz anders empfindet, beurteilt, verarbeitet. So wie meine Nachbarin noch in 30 Jahren darüber erzählen wird das der Sommer dieses Jahr verregnet war und ich das gar nicht so empfunden habe. Es kommt gar nicht darauf an was ich erlebt habe, sondern darauf wie ich damit umgehe.

Lieben Gruß, JeanLucca

10.09.2011 13:18 • #5


David Spritz
Some broken hearts never mend, sang einst Don Williams. Und er hat Recht, einige gebrochene Herzen werden niemals heilen.

Einige aber schon!

10.09.2011 15:20 • #6


M
Hast Du das schon mal von einem Neurlogen untersuchen lassen? Es könnte auch organische Ursachen haben. Vielleicht mal abklären lassen?

15.09.2011 13:55 • #7

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