Hallo Rotkehlchen,
erstmal vorweg: Netter Nick. Passt er denn zu dir? Oder willst du so werden? Wir haben immer ein oder zwei Rotkehlchen im Garten. Sehr zutrauliche kleine Vögel, die immer zur Stelle sind, wenn ich Laub fege oder irgendwelche Arbeiten in Bodennähe verrichte. Mir ist klar, dass sie nur auf das Kleinzeug aus sind, das ich dabei aufstöbere, aber es ist trotzdem... einfach eine Freude, sie herumhüpfen zu sehen.
Zu deinem Eingangspost: Ich kann deine Gedankengänge gut nachvollziehen, denn ich habe eine ähnliche Jugend hinter mir. Möglicherweise ist es das, was mich schon sehr früh dahingehend geprägt hat, eher zurückhaltend im Umgang mit anderen Menschen zu sein und das, was mich im Innersten bewegt, auch dort verschlossen zu halten. Darum gab es keinen Turnverein für mich (außer wenn man die Bundeswehr als Turnverein ansehen will, was vielleicht nicht ganz verkehrt ist - aber da wurde ich nicht mehr gemobbt; das hörte nach der Schule auf).
Zitat von Rotkehlchen-: wenn ich meine zu spüren,
das mit mir niemand etwas zu tun haben möchte, oder mich wie so oft das Gefühl überkommt,
abgelehnt zu werden.
Da ist ein Problem: Das ist deine Interpretation, deine Realität. Es ist nicht deren Realität; über die weißt du nichts. Vielleicht hat die Person gerade nur schlecht geschlafen, Magenprobleme oder andere Sorgen, und du nimmst das als Ablehnung wahr.
Zitat von Rotkehlchen-: Wie oft in meinem Leben bin ich aus Situationen herausgegangen, habe mich von Menschen
zurückgezogen, die mich spüren ließen nicht willkommen zu sein. Ist das denn tatsächlich immer so,
oder ist es einfach nur mein denken, mein glauben zu wissen das es so ist ?
Wie mag das wohl für die andere Person ausgesehen haben? Sie hat dasselbe empfunden wie du: Abgelehnt zu werden, von dir. Über die Gründe konnte sie vermutlich nichts wissen - genau deine Situation aus dem ersten Zitat.
Was ich damit sagen will: Wir unterstellen Leuten immer viel - und müssten uns doch auch an die eigene Nase fassen. Tun wir natürlich nicht, denn WIR wissen ja, wie wir uns fühlen, also ist das auf einer unbewussten Ebene offensichtlich - für uns; aber eben nicht für unser Gegenüber. Und umgekehrt haben wir natürlich die selbe Situation.
Indem wir umserem Gegenüber nun von vornherein mit einer eher negativen Erwartungshaltung begegnen, beschränken und beschneiden wir die Möglichkeiten, die sich aus dieser Interaktion ergeben könnten.
Ich will dir ein Beispiel aus meiner lang zurückliegenden Vergangenheit als Erstsemester-Student schildern:
In der Reihe vor mir saß ein Typ, der einen Computerausdruck auf dem damals typischen Endlos-Faltpapier vor sich hatte, voller kryptischem unverständlichem Zeug. Ich war neugierig - aber ein wenig gehemmt, den einfach so anzusprechen, denn er schien ziemlich darauf konzentriert zu sein, und da wäre es vielleicht unhöflich gewesen, ihn einfach so anzuquatschen.
Ich tat es trotzdem, er erklärte mir, was er da vor sich hatte, und es entstand eine Freundschaft daraus. Mein ganzes Leben wäre
völlig anders verlaufen, hätte ich mich damals vornehm zurückgehalten und mich von meiner sozialen Scheu hemmen lassen: Ich hätte evtl. eine andere Karriere, einen anderen Freundeskreis, eine andere (oder keine?) Frau...
Zitat von Rotkehlchen-: Hat all dies nicht eigentlich damit zu tun, das ich doch schon von Kindheitstagen an immer
irgendwie auf dem „Rückzug“ auf der „Flucht “ gewesen bin ?
Definitiv.
Zitat von Rotkehlchen-: Steht vielleicht für mich selbst unsichtbar, aber für alle anderen deutlich sichtbar auf meiner Stirn geschrieben :
los macht mich fertig, ich bin ein nichts, schlagt zu, tobt euch an mir aus ?
Es gibt Zeitgenossen, die nach solchen Zeichen Ausschau halten, ja. Sie steigern ihren wahrgenommenen relativen Selbstwert, in dem sie den ihrer Mitmenschen (derjenigen, bei denen das funktioniert) herabdrücken.
Ich achte darum auf solches Verhalten und meide Leute, bei denen ich das sehe.
Zitat von Rotkehlchen-: So ging mir unter anderem in den letzten Tagen auch der Gedanke durch den Kopf,
warum ich immer wieder versucht habe jemand anderes zu sein ,der ich nicht bin ?
Na, ist doch einfach: Um Schmerz zu vermeiden. DIE zentrale Antriebskraft von uns Menschen.
Zitat von Rotkehlchen-: Wollte ich nicht einfach jemand anders sein um doch „gesehen“ zu werden und nicht wie immer
abgelehnt zu werden, nicht ernst genommen zu werden ?
