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Sich besser fühlen am Leid anderer?

Kate
Danke liebe @maya60

31.07.2020 10:06 • x 1 #16


Wuslchen
Zitat von Kate:
Eine Frage habe ich. Was ist das richtige Gefühl wenns jemand anderem schlechter geht als einem selbst? Zum Beispiel, weil das Kind gestorben ist. Sollte man sich da aus Mitgefühl auch schlecht fühlen oder kann man sich sagen, bloß gut meins lebt noch, ich fühle mich dadurch gleich viel besser? Oder wenn man als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebt.
Was darf überwiegen? Trauer, dass so viele tot sind, oder Freude, weil man noch lebt?
Das ist nur ein Beispiel, da gibt es ja unzählige Beispiele.
Darf man sich durch das Leid anderer besser fühlen, weil man es selbst nicht hat und einem das bewusst wird oder ist das schrecklich und unangemessen so zu fühlen?
LG Kate


Liebe Kate, ich sehe bei dieser Frage einen fundamentalen Fehler: du kannst dir gar nicht aussuchen oder entscheiden wie du fühlst. Gefühle sind. Punkt.
Ein Gefühl ist nicht gut oder schlecht, erlaubt oder verboten, ein Gefühl ist ein Gefühl ist ein Gefühl.
Wir sind so erzogen - und du und mindestens ich auch noch richtig mies in dieser Richtung - dass Gefühle bewertet und in Kategorien wie gut oder schlecht unterteilt wurden. Aber das ist totaler Blödsinn. Gegen ein Gefühl kannst du dich nicht wehren, du kannst es lediglich lernen zu unterdrücken; deswegen ist es aber nicht weniger da.

Meiner Meinung nach sind deine Gedanken frei und die kannst du eher lenken und beurteilen. Aber wenn du denkst, dass es dir besser geht, wenn du dankbar realisierst, dass dein Kind noch lebt während das einer anderen Mutter verstorben ist, dann ist das so lange ok, so lange du es für dich als hilfreich erachtest und sicher wirst du besser damit leben, wenn du manche Gedanken eher für dich behältst. Gleichzeitig kannst du natürlich ein Schuldgefühl empfinden, weil du Erleichterung verspürst, dass du als Einzige etwas überlebt hast, aber da ist dann wieder die Frage woher das Schuldgefühl kommt. Da ist es erst einmal genauso wie die Erleichterung, nur der Ursprung ist bei dem einen etwas, das dir anerzogen wurde und bei dem anderen der reine Überlebensdrang.

Ich habe meine Gefühle von Beginn meines Lebens an unterdrückt und habe Angst davor sie zuzulassen und voll zu fühlen, da ich befürchte sie nicht auszuhalten und von ihnen unkontrolliert überspült zu werden. Meine Einstellung meinen Gefühlen gegenüber ist äußerst abstrakt. Aber dadurch habe ich eine sehr sachliche Herangehensweise an diese Thematik erfahren und gelernt, dass Gefühle nicht beeinflussbar sind und schon gar keine Wertung beinhalten. Vielleicht hilft mir das dabei es auch so nüchtern zu betrachten.
Ich mag das Thema auf jeden Fall; es ist für mich viel eher eine philosophische Frage und durchaus spannend zu durchdenken.

02.08.2020 01:41 • x 3 #17


A


Hallo Kate,

Sich besser fühlen am Leid anderer?

x 3#3


Kate
Zitat von Wuslchen:
du kannst dir gar nicht aussuchen oder entscheiden wie du fühlst. Gefühle sind. Punkt.

Liebes Wuslchen,
das klingt gut. Nimmt mich aus der Verantwortung.
Zitat:
Meiner Meinung nach sind deine Gedanken frei und die kannst du eher lenken und beurteilen.

Eigentlich machen wir uns die Schuldgefühle doch permanent selbst, die gibt uns ja niemand.
Pilsum schrieb hier mal, für Worte kann man angegriffen und verurteilt werden, aber nicht für Gedanken.
Solange Gedanken Gedanken bleiben und nicht zu Taten werden, ist doch eigentlich alles in Ordnung.
Aber sag das mal dem Schuldgefühl.

