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GdB-Feststellung bei Depressionen - sinnvoll?

K
Hallo zusammen,

ich schleppe nun - dokumentiert - seit 13 Jahren meine Depression (aka Anpassungsstörung aka Angststörung aka Dysthymie) mit mir herum und überlege, ob es sinnvoll bzw. aussichtsreich wäre, dies als Behinderung aktenkundig zu machen. Nein, es geht mir nicht um den vielzitierten Parkplatz, sondern um das Zeichen als solches, denn ich glaube, dass zum einen die Umwelt eher rücksichtsvoll mit behinderten als ausschließlich depressiven Menschen umgeht. Wer von uns kennt es nicht, dass sich Menschen im Umfeld abwenden und womöglich insgeheim denken, der/die soll sich doch einfach mal zusammen reißen/ein Stück Schokolade essen/Sport treiben, dann ginge es schon.
Hat jemand Erfahrung hiermit gemacht?

Danke Euch für Eure Reaktionen.

05.05.2020 16:12 • x 3 #1


ZeroOne
Hi @Kürsche !

Du sprichst die Umwelt an. Was sprichst du dir dies bzgl. von dem GbB? Dass dich die Umwelt besser behandelt, wenn du ihr mitteilst, dass du einen hast?

Ich persönlich glaube nicht, dass die Umwelt mit dem GdB viel anfangen kann. Eher vielleicht mit der Aussage, dass man schwerbehindert ist. Aber will man das seiner Umwelt wirklich unter die Nase reiben? Oder gar den Ausweis zücken?

Meine Erfahrung geht in die Richtung, dass Menschen (sogar Ärzte!) einen eher ungläubig ansehen, einen blöden Kommentar abgeben, oder rückfragen, wenn sie erfahren, dass man behindert ist, dies aber äußerlich nicht zu erkennen ist.

Schwerbehinderung gilt ab einem GdB von 50, der alleine mit den gängigen psychischen Erkrankungen schwer zu erreichen ist, wenn einem sonst nichts gravierendes fehlt. Ab 50 bekommst du den Ausweis und kannst die damit verbundenen Leistungen in Anspruch nehmen.

Ab einem GdB von 30 kannst du Gleichstellung beantragen, um deinen Arbeitsplatz (etwas besser) zu sichern - mehr auch nicht. Aber auch ein GdB von 30 ist mit psychischen Erkrankungen schwer zu erreichen.
Die Leute in meinem Therapie-Bekanntenkreis sind alle nicht über 20 eingestuft worden, obwohl teilweise weitere Erkrankungen vorlagen. Einige haben dann über Widerspruch noch die 30 für eine Gleichstellung erwirken können.

Zum Thema GdB lässt sich hier im Forum im entsprechenden Bereich aber sehr viel wissenswertes nachlesen.

Hoffe, ich konnte weiterhelfen.

LG
ZeroOne

05.05.2020 16:49 • x 3 #2


A


Hallo Kürsche,

GdB-Feststellung bei Depressionen - sinnvoll?

x 3#3


K
Hallo ZeroOne,

ja, danke, du hast mir sehr geholfen. Ich habe zu dem Thema leider nichts auf Anhieb gefunden, daher diese - offenbar bedauerlicherweise überflüssige - Anfrage. Vielleicht habe ich im falschen Forum gesucht. Nicht übel nehmen, es ist mein erster Tag hier.

Was ich mir erhoffe, ist tatsächlich die Anerkenntnis einer echten Krankheit. Und ja, einigen Menschen würde ich das tatsächlich gern unter die Nase reiben wollen, da ich aktuell nun einmal nichts in der Hand habe, kein EKG, keine Blutuntersuchung, kein Irgendetwas, das sich in einer Petrischale anzüchten und nachweisen lässt. Und klar, für meinen aktuellen Job, der gerade tüchtig wackelt, weil ich vor kurzem gezwungen war, zwei AU-Scheine mit dem Stempel Facharzt für Psychiatrie abzugeben. Ich hatte zwar noch überlegt, sie mir von Hausarzt umschreiben zu lassen, aber dafür hat die Kraft gefehlt und es war mir zu dem Zeitpunkt einfach alles richtig sch.gal.

