Depressive Phasen - geht es mir besser oder nicht?

B
Hallo zusammen!

Viele von euch kennen vermutlich dieses trügerische Auf und Ab: es gibt Phasen, in denen man sich lebendiger fühlt, und man neigt dann vor lauter brachliegender Hoffnung sofort dazu, das als Weg nach oben zu bejubeln. Diese besseren Phasen kommen ja mitunter ohne erkennbaren Anlass (bzw. erkennt man die vielen kleinen Anlässe erst viel später, rückblickend), also wertet man es erst mal als allgemeine Besserung oder Gesundung - leider oft eine falsche Hoffnung im Nachhinein ...

Die Frage richtet sich naturgemäß eher an die, die ihren Tiefpunkt hinter sich haben: WORAN glaubt ihr in diesen besseren Phasen unterscheiden zu können, was nur eine vorübergehende Leichtigkeit ist - oder WAS wirkliche Signale für eine tragfähige Besserung sind??

Diese trügerischen besseren Phasen kenne ich inzwischen ausgiebig - und deshalb bin ich um so skeptischer und pessimistisch, wenn ich spüre, dass es mir besser oder normaler geht. Ich denke direkt ok, genieß es meinetwegen - aber es wird wieder so eine Luftblase sein!.

Seit ein paar Monaten registriere ich allerdings ungewohnte Veränderungen: ich denke nicht mehr permanent an Suizid ... ich bin mit Worten und Taten aktiver und greife beherzt in die Geschehnisse um mich herum ein ... und völlig ungewohnt: ich habe wieder ein leises Verlangen, mich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen, zu reden, sogar zu treffen. Nun kann ich weder sagen, dass die ewig andauernde Therapie endlich greifen würde, noch dass es auf äußere Anlässe zurückzuführen wäre(?). Und ich kann auch immer noch an manchen Erinnerungen, Filmen, Gefühlen verzweifeln - aber es fühlt sich nicht mehr nach ich kann nicht mehr, und ich will nicht mehr! an ...

Kurz: hat jemand von euch gelernt, kurzfristige Stimmungsbesserungen von wirklichen Fortschritten zu unterscheiden? - Wie?? Woran??

Liebe Grüße und so,
byron

12.06.2011 23:28 • #1


E
Also richtig unterscheiden kann ich es auch net wirklich. Aber was ich dir sagen kann...es geht immer leicht Bergauf, denn so tief wie da wp du ganz unten warst wirst du in keiner deiner Tiefphasen mehr kommen...es geht immer ein wenig Bergauf, auch wenn es oft auf den ersten Blick nicht so scheint.

13.06.2011 04:16 • #2


A


Hallo byron,

Depressive Phasen - geht es mir besser oder nicht?

x 3#3


JeanLucca
Hallo Peter.

Das ist ne gute Frage, die Du da stellst. Ich musste lange überlegen wie es wirklich bei mir ist.


Zitat von byron:
oder WAS wirkliche Signale für eine tragfähige Besserung sind??
Mein Signal kam nach meiner letzten schlechten Phase, in der ich nicht fähig war irgendetwas dagegen zu unternehmen. Ab dem Zeitpunkt an dem ich sagen konnte Ich habe eine Depression, das gefällt mir nicht aber es ist nunmal so, ab dem Zeitpunkt habe ich eine gute Phase auch wenn es mir schlecht geht. Das klingt ziemlich schräg finde ich einerseits, andererseits finde ich es logisch.
Mein Verstand hat genau gewusst was ich alles tun muss gegen meine Depression und für jedes einzelne einen Leuchtturm (einen für unter Menschen gehen, einen für Selbsthilfegruppen, einen für Reha beantragen, usw) am Horizont gesetzt, um es mal bildlich zu beschreiben. Auf dieses Licht gehe ich zu. Manchmal strahlt es hell und manchmal verschwimmt das Licht im Nebel. Aber ich weiß das die Leuchtürme richtig stehen, auch wenn sie fast in der Dunkelheit verschwinden und ich einfach nicht weitergehen kann. Noch fällt es mir zwar schwer mich auf meinem Weg hinzusetzen und abzuwarten bis ich weitergehen kann aber wenn ich schau das ich schon ein Stück Weg geschafft habe fällt es mir leichter.