Sicher. Aber du hast vermutlich auch festgestellt, dass eine Fassade, die man aufbaut, die Maske, die man trägt, nicht das Wahre ist. Es ist anstrengend, stressig. Man muss sich verbiegen - und das Gegenüber durchschaut das doch. Da ist es einfacher, sich zurück zu ziehen. Man kann natürlich auch Verletzlichkeit zulassen und ein Risiko eingehen. Das kann sich lohnen, erfordert aber Mut und Überwindung.
Zitat von Rotkehlchen-: Immerhin ist mir jetzt aber auch bewusst geworden, das es den ein oder anderen Menschen gibt,
der mich vielleicht doch ein wenig mag, so wie ich bin.
mögen. Ein schwammiges Wort. Was ist mögen? Wir alle wollen
geliebt werden - so unbedingt, wie unsere Mutter uns geliebt hat (jedenfalls die glücklichen unter uns). Und nicht alle von uns (ich würde sogar sagen: die wenigsten von uns) haben das Glück, jemanden zu finden, der dazu fähig und willens ist. Also bescheiden wir uns und wünschen uns nur noch wenigstens jemanden, der uns mag. Und realistisch gesehen, ist das alles, was wir erwarten können. Denn, seien wir mal ehrlich: Dazu gehören zwei Leute. Wären WIR SELBST fähig und willens, jemanden so unbedingt zu lieben? Mögen dagegen - das geht schon eher. Man muss sich allerdings auch entsprechend verhalten - und hier kommen manchen von uns dann wieder unsere eingelernten Verhaltensweisen in die Quere.
Zitat von Rotkehlchen-: Nur kommt diese Einsicht nicht zu spät ?
Mit 57? Warum sollte das zu spät sein?
Zitat von Rotkehlchen-: Leute hier aus diesem Forum,
die mir schrieben ,das sie mich mögen. Ich habe ihnen ehrlich gesagt nicht glauben können.
Es hängt an der Definition von mögen; welche Bedeutung man dem zumessen will. Warum sollte jemand dich nicht mögen? Er wird sicherlich nicht seinen rechten Arm für dich geben; vielleicht nicht mal 10 Euros; aber immerhin hat er sich die Zeit genommen, dein Posting zu lesen (über 200 Leute) und manchen war der Aufwand nicht zu hoch und der Mögefaktor groß genug, dir sogar zu antworten! Ich finde schon, dass das ein Ausdruck von Wertschätzung ist.
Zitat von Rotkehlchen-: das sie mich „veräppeln“ wollen und in Wirklichkeit eh hinter meiner Rücken lachen und „lästern“
Ich habe mir jetzt nicht jedes Wort durchgelesen, was hier steht, aber davon ist mir nichts aufgefallen. Sieh mal: Wir sind hier im Forum anonym; es hängt weder ein Arbeitsplatz noch soziale Kontakte von diesem Forum ab. Von da her: Selbst wenn jemand über dich lachen oder lästern sollte (wofür mir beim besten Willen kein Grund einfällt, denn deine Postings sind doch OK) - was kann das schon für dich bedeuten? Es hat doch die selben Auswirkungen auf dich, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.
Zitat von Rotkehlchen-: Nach vorne war man freundlich zu mir, kehrte ich den
Menschen den Rücken zu, wurde über mich gelästert und gelacht.
Und das wurde dann zu deiner Erwartungshaltung, du hast besonders feine Antennen für solches unterstellte Verhalten entwickelt und wirst daher auch feinste Anflüge davon wahrnehmen (selbst wenn es sich um Missverständnisse handelt, siehe oben)... und überbewerten. Was deine Möglichkeiten einschränkt und beschneidet.
Zitat von Rotkehlchen-: Weshalb sollte irgendjemand mich ernsthaft mögen ?
Das kann nicht sein. So mein eingebranntes denken und glauben.
Die Betonung liegt hier auf ernsthaft. Meine Antwort: Das passiert nur, wenn du ihnen die Möglichkeit bietest - und sie dir. Es dauert, und setzt Vertrauen von beiden Seiten voraus. Und Aufwand, zeitlichen und emotionalen. Aber es ist nicht unmöglich. Andere Leute schaffen das ja auch.
Zitat von Rotkehlchen-: Des weiteren habe ich für mich auch verinnerlicht, das ich mich nicht x mal entschuldigen muss,
für das was ich einst falsch gemacht habe.
Das ist ein hervorragender Anfang. Erkenne deinen eigenen Wert. Du bist nicht weniger wert als x-beliebige andere Leute. Und Leute machen nun mal Fehler.
Zitat von Rotkehlchen-: Ich will mich meiner Angst der Ablehnung stellen und mir klar machen, das mich nicht jeder mögen kann.
Muss ja auch nicht, oder? Es reicht, wenn es ein paar ausgewählte Leute sind.
Zitat von Rotkehlchen-: Ich will nicht mehr meine eigene Marionette sein, die ich wegpacke wenn ich denke falsch durchs Leben zu tanzen.
Gut. Aber mein Rat: Sieh das nicht zu verbissen. Übernimm dich nicht. Und nimm die Welt nicht zu ernst. Versuch, locker zu bleiben bzw. zu werden, wo du es noch nicht bist.