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Wirklich Burnout oder muss ich mich nur zusammenreißen?

J
Hallo,

ich war am Montag bei meiner Ärztin, weil ich komplett überfordert war. Ich wollte eigentlich mit ihr besprechen, dass ich vermutlich meinen Job kündigen werde, aber erst einmal ein paar Tage Ruhe brauche, um wieder ein wenig Kraft zu schöpfen, dann mein Projekt (ich arbeite seit 4 Jahren in einem Architekturbüro) übergeben werde und dann schauen werde, wie lange ich es noch schaffe. Dass ich vielleicht dann nochmal eine Woche Pause brauche, um überhaupt Kraft zu sammeln, mich woanders zu bewerben. Nun war ich da und statt einfach zu sagen wie es mir geht, bin ich in Tränen ausgebrochen und konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Sie meinte, dass ich kurz vor einem Burnout stehe und hat mich erst einmal krank geschrieben. Nun bekomme ich das Gedankenkarussell nicht mehr zum Stillstand und frage mich ständig, ob ich mich nicht einfach nur zusammenreißen müsste. Ich wollte daher gern fragen, ob es anderen ähnlich geht/ging.

Zu meiner Geschichte: Ich habe nach meinem Abitur angefangen, Architektur zu studieren. Oft 80-100 Stunden pro Woche, auch am Wochenende etwas für die Uni machen, kaum Semesterferien, da in diese Zeit alle Prüfungen fielen, nebenbei die meiste Zeit 10-20 Stunden gearbeitet. Oft war ich bereits an meiner Belastungsgrenze, habe aber weiter gemacht. Nach dem Master habe ich dann in einem Büro angefangen, habe große Projekte bekommen, hatte keine Berufserfahrung, musste jedoch in den letzten 4 Jahren beinahe dauerhaft alles allein machen (ca. 4 Monate Teamarbeit in 4 Jahren). Anfangs habe ich das noch als Herausforderung abgetan, war voller Elan, habe mich abends mit Freunden getroffen, das Leben war plötzlich schön und ich dachte, endlich angekommen zu sein. Ende 2018 war ich bereits 2 Wochen krankgeschrieben, da ich irgendwann an einem Punkt ankam, an dem ich den Inhalt von Emails nicht mehr verstand und ständig in Tränen ausgebrochen bin. Ich habe gelesen und nichts verstanden. Ich hatte immer wieder angesprochen, dass ich mir Unterstützung und ein Team wünsche, bereits vor 2 Jahren gesagt, dass ich schlecht schlafe, aber es hat sich nichts geändert. Ich habe oft an eine Kündigung gedacht, wusste aber noch nicht so richtig, wie es weiter geht und da mein Freund und ich auch eine Hochzeit planen, die auch finanziell gestemmt werden musste, dachte ich, dass ich bis dahin noch durchhalte. Bis Ende letzten Jahres ging es mir noch ganz gut. Mein Job hat zwar manchmal genervt, aber ich hab auch noch Spaß daran gefunden und war sehr zielstrebig und engagiert. Anfang diesen Jahres hat es dann angefangen, dass ich immer erschöpfter wurde. Nach der Arbeit plötzlich kaum noch Freude an Hobbies, die mir früher unendlich viel Spaß gemacht haben. Irgendwann habe ich mich nur noch durch den Tag geschleppt. Auch die Wochenenden waren nicht besser. Ich wollte nur noch, dass jeder Tag, jede Woche, jeder Monat vergeht. Irgendwie wurde ich komplett perspektivlos, alles war plötzlich sinnlos. Ich wusste nicht mehr, wozu ich eigentlich aufstehe, was das Leben eigentlich bringt, was ich will. Morgens vor der Arbeit (ich arbeite derzeit größtenteils im Homeoffice), habe ich oft einfach angefangen zu weinen. Allein der Gedanke daran, wieder 8 Stunden alles allein zu machen hat mich zur Verzweiflung gebracht. Überstunden musste ich zum Glück nicht machen. Oft habe ich auch zwischendurch geweint und dachte mir Ich kann einfach nicht mehr. Dinge, die mir früher einfach von der Hand gingen, erforderten mehr Konzentration. Irgendwie war oft kein klarer Gedanke zu fassen. Als würde ich nur noch funktionieren, und das wollte ich nicht mehr. Jede kleine Aufgabe hat mich plötzlich überfordert. Ich wollte einfach nicht mehr. Ich kenne es, dass man mal keine Lust auf die Arbeit hat und sich denkt Ich würde gerade lieber xy machen. Aber ich wollte gar nichts machen. Nicht einmal schlafen, einfach nur mal nicht existieren, nicht mehr funktionieren. Ich habe gemerkt, dass ich eine Pause brauche, aber habe gedacht, das wird schon. Bis zur Hochzeit geht es noch. Dann dachte ich: Vielleicht bis Juni. Und vor 2 Wochen dachte ich: Ich kündige noch diesen Monat. Ich muss mich sortieren und einfach mal nichts machen. Irgendwann kamen komplette Selbstzweifel, ich habe alles in meinem Leben hinterfragt. Vieles von früher kam hoch. Die Gedanken haben einfach nicht mehr aufgehört und das haben sie immer noch nicht. Nach einem verlängerten Wochenende letzte Woche und nachdem ich mich aufgerappelt hatte, mich mit einer Freundin zu treffen, dachte ich: Du willst zwar kündigen, aber vielleicht schaffst du es doch noch ein bisschen, schreibst Bewerbungen und brauchst gar keine Pause. Nach diesem Tag und einem langen Spaziergang ging es mir so gut wie seit Wochen nicht. Am nächsten Tag saß ich vor meinem PC und nach 2 Stunden fing ich wieder an zu weinen. Es ging nicht mehr. Ich habe einen Termin bei meiner Ärztin gemacht und wollte wie oben beschrieben mit ihr besprechen, wie es weiter geht. Und dann konnte ich nicht aufhören, zu weinen. Ich habe in den letzten Monaten seltener Kontakt zu Freunden gehabt, habe oft gehofft, dass irgendetwas dazwischen kommt wenn man sich verabredet hatte, sodass ich einfach meine Ruhe habe. Ich habe vor ca. 2 Monaten angefangen, stark mit den Zähnen zu knirschen. Magen-Darmbeschwerden, Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen, Rückenschmerzen wurden häufiger. Nachts immer schlechte Träume. Ich habe mich einfach nur noch matt gefühlt. Manchmal dachte ich noch: Dann machst du nach der Kündigung vielleicht mal 2 Wochen Pause und dann gehts weiter wie auch immer, aber die meiste Zeit war ich nur noch hoffnungslos. Wollte einfach nichts mehr tun. Ich frage mich dennoch, ob ich mich einfach zusammenreißen müsste. Dass es schon irgendwie noch gehen würde. Zumindest bis Ende der Kündigung. Irgendwie würde ich das doch hinbekommen? Ich habe ein schlechtes Gewissen und die Gedanken verschwinden nicht. Ich habe Angst, einfach nur komplett faul zu sein. Ich habe so oft in den letzten Wochen gedacht, dass ich eine Pause brauche, einfach mal nichts tun, sich sortieren und dann voller Elan weiter machen. Und nun fühlt sich diese Pause falsch an. Als hätte ich sie nicht verdient. Als wäre ich wirklich nur unmotiviert. Als würde ich mir alles nur einbilden.

