Soll ich arbeiten gehen oder Arbeitsunfähig bleiben?

Knoten
hallo zusammen,

ich bin mit mir nicht im einklang. mein kopf sagt das gegenteil von meinem bauch.

meine situation:
bipolar 2, bedeutet ich lebe zwischen phasen der hypomanie und tiefer depression. durch meine psychiater habe wir eine zusammenstellung der medis gefunden, die mir helfen nicht voll wieder in die depression der starre hinein zu fallen. meine gefühlswelt schwankt nun zwischen normal und sehr traurig. für mich ein guter fortschritt.

letztes jahr bin ich über eine wiedereingliederungszeit von 4 monaten seit september wieder am arbeiten. habe aber meine wochenarbeitsstunden auf 30 von 40 reduziert. damit ging es eine weile auch ganz gut, doch nun ist wieder ein punkt erreicht, wo sich alles in mir sträubt zu arbeiten. seit einer woche bin ich nun Arbeitsunfähigkeit und die läuft bis freitag. ich habe also noch ein paar tage bedenkzeit.

meine arbeit ist reine kopfarbeit - programmierer - und ich hatte letztes jahr mit meinem chef ausgemacht, dass ich nicht in stesssituation gerate. das projekt/ der kunde an dem ich seit 2005 arbeite ist eigentlich ein recht angenehmer kunde. bis letztes jahr november waren wir zu 2, also standen 70 arbeitsstunden dem kunden zur verfügung. nun wurde aber im november mein kollege von dem projekt ganz abgezogen und ich bin alleinverantwortlich. eine situation, die mir scheinbar nicht bekommt, den nun 8 monate später geht es mir wieder schlecht. es ging mit albträumen los. ich konnte erst sehr spät einschlafen, trotz meiner medis, die normalerweise sehr gute wirkung bei mir zeigen. tagsüber fühlte ich mich dem entsprechend gerädert. mir wächst die arbeit über den kopf. durch den abzug meines kollegen und damit die 40 stunden arbeitszeit pro woche, stehe ich davor die arbeit von 2 personen in meiner reduzierten arbeitszeit zu erledigen. dabei habe ich doch reduziert um meinen stresspegel niederig zu halten. ich bekomme mich nicht mehr strukturiert, weil ich an zig von sachen gleichzeitig denken soll/muss. habe aufgaben dabei, von denen ich keine ahnung habe und eigentlich auch nicht haben muss.

nun stehe ich an einem entscheidungspunkt.
mein kopf sagt: hey komm schon, du schaffst das.
mein bauch sagt: du brauchst eine auszeit, sonst rutscht du wieder ab.

der spruch: man wächst mit seinen aufgaben, kommt mir im moment doch sehr lächerlich vor.
ich fühle mich überfahren und die last legt sich mich druck auf meinem brustkorb, der sich oftmals zusammenzieht, sodass es sich anfühlt als wäre mit meinem herzen etwas nicht ok. doch dieses symptom ist mir bekannt.

was tun sprach zeus, die götter sind besoffen, der olymp ist vollge....

20.06.2011 09:44 • #1


S
Leider sind wir Menschen kopfgesteurt bzw. reagieren oder agieren oft kopfgesteuert.
Dabei achten wir viel zu wenig auf das Bauchgefühl, das aber oftmals recht hat.

Wenn es bei Dir so ist, dass Du im Moment bzw. schon seit längerem für zwei Menschen arbeitest und das noch in einer reduzierten Arbeitszeit, dann sagt mir sogar mein Kopf, dass das auf Dauer zu viel ist. Und selbst ein gesunder Mensch könnte so etwas nicht auf Dauer aushalten.

Wenn Du im Moment an einem Punkt bist, wo Du keine Kraft mehr hast, dann solltest Du das ernst nehmen und Dich erst mal weiter krank schreiben lassen.
Parallel dazu würde ich aber evt. mit dem AG Gespräche führen und ihm mitteilen, dass Du mit diesem Job ohne Unterstützung einer weiteren Arbeitskraft überfordert bist.
Denn was nützt es Dir, wenn du Dich zwar jetzt erst mal weiter krank schreiben lässt, Dich erholst und machst dann hinterher genauso weiter. Dann wird es nicht lange dauern, bis Du wieder an dem jetztigen Punkt angelangt bist.

Was sagt denn Dein Arzt dazu?

