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Smiling Depression, mein Partner und unsere Scheinwelt

M
Hallo lieber Leser, liebe Leserin,

ich habe mich hier neu angemeldet und Suche nach Austausch, nach Zuspruch oder nur ein offenes Ohr.

Für alle, die sich diese Zumutung meinen langen Text zu lesen, verständlicher Weise, nicht antun wollen, hier meine Kernfragen die mich beschäftigen:

Es geht um meinen Partner, der an Depression leidet, dies aber nicht mit seinem/unserem Umfeld teilen möchte.


- Wie geht man am besten damit um, ein Geheimnis wahren zu müssen und eigentlich den Wunsch zu haben, es der ganzen Welt zu erzählen?

- Gibt es hier noch jemanden, der ebenfalls zum Geheimnisträger gemacht wird und dem/der es dabei nicht gut geht und sich austauschen möchte?

- Ist es für die Genesung überhaupt sinnvoll eine Fassade der heilen Welt zu spielen?

- Gibt es hier jemanden, der genau das tut und mir helfen kann, es zu verstehen?

Hier unsere Geschichte, wer Geduld mitgebracht hat:


Mein Partner hat seit über 5 Jahren Depression. In den Jahren gab es viele Hochs und Tiefs. Wir haben zwei wunderbare Töchter, eine fast 4 Jahre alt, die Kleine 6 Monate. Wir sind in einer Partnerschaft seit wir Jugendliche sind und seit 7 Jahren verheiratet. Wir sind quasi gemeinsam erwachsen geworden und mein Partner ist mir unglaublich wichtig, aber gleichzeitig ist das Leben mit ihm und seiner Erkrankung auch oft unglaublich anstrengend und belastend. Es ist manchmal schwer sich vor dem schwarzen Schleier zu schützen.
Mein Partner hat eine Verhaltenstherapie abgeschlossen, Medikamente nimmt er nicht. Wir reden sehr offen über seine Erkrankung, seine Gefühle und seine Herausforderungen im Alltag.

Für mich als Partnerin ist die Situation oft sehr herausfordernd. Ich schwanke zwischen Phasen der absoluten Unterstützerin und komme immer häufiger in Phasen, in denen ich sehr wütend bin. Dann kommen unfaire Gedanken: Warum können wir nicht mal ohne Sorgen sein, einfach nur glücklich sein? Ich weiß, das ist unfair und es sind nur Gedanken, die ich nicht ausspreche, zumindest nicht in für ihn schwierigen Momenten. In einer Paarberatung haben wir auch über meine Gefühle schon gesprochen. Wir sind da wirklich gut im Austausch.
Im Moment geht es ihm so schlecht, dass er oft denkt, er würde einfach gerne, dass sein Leben aufhört. Weil ihm einfach alles zu viel ist und die meiste Zeit ein schwarzer Schatten über ihm liegt. Er sagt, er hält sich nicht für Suizid gefährdet. Beim Gedanken daran macht er dicht, weil er seine Kinder sieht und dass sie das niemals verstehen würden. Ich schätze ihn diesbezüglich auch nicht als gefährdet ein. So ganz sicher kann man da aber natürlich nie sein.