19.03.2021 13:47 • x 1 #1


T
Zitat:
Ich habe vor ca. 2 Monaten angefangen, stark mit den Zähnen zu knirschen. Magen-Darmbeschwerden, Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen, Rückenschmerzen wurden häufiger. Nachts immer schlechte Träume. Ich habe mich einfach nur noch matt gefühlt. Manchmal dachte ich noch: Dann machst du nach der Kündigung vielleicht mal 2 Wochen Pause und dann gehts weiter wie auch immer, aber die meiste Zeit war ich nur noch hoffnungslos.


Ich habe mal diese Passage ausgewählt, aber eigentlich spricht dein gesamter Text die selbe Sprache. Ich würde sagen, du solltest deinen Körper und die vielen, vielen Warnzeichen ernst nehmen. Zusammenreißen klappt nämlich nur bis irgendwann gar nix mehr geht. Ich bin ganz bei deiner Ärztin.

Burnout ja, zusammenreißen nein. Bitte achte auf dich.

19.03.2021 13:56 • x 3 #2


A


Hallo Janon,

Wirklich Burnout oder muss ich mich nur zusammenreißen?

x 3#3


Heideblümchen
Zitat von Traumtänzerin:
Burnout ja, zusammenreißen nein. Bitte achte auf dich.


Danke, @Traumtänzerin .... dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
@Janon ..... es wird höchste Zeit, dass du deiner Ärztin vertraust, einen (oder zwei) Gang zurück schaltest und dich dringend schonst, um wieder klare Gedanken zu fassen und dich in aller Ruhe mit deinem derzeitigen, schlechten Zustand auseinander setzt, bevor du - ohne Energie - an die Zukunft denkst. Alles in dir zeigt dir, dass du dringend (!) Ruhe brauchst! Pass auf dich auf und versuche, dich nicht verrückt zu machen oder dich schuldig zu fühlen. Du brauchst dich nicht zusammenreißen, du musst dich schonen und auf dich achten, wie @Traumtänzerin das schon richtig geschrieben hat! Würde ich also genauso sehen! Alles Gute für dich!

19.03.2021 14:11 • #3


Lilly-18
Liebe @Janon ich schließe mich meinen Vorrednerinnen an und kann dir nur raten, eine Vollbremsung hinzulegen, bevor du in den Abgrund fährst.
Entschuldige das drastische Bild, aber mir ist schon beim lesen deiner Zeilen schwindelig geworden.

Schön dass du hierher gefunden hast ! Es wird dir gut tun festzustellen, dass du nicht alleine bist mit deinen Problemen.

19.03.2021 16:37 • #4


J
Danke @Traumtänzerin ich werde versuchen, die negativen Gedanken wegzuwischen und auf mich zu achten.
Danke @Heideblümchen für deine netten Worte.
Und danke @Lilly-18 , jetzt fühle ich mich wirklich nicht mehr so allein.

