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Depressiver Ehemann beneidet mich und macht Vorwürfe

J
Liebes Forum, ich hoffe, dass ich hier vielleicht ein wenig Hilfe oder Rat von Euch erhalten kann. Ich bin seit 25 Jahren verheiratet und seit mehreren Jahren ist mein Mann nun schon an Depressionen erkrankt. Ich unterstütze ihn in allen Bereichen, versuche, immer verständnisvoll zu sein, ich nehme ihm Dinge ab, die in belasten oder schwerfallen. Wir sprechen offen über seine Depressionen und meist ist er auch froh über mich als Stütze.
Was mir aber wirklich sehr zu schaffen macht, das ist sein ständiges jammern und der offen zur Schau gestellt Neid auf all die Dinge, die er angeblich nicht hat, die aber ich habe.
Er wirft mir zum Beispiel vor, dass ich Freundinnen habe und soziale Kontakte, er aber (angeblich) komplett einsam ist. Er wirft mir vor, faul zu sein, er aber müsse den ganzen Tag arbeiten (ich arbeite auch, halbtags zwar, erledige dafür aber noch den kompletten Haushalt). Er wirft mir vor, sportlich aktiv in einem Verein zu sein, und er hätte das ja alles nicht (meine Einladungen, mit dazuzukommen, hat er über Jahre hinweg immer abgelehnt). Er beneidet mich um alles: Ich sei attraktiv, nett, sozial aufgeschlossen und er sei ja unattraktiv, immer schlecht gelaunt und niemand würde ihn mögen.
Es ist wirklich verdammt schwer, diese ständigen Anschuldigen auszuhalten. Denn nichts anderes ist das doch, oder? Eine Anschuldigung, dass es mir gut geht, und ihm schlecht.
Ich bin mir oft unsicher, wie ich reagieren soll. Wenn er mir wieder einmal vorwirft, ich würde ihn alleine lassen, nur weil ich mit meiner Freundin 2 Stunden spazieren gehe - was soll ich erwidern? Immer und immer wieder gibt es dann Streit. Immer und immer wieder versucht er, mir ein schlechtes Gewissen einzureden.
Das schafft er auch, immer. Das schlechte Gewissen habe ich leider igendwie ständig. Die Spaziergänge mit meiner Freundin mache ich aber trotzdem. Ich muss einfach schauen, dass ich selbst nicht auf der Strecke bleibe.

Das ist alles wirklich verdammt schwer. Ich habe schon oft kurz davorgestanden, alles hinzuwerfen und auszuziehen. Aber das ist keine Lösung, die ich möchte. Er bedeutet mir ja etwas!

Aber ich weiß langsam wirklich nicht, ob ich das noch weiter aushalte. Ich habe keine Lust mehr, ständig angefeindet zu werden.
Und unterschwellig immer diese Schuldzuweisungen zu bekommen, dass ICH ja all die schönen Dinge hätte, die er nicht hat. Und ehrlich, manchmal geht mir das jammern und klagen dann auch gehörig auf den Wecker! Ich weiß, dass er krank ist. Ich weiß, dass ich mit Geduld und Verständnis reagieren muss. Aber manchmal kann ich es einfach nicht mehr hören! Und wenn ich mir dann eine Auszeit mit einem Spaziergang nehme um Luft zu holen, dann schiebt er mir natürlich noch einen bösen Kommentar hinterher, dass ich ja nun verschwinden würde, mit meinen Freunden etwas unternehmen könne und er, der Arme, ja vereinsamt zuhause leiden müsse.

Ich habe wirklich keine Lösung. Aber vielleicht geht es hier dem ein oder anderen ähnlich? Kennt jemand dieses Verhaltensmuster? Wie geht ihr damit um?

Ich danke Euch jetzt schon für Euer Ohr. Es hat zumindest schon gut getan, hier ein bischen etwas niederzuschreiben!

