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Sich besser fühlen am Leid anderer?

Kate
Eine Frage habe ich. Was ist das richtige Gefühl wenns jemand anderem schlechter geht als einem selbst? Zum Beispiel, weil das Kind gestorben ist. Sollte man sich da aus Mitgefühl auch schlecht fühlen oder kann man sich sagen, bloß gut meins lebt noch, ich fühle mich dadurch gleich viel besser? Oder wenn man als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebt.
Was darf überwiegen? Trauer, dass so viele tot sind, oder Freude, weil man noch lebt?
Das ist nur ein Beispiel, da gibt es ja unzählige Beispiele.
Darf man sich durch das Leid anderer besser fühlen, weil man es selbst nicht hat und einem das bewusst wird oder ist das schrecklich und unangemessen so zu fühlen?
LG Kate

25.07.2020 10:48 • x 3 #1


A
Hm Deine Beispiele sind extrem, weil ich keine Kinder habe, kann ich das nicht nachempfinden. Bei Freunden hab ich glaube ich bisher nicht so verglichen wem es besser geht, weil man das ja eigentlich auch nicht vergleichen kann, weil man nicht in dem anderen drin steckt. Vielleicht hat der andere etwas Belastendes erlebt, aber dir geht es trotzdem schlechter.
Wenn ich schreckliche Dinge in den Nachrichten sehe, also wenn Menschen schreckliche Dinge erleben, dann geht es mir eher schlechter, ich habe dann ein beklemmendes Gefühl. Mir zu sagen, dass es mir Gott sei Dank besser geht, ist für mich ein kleiner Trost im Sinne von Dankbarkeit, aber das schlechte Gefühl ist trotzdem da.
Ich denke, man kann nicht sagen, das ist ein richtiges und das ein falsches Gefühl, Gefühle sind so wie sie sind und daher erstmal alle richtig. Hast du ein schlechtes Gewissen, weil es Dich erleichtert, wenn es jemandem schlecht geht? Vielleicht empfindest Du das als Gerechtigkeit, weil Du schon so viel Schlimmes erlebt hast. Das ist auch menschlich. Oder man fühlt sich anderen näher, weil man eben auch schlimme Sachen erlebt hat und die das dann vielleicht auch besser nachvollziehen können.

25.07.2020 11:11 • x 3 #2


A


Hallo Kate,

Sich besser fühlen am Leid anderer?

x 3#3


L
Mir tun die Menschen, welche großes Unglück erleiden sehr leid und ich kann mich deswegen nicht besser fühlen.

Dennoch darf ich dankbar sein, dass es mich nicht trifft. Solche Dinge, die einen fassungslos machen, geben mir die Möglichkeit zurück in die Demut zu gelangen.

Nichts ist selbstverständlich und man darf froh sein, wenn alles gut ist.

25.07.2020 11:11 • x 3 #3


Kate
Zitat von Annaleen:
Mir zu sagen, dass es mir Gott sei Dank besser geht, ist für mich ein kleiner Trost im Sinne von Dankbarkeit, aber das schlechte Gefühl ist trotzdem da.

Liebe @Annaleen Ja genau das ist es.
Zitat:
Vielleicht empfindest Du das als Gerechtigkeit, weil Du schon so viel Schlimmes erlebt hast. Das ist auch menschlich.

Oh nein, als Gerechtigkeit empfinde ich es keinesfalls. Es ist eher die Erleichterung, dass mich dieses oder jenes Schicksal nicht ereilt hat.
Wichtig empfinde ich zum Beispiel auch, dass dadurch Zuwendung für den Betroffenen entsteht und nicht hilfloses weggucken.
Mein Hauptgefühl ist aber dennoch zu allererst Erleichterung, und das finde ich im Grunde nicht gut.
LG Kate

25.07.2020 11:28 • x 1 #4


E
Für mich rückt das Leid des anderen oft wieder in den Vordergrund, wie und daß ich es gut habe.
Daß ich dankbar dafür sein darf, wie es jetzt ist.

Ein Beispiel:
In meinem Umfeld gibt es einen Mann, dessen sehr geliebte Frau so krank ist, daß sie vermutlich Weihnachten nicht mehr erleben wird.
Er hat viel Geld, er ist ein Problem-Löser und steht jetzt ohnmächtig da, weil er nichts, absolut nichts tun kann, um seine Frau zu retten.
Er tut mir total leid, er läuft wie gebrochen durch die Gegend.
Und ich denke mir, wie gut ich es doch habe.
Wie dankbar ist sein darf dafür, daß ich älter und hoffentlich alt werden darf.

Ja, das Leid anderer kann vieles zurecht rücken.
Zitat:
Mein Hauptgefühl ist aber dennoch zu allererst Erleichterung, und das finde ich im Grunde nicht gut.

Ich finde das überhaupt nicht schlimm, sondern ganz menschlich.

