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Sind die Aggressionen depressives Verhalten?

S
Hallo,

ich bin ganz neu hier und suche Tipps und Austausch.

Bei meinem Mann wurde eine Depression diagnostiziert. Vieles, was ich über Depression weiß trifft bei ihm aber nur sehr begrenzt zu.
Er ist in sich gekehrt, spricht wenig, über sich (wie es ihm geht, was er fühlt / denkt) gar nicht. Er bekommt nichts auf die Reihe, bis auf seinen Job. Heißt er macht nix im Haus, keine bürokratischen Sachen (kann z.B. keine Überweisung machen), kümmert sich nicht darum dass die Kinder eingekleidet sind.
Was aber viel schwerwiegender ist, ist dass er schnell wegen jeder Kleinigkeit aus der Haut fährt und ausfallend Wird und uns beschimpft. Wenn ich das Gespräch suche, schießt er direkt gegen mich. Es ist ihm scheinbar ungeheuer wichtig, dass ich schuld bin. Er redet sich dann teilweise richtig in Rage wie schlecht ich bin. Manchmal frage ich mich ernsthaft wer von uns krank ist, ob es wirklich an mir liegt.

Auch seine Wahrnehmung ist manchmal eigenartig. Z.B. sitzt unser Sohn da und puzzelt. Mein Mann meint dann, er würde ihm Kinderfernsehen anmachen, er würde ja nur spielen.

Teilweise bin ich echt fertig; es wird mir einfach alles zu viel! Ich weiss nicht wie ich mit ihm umgehen soll. Bei allem was ich tue, könnte ich etwas - in seinen Augen - ganz schlimmes machen und er könnte wieder ausrasten. Gibt es hier jemand in einer ähnlichen Situation?

26.12.2018 15:25 • x 1 #1


Pilsum
Hallo Sonnenkind,

willkommen hier im Forum.

Für Dich als Partnerin bedeutet es sicher eine sehr starke Belastung; wenn Dein Mann depressiv ist.
Wie kam es dazu? Hast Du die Entwicklung beobachten können, oder wurdet ihr davon überrascht?
Zitat:
Auch seine Wahrnehmung ist manchmal eigenartig.


Dies kann zu einer Depression gehören. Die Fähigkeit, etwas aus der Sicht anderer
sehen zu können kann stark eingeschränkt werden.
Zitat:
Teilweise bin ich echt fertig; es wird mir einfach alles zu viel! Ich weiss nicht wie ich mit ihm umgehen soll.


Verständlich, dass Dich das belastet. Du solltest versuchen weitgehen normal und verständnisvoll mit ihm
versuchen umzugehen.

Wichtig dabei finde ich jedoch, dass Du Dich vor ungerechtfertigten Angriffen schützt
und ihn dann darauf hinweist, dass er Dich persönlich nicht ungerechtfertigt angreifen sollte.

Schwierig ist, im Gesprächston dabei noch ruhig zu bleiben. Schließlich hat jeder mal das
Gefühl einfach ausflippen zu können.

Wie steht Dein Mann zu seiner Depression? Akzeptiert er die Diagnose und sucht er
nach Möglichkeiten, sich behandeln zu lassen?

Viele Grüße

Bernhard

26.12.2018 19:53 • x 3 #2


A


Hallo Sonnenkind82,

Sind die Aggressionen depressives Verhalten?

x 3#3


F
liebes Sonnenkind, (ein schöner Name)

erstmal ein ganz herzliches Willkommen hier im Forum. Genau das was du über deinen eigenen Mann schreibst, kenne ich aus meiner Depression. In sich gekehrt, kriegt nichts auf die Reihe, du bist an allem schuld.

Deinem Mann fehlt jegliche Art von Vertrauen auf sich selbst, traut sich überhaupt nichts mehr zu, ist unzufrieden mit sich selbst, unausgeglichen, schreit grundlos herum, ist total unsicher............................................................................

Nein, liebes Sonnenkind, auf keinen Fall bist du an allem schuld. Weil dein Mann sein Leben nicht in Liebe annehmen kann, er nicht zu sich und seinem Leben steht, lässt er seine ganze Enttäuschung, seinen ganzen Frust an dir heraus.

Selbst musst ich mich bei meiner lieben Frau und meinen Kindern entschuldigen, wie unfair, ich zu ihnen war, so selbstgerecht, erniedrigend. Und ich bin heute so froh, das sie mir wieder vergeben konnten..........................

