Eigentlich machen wir uns die Schuldgefühle doch permanent selbst, die gibt uns ja niemand.
Oh doch doch, die wurden dir fröhlich eingeredet von klein auf. Einem Kind ist erst einmal nichts peinlich, es probiert aus, ist neugierig und guckt immer wieder zu den Eltern wie die reagieren.
Schuld ist etwas, das wir lernen. Ein Kind, das geschlagen wird, lernt, dass es sich falsch verhalten hat und somit selbst Schuld ist an der Ohrfeige. Die geschlagene Frau lernt, dass sie ihren Mann provoziert hat und an der Prügel die Schuld trägt. Ein Außenstehender weiß, dass das vollkommener Blödsinn ist, weil immer nur der Schuld sein kann, der zuschlägt, niemals der Geschlagene. Bei einem Hund, der verprügelt wird, wird das am ehesten akzeptiert.
Schuld und Scham hängen ja ganz dicht zusammen. Und schämen tun wir uns genauso für Dinge, die wir gelernt haben. Hier ist es üblich bei einer Beerdigung schwarz zu tragen und wir würden uns schämen in bunt zu kommen (mag sich inzwischen geändert haben, aber bleiben wir mal bei dem alten Klischee); in anderen Kulturen dagegen ist weiß die Farbe der Trauer und wieder woanders wird der Tod sogar als fröhliches Fest gefeiert. Dafür würden wir uns hier schämen und schuldig fühlen den Verstorbenen zu verhöhnen, nicht ernst zu nehmen oder was auch immer die erlernten Gedanken dazu sind.
Wir brauchen diese Gefühle, um in der Gemeinschaft zusammen leben zu können. Schuld und Scham halten uns davon ab etwas zu tun, womit wir ausgestoßen würden - ganz ursprünglich gedacht. Wenn ein Kind an einen Abgrund krabbelt und die Mutter laut aufschreit, dann sorgt neben dem Schreck vor allem das Schuldgefühl dafür, dass das Kind innehält und erst eruiert was es falsch gemacht hat, was es folglich jetzt darf und was nicht. Bis dahin ist die Mutter längst bei dem Kind und hat es vor der Gefahr gerettet.
Es gibt also einen vernünftigen Grund für diese Gefühle - für jedes Gefühl, das wir empfinden. Aber unsere Gefühle sind auch sehr beeinflussbar, sprich worauf wir mit welchem Gefühl reagieren, ist durchaus manipulierbar. Dabei bleibt das Wesen des Gefühls allerdings immer wertfrei gleich.
02.08.2020 10:15 •
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