Einmal in der Woche fliegt der Rettungs-Hubschrauber über mein Dach und jedesmal denke ich: GsD hat es nicht mich erwischt! um danach aber auch zu denken: Hoffentlich geht alles gut aus für den Verletzten.

25.07.2020 11:35 • x 1 #5


Kate
Zitat von Resi:
Ich finde das überhaupt nicht schlimm, sondern ganz menschlich.

Du glaubst nicht, wie lange ich nun schon überlege, was nun richtig und was falsch ist. Mir tun die Leidtragenden selbstverständlich auch leid, aber ich wüsste, ich würde lächelnd ein Interview geben, weil ich beispielsweise überlebt habe. Und das erschreckt mich.
Naja wahrscheinlich ein komisches Thema, weil es im Grunde so selbstverständlich scheint, nur für mich wahrscheinlich nicht.
LG Kate

25.07.2020 11:42 • x 2 #6


L
Zitat von Kate:
ich würde lächelnd ein Interview geben, weil ich beispielsweise überlebt habe.


das kann ich persönlich nicht nachvollziehen, aber das bist du. Mich erschreckt das auch, was du da gerade erzählst.

Um ehrlich zu sein, es macht mich wütend!

25.07.2020 11:46 • x 1 #7


E
Ich bin da sehr ambivalent, weil ich einfach auch noch gar nicht im absolut reinen mit mir selbst bin.

Grundsätzlich geht es mir weder besser noch schlechter mit dem Leid andere. Ich fühle zu viel mit, weil ich selbst so viel erlebte. Und natürlich ist da eine gewisse Dankbarkeit, dass es mir nicht ( mehr ) so geht. Jedoch auch viel Mitfühlen, gerade wenn ich es selbst durchlebte und dadurch vergangene Gefühle gespiegelt werden.

Obdachlose zum Bespiel. Ich weiß wie es ist, auf der Straße zu sitzen und dort auch schlafen zu müssen. Und ich teile gerne meine Zeit mit denen, die dort leiden ( denn selbst wenn es eine freie Entscheidung ist, lieber dort als in einer Notschlafstelle zu sein - ist diese nicht frei von Leid - sei es körperlich oder seelisch ).

Abgrenzung ist mein großes Thema und seit den Kindern bin ich auf einem stetigen Weg. Früher habe ich Obdachlose zu mir mitgenommen, damit sie auch eine Art Gastzuhause haben. Natürlich mit positiven und negativen Erfahrungen. Da grenze ich mich ab. Ich ksnn und möchte mein Leben nicht für andere opfern. Doch es gibt viele Wege, jenanden zu unterstützen.

Aber ich werde von vielem berührt; das macht es zu einem Teil von mir.

Ich denke übrigens nie: gut, dass das nicht mir passiert ist. Ebenso wie ich meinen besonders verhasster Satz nie denke: Warum ich und nicht jemand anders? ( den hat meine Schwiegermutter gut drauf )

Aber es macht mich .. traurig und manchmal auch ängstlich.

25.07.2020 11:51 • x 4 #8


E
Zitat von laluna74:
, aber das bist du.

Kennt ihr euch persönlich?

25.07.2020 11:55 • x 1 #9


Kate
Zitat von Resi:
Kennt ihr euch persönlich?

Keinesfalls, aber @laluna74 denkt das ganz gerne.

25.07.2020 11:59 • x 1 #10


E
Erinnert ihr euch an den verheerenden Tsunami vor 15 Jahren?

Es gab Leute, die sich schuldig fühlten, weil sie überlebt haben und es gab welche, die dankbar waren
, weil sie überlebt haben.

Zitat:
Aber ich werde von vielem berührt; das macht es zu einem Teil von mir

Das geht mir ebenso und es ist oft ganz problematisch für mich, weil ich zu sehr partizipiere- ich muß mich dann richtig aus der Verstrickung raus kämpfen.

25.07.2020 12:05 • x 2 #11


Pilsum
Zitat von Kate:
Eine Frage habe ich. Was ist das richtige Gefühl wenns jemand anderem schlechter geht als einem selbst? Zum Beispiel, weil das Kind gestorben ist. Sollte man sich da aus Mitgefühl auch schlecht fühlen oder kann man sich sagen, bloß gut meins lebt noch, ich fühle mich dadurch gleich viel besser? Oder wenn man als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebt.
Was darf überwiegen? Trauer, dass so viele tot sind, oder Freude, weil man noch lebt?
Das ist nur ein Beispiel, da gibt es ja unzählige Beispiele.
Darf man sich durch das Leid anderer besser fühlen, weil man es selbst nicht hat und einem das bewusst wird oder ist das schrecklich und unangemessen so zu fühlen?
LG Kate



Ich finde es schwierig das eindeutig zu beantworten.