In der Depression hat dein Mann so viele negative Gedanken über sich selbst, fühlt sich wertlos, unverstanden, kriegt von daher nichts auf die Reihe. Vielleicht kannst du ihn trotzdem einmal loben, wenn er etwas gut macht, das du ihn trotz allem noch lieb hast, du an ihn glaubst...............................

Dein Mann hat so viele negative Gedanken des Leides, des unwert seins, er kreist um sein tägliches Versagen, seine Minderwertigkeit, seine Hoffnungslosigkeit, dass er wertlos ist, er keine Perspektive mehr in seinem Leben sieht usw....

Diese Gedanken sind oft Lügen, sie führen ihn immer tiefer in die Depression. Jede Bewusstmachung dieser Gedanken, in dem dein Mann seine negativen Gedanken aufschreibt, können ihm helfen.

Diese negativen Gedanken wollen deinen Mann zerstören.

So wünsche ich dir viel Liebe und Annahme für deinen Mann, auch wenn er es gerade nicht verdient...........


in guten Gedanken für dich,

viele liebe Grüße,

Frederick

26.12.2018 20:40 • x 4 #3


S
Lieber Bernhard,
lieber Frederick,

vielen Dank für eure Antworten!

Die Depression kam schleichend. Rückblickend hat er schon länger Symptome, die aber nicht als solche wahrgenommen wurden.
Er hat eine schlimme Vergangenheit, ist trockener Alk.. Das spielt in unserem Leben aber gar keine Rolle mehr, oder wenn, sagt er es mir nicht.
Anfang des Jahres sind wir umgezogen, und seitdem geht es steil bergab. Man weiss morgens nie wie er drauf ist, was in seinen Augen alles für Fehler gemacht werden, die ihn zum ausrasten bringen. Jeder Tag wird zur Wundertüte.
Er sagt immer er ginge zum Neurologen und würde die Antidepressiva nehmen, weil ich das so wollen würde. Letztlich weiss ich nicht inwiefern das tatsächlich so ist, er ist unglaublich verschlossen. Man kann sagen, dass ich ihn mal einschätzen konnte, er mir aber zunehmend fremd wird, weil ich nicht weiß was ihn beschäftigt oder was er empfindet.
Die ganze Situation bringt mich an meine Grenzen. Zu Hause ständig eine Stimmung, alsob jemand gestorben wäre. Ständig gemurre und gemecker. Alles lastet auf meinen Schultern. Ich muss das Leben von 5 Personen regeln. Zwei unserer Kinder haben gesundheitlich Baustellen, nichts schlimmes, aber da Fahre ich auch ständig von Arzt zu Logopäden zu Ergotherapie. Bei mir steht eine große OP am Kiefer an, im Frühling eine berufliche Prüfung, die sehr anspruchsvoll ist. Dazu das Haus, Garten, Tiere... Ich bin auch nur ein Mensch! Manchmal spiele ich mit dem Gedanken mich zu trennen, weil ich einfach fit bleiben muss. Für die Kinder! Aber er ist es ja nicht der böse oder schlecht ist. Er ist einfach krank!
Ich habe oft versucht ihn auf sein Verhalten anzusprechen. Ohne Vorwürfe, einfach weil ich es nicht verstehe. Immer kommt das gleiche raus: er ist so weil ich böse bin oder etwas böses von ihm will oder dergleichen. Meistens kommt er dann irgendwann an und entschuldigt sich.

@frederick: nach deiner Antwort musste ich erstmal zu meinem Mann gehen und ihn in den Arm nehmen. Ganz, ganz lieben Dank! Es macht es so viel einfacher, wenn jemand, der selbst betroffen ist, erklärt was da gerade wahrscheinlich in ihm vorgeht und warum er so ist wie er ist! Für mich als Leihe, die noch nie so direkt mit Depressiven zu tun hatte, ist das sehr schwer zu verstehen, zumal mein Mann mit mir darüber gar nicht spricht! Wenn er so unerträglich ist, würde ich ihn am liebsten vor die Tür setzen. Mit deinem Text hast du mir wieder etwas Kraft gegeben das alles auszuhalten und mit anderen Augen zu sehen.

