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Ich fürchte, ich bin für immer allein

M
Mir gehen gerade sehr viele Dinge durch den Kopf, aber ich fange mal mit dem an, was mich am meisten beschäftigt.

Ich bin ein recht anstrengender Mensch und sehr wählerisch, was mein Umfeld angeht. Würde mich auf jeden Fall als introvertiert und vielleicht auch als Einzelgänger bezeichnen. Soweit ich mich erinnere, hatte ich immer Probleme damit Anschluss zu finden.

Im Laufe der Zeit habe ich trotzdem einen Freundeskreis aufbauen können, den ich als meine Familie betrachte (da ich keine mehr habe). Meine Freunde teilen meine manchmal seltsamen Ansichten größtenteils, so sind wir eigentlich alle überzeugt, für immer befreundet zu bleiben, da wir eben Familie sind und eine besondere Freundschaft pflegen.

Nun kommen wir zum eigentlichen Problem. Ich fühle mich in meinem Freundeskreis nicht mehr wohl. Ich fühle mich nicht verstanden oder wie Teil der Gruppe, ich habe das Gefühl nicht mitreden zu können oder nicht genug für meine Freunde zu sein. Wir entwickeln uns alle immer mehr auseinander und während meine Freunde zu offenen, selbstbewussten Personen werden bin ich immer öfter eingeschüchtert von ihnen oder sogar neidisch.

Ich habe nebenbei schon versucht, auch andere Menschen kennenzulernen, aber jetzt bin ich überzeugt niemals jemanden zu finden, der mich so gut versteht wie mein aktueller Kreis. Und deswegen würde ich alles dafür tun, mit ihnen befreundet zu bleiben. Aber es fühlt sich einfach nicht mehr gut an.

Und warum das genau so ist, weiß ich auch nicht, weil diese Beziehungsprobleme richtig anfingen, als ich Depressionen bekam und ich nicht sagen kann inwiefern das noch das übliche Zurückziehen meinerseits ist oder ob ich durch die Krankheit erst realisiert habe, dass ich nie wieder irgendwo richtig reinpassen werde und von jetzt an allein bin.

01.11.2020 09:29 • x 2 #1


S
Bist du ich? Ich finde mich in vielen der Dinge, die du beschrieben hast, selbst wieder.

Probleme damit, Anschluss zu finden? Check.
Nicht so richtig in einen Freundeskreis passen? Check.
Neid? Sowas von Check.

Warum glaubst du, dass du anstrengend bist? Das ist ein relativer Begriff, d. h. jede*r definiert das für sich anders. Ich finde z. B. Menschen anstrengend, die sich ständig ins Bild drängen müssen. Oder solche, die mich zutexten und nicht zu Wort kommen lassen. Es gibt durchaus Menschen, die mit Introvertierten kaum Geduld haben und sie daher als anstrengend empfinden, dafür aber mit den Drängler*innen gut klarkommen. Das ist aber nur eine Meinung und nichts Absolutes.

Mangels Details kann ich nicht sagen, ob es für dich mehr Sinn macht, deinen Freundeskreis zu behalten oder ihn zu wechseln. Hast du deine Situation bereits offen angesprochen? Nicht vor der ganzen Gruppe, aber mit einzelnen Leuten? Vielleicht ist eine dieser Personen bereit, dir etwas mehr entgegenzukommen. Da könnte es helfen, dir im Vorhinein zu überlegen, was dir genau in der Gruppe fehlt. Anerkennung? Handfeste Unterstützung? Und dann genau darum bitten - ohne Vorwürfe. Vielleicht kann dir die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg weiterhelfen?

Aber selbst wenn du dich dafür entscheidest, deinen alten Freundeskreis zu verlassen, musst du nicht am Ende allein da stehen. Manchmal ist es leider so, dass sich Freundschaften auseinanderentwickeln, und das muss nicht unbedingt an Streit liegen. Die Einen heiraten und bekommen Kinder, die Anderen entwickeln andere Interessen, wieder Andere wandern ins Ausland aus etc. Was ist dir jetzt wichtig? Was sind deine Interessen?

Tatsächlich gibt es für jede*n eine Nische, auch wenn es nur für Introversion ist, oder andere depressive Menschen, die bereit sind, dich zu unterstützen, weil sie die damit einhergehenden Probleme aus erster Hand kennen. Ja, diese Nische ist so gar nicht Mainstream und wird gerne unter den Tisch gekehrt oder gar belächelt. Aber das Internet bietet gerade viele Interessengruppen in der Richtung, und du fühlst dich zumindest etwas weniger allein. Vielleicht ergeben sich so auch die einen oder anderen Bekanntschaften im realen Leben!

Last, but not least: Ich würde an deiner Stelle nicht zu sehr am alten Freundeskreis kleben bleiben. So eine Bubble gibt schon ein gewisses Sicherheitsgefühl, verleitet aber auch zu einer gewissen Bequemlichkeit und Abhängigkeit. Das kann eben dadurch, dass Menschen sich (bewusst oder unbewusst) ändern, fatal sein. Versuche, immer offen für neue Leute zu sein, auch wenn natürlich nicht jedes Kennenlernen zu einer Freundschaft führen kann.

Ich hoffe, ich habe dir etwas weitergeholfen.