19.03.2021 17:45 • x 3 #5


A
Liebe @janon,

eben habe ich deinen Text gelesen und mich darin wiedererkannt.
Ich bin seit 4 Wochen hier im Forum und hatte bis heute noch keine Kraft auch nur ein Wort zu schreiben.

Ich kann dir sagen wie es weitergehen könnte, wenn du dich zusammenreißt...ich habe es getan und bin letztlich mit dem Krankenwagen von der Arbeit geholt worden.
Zieh die Reißleine, mach ne Pause!

Auch ich habe immer wieder Zweifel.
Ich bin jetzt seit 5 Wochen krankgeschrieben. Man möchte meinen, dass es dann mal langsam wieder bergauf geht. Tut es aber nicht.
Ich schlafe immer noch mies und viel zu wenig, habe an nichts Freude, keinen Appetit aber wenigstens ein schlechtes Gewissen so lange schon beruflich auszufallen.

Ich wünsche dir, dass du den richtigen Weg für dich findest

Alles Gute!

30.03.2021 08:22 • x 1 #6


Elliot
@Janon : Deine Gedanken bezüglich faul sein oder Als hätte ich sie nicht verdient usw. kennen wohl viele von uns, da bist du nicht alleine. Trotzdem ist diese Annahme grundsätzlich falsch! In unserer Leistungsgesellschaft darf aber leider nur derjenige krank sein, der eine nachgewiesene körperliche Erkrankung hat. Psyche oder psychosomatisch gilt oft immer noch als Simulation. Dabei spürst du gerade selber, wie eng diese beiden Bereiche zusammenhängen. Dein Körper möchte dir mit aller Macht gerade etwas mitteilen, also höre auf ihn. Daran ist nichts verwerfliches. Und erwarte nicht, dass es mit ein paar Wochen Ruhe getan wäre (hallo @Amanda99 ). Jahrelanger Raubbau ist nicht so schnell umkehrbar, das dauert! Ansonsten bist du schneller wieder unten, als dir lieb ist.
Alles Gute!
E.

30.03.2021 09:19 • #7


R
Hallo Janon,
ich möchte dir nur gerne noch schreiben, dass ich in deiner jetztigen Situation nicht kündigen würde. Du hast dort 4 Jahre gearbeitet und hast alles gegeben, bitte warte ab bis du wieder richtig stabil bist.
Ich wünsche dir alles Gute und bitte nimm dir die Zeit die du brauchst, das ist ganz wichtig.
LG, Robbe
PS: Hast du vielleicht schon mal über eine Psychotherapie nachgedacht?

30.03.2021 11:38 • #8


J
Liebe @Amanda99
Das tut mir so leid. Ich wünsche dir alles alles Gute und dass du die Ruhe und Zeit findest, dich gut zu erholen. Hast du denn therapeutische Unterstützung? Ich hoffe, dass dein schlechtes Gewissen bald verschwindet und du dich dann wirklich komplett auf dich konzentrieren kannst.

@Elliot Danke für deine Nachricht. Ich bin jetzt seit über 2 Wochen krankgeschrieben und ruhe mich viel aus und versuche mir einzugestehen, dass es so lange dauert, wie es eben dauert.

@Robbe Auch danke für deine Nachricht. Ich werde erst einmal nicht kündigen, kann mir jedoch auch nicht vorstellen, dort wieder anzufangen. Leider ändert sich nichts an der Situation - ich habe ja mehrfach und über Jahre hinweg angesprochen, dass ich Unterstützung benötige und es hat sich nichts getan. Das ist schade, aber ich denke, dass ich dort immer wieder in eine ähnliche Situation kommen würde. Leider bin ich auch nicht die erste, der es dort so erging.

Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass ich die letzten Wochen nur noch aufgrund von Stresshormonen funktioniert habe. Zu Beginn meiner Krankschreibung war ich noch sehr angespannt, das hat sich dann nach einigen Tagen Stück für Stück gelegt und dann ging plötzlich gar nichts mehr und ich hatte das Gefühl, als würde sich mein Kopf gleich ausschalten und ich ohnmächtig werden. Schon 10 Minuten spazieren gehen ist an manchen Tagen unglaublich anstrengend. Ich bekomme nun aber Hilfe und hoffe, dass es dann allmählich wieder besser wird.

30.03.2021 12:41 • x 1 #9


A


Hallo Janon,

x 4#10


L
Hallo Janon, ich habe ähnliches durchgemacht und die gleichen Gedanken gehabt. Es ist ein Prozess. Dh ich bin krankgeschrieben und am Anfang war ich auch nur erschöpft.. da gibts gute und schlechte Phasen. nehme den Druck raus.. und eine Therapie ist hilfreich und immer wenn du merkst du kannst nicht mehr, tue was für dich. Mir hilft spazieren gehen.. Musik hören.. versuche es zu akzeptieren, mach Kleine Schritte.. gönn dir Pausen

31.03.2021 01:08 • x 1 #10

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