26.12.2018 23:23 • x 4 #4


F
liebes Sonnenkind,

danke für deine Antwort, danke für deine Liebe, deinen Mut, deinem lieben Mann zu helfen. Ja es stimmt, dein Mann ist einfach nur krank. Das ist die eine Seite. Aber er muss auch bereit sein, sein Herz, seine Gefühle zu öffnen, nicht alles nur abblocken.

Du ich hatte auch kein schönes Zuhause............wollte deshalb niemals heiraten, und schon gar keine Kinder haben. Heute bin ich immer wieder überrascht, wie toll sich meine Kinder entwickelt haben, trotz meiner Depression.

Und ich finde es von dir ganz arg stark und wertvoll, das du deinem lieben Mann helfen möchtest, meine liebe Frau hat mir auch schon ganz viel geholfen, und ich bin ihr wirklich dankbar dafür. Aber du darfst dich selbst nicht vergessen liebes Sonnenkind, du hast auch nur eine begrenzte Kraft, deine eigenen Grenzen. Du darfst und musst dich selbst so gut du es kannst, annehmen und lieb haben. Denn wenn du deinen lieben Mann mehr liebst als dich selbst, dann liebst du ihn am Ende weniger.

Jeder Mensch ist seines Glückes eigener Schmied. Dieses Sprichwort hat mich sehr angesprochen. Natürlich hatte ich selbst kein schönes Zuhause. Aber irgendwann im Leben kommt der Zeitpunkt, wo ich für mein Leben allein verantwortlich bin. Ich darf nicht alles im Leben auf mein Elternhaus schieben. Es kommt auch darauf an, was ich daraus mache, oder eben nicht mache.

Mir selbst hat es bisher am meisten geholfen, mich mit meinem Leben auseinanderzusetzen, und mich dann mit meinem Leben zu versöhnen, auch den Menschen zu vergeben, die mich verletzt haben. Wenn ich diese Menschen weiterhin hasse, bringt es mir gar nicht, denn Hass zerstört uns Menschen. Meine Eltern hatten es beide auch nicht einfach im Leben, und haben deshalb oft so negativ gehandelt.

In der Depression bist du oft eingetaucht in eine Traurigkeit, von der du nicht immer genau weißt, woher sie kommt. Du fühlst einen tiefen inneren Schmerz, und du weißt nicht immer woher dein Schmerz kommt. Wir sind verzweifelt, traurig, manches weint aus uns heraus.

Dein lieber Mann möchte dir bei euren Kindern helfen, im Haus im Garten arbeiten, doch er ist blockiert. Er möchte von Herzen etwas für dich tun, doch es fehlt ihm die Kraft, Füße so schwer wie Stein, jeder Schritt tut ihm weh.

Dein Mann trauert, verarbeitet seine negativen Zeiten im Leben, seine Enttäuschungen, Hoffnungen die sich nicht erfüllt haben, er schleppt sehr viele Fesseln mit sich herum.

Sein Schmerz der aus seinem Innersten kommt, ganz tief in ihm drin, möchte alles verdunkeln, verknoten.......................

Darum muss es ihm bewusst werden, das es einen Weg vom dunkeln ins helle gibt. Das es ihm bewusst wird, das ganz viel auch an ihm liegt. Das es die dunklen Zeiten seines Lebens so gut er kann los lassen muss, damit er von den dunklen Zeiten, mehr und mehr los kommt.

Das er sich nichts vormacht, sondern der Wahrheit seines Lebens ins Auge schaut, nicht immer wieder vor sich selbst flieht.

Der Schmerz in seinem Innersten gleicht dem Fieber des Körpers. Beide sind unbeliebt, doch beide wollen nur das eine:

Warnen und herausfordern wieder leben zu wollen.

Der Zorn deines Mannes will raus, auch seine Aggressionen. Er darf sie aber nicht auf dich richten, sondern auf jene, die sein Zorn betrifft. So ein Zorn kann die Dunkelheit aus seinem Innersten raus lassen.....................................................

Den Zorn im Sport raus lassen ist gut, oder vielleicht könnte er mal euren Garten umgraben, mit deinen Kindern Fahrrad fahren, durch den Wald hüpfen und laufen usw............

In der Depression hast du echte Wahrnehmungsstörungen. Du siehst nur das Schwierige, nicht das Mögliche. Der Blick ist einseitig nur auf das Negative ausgerichtet.