24.05.2021 18:20 • x 2 #1


buddl1
... was erwartest du,
was erwartet er von dir?
du kannst dein Leben weiter leben
wo er in sich versinkt.
will er dich dorthin ziehen, damit gemeinsam kein Licht mehr zu sehen ist?
lass nicht zu, dass er darin dich erreicht,
ein schlechtes Gewissen- fängt es nicht damit an?
du hast dein Recht, dich mit anderen zu Treffen,
auch lachen zu können.
auch wenn er es nicht mehr kann.
er muss sich selbst finden,
du kannst ihn stützen, aber nicht heilen.
in deinem Zweifel, vielleicht stellt er dich vor einer Entscheidung,
und ehrlich,
es ist seine Krankheit, nicht eine.
du bist kein Arzt, kein Therapeut, nur die Frau an seiner Seite.
genau das ist ihm zu sagen, die Liebe zu ihm bestätigen und
auch bis zu einen gewissen Punkt mit zu tragen,
aber nicht in seinem Loch mit zu versinken.
schaffe und genieße deine Freiräume, sie geben dir die Kraft
auch für ihn und lass es ihm so wissen,
nur so kannst du weiter mit ihm leben ohne mit ihm zu zerbrechen.
buddl1,

24.05.2021 19:06 • x 4 #2


A


Hallo JuliaG,

Depressiver Ehemann beneidet mich und macht Vorwürfe

x 3#3


J
Danke, Deine Antworten sind einfach gnadenlos ehrlich und ich glaube, ich muss mit meinem Mann auch genauso ehrlich sprechen. Du hast mir jetzt wirklich geholfen mich zum nachdenken motiviert.

24.05.2021 19:22 • x 1 #3


Martl
Hallo Julia, erstmal ein ganz großes Lob, dass Du deinen Ehemann so lange so toll unterstützt. Man vergisst oft, daß ihn einer Partnerschaft nicht nur für den depressiven Menschen es eine Herausforderung ist, den Alltag zu bewältigen, sondern auch für den gesunden Partner. Oft sogar, ist die Belastung für den Partner höher, als, für die depressive Person. Bei der Behandlung von depressiven Personen sollte man den Partner deswegen immer mit einbinden. So wie dein Ehemann, war ich auch fast. Ich jammerte immer, kritisierte meine Frau oft, fühlte mich vernachlässigt usw.. Wie stark meine Frau unter meiner Krankheit leidete, sah ich nicht bzw. wollte ich nicht sehen oder auch nicht glauben. Bis eines Tages meine Frau mir mitteilte, Sie sei am Ende Ihrer Kräfte, Sie kann nicht mehr, Sie möchte auch ein Leben haben. Sie möchte Sie von mir trennen. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich machte Ihr ein Angebot, es noch einmal mit Hilfe einer Eheberatung zu probieren. Das war im Jahr 2019 und 2020. Wir gingen regelmäßig in die Eheberatung, nahm meine Frau auch ab und zu in meine Therapiesitzungen mit. Hierbei wurde mir sehr deutlich aufgezeigt, dass auch ich für die Partnerschaft verantwortlich bin, trotz meiner immer wieder schweren Depressionen. Es hat sich sehr gelohnt Wir sind noch zusammen, und es funktioniert gut. Gibt es Rückschläge, nehmen wir die Hilfe unsere Eheberaterin in Anspruch. Ich wünsche Euch auch sehr, dass Ihr für Euch die notwendige Hilfe findet. Drück Dir fest die Daumen. Liebe Grüße