Aber gut zu wissen, dass ich nicht weitere Zeit verschwenden sollte, hierüber nachzudenken, denn ich bin tatsächlich nur psychisch erkrankt und habe keine weiteren physischen Erkrankungen, die ich ins Feld führen könnte - von der vernachlässigbaren Kurzsichtigkeit und dem gelegentlichen Migräneanfall mal abgesehen.

LG Kürsche

05.05.2020 17:35 • x 4 #3


ZeroOne
Hi @Kürsche !

Zitat von Kürsche:
Nicht übel nehmen, es ist mein erster Tag hier.


Kein Problem! Immer locker raus mit den Fragen! Dafür ist ein Forum da!

Zitat von Kürsche:
meinen aktuellen Job, der gerade tüchtig wackelt


Dann solltest du einen Antrag in Erwägung ziehen. Ein großes Hexenwerk ist das nicht und vielleicht bekommst du beim ersten Anlauf gleich einen GdB von 30, damit du dich gleichstellen lassen könntest.

Es gibt auch diverse Beratungsstellen, die dir mit dem Antrag helfen können, wenn es dir zu komplex wäre. Auch, wenn dein Betrieb ggf. einen Betriebsrat bzw. Schwerbehindertenvertretung hat, kann das eine Anlaufstelle sein.

LG
ZeroOne

05.05.2020 19:25 • x 1 #4


maya60
Hallo Kürsche, Willkommen im Forum!

Ich kann dich sehr gut verstehen und hätte mir schon längst selber einen SBA besorgt, wenn ich nicht gesetzliche Betreuerin meines Sohnes wäre und ich das gleichzeitig machen möchte, seine Betreuung abgeben und meinen Grad der Behinderung feststellen lassen.

Und wenn es nur ein Grad der Behinderung von 30 ergäbe, aber es würde damit etwas festgestellt, was eben bei dir und bei mir seit vielen Jahren gilt: Wir sind im Alltag durch unsere Depressionen daran gehindert, in Normalo-Maß teilzunehmen und, und das ist noch viel wichtiger, das Normalomaß kann auch keiner in unserem Umfeld von uns verlangen.

Wenn zum Beispiel meinem Mann etwas Ernsthaftes geschehen würde, dann wäre ich nicht in der Lage, alle Extraaufgaben dieser familiären Ausnahmesituation zu schultern, sondern bräuchte eher mehr als weniger Rückzug.
Und allen möglichen ignoranten Personen und Belangen im Umfeld gegenüber einfach mal schnell einen SBA zücken zu können statt womöglich noch lauter ärztliche Gutachten zum Beweis für sich selber anfordern zu müssen, wäre halt einfacher als sich den Mund fusselig zu reden. Fände ich auch.

Meinst du es auch in der Art?

Liebe Grüße! maya

05.05.2020 19:41 • x 3 #5


Albarracin
Experte

05.05.2020 21:44 • x 3 #6


Irgendeine
Zitat von ZeroOne:
Schwerbehinderung gilt ab einem GdB von 50, der alleine mit den gängigen psychischen Erkrankungen schwer zu erreichen ist, wenn einem sonst nichts gravierendes fehlt. Ab 50 bekommst du den Ausweis und kannst die damit verbundenen Leistungen in Anspruch nehmen.

Also ich hab meinen GdB von 50 nur mit psychischen Erkrankungen auf Anhieb bekommen.... Ich bin scheinbar bekloppt genug.

05.05.2020 23:31 • x 1 #7


Hoffnung21
@Kürsche , ich hab auch mit meiner psychischen Erkrankung GdB 30 und Gleichstellung erhalten. Probier es auf jeden Fall mal.

VG Eis

07.05.2020 21:49 • x 4 #8


ZeroOne
Ich denke wie @Eis : auf jeden Fall mal ausprobieren! Insbesondere, wenn der Arbeitsplatz in Gefahr ist.

Die Festlegung des GdB hängt wohl (leider!) auch sehr stark von dem zuständigen Versorgungsamt und dessen Zielvorgaben, Führungskräften und letztlich auch Sachbearbeitern ab.