Der Blick ist verengt auf ein wertvolles Leben. Wichtig finde ist meine ich, dass dein Mann auch wieder das Gute sehen kann, das du ihn lobst, ermutigst, denn das negative Denken ist nicht immer die Wahrheit, oft sind es Lügen.

Deshalb sollte dein Man in seiner Depression keine größeren Entscheidungen treffen, die ihm später leid tun.


Du ich wünsche dir und deinen Kindern von Herzen, das es deinem lieben Mann jeden Tag etwas besser geht, das er wieder einen Sinn in seinem Leben sieht.


in guten Gedanken an euch,


ganz viele liebe Grüße,


Frederick

27.12.2018 17:25 • x 3 #5


S
Lieber Frederick,

danke für deinen Beitrag.

Weißt du was ich nicht verstehe? Mein Mann hat leider keine wirkliche Familie. Seine Eltern und Geschwister haben schreckliche Dinge getan. Seine Eltern haben uns nach Zwei Jahren letztens wieder besucht (übers Wochenende) und er war wie ausgewechselt. Er hat sogar den Tisch nach dem Essen abgedeckt und einige kleine Arbeiten im Haus gemacht, die er zuvor wochenlang ignoriert hat. Außerdem konnte er auf einmal lachen und freundlich sein.
Ich habe gelesen, dass sich Depressive auch verstellen können. Trotzdem hat mich sein Verhalten verletzt, was ich ihm auch sagte. Er behandelt uns oft als wären wir Dreck, obwohl ich immer hinter ihm stand und ihm immer versucht habe zu helfen. Und zu den Menschen, die ihn sein Leben lang nur getreten haben ist er lammfromm. Das ist so ungerecht! Er meint natürlich, dass ich spinnen würde, er wäre so wie immer gewesen.

Ja, er hat große Probleme mit sich selbst, Minderwertigkeitskomplexe. Z.B. hat er erst letztes Jahr den Führerschein gemacht und sich dieses Jahr sein erstes Auto gekauft. Musste natürlich ein dicker SUV sein. Für was?
Ich verstehe ja, dass er zeigen möchte was er geschafft hat und seine Komplexe damit überspielt. Aber warum bekomme ich immer die volle Breitseite Negativ von ihm ab? Ich habe ihn kennen gelernt als er ganz unten war. Obdachlos und schwer Alk.. Nach einem sehr langem Krankenhausaufenthalt habe ich ihn zu mir aufgenommen, weil seine Familie ihn auf die Straße zurück schicken wollte. Als er bei mir einzog hatte er nicht einmal Kleidung, die ihm gehörte. Geschweige denn einen Pass oder eine Krankenversicherung. Wir haben das alles zusammen durchgestanden. Damals - er schlief natürlich im Wohnzimmer - habe ich jeden Morgen geguckt ob er noch lebt, in so einem desolaten Zustand wurde er aus dem Krankenhaus entlassen. Er musste vieles neu erlernen, wie z.B. laufen. Ich war immer da, habe ihn nie im Stich gelassen. Ich verstehe nicht, warum er mir nicht sagt, was mit ihm los ist. Es fühlt sich an, als habe er kein Vertrauen. Aber warum? Ich sage ihm immer wieder, ich bin seine Frau, ich möchte dass er glücklich ist, das wir glücklich sind. Ich möchte ihm doch nichts Böses, im Gegenteil!
Dieses Forum hilft mir sehr, weil ich auch Berichte von Betroffenen lese und so versuchen kann meinen Mann besser zu verstehen. Lieber wäre mir aber, dass er sich mir öffnet.
Heute war ein guter Tag. Eigentlich wollte ich mit den Kids einkaufen fahren und ihn zu Hause zur Ruhe kommen lassen, aber er wollte mit. Er ist auch lieb und wollte heute sogar von sich aus mit uns ein Spiel spielen. So Tage gibt es immer mal wieder, aber es hält leider nicht an. Wie lange dauert es, bis diese depressive Phase einigermaßen endgültig beendet ist? Er macht ja keine Therapie, nimmt nur Antidepressiva.

