Die Angst besiegen - so ist es möglich

T
Hallo!

Nicht alles, was der Verstand kapiert, kommt auch beim Gefühl an (ist ja manchmal auch ganz gut so).

Ich hab seit einigen Tagen eine fast panische Angst; mir ist regelrecht schlecht, und es geht so weit, dass ich sogar mein Leben in Frage stelle. Dabei kenne ich Grund und Auslöser - und eigentlich ist dieser Auslöser rational betrachtet sogar positiv zu bewerten - ich sollte mich eher freuen! Aber ich kann nicht dagegen andenken - ich habe nur Angst! Fällt wohl unter Verlustangst.

Das Absurde, das mir mir dabei noch doppelt Angst macht:
ich hab zum ersten mal im Leben DAS gefunden, wonach ich mich immer gesehnt habe ... die Zeichen stehen sogar gar nicht mal auf Verlust ... - aber letztlich ist das Resultat nicht Glücklichsein, sondern eine Angst, die mir den Boden unter den Füßen weg zieht?!? Ich hab letztes Jahr erfolgreich(?) meine jahrelange Therapie wegen Depressionen beendet, wieder zu einem halbwegs normalen Leben gefunden, etwas Kraft und Energie wiedergefunden, ... jetzt passierte sogar unerwartet dieses lebenslang ersehnte Positive in meinem Leben ... und was ist das Resultat? NUR noch eine ganz gewaltige Angst! Das schmeißt mich zurück. Ich frage mich ehrlich: wenn ich die üble Depressionen-Zeit überstanden habe und jetzt feststelle, dass ich nicht in der Lage bin, das Positive zu ertragen ... was soll ich dann eigentlich hier?? (Zufällig titelt DER SPIEGEL diese Woche in anderem Zusammenhang mit Ein gutes Ende: erschien mir wie ein zynischer Hinweis und ich dachte ja, stimmt, was willst du eigentlich nach der Erfahrung noch zu erreichen hoffen im Leben?)

Zum Verständnis jetzt nachgeholt zwei sehr geraffte Absätze (Achtung, der zweite ist sehr ...ähm... persönlich)

Vergangenheit: Meine Mutter starb, als ich ein Kleinkind war, und danach gab es in der Familie nie so was wie Geborgenheit, Verständnis, etc. Meine fast 20 Jahre währende Beziehung später war auch eher geprägt von Abgrenzen und Arrangieren. Kurz: ich hatte fast alles im Leben, aber kein Gefühl von Geborgenheit.

Jetzt: Ich hatte mich nach reiflicher Überlegung und Auswahl vor paar Wochen mit einem E. verabredet und dabei entweder Menschenkenntnis bewiesen oder riesiges Glück gehabt oder beides: ich habe bei ihm zum ersten Mal im Leben(!) eine Geborgenheit gefühlt, die ich lebenslang gesucht und fast nie für möglich gehalten hätte. (Ich rede nicht über S., sondern über stundenlanges Kuscheln und Reden und all das). Wegen Veränderungen in seinem Leben hat er allerdings zufällig zwei Wochen später beschlossen, mit dieser Tätigkeit aufzuhören. Das Positive: wir haben uns von Anfang an prima verstanden, er findet mich ganz nett, er will mich auch trotzdem weiter treffen, Geld will er eh nicht mehr, ... es hat sich da schon so etwas wie eine Kumpel-Freundschaft auf einer wertvolleren Ebene ergeben. Und mit mal vorm Fernseher kuscheln hat er auch kein Problem. - Ich sollte also eigentlich glücklich sein, weil mir beides das Wertvollste und immer Gesuchte ist!

Das Ergebnis ist aber, dass ich vorsorglich alles Positive in Frage stelle, nicht daran glaube, und dass ich panische Angst habe, *wieder* alleine hängen gelassen zu werden (quasi wie damals durch meine Mutter). Tja, aber selbst wenn das passieren sollte, könnte ich mir ja sagen na ja, hast doch immerhin EIN mal im Leben gespürt, wie sich Geborgenheit anfühlt. Aber die Angst davor fühlt sich an wie ein endgültiges Urteil, als ginge es um Leben oder Tod. Besser gesagt, fühlt sich diese Angst an, als wäre das Urteil schon ausgesprochen und das Leben nicht mehr zu retten :-0

Was macht man bloß dagegen?? Was macht man, wenn der Verstand das nicht mehr geradebiegen kann??