Neben dem Alltag mit zwei Kindern, keiner Familie in der Nähe und einem depressiven Partner, belastet mich eine Sache besonders :
Mein Partner hält nach außen eine feste Fassade aufrecht. Kein Mensch würde vermuten, dass es ihm zeitweise sehr sehr schlecht geht. Keiner würde vermuten, dass er abends absolut fertig ist, sein Blick versteinert und leer. Es geht im einfach schlecht. Kleine Situationen können ihn sehr aus der Bahn werfen. Aber wir haben auch schöne und lustige Momente. Momente in denen er der größte Quatschmacher für seine Kinder ist. Er versucht mich mit den Kindern zu unterstützen, er schafft seine Arbeit, er schafft seinen Alltag. Er macht viel nebenher, ist sehr aktiv in seinem Sportverein und anderen Hobbies, in denen er sich sehr einbringt und die viel Zeit kosten.
Keiner von alle den Menschen aus unsrem Umfeld wissen von seiner Erkrankung. Auch nicht seine Familie, zu der wir beide ein ganz enges Verhältnis haben. Auch nicht sein enger Freund, der ebenfalls unter Depressionen leidet und damit sehr offen ist.
Er möchte es auf keinen Fall thematisieren. Er hat Angst, dass er von seinem Umfeld *beep* nur über seine Erkrankung identifiziert wird. Man nicht mehr ihn als Person, sondern nur seine Depression sieht.
Ich kann das ein Stück weit auch verstehen.
Mein Partner kann sich nach außen hin gut verkaufen, tritt sehr selbstbewusst auf, ist präsent, lustig, hilfsbereit, redet viel, weiß viel und erzählt davon gerne.
Ich glaube, er möchte gerne den erfolgreichen Mann nach außen verkörpern. Umso mehr trifft es ihn hart, dass er gerade beruflich nicht weiterkommt, zur Zeit sich keine berufliche Perspektive eröffnet. (Er ist Wissenschaftler, frisch Promoviert)
Auch mit seiner Familie teilt er seine Erkrankung nicht. Obwohl hier ein sehr vertrautes und enges Verhältnis besteht und selbst seine beiden jüngeren Geschwister mit depressiven Verstimmungen zu tun haben.

Für mich ist es eine unglaubliche Last diesen Schein mittragen zu müssen. Nach Außen die heile und perfekte Familie zu spielen fühlt sich falsch und verlogen an. Ich wünsche mir Offenheit, Dialog und Austausch mit unserem Umfeld. Ich wünsche mir, die echte Familie O. zu sein, keine aufgesetzte. Er kann und möchte das nicht.

Unsere Kinder sind noch so klein. Aber unsere große Tochter fragte schon ein Mal: Papa, warum bist du so traurig?
Sie fängt wahrscheinlich bald an zu spüren, dass da was nicht stimmt.
Wie können wir unsere Kinder vor diesem schwarzen Schleier schützen? Wie können wir unsere Kinder gut begleiten?
Ich bin selbst sehr empfänglich für Stimmungen um mich herum. Wenn unsere Töchter da ähnlich sind, werden sie irgendwann spüren, dass über uns manchmal eine schwarze Wolke schwebt.
Mein Partner weiß schon, dass ich definitiv nicht mitgehe, es auch vor unsren Kindern zu verheimlichen. Das werde ich nicht tun. Noch finden wir beide, ist es dafür noch zu früh. Er versucht seine Depression vor den Kindern auch weitestgehend zu verstecken.

Ich weiß nicht, was ich mir hier erhoffe. Vielleicht gibt es jemanden, dem es ähnlich geht. Austausch würde mit gut tun. Oder vielleicht die Sicht eines ebenfalls Betroffenen. Ich fühle mich einfach so alleine.

Liebe Grüße,
Maria

03.03.2022 08:24 • x 3 #1


Stromboli
Liebe Maria

Willkommen bei uns und danke für das berührende Schildern deiner Not.

Ehrlich und vorneweg, mich macht allein beim Lesen das Verhalten deines Partners auch wütend. Anscheinend hat er keinerlei Sinn dafür, was er DIR damit zumutet, als ob es selbstverständlich wäre, dass du das so mittragen musst.

Das ist es aber nicht und auf Dauer wirst du das nicht ohne ernsten Schaden an dir selbst schaffen.

Wenn ER schon nicht bereit ist, da auch nur mal hinzuschauen - warum habe ich solche Panik, mich jemandem zu zeigen mit meiner Depression, was könnte passieren ... - und lieber alles dir aufbürdet, dann empfehle ich dir dringend, jetzt erstmal an dich zu denken, zu schauen, was macht das mit dir, wo respektiere ich meine Grenzen nicht? Und ich vermute, dass du auch ein Stück davon abkommen musst ihn zu schonen. Wenn ich mich hineinzuversetzen versuche: ich glaube ich müsste einmal sagen, ich kann das so nicht mehr mittragen, es überfordert mich.