GlG

27.12.2018 20:34 • x 1 #6


Pilsum
Hallo Sonnenkind,

jetzt wo ich Deinen Text lese, bin ich mehr als überrascht.
Ich finde es erstaunlich, welche Erfolgsgeschichte ihr zwei gebaut habt.
Zitat:
Aber warum bekomme ich immer die volle Breitseite Negativ von ihm ab? Ich habe ihn kennen gelernt als er ganz unten war. Obdachlos und schwer Alk.. Nach einem sehr langem Krankenhausaufenthalt habe ich ihn zu mir aufgenommen, weil seine Familie ihn auf die Straße zurück schicken wollte. Als er bei mir einzog hatte er nicht einmal Kleidung, die ihm gehörte. Geschweige denn einen Pass oder eine Krankenversicherung. Wir haben das alles zusammen durchgestanden.


Das hört sich wunderbar an. Du hast ihn wieder aufgehoben, als er am Boden lag.
Er wird Dir sicher ewig dafür dankbar sein.
Allerdings könnte in dieser Situation auch eine Art seelische Abhängigkeit von ihm, Dir gegenüber entstanden sein.
Wie soll er das jemals wieder gut machen, was Du für ihn getan hast.

Darf er also Dich und Deine Lebensweise auch mal teilweise in Frage stellen oder kritisieren, wenn ihm
danach ist?
Ist das erlaubt, ohne dass er sich selbst als unendlich undankbar empfindet?
Ich könnte mir vorstellen, dass er gedanklich in Situationen hineinkommt,
in denen er sich nicht mehr frei und unabhängig fühlt.

Ist das zu verstehen, worauf ich hinaus will?
Woraus zieht er täglich sein Selbstbewusstsein? Und wie kann er sein Ich im Streit verteidigen?

Viele Grüße

Bernhard

27.12.2018 21:51 • x 2 #7


S
Lieber Bernhard,

ich verstehe was du meinst. Weißt du, er hat ab und zu die Angewohnheit zu sagen, ich wäre sein Engel gewesen. Ich kann das nicht besonderes leiden, weil er, er allein, diesen Kampf kämpfen musste und gewonnen hat. Ich konnte ihn nur begleiten, mehr nicht. Das sage ich auch immer zu ihm. Er hat das geschafft! Natürlich gab es eine Phase durch die wir gemeinsam gegangen sind, aber das war auch nicht ich allein. Wäre er nicht stark gewesen und hätte er nicht gekämpft, hätte ich rein gar nichts ausrichten können.

Natürlich kann er mich kritisieren, er tut es auch. Nur leider immer wieder sehr laut und ausfallend. Meine Mutter meint, er würde mich als ihm überlegen empfinden. Was kann ich dagegen tun? Natürlich habe ich meine Ecken und Kanten und bin bestimmt nicht immer einfach. Ich war schon immer eine Macherin, die Starke. Das bin ich eben.

Seit Ende meiner Elternzeit ist er Alleinverdiener. Ich hatte zwar angefangen wieder in Teilzeit zu arbeiten, bin dann aber im Burnout gelandet und habe den Job wieder an den Nagel gehängt. Bis Mitte nächsten Jahres bleibe ich auf jeden Fall zu Hause. Was nach den Prüfungen kommt sehen wir dann. Ihm hat das gar nicht gepasst, er hätte es lieber, wenn ich in Vollzeit arbeiten gehen würde. Jetzt hängt finanziell fast alles an ihm. Der Obdachlose, ohne Krankenversicherung ernährt jetzt eine fünfköpfige Familie. Wir sind alle über ihn Familienversichert. Das habe ich ihm auch gesagt. Guck mal, was du geschafft hast! Das Blatt hat sich gewendet!
Er sagt auch immer, er hätte kein Hobby, nichts für sich. Es steht ihm aber nichts im Wege sich Freiraum zu schaffen. Er könnte Sport oder etwas anderes, das ihm Spaß macht, machen. Tut er aber nicht.
Was er erreicht hat ist der Wahnsinn! Er hat sich aus dem Sumpf gezogen, hat einem guten Job, Frau und zwei, bzw. drei tolle Kinder. Wer hätte das vor 10 Jahren gedacht? Ich glaube aber, dass er das nicht sieht, nicht sehen kann.