Ich habe das selbst schon in Therapiegruppen erlebt, in denen Patienten aus zwei Bundesländern waren. Dabei ist aufgefallen, dass Patienten aus Bayern wesentlich niedrigere GdBs bei deutlich schwereren Einschränkungen zugestanden bekommen hatten, als die anderen. Sicherlich ist da auch ein stark subjektiver Faktor dabei.

Insofern finde ich den Hinweis von @Albarracin bzgl. (Sozial-)Rechtsschutzversicherung sehr gut! Soweit ich weiß, muss man dann aber mit der Wartezeit aufpassen (z.B. 3 Monate beim DGB Rechtsschutz).

LG
ZeroOne

08.05.2020 10:22 • x 1 #9


maya60
Zero, das wundert mich nicht, wenn das so wäre hier in Bayern, allerdings steht und fällt das Ganze mit namhaften GutachterInnen oder Uniklinik-Briefköpfen. Sohni hat jedenfalls 100% B, G, H unbefristet und das passt auch genau so.
In einem seiner Gutachten hat ein Autismus-Experte mal klar dargelegt, wieso Autismus im Grunde eine Mehrfachbehinderung ist, da es alle Alltagsbereiche nachhaltig betrifft (war bestimmt neu für die Sachbearbeiter, die ja offenbar denken, Autismus wächst sich mit 18 Jahren aus.) und weil Sohni lebenslange Betreuung braucht.
Dazu kommt bei Sohni natürlich auch noch die leichte geistige Behinderung und ADHS.

Ich wusste von anderen, dass die Versorgungsämter just for fun den Behindertengrad zum 18. Geburtstag einfach niedriger einstufen, also hatte ich direkt zur Überrumpelungsüberprüfung schon Monate vor dem eigentlichen Überprüfungstermin schon 2 namhafte Gutachten vorliegen, weil ich sowas ahnte. Gut war´s.

Liebe Grüße! maya

08.05.2020 11:03 • #10


Albarracin
Experte

08.05.2020 12:55 • x 1 #11


K
Danke für Eure Antworten! Ja, Versuch macht wohl klug.

Leider haben wir keinen Betriebsrat, und meine Rechtsschutzversicherung umfasst kein Sozialrecht. Aber der VdK dürften einen wahrscheinlich auch hierbei unterstützen, schätze ich.

Zitat:
Und allen möglichen ignoranten Personen und Belangen im Umfeld gegenüber einfach mal schnell einen SBA zücken zu können statt womöglich noch lauter ärztliche Gutachten zum Beweis für sich selber anfordern zu müssen, wäre halt einfacher als sich den Mund fusselig zu reden. Fände ich auch.

Meinst du es auch in der Art?


@maya60 Ganz genau. Zumal einige eine witzige Vorstellung davon haben, wie ein depressiver Mensch auszusehen hat. Und wenn man über Jahre trainiert hat, bei Bedarf das freundliche Gesicht aufzusetzen, auch wenn es einem hundsmiserabel geht, dann wird es nochmal schwieriger.

Ich schau mir das mal an und bedanke mich erst einmal für Eure netten Worte und die Unterstützung!

09.05.2020 11:20 • x 1 #12


K
So, Antrag ist nach Rücksprache mit meinem Psychiater, der mich voll unterstützt, ausgefüllt und geht jetzt raus.

Parallel dazu habe ich den Antrag auf Gleichstellung vom der AA ausgefüllt. Hier war mir jedoch arg mulmig, weil ich hier der AA gestatten musste, mit meinem AG Kontakt aufzunehmen, ansonsten - jetzt mal salopp formuliert - würde sich alles ganz fürchterlich verzögern. Ich habe ganz frech einen Sternchentext hinzugefügt und darauf hingewiesen, dass sie damit meine Kündigung ganz arg zeitlich befördern würden und ich es daher als kontraproduktiv ansehe, dort anzurufen, aber Anweisung ist Anweisung.

Ich glaube, ich schicke das Teil an die AA erst auf den allerletzten Drücker los, hier wurde mir ein spätestes Rücksendedatum (5.7.) genannt.

19.06.2020 07:37 • x 1 #13


Hoffnung21
Hallo @kürsche,

Kann man die Gleichstellung beantragen, bevor dein Antrag auf Behinderung durch ist? Ich hab das erst im Anschluss gemacht.