Danke für Deinen Text, ich finde ihn sehr aufschlussreich und klar formuliert.

LG Kate

02.08.2020 09:51 • x 2 #18


Wuslchen
Eigentlich machen wir uns die Schuldgefühle doch permanent selbst, die gibt uns ja niemand.
Oh doch doch, die wurden dir fröhlich eingeredet von klein auf. Einem Kind ist erst einmal nichts peinlich, es probiert aus, ist neugierig und guckt immer wieder zu den Eltern wie die reagieren.
Schuld ist etwas, das wir lernen. Ein Kind, das geschlagen wird, lernt, dass es sich falsch verhalten hat und somit selbst Schuld ist an der Ohrfeige. Die geschlagene Frau lernt, dass sie ihren Mann provoziert hat und an der Prügel die Schuld trägt. Ein Außenstehender weiß, dass das vollkommener Blödsinn ist, weil immer nur der Schuld sein kann, der zuschlägt, niemals der Geschlagene. Bei einem Hund, der verprügelt wird, wird das am ehesten akzeptiert.

Schuld und Scham hängen ja ganz dicht zusammen. Und schämen tun wir uns genauso für Dinge, die wir gelernt haben. Hier ist es üblich bei einer Beerdigung schwarz zu tragen und wir würden uns schämen in bunt zu kommen (mag sich inzwischen geändert haben, aber bleiben wir mal bei dem alten Klischee); in anderen Kulturen dagegen ist weiß die Farbe der Trauer und wieder woanders wird der Tod sogar als fröhliches Fest gefeiert. Dafür würden wir uns hier schämen und schuldig fühlen den Verstorbenen zu verhöhnen, nicht ernst zu nehmen oder was auch immer die erlernten Gedanken dazu sind.

Wir brauchen diese Gefühle, um in der Gemeinschaft zusammen leben zu können. Schuld und Scham halten uns davon ab etwas zu tun, womit wir ausgestoßen würden - ganz ursprünglich gedacht. Wenn ein Kind an einen Abgrund krabbelt und die Mutter laut aufschreit, dann sorgt neben dem Schreck vor allem das Schuldgefühl dafür, dass das Kind innehält und erst eruiert was es falsch gemacht hat, was es folglich jetzt darf und was nicht. Bis dahin ist die Mutter längst bei dem Kind und hat es vor der Gefahr gerettet.
Es gibt also einen vernünftigen Grund für diese Gefühle - für jedes Gefühl, das wir empfinden. Aber unsere Gefühle sind auch sehr beeinflussbar, sprich worauf wir mit welchem Gefühl reagieren, ist durchaus manipulierbar. Dabei bleibt das Wesen des Gefühls allerdings immer wertfrei gleich.

02.08.2020 10:15 • x 2 #19


Kate
Zitat von Wuslchen:
Aber unsere Gefühle sind auch sehr beeinflussbar, sprich worauf wir mit welchem Gefühl reagieren, ist durchaus manipulierbar.

Darin sehe ich eigentlich das Problem.
Mal fühlst Du Dich schlecht und mal gut, wenns exakt die gleiche Sache betrifft. Diese Ambivalenz macht mir so zu schaffen.
Mir ist bewusst, dass dies auch aus der Kindheit stammt. Mal wurde man für exakt das gleiche Verhalten belohnt und mal bestraft. Mal das gute und mal das schlechte Kind, einen Tag wars in Ordnung am nächsten nicht mehr. Du wusstest nie woran Du warst, was richtig und was falsch ist. Du tatest Dinge, für die Du am Vortag noch bestraft wurdest und plötzlich warst Du wieder das gute Kind. Daraus entwickelt sich Selbsthass.
LG Kate

02.08.2020 10:52 • x 1 #20


Wuslchen
Zitat von Kate:
Mal wurde man für exakt das gleiche Verhalten belohnt und mal bestraft. Mal das gute und mal das schlechte Kind, einen Tag wars in Ordnung am nächsten nicht mehr. Du wusstest nie woran Du warst, was richtig und was falsch ist. Du tatest Dinge, für die Du am Vortag noch bestraft wurdest und plötzlich warst Du wieder das gute Kind. Daraus entwickelt sich Selbsthass.