01.11.2020 12:48 • x 1 #2


M
Hallo SofiaArk,
danke für deine ausführliche Antwort, die mich schon sehr zum Nachdenken gebracht hat. Ich versuche mal ein paar Fragen zu beantworten, zum einen für mich, zum anderen falls jemand mehr Informationen wünscht.

Zitat von SofiaArk:
Warum glaubst du, dass du anstrengend bist?


Also spontan fällt mir ein, dass ich sehr viel und gern über mich selbst rede und dann auch andere unterbreche oder ihnen nicht richtig zuhöre. Außerdem teile ich nicht gern und bin von mir aus nicht sonderlich großzügig, mache eine große Sache aus finanziellen Angelegenheiten. Ich denke einfach an erster Stelle an mich selbst, oder ich denke erst gar nicht und werde z.B. gleich laut, wenn ich wütend bin, ohne meine Emotionen zu kontrollieren.

Zitat von SofiaArk:
Hast du deine Situation bereits offen angesprochen? Nicht vor der ganzen Gruppe, aber mit einzelnen Leuten?


Habe ich beides getan. Die Sache ist, dass das Problem in jeder Hinsicht auf mich selbst zurück zuführen ist. Ich mache mir selbst ein schlechtes Gewissen, wegen Dingen die meine Freunde nicht stören, oder merke umgekehrt nicht oder zu spät, wenn ich tatsächlich verletzend bin.
Dass ich mich auch sonst nicht mehr wohl fühle, verstehen meine Freunde auch nicht so recht, ich habe eben das Gefühl die Versagerin zu sein, da meine Freunde mehr verdienen, teils in einer Beziehung leben etc. und ich habe kaum was erreicht in meinem Leben und die Depression hat mir den Rest genommen, aber das sei laut ihnen nur meine persönliche Wahrnehmung.

Zitat von SofiaArk:
Da könnte es helfen, dir im Vorhinein zu überlegen, was dir genau in der Gruppe fehlt.


Auch da fallen mir nur Sachen ein, die mich als die Böse dastehen lassen. Ich möchte mich wieder wie etwas besonderes fühlen - ich stand ja immer gern im Mittelpunkt - und nicht wie die dumme Freundin, die krank ist und im Hintergrund verschwindet. Ich weiß aber nicht, was meine Freunde da falsch machen. Sie leben einfach ihr eigenes Leben und ich komme nicht damit zurecht, dass bei mir vieles schief läuft und ich nicht mehr die gleiche Rolle habe wie früher. Ich fühle mich ungeliebt, weil ich weniger Aufmerksamkeit bekomme, aber es ist nicht fair von mir, dass ich mich teils wochenlang nicht melde und umgekehrt erwarte, sofort auf jede Nachricht eine Antwort zu bekommen.

Zitat von SofiaArk:
Aber selbst wenn du dich dafür entscheidest, deinen alten Freundeskreis zu verlassen, musst du nicht am Ende allein da stehen. Manchmal ist es leider so, dass sich Freundschaften auseinanderentwickeln, und das muss nicht unbedingt an Streit liegen. Die Einen heiraten und bekommen Kinder, die Anderen entwickeln andere Interessen, wieder Andere wandern ins Ausland aus etc


Ich weiß, aber davor habe ich so schreckliche Angst. Ich denke nicht, dass ich jemals jemanden finde, der mich so versteht und mich wird ja jeder Mensch irgendwann verlassen...

Zitat von SofiaArk:
Was ist dir jetzt wichtig? Was sind deine Interessen?


Keine Ahnung, ich möchte in erster Linie nur wieder glücklich sein. Dazu gehören aber sehr viele Bereiche meines Lebens.

Zitat von SofiaArk:
Ich würde an deiner Stelle nicht zu sehr am alten Freundeskreis kleben bleiben. So eine Bubble gibt schon ein gewisses Sicherheitsgefühl, verleitet aber auch zu einer gewissen Bequemlichkeit und Abhängigkeit. Das kann eben dadurch, dass Menschen sich (bewusst oder unbewusst) ändern, fatal sein. Versuche, immer offen für neue Leute zu sein, auch wenn natürlich nicht jedes Kennenlernen zu einer Freundschaft führen kann.


Ich gebe zu, ich bin sehr abhängig von meinen Freunden. Da ich immer eine Außenseiterin war, brauchte ich dauernd die Bestätigung von meinem Kreis, dass mit mir alles okay ist und ich so sein darf, wie ich bin, selbst wenn der Rest der Welt gegen mich ist. Das traue ich mich aber nicht mal mehr bei meinen Freunden.
Und ich habe über Arbeit und Hobbies schon einige andere Kontakte geknüpft, nur ist das immer nach hinten los gegangen. Leute, die mich irgendwann gemein (versteh ich und arbeite ich dran!) oder komisch fanden oder aus anderen Gründen keinen Kontakt mehr wünschten (manchmal lag es auch nicht an mir).

Es tut so weh, nie mitreden zu können im Büro oder auf Partys oder als seltsam bezeichnet zu werden und einfach immer auf Unverständnis zu stoßen. Ich hätte so gern mehr Kontakte, aber entweder habe ich Pech oder mache die Beziehung selbst kaputt. Außer meinem aktuellen Freundeskreis habe ich niemanden und da passe ich einfach nicht rein. Nicht, weil mir meine Freunde das Gefühl geben, sondern weil ich immer egoistischer und reizbarer und unglücklicher werde und nicht mehr mithalten kann..

01.11.2020 18:21 • #3

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