Wenn ich wieder weitergehen kann, dann versucht manchmal mein Kopfkino dafür zu sorgen das ich mich wieder hinsetze, am liebsten das ich umkehre. Ich erlaube mir dann tatsächlich eine Pause zu machen weil es mir sonst noch schlechter geht wenn ich krampfhaft gegen die dunklen Gedanken anarbeite. Sie lassen mich aber nicht mehr zweifeln das ich auf dem richtigen Weg bin. Von daher sage ich für mich, dass ich meine Beiden Phasen (die helle und die dunkle) als Fortschritt sehe und nicht unterscheide.

Lieben Gruß, JeanLucca

13.06.2011 07:05 • #3


U
Die Angst, das es wieder schlechter wird und es sich nur um eine zeitmäßig begrenzte Besserung handelt kenne ich nur zu gut.

Ich denke, wenn es einem besser geht und man wieder Dinge tut, die Freude machen und Menschen trifft kommt man eher in eine Aufwärtsspirale als eine Abwärtsspirale. Und wenn es einem mal nicht so dolle ist, dann muss man das akzeptieren.

Gut ist es sich in bessern Phasen aufzuschreiben was einem Freude macht und genau das zu tun, wenn es einem nicht so dolle geht.
Und Hilfsmittel zu Hand nehmen: mit Freunden darüber reden, Selbsthilfe Bücher lesen usw.
Das ist manchmal schwer, ich weiss.

Ich merke die gute Phase auf jeden Fall durch mehr Antrieb und Unternehmungslust.

Auf jeden Fall spüre ich eine deutliche Besserung, wenn die guten Phasen einfach länger werden.
Mittlerweile dauern diese bei mir auch mal zwei, drei Monate am Stück.
Die schlechten Phasen sind auch nicht mehr so heftig. (Geringere Sympome wie früher)

In dieser Zeit kann ich so viel Freude und Selbstbewusstsein sammeln, das ich mit den schlechten Phasen immer besser umgehen kann.

13.06.2011 12:27 • #4


S
Zitat von byron:
Kurz: hat jemand von euch gelernt, kurzfristige Stimmungsbesserungen von wirklichen Fortschritten zu unterscheiden? - Wie?? Woran??

Für mich ist jede Stimmungsbesserung ein Fortschritt, egal ob sie kurz- oder langfristig ist.
Ich versuche, das mittlerweile so zu sehen, weil zum einen sonst der eigene Anspruch (es muss mir schnell und zwar auf Dauer besser gehen) zu hoch wird, dem man eben nicht gerecht werden kann und somit dann Frustrationen immer häufiger werden.

Natürlich wünsche ich mir auch, wie wohl jeder hier, dass ich eine langfristige Besserung und Stabilisierung erreichen kann.
Aber ob ich das auch erreicht habe, das könnte ich dann ja nur im Nachhinein feststellen, weil ich im Moment, wo sich der Zustand bessert, ja nicht weiß, wie lange das anhält.

Jeder Tag, wo es mir besser geht, oder wo ich etwas tun konnte, was sonst nicht möglich war, ist für mich ein Fortschritt, gerade weil ich mittlerweile weiß, dass eine Depression eben keine Grippe ist, wo sich Krankheitsverlauf und Gesundung eher noch in ein Schema pressen lässt.
Und selbst, wenn ich am nächsten Tag wieder einen Rückschritt mache, weil evt. wieder nichts geht, dann habe ich am Tag vorher einen Schritt nach vorne gemacht.

13.06.2011 14:18 • #5


Pyxidis
Hallo Byron,

tatsächliche Besserung erkenne ich an meinem gesteigerten Selbstwertgefühl. Je selbstbewußter ich werde, desto besser geht es mir und ich falls nicht mehr in so tiefe Löcher. Ich habe dann das Gefühl ich kann es schaffen, meine Krankheit zu überwinden und bin auch sonst einigermaßen leistungsfähig um auch meinen Beruf wieder auszuführen. Bei einem Rückfall sinkt mein Selbstwertgefühl und das Selbstbewußtsein dagegen gegen null und ich traue mir nichts mehr zu. In guten Phasen geht es mir zwar besser, aber mein Selbstbewußtsein ist nicht gestiegen.

Viele Grüße
Scorpio

14.06.2011 09:28 • #6


B
Hallo,

und Danke für eure Gedanken - noch besser gesagt: Gedankenanstösse! Ihr habt ganz sicher mit allen Aspekten recht, und es zeigt mir jetzt erst, dass meine Eingangsfrage eigentlich müssig ist...

