Hallo Kate, es gibt bestimmt eine Menge Gefühle gegenüber dem Leid anderer. Wenn einem Kind etwas Schlimmes geschieht, sind viele Leute erschüttert und haben tiefes Mitgefühl auch gegenüber den Angehörigen.
Anderen geht es nicht so nahe, sie haben oft ihre Gründe.
Wenn du gerade noch als letzte Überlebende aus einem verunfallten Zug oder Auto stolperst, dann hast du einen Schock und sonst nichts, das kann der Organismus anders gar nicht bewältigen.
Klar wird dann irgendwann vielleicht auch Erleichterung aufkommen und Dankbarkeit, aber viele Überlebende empfinden auch Schuld, das ist bekannt - und ich glaube, das kann man sich vorher gar nicht theoretisch ausmalen, weil die Situation zu extrem ist.
Das ist wie die theoretische Frage, wie ich mich gegenüber einem Spenderorgan in mir fühlen würde. Das kann ich mir nicht vorstellen.
Ich denke, unser Steinzeitorganismus ist nicht dazu gemacht, global zu denken und zu fühlen, sondern im Radius, den man überblicken kann und da ist der Maßstab wohl, ein mitfühlender Mensch zu sein, sonst fehlt da was.
Aber in einem harten Leben war und ist auch niemand verzärtelt.
Du kannst auch nicht mit jedem mitfühlen und erst recht nicht mitleiden, besonders auch, wenn du beruflich oder privat viel mit dem Leid anderer konfrontiert bist. Und dazu geschieht auch leider viel zuviel Leid in der Welt.
Es kommt ja auch auf die Stärke eines Unglücks an. Und wen es trifft. Ich kenne auch Missgunst und Häme bei mit als Reaktion, wenn es zum Beispiel um den Erfolg oder Misserfolg eines Angebers geht oder einer, die nur rumschikaniert. Da kann ich auch unangemessen fiese Gedanken haben. Z.B. haben damals in meiner Dorfschule die Schuljungen einen Weg bewacht, den kein Mädchen betreten durfte.
Natürlich habe ich den sofort betreten und die Jungengruppe kam gleich an und ihr mir körperlich sehr überlegener Anführer ohrfeigte mich. Ich gab heulend nach.
Als ich dann zufällig Jahrzehnte später hörte, er sei schon als junger Mann tödlich verunglückt, war meine klare erste innere Regung: Ätschibätsch! Ist unangemessen empathielos an der Stelle, aber ich kann mich bis heute noch nicht schuldig fühlen.
Was mich global immer im Hintergrund belastet, ist, dass es weltweit noch soviel unverschuldetes Leid gibt von Kindern und jungen Menschen, von Frauen, Soldaten, Kranken und Behinderten und Sklaverei verdeckt oder offen, Diktaturen und Kriege und das Ertrinken im Mittelmeer. Dass wir keine bessere Welt hinkriegen.
Liebe Grüße! maya
31.07.2020 09:50 •
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