Unterstreiche ich ohne weiteren Kommentar.

02.08.2020 10:56 • x 2 #21


E
Zitat von Wuslchen:
Unterstreiche ich ohne weiteren Kommentar.


Genau das macht mein Mann mit Little. Es gibt keine Klarheit! Mal ist etwas lustig oder cool oder fabelhaft, drei Tage später bekommt er für das gleiche Verhalten Mecker.

Ich hasse es, da nichts tun zu können ausser Little zu erklären, dass manche Erwachsenen gut und schlecht mit ihrer Laune bestimmen und es nicht an ihm liegt. Oder ihn aus der Situation nehmen und sagen dass mit ihm alles okay ist.

Fällt euch etwas ein, was man noch tun kann? Was hätte euch geholfen? Was hat euch ggf. geholfen .. von anderen Erwachsenen?

( Kontakt minimieren oder verbieten kommt nicht in Frage, da nicht durchsetzbar und wahrscheinlich such nicht gut. )

02.08.2020 11:01 • x 2 #22


Pilsum
@Wuslchen

Zitat:
Eigentlich machen wir uns die Schuldgefühle doch permanent selbst, die gibt uns ja niemand.
Oh doch doch, die wurden dir fröhlich eingeredet von klein auf. Einem Kind ist erst einmal nichts peinlich, es probiert aus, ist neugierig und guckt immer wieder zu den Eltern wie die reagieren.
Schuld ist etwas, das wir lernen.


Deinen Ausführungen stimme ich im Wesentlichen zu.
Allerdings sehe ich das Schuldgefühl nicht als ein Grundgefühl von uns Menschen an.
Etwas, was wir lernen ist doch eigentlich nicht unser Gefühl, sondern
Zitat:
Wir brauchen diese Gefühle, um in der Gemeinschaft zusammen leben zu können. Schuld und Scham
halten uns davon ab etwas zu tun, womit wir ausgestoßen würden


wie Du es beschreibst, eine Art von sozialer Einordnung und vor allem Benachteiligung einer Person,
der ich nicht die gleichen Rechte erlaube, die ich habe.

02.08.2020 11:03 • x 2 #23


Kate
Als am allerschlimmsten empfinde ich die ambivalenten Gefühle gegenüber meiner Mutter. Ich liebe sie abgöttisch und hasse sie ebenso. Das macht mich fertig. Das sorgt für das schlechteste Gewissen überhaupt. Ich will, dass nur ein Gefühl ihr gegenüber da ist, Liebe, dann wäre ich mit ihr im Reinen, das funktioniert aber irgendwie nicht.

02.08.2020 11:04 • #24


Kate
Zitat von ClaraFall:
Fällt euch etwas ein, was man noch tun kann? Was hätte euch geholfen? Was hat euch ggf. geholfen .. von anderen Erwachsenen?

Rede immer und immer wieder mit ihm. Gib ihm Beispiele, anhand von Tieren und deren sozialen Verhaltensweisen. Steh uneingeschränkt hinter ihm. Erklär ihm immer und immer wieder das Verhalten seines Vaters, und das niemals abwertend. Kinder wollen nicht hören, dass ein Elternteil schlecht ist. Du kannst das glaube ich jetzt schon ganz gut. Verlier nie die Bindung zu ihm. Söhne orientieren sich ganz oft am Verhalten der Väter, genau deshalb ist es wichtig ihm die richtigen Werte zu vermitteln, auf eine vielleicht jetzt noch spielerische Art und Weise. Dazu gibt es auch viele kindgerechte Bücher.