Das schreibe ich dir als selbst Depressions-Betroffener, nicht als Angehöriger.

Ich wünsche dir viel Kraft dazu. Denn aus deinen Zeilen lese ich ja auch ein wertvolles Potenzial in eurer Beziehung heraus, das kaputtgehen zu lassen sehr schade wäre.

Herzlich Stromboli

03.03.2022 08:43 • x 7 #2


A


Hallo Maria0815,

Smiling Depression, mein Partner und unsere Scheinwelt

x 3#3


M
Vielen Dank für deine Antwort und die Zeit, die du dir genommen hast.

Das Thema des Warum? sollten wir angehen, dort genauer hinschauen. Wo kommen die Hemmungen her, was könnte passieren? Danke für den Hinweis.
Ich glaube, ich muss da mehr mit ihm im Austausch sein und mich nicht so sehr aus Rücksicht zurück halten. Dann können wir uns besser verstehen und nur so kann sich etwas verändern.

Für mich ist es nur wirklich schwierig. Ich fühle mich damit so fordernd und Druck ausübend für eine Sache, die mich nicht unmittelbar betrifft. Oder bin ich doch unmittelbar betroffen? Es ist ja seine Erkrankung und seine Entscheidung. Ich bin mir unsicher, wie viel ich da berechtigt bin mitzuentscheiden. Der Gedanke ihn in eine Offenheit zu drängen, mit der es ihm nicht gut geht ist für mich schwer auszuhalten.

Liebe Grüße

04.03.2022 11:41 • x 1 #3


ZeroOne
Hallo @Maria0815 ,

Zitat von Maria0815:
Ich fühle mich damit so fordernd und Druck ausübend für eine Sache, die mich nicht unmittelbar betrifft. Oder bin ich doch unmittelbar betroffen? Es ist ja seine Erkrankung und seine Entscheidung. Ich bin mir unsicher, wie viel ich da berechtigt bin mitzuentscheiden.


Ich persönlich denke schon, dass es auch unmittelbar dich betrifft. Eigentlich betrifft seine Erkrankung die ganze Familie. Auch wenn eure Tochter erst 4 ist, wird sie wahrscheinlich schon spüren, dass da was nicht passt, kann es aber vielleicht noch nicht einordnen und kommunizieren.

Du wirst deinen Partner wohl schwer dazu bringen können, seine Erkrankung im persönlichen Umfeld bekannt zu machen, oder auch dir die Freigabe dafür zu geben, mit anderen offen darüber zu sprechen. Nach deiner Erzählung scheint im sein Status in diesem Kreis sehr wichtig zu sein.

Aber guten Gewissens auf ihn einzuwirken, was eine weitere Therapie (ggf. eine andere Art) in Angriff zu nehmen und ggf. über den Einsatz von Medikamenten nochmals intensiv nachzudenken, ist meiner Meinung nach dein gutes Recht als Partnerin und Familienmitglied.

04.03.2022 13:29 • x 1 #4


M
Zero One,

danke für deine Antwort.
Unsere Kinder möchte ich auf gar keinen Fall auch in die selbe Situation bringen. Sie sollen frei sein, sich auch nach außen mitzuteilen. Das darf für sie kein Tabu sein. Den Standpunkt habe ich schon klar gemacht. Und dann müssen wir uns überlegen, wie das gelingen kann, dass unsere Kinder diese Offenheit bekommen und das Umfeld damit unter Umständen konfrontiert wird.

Ihn für weitere Unterstützung zu motivieren (weitere Therapie usw.) und ihn dabei zu begleiten ist ein wichtiger Punkt.

04.03.2022 14:42 • x 2 #5

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