(*puh* Wer bis hierhin gelesen hat: Danke! )

Liebe Grüße
torby

30.05.2012 22:36 • #1


achtsamkeit
Hallo torby,

erst einmal kannst du stolz darauf sein eine lange Zeit der Therapie gemeistert zu haben. Dass es immer wieder Rückschläge mal stärker, mak schwächer geben wird, scheint mir für unsere Erkrankung realistisch. Dafür haben wir Strategien und Ressoursen gewonnen, die uns helfen auch solche Hürden wieder
anzugehen.
Du schreibat nun, dass du das gefunden hast, was du dir immer ersehnt hast. Aber jetzt überschwemmen dich deine Gefühle von Verlustangst, Ich denke, dass das verständlich ist. Gerne würdest du jetzt mit deinem Glück in eine verschließbare Kapsel gehen um dort sicher zu sein.
Leider gibt es dies nicht. Ob deine Beziehung sich weiter so positiv entwickelt, das kann dir keiner sagen.
Deine Ängste sind sehr stark was die Verlustangst und ich denke auch die Angst den Erwartungen optimal zu entsprechen.
Vielleicht wäre es gut für dich, wenn du die Möglichkeit hast, doch noch einmal Kontakt mit deinem therapeuten aufzunehmen und mit ihm deine
Ängste zu bepsrechen.
Weiß dein Freund denn um deine Ängste und deine Krankheit?

Ich wünsche dir sehr, dass du deine Angst in Griff bekommst!

LG Pelle

31.05.2012 10:34 • #2


A


Hallo torby,

Die Angst besiegen - so ist es möglich

x 3#3


T
Hallo Pelle,

Danke für deine Antwort und dein Verstehen.

Du hast recht, etwas Positives erfahre ich im Moment trotz allem: dass sich irgendetwas in mir sträubt, von dieser Art Rückschlag derart wehrlos vereinnahmt zu werden, wie es noch vor paar Jahren zwangsweise der Fall gewesen wäre. Es klebt nicht so dauerhaft fest, sondern ist durchbrochen von guten, abgelenkten Momenten, wo ein lebendiges Gefühl immer mal durchschlägt. Immerhin...

Bei meinem Therapeuten hatte ich tatsächlich gestern einen Termin bekommen können. Im Grunde bestätigt er, wie ich mir alles auch zusammenreime (es kann manchmal zu solch konträren Reaktionen kommen: Angst statt Glück... Verlustangst ... Tod der Mutter ... ansonsten klasse, dass Sie so aktiv Ihre Schritte gehen und ihr Leben in Angriff nehmen ... ist doch rein objektiv GAR nichts verloren, seien Sie unbesorgt ...) Und es war (von einer Situation mal abgesehen) der einzige Termin, wo ich echt angefangen habe, zu heulen...

Zitat:
Weiß dein Freund denn um deine Ängste und deine Krankheit?

Freund ist gut gesagt... Er weiß von beidem, aber von dieser Angst nur so vorsichtig, wie ich den Mund halten konnte! (Was mir nie so recht gelingt.) Erzähl jemandem, dass du Angst hast, er könnte sich von dir abwenden: ich garantiere dir fast, dass er es dann mittelfristig tun wird!

Irritierend finde ich, dass diese S....dgedanken wieder permanent wie ein Trost für den Notfall bereitstehen. Das hatte mich jahrelang begleitet, und seit gut einem Jahr war endlich Ruhe. Zack. Als gäb es offenbar nur diesen einzigen Trost und Ausweg, wenn man etwas scheinbar nicht erträgt ... Ist doch Mist!

LG
torby

31.05.2012 22:22 • #3


achtsamkeit
Hallo Torby,
solange deine Todesgedanken Gedanken bleiben, musst du sie einfach einmal als Teil von dir sehen. Es ist ja nicht, das du keinen Sinn mehr siehst, sondern du flüchtest. Nach dem Motto bevor mich andere durch Verlassen verletzen, gehe ich lieber vorher um den Verlassensschmerz nicht ertragen zu müssen.
Deine Sorge, dass dich dein neuer Bekannter stehen lassen könnte, wenn du zu offen bist ....mhm...es ist sicher gut nicht direkt sein ganzes Innenleben zu offenbaren, denn zuerst sollte eine Vertrauensbasis geschaffen sein. Ansonsten läufst du Gefahr dein gegenüber damit zu überfordern. Wenn du aber immer Sorge haben musst, dass dich jemand wegen deinen Seelenschmerzen in Stich lässt, dann hat er dich doch gar nicht verdient und ist nicht der richtige
Freund!
Dass du selbst schnell dich dem Gegenüber öffnest , zeigt ja, dass du sehnlichst jemanden an deine Seite wünscht, mit dem du reden kannst und der
dich auch trägt und hält so wie du bist!
Gibt es bei dir in der gegend evtl. Gesprächskreise von Betroffenen? Selbsthilfegruppen? Vielleicht wäre das eine Anlaufstelle und die Möglichkeit dort Zuspruch zu finden. Das würde ich dir wünschen!