LG Kate

02.08.2020 11:10 • x 3 #25


Kate
Zitat von Pilsum:
und vor allem Benachteiligung einer Person,
der ich nicht die gleichen Rechte erlaube, die ich habe.

Wenn ich also Schuld verspüre, dann weil mir eine andere Person nicht die gleichen Rechte zugesteht die sie hat?
Verstehe ich nicht.
Ich fühle mich schuldig, weil ich etwas getan oder unterlassen habe. Ich fühle mich schuldig für Gedanken, für Gefühle, ich fühle mich selbst schuldig, für Dinge die ich gern tun würde. Schuld ist mein Leben.
Wie passt das zusammen?

02.08.2020 11:20 • #26


Pilsum
Zitat von Kate:
Als am allerschlimmsten empfinde ich die ambivalenten Gefühle gegenüber meiner Mutter. Ich liebe sie abgöttisch und hasse sie ebenso. Das macht mich fertig. Das sorgt für das schlechteste Gewissen überhaupt. Ich will, dass nur ein Gefühl ihr gegenüber da ist, Liebe, dann wäre ich mit ihr im Reinen, das funktioniert aber irgendwie nicht.


Meiner Meinung nach, kann man nie nur ein Gefühl für eine Person haben.

Du kannst Deine Mutter als Person lieben. Aber eine Mutter abgöttisch lieben bringt Dich meiner Meinung nach
in eine gefährliche Abhängigkeit, die Dich ständig in Deiner Handlungsfreiheit einschränkt.

Und dann finde ich es richtig und normal, dass man ständig unterschiedliche Gefühle für eine Person hat,
je nachdem, was diese Person macht.
Verhält sich diese Person nach meiner Sichtweise korrekt und richtig, werde ich sie gern haben.
Verhält sich die Person nach meiner Sichtweise nicht korrekt, also falsch, werde ich sie für dieses
Verhalten kritisieren und ablehnen.
Somit glaube ich, sind Deine unterschiedlichen Gefühle eher in Ordnung.

Jeder Mensch hat sich selbst ein Wertesystem im Kopf aufgebaut, mit dem wir versuchen zu entscheiden,
was für uns gut und richtig ist. Und auch dafür, was für uns schlecht und falsch ist.
Und das ist die Brille, durch die wir ständig schauen.

02.08.2020 11:21 • x 2 #27


Kate
Zitat von Pilsum:
Und dann finde ich es richtig und normal, dass man ständig unterschiedliche Gefühle für eine Person hat,

Ja aber Hass?
Wenn sie mal tot ist, ersticke ich an meinem schlechten Gewissen diesbezüglich. Das weiß ich jetzt schon.

02.08.2020 11:29 • x 1 #28


A
Zitat von Kate:
Als am allerschlimmsten empfinde ich die ambivalenten Gefühle gegenüber meiner Mutter. Ich liebe sie abgöttisch und hasse sie ebenso. Das macht mich fertig. Das sorgt für das schlechteste Gewissen überhaupt. Ich will, dass nur ein Gefühl ihr gegenüber da ist, Liebe, dann wäre ich mit ihr im Reinen, das funktioniert aber irgendwie nicht.

Aber das ist normal bzw logisch, dass du ihr gegenüber so empfindest, denn sie hat dich ja auch mal so mal so behandelt. Du kannst es nicht erzwingen, mit ihr im Reinen zu sein, indem du deine Gefühle ihr gegenüber unterdrückst.

02.08.2020 11:31 • x 2 #29


A


Hallo Kate,

x 4#15


A
Zitat von Kate:
Ja aber Hass?
Wenn sie mal tot ist, ersticke ich an meinem schlechten Gewissen diesbezüglich. Das weiß ich jetzt schon.

Sie hat dir gegenüber auch Hass empfunden, das ist sehr wahrscheinlich. Daher brauchst du auch kein schlechtes Gewissen zu haben.

02.08.2020 11:34 • x 2 #30

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