VG Eis

19.06.2020 09:09 • #14


K
Hallo @eis,

ich bin mir nicht sicher, ob ich es hierher habe, aber ja, das geht, es gibt auch auf dem Formular ein Kästchen zum Ankreuzen für den Fall, dass der Antrag auf Feststellung des GdB noch nicht durch ist.

Die Idee dahinter war Folgende: Ich rechne mit einem GdB von 30. Daher bräuchte ich die Gleichstellung, um einen zusätzlichen Kündigungsschutz zu erreichen. Und das alles drei Wochen vor einer dann tatsächlich irgendwann mal erfolgenden Kündigung, also ist auch ein bisschen Zeitdruck im Spiel.

Eigentlich sollte der normale Kündigungsschutz ausreichen. Ich habe immer vernünftige Arbeit abgeliefert, aber ich komme zusehends immer schlechter mit der Geräuschkulisse (6 MA teilen sich ein Büro) zurecht. Natürlich habe ich das Thema schon x-Mal angesprochen, und jedesmal nickt man pseudo-verständnisvoll und verspricht, sich was einfallen zu lassen. Und es kommt? Genau: Nichts. Ich bin halt die anstrengende Kuh, die eine Extrawurst gebraten haben will.

Es wurden in der Vergangenheit schon Leute wegen weniger gekündigt, es geht hier teilweise auch um den sprichwörtlichen Nasenfaktor. Die meisten haben die Kündigung und drei Monate volles Gehalt bei Gleichstellung als ausreichende Abfindung akzeptiert, obwohl es bei keinem einzenen ausgereicht hätte, es hatte höchstens mal einer einer einzene Abmahnung, das war's schon. Die Leute sind halt froh, nicht mehr in den Schuppen gehen zu müssen. Ich möchte es denen aber nicht ganz so einfach machen... zumal ich nun auch nicht mehr die Jüngste bin und in einem ziemlich speziellen Bereich tätig bin, da finde ich nicht an jeder Straßenecke einen neuen Job.

19.06.2020 09:25 • x 2 #15


Dani82a
Drücke dir die Daumen, dass alles klappt!

Spiele ebenfalls mit dem Gedanken einen Antrag zu stellen, werde aber erst die Reha abwarten und das da auch evtl thematisieren.

Die Geräuschkulisse hatte ich ebenfalls, damals. Mein AG war aber so nett und hat mich in ein 2-Mann-Büro setzen lassen.
Das das bei den Kollegen komisch ankam, ist sicherlich klar... Warum muss XY jetzt den Platz räumen und die kann dahin?

19.06.2020 10:18 • x 1 #16


K
Lesen hilft... das hier hat albarracin schon schon gepostet:

Zitat:
Der Arbeitgeber erfährt von der Antragstellung, da er in einem Anhörungsbogen zur Arbeitsplatzsituation befragt wird. Er erfährt aber nicht die geltend gemachten Gründe.


Gut. Dann muss ich da wohl durch. Das wird richtig übel. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass ich einen GdB von 50 bekomme, aber das wird nicht passieren.

19.06.2020 17:15 • x 1 #17


Albarracin
Experte

21.06.2020 12:21 • x 4 #18


K
Was mir nicht einleuchtet, ist, warum der AG hier mit einbezogen wird. Eine etwaige Gleichstellung hat doch nichts mit dem aktuellen Arbeitsplatz zu tun, sondern sollte doch allgemeingültig sein, oder habe ich hier etwas missverstanden?

Der AG - mindestens mal meiner - wird doch Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um eine Gleichstellung zu verhindern, damit er nicht anschließend einen AN an der Backe hat, den er nicht so ohne Weiteres wieder loswerden kann.

21.06.2020 13:24 • #19


Albarracin
Experte

21.06.2020 21:45 • x 1 #20


Hoffnung21
@Kürsche
Ich habe ja 30% und Gleichstellung, mein AG hat damit kein Problem, habe da nie etwas negatives gehört.
VG Eis

21.06.2020 21:55 • #21


A


Hallo Kürsche,

x 4#22


V
Ich habe einen GdB von 30 auf Anhieb bekommen. Einen höheren GdB habe ich nicht durchgebracht, obwohl ich inzwischen wegen Dienstunfähigkeit in Rente bin.

21.06.2020 22:55 • #22

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