20.06.2011 14:00 • #2


A


Hallo Knoten,

Soll ich arbeiten gehen oder Arbeitsunfähig bleiben?

x 3#3


Pyxidis
Hallo Knoten,

ich würde Dir empfehlen sofort mit Deinem Chef zu sprechen, daß die Arbeit für eine Person zuviel ist. Eine Krankschreibung löst das Problem nicht wirklich. Zunächst einmal ist sie okay, damit Du Dich wieder ein wenig erholen kannst, aber um auf Deinen Arbeitsplatz zurückzukehren muß sich strukturell etwas ändern und Dein Chef weiß ja uach, daß Du schonmal ausgefallen bist und er, wenn er nichts ändert, das Risiko wieder eingeht.

Also mein Rat ist, sobald wie möglich mit Deinem Chef sprechen!

Viele Grüße
Scorpio

20.06.2011 14:19 • #3


Knoten
Hallo,

mit meinem Chef und mit dem Projektleiter habe ich bereits gesprochen. Beide wissen, dass ich mich mit der Arbeit überfordert fühle.
Unterstützung bekomme ich trotzem keine. Alle anderen sitzen so in ihren Projekten fest, dass es - laut derer Aussage - nicht möglich ist jemanden an meiner Seite abzustellen.
Es wird sich daran in näherer Zukunft nichts ändern.
Und denoch scheint es ja möglich zu sein, da ich ja krankgeschrieben bin und jemand anders meine Arbeit erledigen muss. Es macht mich traurig, dass ich erst meine Kraft verlieren muss um im Geschäft jemanden wach zu rütteln. Es ist wie es überall ist, erst wenn der Zenit überschritten ist, muss gehandelt werden.

Mein Hausarzt hat mich willig krank geschrieben. Er sagte es ist gut, dass ich gelernt habe die Anzeichen zu deuten und die Notbremse ziehen zu können.
Ein Termin bei meinem Psychiater habe ich am 12 Juli. Die Praxis ist bist Ende dieser Woche geschlossen, Urlaub. Ich gönne es meinem Psychiater, er sieht selber oft sehr müde und abgespannt aus.
Ich bin hin und her gerissen :-(

Wenigstens eins ist ok. Mein Partner unterstützt mein Handeln. Er war letzes Jahr selber davon betroffen; 3 Monate daheim und kann deshalb nachvollziehen wie ich mich fühle.

21.06.2011 08:59 • #4


Pyxidis
Hallo Knoten,

Zitat:
laut derer Aussage - nicht möglich ist jemanden an meiner Seite abzustellen.

das war bei meinem Chef genauso, aber nachdem ich ein halbes Jahr krank war, ging es plötzlich doch.

Bitte sprich noch einmal mit Deinem Chef, denn die Alternative ist doch eine lange Krankschreibung und die will Dein Chef bestimmt verhindern, oder? Mach ihm die Dringlichkeit der Lage klar, ich glaube, er realisiert noch gar nicht, daß Du im Zweifelsfall lange ausfallen könntest, weil Du Dich überfordert fühlst.

Viele Grüße
Scorpio

21.06.2011 13:26 • #5


David Spritz
Hallo Knoten!

Bin selbst auch Programmierer und hatte schon zwei depressive Episoden, allerdings nicht bipolar wie Du. Scheint ja so was wie ne Berufskrankheit bei uns zu sein. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Art der Tätigkeit die Depressionen hervorruft oder ob wir auf Grund unserer depressiven Veranlagung den Beruf überhaupt erst gewählt haben. ;-)

Aber Scherz bei Seite, Deine Situation ist natürlich ernst. Ich kann Deine Lage nachfühlen: Einerseits möchtest Du Dich nicht schon wieder in eine Krankschreibung flüchten und damit auf Dauer Deinen Arbeitsplatz gefährden, andererseits fühlst Du Dich mit den Anforderungen des Alltags maßlos überfordert. Aber ich sehe da bei Dir noch ein ganz anderes Dilemma (sag mir bitte wenn ich falsch liege): Einerseits sehnst Du Dich nach einer Auszeit, Ruhe und Erholung, andererseits verurteilst Du Dich selbst für diese Gedanken.

Ich glaube, was Dir helfen könnte, wäre die Einsicht, dass Du mit der Verantwortung, die Dir aufgebürdet wurde, einfach überfordert bist und dass das auch Ok so ist. Ja, ein anderer Mensch, ein gesunder Mensch wäre der Belastung gewachsen, Du aber bist es nicht. Aber das macht Dich nicht zu einem weniger wertvollen Menschen, und Du brauchst deswegen auch kein schlechtes Gewissen gegenüber Deinem Arbeitgeber zu haben. Ich weiß, das sagt sich leicht und ist nur schwer umzusetzen. Aber ich glaube, das ist Deine einzige Chance. Denn dann kannst Du guten Gewissens vor Deinen Chef treten und ihm sagen, er muss jemanden für Dein Projekt abstellen, der die Verantwortung übernimmt, oder Du hast keine Wahl und musst Dich krank schreiben lassen. Steh für Dich selber und Deine Bedürfnisse ein, dann wird es Dir gleich besser gehen, wirste sehen!