Ein richtiges oder ein falsches Gefühl wird es vermutlich nicht geben.
Zitat:
Was ist das richtige Gefühl wenns jemand anderem schlechter geht als einem selbst? Zum Beispiel, weil
das Kind gestorben ist. Sollte man sich da aus Mitgefühl auch schlecht fühlen oder kann man sich sagen,
bloß gut meins lebt noch, ich fühle mich dadurch gleich viel besser?


Ich denke, dass man sich nicht aus Mitgefühl ebenfalls schlecht fühlen soll. Das ergibt keinen Sinn und
wird dem Betroffenen nicht helfen.
Zitat:
Darf man sich durch das Leid anderer besser fühlen, weil man es selbst nicht hat und einem das bewusst
wird oder ist das schrecklich und unangemessen so zu fühlen?


Ich finde, man darf sich dadurch selbst besser fühlen. Für mich würde dies aber auch keinen Sinn ergeben.

In solchen Situationen kenne ich bei mir ein Mitgefühl, aber ich leide nicht mit den betroffenen Personen.
Aber ich freue mich auch nicht, wenn jemandem etwas Schlimmes geschehen ist.

25.07.2020 12:19 • x 3 #12


Kate
Zitat von Pilsum:
Aber ich freue mich auch nicht, wenn jemandem etwas Schlimmes geschehen ist.

Ich sprach nicht von Freude sondern von Erleichterung. Und ob dieses Gefühl der Erleichterung zulässig ist.
Mir scheint, Du hast die Frage missverstanden, kann das sein?

25.07.2020 12:24 • x 2 #13


Pilsum
Zitat von Kate:
Ich sprach nicht von Freude sondern von Erleichterung. Und ob dieses Gefühl der Erleichterung zulässig ist.
Mir scheint, Du hast die Frage missverstanden, kann das sein?


Ich finde, das Gefühl der Erleichterung ist zulässig. Sicher, warum nicht.

25.07.2020 12:30 • x 2 #14


A


Hallo Kate,

x 4#15


maya60
Hallo Kate, es gibt bestimmt eine Menge Gefühle gegenüber dem Leid anderer. Wenn einem Kind etwas Schlimmes geschieht, sind viele Leute erschüttert und haben tiefes Mitgefühl auch gegenüber den Angehörigen.
Anderen geht es nicht so nahe, sie haben oft ihre Gründe.

Wenn du gerade noch als letzte Überlebende aus einem verunfallten Zug oder Auto stolperst, dann hast du einen Schock und sonst nichts, das kann der Organismus anders gar nicht bewältigen.
Klar wird dann irgendwann vielleicht auch Erleichterung aufkommen und Dankbarkeit, aber viele Überlebende empfinden auch Schuld, das ist bekannt - und ich glaube, das kann man sich vorher gar nicht theoretisch ausmalen, weil die Situation zu extrem ist.
Das ist wie die theoretische Frage, wie ich mich gegenüber einem Spenderorgan in mir fühlen würde. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Ich denke, unser Steinzeitorganismus ist nicht dazu gemacht, global zu denken und zu fühlen, sondern im Radius, den man überblicken kann und da ist der Maßstab wohl, ein mitfühlender Mensch zu sein, sonst fehlt da was.
Aber in einem harten Leben war und ist auch niemand verzärtelt.
Du kannst auch nicht mit jedem mitfühlen und erst recht nicht mitleiden, besonders auch, wenn du beruflich oder privat viel mit dem Leid anderer konfrontiert bist. Und dazu geschieht auch leider viel zuviel Leid in der Welt.

Es kommt ja auch auf die Stärke eines Unglücks an. Und wen es trifft. Ich kenne auch Missgunst und Häme bei mit als Reaktion, wenn es zum Beispiel um den Erfolg oder Misserfolg eines Angebers geht oder einer, die nur rumschikaniert. Da kann ich auch unangemessen fiese Gedanken haben. Z.B. haben damals in meiner Dorfschule die Schuljungen einen Weg bewacht, den kein Mädchen betreten durfte.
Natürlich habe ich den sofort betreten und die Jungengruppe kam gleich an und ihr mir körperlich sehr überlegener Anführer ohrfeigte mich. Ich gab heulend nach.
Als ich dann zufällig Jahrzehnte später hörte, er sei schon als junger Mann tödlich verunglückt, war meine klare erste innere Regung: Ätschibätsch! Ist unangemessen empathielos an der Stelle, aber ich kann mich bis heute noch nicht schuldig fühlen.

Was mich global immer im Hintergrund belastet, ist, dass es weltweit noch soviel unverschuldetes Leid gibt von Kindern und jungen Menschen, von Frauen, Soldaten, Kranken und Behinderten und Sklaverei verdeckt oder offen, Diktaturen und Kriege und das Ertrinken im Mittelmeer. Dass wir keine bessere Welt hinkriegen.

Liebe Grüße! maya

31.07.2020 09:50 • x 2 #15

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