LG Pelle

01.06.2012 12:51 • #4


T
Hallo Pelle,

Zitat:
solange deine Todesgedanken Gedanken bleiben, musst du sie einfach einmal als Teil von dir sehen

Der Gedanke ist tatsächlich irgendwie beruhigend. (Ist jetzt ohne Ironie gemeint!) So gesehen, begleiten mich solche Gedanken ja seit Jahren, genau so wie du musst heute nachmittag noch ein halbes Brot holen ... und irgendwie scheine ich sie ja schon in mein Leben und meine Gedanken- und Gefühlswelt integriert zu haben Ganz offensichtlich konnte ich bislang ja damit umgehen ... Hmm, interessanter Gedankenansatz, den du da aufzeigst!

Du beschreibst das Dilemma der Balance zwischen sich öffnen und dem Anderen damit zu viel zumuten: zum Glück hab ich wenigstens diese Fähigkeit, im Notfall die Notbremse zu ziehen und bei Bedarf auch mal oberflächlich zu bleiben. Auch wenn ich immer den Drang hab, mit jemandem, den ich schätze, gleich die ganze Welt verstehen zu wollen ;-0 Wenn ich meine, mich dahingehend zurückhalten zu müssen, drehe ich halt einfach den Spieß um: den Anderen zu fragen über seine Gedanken, Gefühle, sein Leben ... führt schon mal in Richtung eines offeneren Austauschs

Zitat:
Wenn du aber immer Sorge haben musst, dass dich jemand wegen deinen Seelenschmerzen in Stich lässt, dann hat er dich doch gar nicht verdient und ist nicht der richtige Freund!

Jain: wie du schon selber andeutest, hat jeder Mensch auch sein Tempo. Der eine springt sofort auf eine ähnliche Wellenlänge an, und der andere braucht seine Zeit, um diese zu erkennen und zu empfinden. Da sind wir wieder beim Thema Überfordern: es kommt natürlich auch darauf an, ob man jemandem einen Schuttberg vor den Latz knallt, oder ob man mit steigender Vertrautheit Verständnis sucht (gilt für beide Seiten) ... Ich glaube, ob jemand mich wegen meiner Seelenschmerzen im Stich läßt oder nicht, ist immer auch sehr sehr abhängig davon, wie ICH mit IHM umgehe!! :-0

Ich bin inzwischen so weit wieder gefasst, dass ich mir selber glaube bei dem Schluß Abwarten, was weiter passiert - es gibt eh keine Alternative! :-0

Tja, Selbsthilfegruppe hatte ich damals mal versucht (und auch besucht), aber das war nichts (jahrelang eingefahrene Gruppe, die sich eher über ihre Kleingärten ausgetauscht hatte). Grundsätzlich glaube ich an die Wirkung und die Möglichkeiten, aber es ist vermutlich halt immer auch sehr von der Gruppe abhängig. Mein Kollege ist sehr happy in seiner Gruppe. Ich lass mir den Gedanken mal durch den Kopf gehen ...

Dir ein angenehmes Restwochenende,
LG,
torby

02.06.2012 21:01 • #5


S
hey torby,

Zitat von torby:
jetzt passierte sogar unerwartet dieses lebenslang ersehnte Positive in meinem Leben ... und was ist das Resultat? NUR noch eine ganz gewaltige Angst!


Was heisst das? Bist du jetzt permanent in Panik oder wie? Ein bisschen Angst etwas ersehntes zu verlieren hat man immer mal so zwischendurch. Hauptsache du erholst dich auch mal wieder. Wenn das aber ein andauernder Zustand sein sollte, dann besteht schon Handlungsbedarf.

Was kann man tun? Du musst dich davon überzeugen, dass es sich nicht lohnt darüber nachzudenken. Das bringt dich zurück zum Wesentlichen. Technisch gesehen heisst das, du brauchst eine Ansicht dieser Situation, die es dir erlaubt es loslassen zu können. So dass du dich nicht mehr darum zu kümmern brauchst. Dann steht wieder die Freude und der Genuss im Vordergrund, so wie es sein sollte.

Also entweder du stellst sicher, dass du nicht verlassen wirst - z.B. durch deinen unüberwindbaren Charme und/oder anderen wundervollen Eigenschaften, gegen die man einfach machtlos ist - Oder du überzeugst dich davon, dass es nicht so schlimm ist verlassen zu werden bzw. diesen schönen, schon ewig erwünschten Zustand wieder zu verlieren. Beides hat zur Folge, dass du den Moment geniessen kannst.

Ich empfehle eine Mischung aus beidem ;D

mfG Sanduhr

01.08.2012 14:49 • #6

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