24.05.2021 19:37 • x 3 #4


Stromboli
Liebe Julia
Deine Schilderung berührt in mir einiges. Ich fürchte, ich kann mir besser vorstellen, was in deinem Mann vor sich geht und was ev. dahinter steckt, als mir lieb ist oder war. Ich weiss nicht, ob ich dir dazu viel Hilfreiches sagen kann, aber ich versuche es mal.
Die zwanghafte Eifersucht auf die sozialen Kontakte und die reale oder vermeintliche Freiheit meiner Freundin ist mir nur zu gut bekannt.
Bei mir gehörte sie zu einem ganzen Komplex innerer Ängste und Zwänge, die mir eine erfüllte Beziehung jahrzehntelang verunmöglicht haben. Meine Beziehungsversuche, oft mit verständnisvollen Frauen, so wie du es vermutlich auch bist, endeten deswegen fast immer nach wenigen Monaten. Es wäre auf längere Dauer so schlicht nicht auszuhalten gewesen, für beide nicht. Im Rückblick muss ich sagen, bin ich dafür aber dankbar, denn es hat mir und diesen Frauen bestimmt das Gefängnis erspart, das du von euch beschreibst. Und es hat mich gezwungen und angetrieben, an diesen Ängsten und Zwängen zu arbeiten. So lange und ausdauernd, bis ich erleben durfte, dass selbst diese tief sitzende, hartnäckige Eifersucht sich auflösen konnte.
Genau das wäre bestimmt die Voraussetzung, dass dein Mann zu einem anderen Selbstbild und Erleben finden könnte. DU bist dafür nicht verantwortlich, und tatsächlich kannst du aus meiner Sicht nichts Besseres tun, als was du beschreibst. Die Eifersucht deines Mannes hat Wurzeln, mit denen du nichts zu tun hast. Und solange er selbst das nicht sieht und angeht, wird sich leider wohl wenig ändern.
Ich kenne eure Lebensumstände ja nicht näher und kann nicht beurteilen, wer oder was ihn dazu bewegen könnte.
Wichtig für dich ist sicher, weiterhin für dich selbst zu sorgen. Dabei kein schlechtes Gewissen zu bekommen, lässt sich von außen leicht sagen, bleibt für dich eine schwierige, aber wichtige Aufgabe.
Ich wünsche dir viel Kraft dabei - und deinem Mann die Einsicht und die Kraft, bei sich selbst hinzuschauen.
Herzliche Grüsse Stromboli

24.05.2021 19:42 • x 2 #5


J
Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr mir Eure Antworten helfen.
Ich fühle mich durch Eure Hilfe einfach ni cht mehr so allein und hilflos.

Ich habe nun versucht, Eure Anregungen vorsichtig umzusetzen und mich quält das schlechte Gewissen auch nicht mehr so stark, wenn ich eine Freundin treffe u d ihn dann vermeindlich alleine lasse.

Trotzdem bin ich oft überfordert. Mir fehlen oft Erwiderungen auf Vorwürfe. Wie kann ich anrworten, wenn er wieder einmal aggressiv gegen mich vorgeht (verbal, er ist nie körperlich aggressiv mir gegenüber) und wieder einmal sagt, ich solle doch einfach weggehen und eine meiner vielen Freundinnen treffen. Er hätte ja eh keine Freunde und wäre zu nichts zu gebrauchen.....

03.06.2021 12:22 • x 1 #6


J
@Martl Ich wünschte, einer Beratung würde er zustimmen. Aber leider lehnt er generell jede Hilfe von außen ab.

03.06.2021 13:00 • x 1 #7


Martl
Hallo Julia, freut mich sehr, wenn Dir die Beiträge in dieser Gruppe helfen und unterstützen. Tut auch der Seele sehr gut. So ist es jedenfalls bei mir immer. Wirklich sehr schade, dass dein Ehemann keine externe Hilfe annimmt. Aber Du hast auch nur ein Leben. Nütze Du die Chance und nimm Hilfe von Außen an. Ob es hilft, dafür gibt es keine Garantie. Aber man sollte wenigstens die Chance ergreifen. Drück dir fest die Glücksdaumen...

03.06.2021 15:25 • x 1 #8


A


Hallo JuliaG,

x 4#9


buddl1
Du hast ein Recht darauf, auch dein Leben zu leben.
Und sag ihm, ob er will, dass du ebenso leiden musst, nur damit er dir deiner oder doch nur seiner Liebe gewiss sich ist.
Du bist der Partner, nicht Arzt noch Therapeut, du kannst diese nicht ersetzen, nur mit ihm teilen...
Du hilfst ihm doch schon über alles was möglich ist, denkt er nicht auch mal an dich, an das was es aus dir macht? Seine Krankheit, sie kann man nicht teilen, oder ist das sein Ziel?
Du brauchst ebenso Orte, um Kraft auch für ihn zu finden, damit es für beide ein Morgen gibt.
Willen, dass er dich durch seine Krankheit verliert, verlieren muss?
Buddl1,

06.06.2021 14:02 • x 1 #9

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