Ich habe ihm immer gesagt, ich möchte keine Dankbarkeit von ihm. Auf keinen Fall! Nur einmal hatte ich ihm einen Vorwurf gemacht, als eine seiner Schwestern auf mich losgehen wollte (vor vier Jahren, ich war schwanger) und im Nachgang, eigentlich bis heute, seine Familie sehr schlecht über mich spricht. Er hat sich zu keinem Zeitpunkt vor mich gestellt, mich beschützt. Da habe ich zu ihm gesagt, dass ich wegen dem was war keinen Dank möchte, aber gehofft hatte, dass er sich auch mal vor mich stellt.

Wir sind seit ein paar Monaten bei einer Eheberatung. Dort habe ich immer wieder betont, dass ich mit ihm auf Augenhöhe sein möchte. Manchmal denke ich, dass er sich ausruht, der Meinung ist, er gehe arbeiten und alles andere wäre allein meine Aufgabe, auch die Ehe zu führen.

27.12.2018 23:36 • x 1 #8


F
liebes Sonnenkind,

du zu meiner Frau sage ich auch manchmal, sie sei mein Engel. Weil sie mir in meiner Depression auch schon so viel geholfen hat. Auch hat sie schon viel für mich verzichtet.

Ja dein Mann braucht in erster Linie mehr Selbstvertrauen. So wie er denkt, so ist er, so lebt er. Wenn er nur negativ über sich denkt, haben andere Menschen mit ihm ein leichtes Spiel, und nutzen ihn gnadenlos aus.

Depressionen lähmen uns, Liebe und Annahme mit mir selbst, kann meine Depression positiv verändern.

Deshalb würde ich deinem lieben Mann eine Therapie empfehlen. Das er Vertrauen zu sich selbst finden darf, Vertrauen zu seinem jetzigen Leben, Vertrauen zu anderen Menschen. Dieses Urvertrauen hat er in seinem Elternhaus nicht lernen dürfen. Du und mir ging das ja auch so. Und dann hast du keine guten Gedanken über dich, du fühlst dich wertlos und meinst, du musst deinen eigenen Wert immer wieder beweisen. Aber auf Dauer ist das so was von zerstörend, macht dich müde, unausgeglichen.

Du hast keinen Mut mehr, dein Leben zu leben, du hast sogar Angst vor deinem Leben, fühlst dich kontrolliert, beobachtet, beurteilt, und oft auch verurteilt.

Um angesehen zu werden meinst du, du musst immer mehr Opfer bringen, oder du musst immer den Clown spielen, es allen Menschen recht machen.

Ein gesundes Selbstvertrauen fällt uns leider nicht in den Schoss. Und deshalb ist es wichtig, es in späteren Jahren nachzuholen.

Wenn du dass nicht tust, dann besteht die Gefahr, dass du ein ganzes Leben lang deinen Wert als Mensch in Frage stellst. Ich weiß es ja von mir, das ist immer wieder so was von depressiv, enttäuschend, zerstörend.

Du fühlst dich immer wieder in Frage gestellt, du traust dir nichts zu, du lässt dich ein Leben lang von anderen Menschen bestimmen, du hast keine Persönlichkeit, keine Identität, du fühlst dich immer einsam, verlassen, nicht verstanden, du bist mit dir und deinem ganzen Leben immer wieder unzufrieden, du hast keinen Plan, keine Ideen für dein Leben, ich leide immer wieder an mir selbst und meinen Mitmenschen.

Da muss dein Mann bereit sein, sich und seine bisherige Lebensgeschichte in Liebe annehmen. Du liebes Sonnenkind, ich hätte mir auch gerne ein ganz anderes Leben gewünscht. Wenn ich daran denke, dann tut es mir heute noch weh. Doch meine nicht so gute Kinderzeit ist auch ein Teil von mir. Ändern kann dein Mann auch nichts mehr daran. Er kann nur noch lernen dazu zu stehen, als zu seinem Leben gehörend zu akzeptieren, und das Beste für ihn daraus zu machen.

Du das ging bei mir auch nicht ohne Schmerzen und Trauer. Aber irgendwann sollte der Punkt kommen, wo er sich und sein Leben akzeptieren kann. Dann hast es du und deine lieben Kinder viel. viel einfacher mit ihm , wenn er da Frieden finden darf mit seinem Leben, ausgeglichener und ruhiger wird.

Wenn dein Mann das nicht tut, Zeit und Kraft dafür zu investieren, dann bleibt er in seiner Vergangenheit ein Leben lang stecken. Und da helfen ihm auch nicht seine Tabletten mehr. Weil die nicht die Ursache seiner Depression bekämpfen.