Gedanklich auf die Spitze getrieben: man muss nur mal überlegen, wie das wäre, wenn man vorübergehende gute Phasen wirklich von tatsächlicher Besserung unterscheiden könnte. Man würde doch dann in den vorübergehenden guten Phasen sofort jeden Anflug von Hoffnung ersticken, wenn man erkennen könnte, dass es wieder mal nicht länger anhält. Man würde nicht vom positiven Gefühl zehren, man würde erst gar nichts anfangen und keine Schritte unternehmen, usw. usw.

Fazit: eigentlich ist die Hoffnung das wirklich heilende - zumindest ist sie Grundvoraussetzung ...:
Zitat von JeanLucca:
Aber ich weiß das die Leuchtürme richtig stehen,
Das denke ich in den guten Phasen auch immer, und sie geben ja dann auch tatsächlich etwas Orientierung, Halt und Beruhigung: quasi die Hoffnung, dass sich dadurch eine Besserung erreichen lässt. - Wenn dann allerdings wieder die Welle über einem zusammenbricht, ist mein Lernerfolg daraus sofort von diesen Leuchttürmen kannst du nichts erwarten, sie helfen dir auch nicht weiter! Später verziehen sich diese Zweifel etwas, ich steuere diese Hoffnungs-Leuchttürme wieder zögerlich an - aber langfristig frage ich mich, ob diese Spirale sich eigentlich wirklich langsam aufwärts bewegt ...

Zitat von Unhappy:
Gut ist es sich in bessern Phasen aufzuschreiben was einem Freude macht
Stimmt, ich mach das inzwischen in abgewandelter Form: ich suche nach Gründen und noch so kleinen Fitzelchen, warum es mir im Moment wohl besser geht. An schlechten Tagen versuche ich mich daran zu erinnern und dann festzustellen, dass das eigentlich alles noch so vorhanden ist, und quasi dem Trübsinn die Argumente wegzuquatschen. (UND umgekehrt natürlich: ständig versuchen, herauszuhorchen, ob einem womöglich kleine unscheinbare Anlässe oder Ängste die Lebendigkeit nehmen - und die dann gedanklich so lange durchkauen, bis auch im Herzen ankommt hey, ist doch gar nicht so schlimm!. Auch da ist Aufschreiben oder Erinnern ganz nützlich ...)

Zitat von Sonnenblume20:
eine Depression eben keine Grippe ist, wo sich Krankheitsverlauf und Gesundung eher noch in ein Schema pressen lässt
Yep, deswegen ist meine Eingangsfrage auch irgendwie sinnlos, im Nachhinein betrachtet. Aber dieses scheinbar Unkontrollierbare, Unverstehbare ist es halt, womit man meist nicht umgehen kann. Mann will Zusammenhänge verstehen, um steuern zu können - aber das funktioniert hier nur sehr bedingt ...

Zitat von Scorpio:
In guten Phasen geht es mir zwar besser, aber mein Selbstbewußtsein ist nicht gestiegen
Hmm, da ist was dran, stimmt!

Liebe Grüße und so,
byron

15.06.2011 23:06 • #7


JeanLucca
Hallo Byron.

Zitat von byron:
aber langfristig frage ich mich, ob diese Spirale sich eigentlich wirklich langsam aufwärts bewegt ...
Na ja, ich weiß was Du meinst. Wenn ich mich aufraffen kann etwas zu tun das ich machen will und das ich damals immer gerne gemacht habe (z.B. Musik zu machen) dann habe ich noch das Gefühl ....ach man, jetzt hab ich mich schon überwunden das zu tun und doch ist es nur ein winziger Teil von dem wo ich hinwill Ich kann mich noch nicht darauf einlassen es zu geniessen weil ich es am liebsten hätte das alles wieder gut ist. Auf der Stelle. Sofort. Es kostet mich soviel Kraft mich aufzuraffen - dann möchte ich auch eine üppige Ernte haben.

Ich habe bis jetzt auch noch nicht meinen Gegenpol gefunden der mich anzieht, mich zu meiner Leichtigkeit zurückführt. Aber ich bin nicht mehr in der Nähe von dem Pol der mich abstösst. Ich habe Hoffnung und weiß das ich meinen Pol finden werde - ich muss mich nur an das Tempo gewöhnen.

Deine Spirale geht aufwärts - auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlt. Allein schon deshalb das Du Dich mit diesen Fragen beschäftigst zeigt doch, dass Du den Drang hast Deine Spirale noch oben zu beschleunigen. Jeder hat sein eigenes Tempo und einen anderen Zeitpunkt wann es schneller aufwärts geht.

Lieben Gruß, JeanLucca

16.06.2011 07:43 • #8

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