Dann macht er alles mögliche für sich und seine Depression verantwortlich, sein Leben, dich, seine Kinder usw.......

Dabei ist er in erster Linie selbst für sich verantwortlich. Er kann und muss es wagen, sich selbst und seinem Leben zu stellen. Der Preis dafür ist nicht zu hoch.

Versuche ihn drin zu ermutigen, das er sich helfen lässt. Doch musst du immer wieder selbst auf dich aufpassen.

Ein Mensch mit Depressionen kann brutalst anstrengend und stressig sein. Das du in der Hilfe zu deinem Mann auch immer wieder gut für dich selbst sorgst. Eine Weile geht das gut, aber nicht auf Dauer. Die Gefahr besteht, das du müde und verbittert wirst, und deinem Mann dann gar nicht mehr helfen kannst. Viel Nörgelei, Kritik, Ärger an sich selbst oder anderen Menschen kommt daher, dass man mit sich selbst unzufrieden ist, oder dass man sich und seine Lebensumstände nicht annehmen kann. Du bist wie dein Mann einzigartig und wertvoll, und du bist du, du darfst dich selbst immer wieder von Herzen annehmen und lieb haben.


....in guten Gedanken für dich und deinen lieben Mann und deine Kinder,

viele liebe Grüße,


Frederick

28.12.2018 19:04 • #9


S
Lieber Frederik,

in den vergangenen Wochen war ich komplett überfordert mit ihm. Seit meiner Mitgliedschaft hier im Forum - und das sind ja erst wenige Tage - verstehe ich und gehe auch anders mit meinem Mann um. Eure Beiträge geben so viel Kraft!
Heute ergab sich eine günstige Situation und ich habe mit ihm ein wenig sprechen können. Habe ihm erzählt, dass ich viel über Depression gelesen habe und ich habe ihm von deiner ersten Antwort erzählt, warum er wahrscheinlich so agressiv ist. Er hat nur gegrinst und vielleicht ist das so gesagt. Auch habe ich ihm gesagt, dass nicht er mich belastet, sondern dass ich ihn oft nicht verstehe und er sich mir überhaupt nicht öffnet. Ich stehe ihm jetzt auf den Füßen, dass er sich im Fitnessstudio anmeldet und bin zuversichtlich. Dieses Gespräch fand nur statt, weil ich mit euch hier geschrieben habe.

Das mit der Therapie habe ich ihm schon lange vorgeschlagen, denn die Tabletten behandeln vielleicht die Symptome, aber nicht die Ursache. Er hat das dann wohl auch beim Neurologen angesprochen. Der aber würde meinen, dass er erstmal medikamentös eingestellt werden solle.
Darauf verlässt er sich jetzt voll und ganz.

Für mich spielen die Kinder die erste Geige. In erster Linie ist es wichtig, dass es ihnen gut geht und an nichts fehlt. Und für sie muss ich genug Kraft haben und fit bleiben. Hört sich vielleicht hart an. Die Kids und ich fahren Ende Januar auf eine Mutter-Kind-Kur, und die Zeit dort werde ich nutzen, auch um mir Gedanken zu machen wo meine Grenze mit meinem Mann liegt. Die Tage, seit ich hier angemeldet bin, liefen gut. Aber ich weiß, dass es auch wieder anders werden wird. Außerdem fange ich nach der Kur eine Therapie an. Was ich im Moment ziemlich hinten an stelle ist der Beruf. Dazu bleibt jetzt einfach keine Kraft. Ich hoffe meine Prüfung zu bestehen, habe sehr wenig Zeit zum Lernen. Aber auch wenn nicht, kann ich sie wiederholen.
Ich brauche meine Kraft für die Kinder und für ihn. Denn ja, er ist unglaublich anstrengend! Ein Blick, ein Wort reichen oft, und er spricht den ganzen Tag kein Wort mehr! Es ist auch recht schwer sich da nicht mit runter zu ziehen zu lassen. Und manchmal, in gewissen Bereichen, hat mich diese Depression schon mitgezogen. Das möchte und muss ich ändern, und er muss da gewissermaßen mitlaufen.

Es ist toll wie ehrlich und offen du darüber schreibst, lieber Frederick!

GlG

28.12.2018 20:49 • x 2 #10


A


Hallo Sonnenkind82,

x 4#11


F
liebes Sonnenkind.

ja gerade in deiner Beziehung zu dir selbst, deinem Mann, deinen Kindern, ist Liebe und Annahme ein ganz wichtiger Begriff.

Alle unsere Gedanken, unsere Lebenseinstellungen haben etwas mit Liebe zu tun. Da dein lieber Mann in seiner Kinderzeit vermutlich wenig Liebe erhalten hat, hungert er heute nach Annahme und Liebe. So ist er ein eher misstrauischer Mensch, hat Angst in der Beziehung zu dir und zu deinen Kindern. Angst wieder ausgenutzt und verletzt zu werden.

Deshalb ist es für deinen Mann, aber auch für dich selbst am besten, und auch für deine Kinder, wenn ihr versucht, in Liebe und Annahme miteinander zu leben. Viele Probleme in der Liebe sind mit Selbstwertstörungen verbunden. Dein Mann glaubt nicht an sich selbst, findet sich nicht attraktiv, nicht intelligent und standesgemäß zu sein.

Selbstwertstörungen sind leider Gift für deinen Mann, und dann auch für dich liebes Sonnenkind, aber auch für deine Kinder. Sie zerstören euer Vertrauensverhältnis. Wenn dein Mann ein JA für sich selbst hat, dann hat er auch ein JA für dich und deine Kinder. Wer sich schätzt, wertvoll empfindet, schätzt auch den anderen in deiner Familie.

Deshalb ist ein wertschätzender, offener und ehrlicher Umgang ganz arg wichtig für deine liebe Familie. Wertschätzung heißt aber auch, sich offen und ehrlich die Wahrheit zu sagen. Auch zu deinem Mann, das es jetzt an ihm liegt, eine Therapie für seinen Selbstwert zu machen.

Das ihr euch gegenseitig in Liebe annehmen könnt. Ohne Anerkennung verkümmert jeder Mensch. Anerkennung bedeutet auch mal gute Worte, ein Danke, Streicheleinheiten. Ein Kompliment für deinen Mann, ein Kompliment für dich, Bestätigung, Ermutigung usw.Denn gerade unser Selbstvertrauen, unser JA für uns selbst, beruhen auf der Liebe der Anerkennung und der Annahme. Wenn ihr euch anerkennt, bestätigt, lobt, aus ehrlichem Herzen, natürlich gilt das auch für deine Kinder, dann liebt ihr euch, und tut euch gut.

Dein Mann sehnt sich auch nach Geborgenheit. Wer sich geliebt und anerkannt fühlt, der fühlt sich auch geborgen.

Geborgenheit ist der Halt in unserem Leben, der feste Punkt, um den sich unser Leben dreht. Wenn dein Mann sich geborgen fühlt, so wie er ist, dann hat er in seiner Depression einen festen Halt.

Denn als Menschen, als Familie braucht ihr euch untereinander. Nähe, Vertrauen, Kontakt, das hat dein Mann als Kind vermutlich nie erfahren. Er war entwurzelt, hatte keine Wurzeln, keinen Halt in seiner Familie.

Vielleicht zieht sich dein Mann deshalb immer wieder zurück, oder er klammert sich zu fest an dich. Weil er keine Lebenswurzeln hat, Wurzeln, die sich immer tiefer in die Erde eingraben, Halt und Sicherheit bieten. Dein Mann darf und muss seine eigenen Lebenswurzeln finden.

Liebe in eurer Familie soll auch ein Geben und Nehmen sein. Eine einseitige Liebe ermüdet dich liebes Sonnenkind.

Liebe bedeutet beides, dass du dich von deinem Mann beschützen lässt, du ihm aber auch Schutz gibst.

Das dein Mann fürsorglich mit dir umgeht, und du auch mit deinem Mann.

Das ihr verantwortlich miteinander umgeht, ihr seht, was dem anderen fehlt, was dem anderen Freude macht, das ihr euch in eurer Einzigartigkeit akzeptiert, und ihr euch immer mehr annehmen könnt.

Deshalb finde ich es wichtig, das sich dein Mann aus Liebe zu sich selbst, zu dir und deinen Kindern auf eine Therapie einlässt.

in guten Gedanken für dich, deinen Mann, deinen lieben Kindern,


Frederick

29.12.2018 19:04 • #11

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