21.06.2011 17:47 • #6


Knoten
Hallo ihr beiden,

ich werde mit meinem Chef nochmal über meine Situation sprechen. Wenn er es dennoch nicht für nötig hält mir Unterstüztung zu gewähren, muss er eben sehen wer das Projekt sonst bearbeiten kann. Ihr habt vollkommen Recht. Ich habe keine andere Wahl als mit meinem Chef zu sprechen.

David, du liegst auch mit der Annahme richtig, dass ich mich einerseits nach Ruhe und Erholung sehne, mich aber auch tatsächlich für diesen Wunsch verurteile. Es scheint mir nicht richtig zu sein daheim zu bleiben. Doch die Tage in denen ich nun daheim bin, tun mir sehr gut.
Der Grund warum ich mich verurteile liegt aber nicht an meiner Krankschreibung ansich und Angst vor einer Kündigung habe ich auch nicht. Diese Angst habe ich mir schon lange abgewöhnt. Was kann mir schon passieren, wenn ich gekündigt werde... Es geht immer irgendwie weiter, auch ohne diese Firma. Es geht mir viel mehr um meinen Kunden. Der leidet am meisten darunter und ich kenne ihn schon so lange.
Die Albträume haben aufgehört und ich werden im ganzen wieder ruhiger. Fühle mich aber noch immer total schlapp und müde. Mittags brauche ich meine 1-2 Stunden Schlaf sonst bin ich am frühen Abend zu nichts mehr zu gebrauchen.

Ich denke ich werde mich erst kurieren bevor ich ins Gespräch mit meinem Chef gehe. Ich muss erst die Kraft haben für mich einzustehen, sonst laufe ich Gefahr wieder Ja und Amen zu allem zu sagen.

Danke dass ihr mich unterstützt,
GLG, Knoten

22.06.2011 11:37 • #7


Pyxidis
Hallo Knoten,

Zitat:
Ich denke ich werde mich erst kurieren bevor ich ins Gespräch mit meinem Chef gehe. Ich muss erst die Kraft haben für mich einzustehen, sonst laufe ich Gefahr wieder Ja und Amen zu allem zu sagen.


das ist ein guter Plan.

Und daß Du keine Angst vor einer Kündigung hast, finde ich super. Ich versuche genauso auch zu denken, daß man in Deutschland schon nicht verhungern wird und dehalb gar nichts Schlimmes passieren kann.

Liebe Grüße
Scorpio

22.06.2011 13:00 • #8


David Spritz
Zitat von Knoten:
David, du liegst auch mit der Annahme richtig, dass ich mich einerseits nach Ruhe und Erholung sehne, mich aber auch tatsächlich für diesen Wunsch verurteile.

Wusst ich's doch! Kenn ich nur zu gut von mir selbst.

Zitat von Knoten:
Ich denke ich werde mich erst kurieren bevor ich ins Gespräch mit meinem Chef gehe. Ich muss erst die Kraft haben für mich einzustehen, sonst laufe ich Gefahr wieder Ja und Amen zu allem zu sagen.

Und schon lauert wieder die nächste Vermeidungs-Falle (entschuldige bitte die Klugscheißerei, aber auch das kenne ich zur Genüge von mir selbst): Wenn Du erst wartest, dass es Dir wieder besser geht, bevor Du mit Deinem Chef sprichst, dann beißt sich die Katze in den *beep*. Denn schließlich bist Du ja nur deshalb ständig müde, weil Du noch das schwierige Gespräch mit Deinem Chef vor Dir hast. Glaub mir! Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Du wirst erstaunt sein, um wieviel leichter Dir plötzlich alles fällt, wenn Du diese schwierige Angelegenheit hinter Dich gebracht hast. Vor allem wirst Du dadurch Deine Selbstachtung zurück bekommen, und die ist in der jetzigen Phase sehr wichtig für Dich.

22.06.2011 14:14 • #9


M
Zitat von David Spritz:
Denn schließlich bist Du ja nur deshalb ständig müde, weil Du noch das schwierige Gespräch mit Deinem Chef vor Dir hast. Glaub mir!
Das mag vielleicht bei manchen so sein. Ich glaube, dass Knoten sich da besser einschätzen kann, als andere das über das I-Net können . Sie muß vielleicht wirklich erst wieder etwas Kraft (und evtl. gleichzeitig auch neuen Mut) sammeln, um das ganze wieder in Angriff nehmen zu können.

22.06.2011 15:56 • #10


David Spritz
Auch möglich! Ich schieß ja hier nur ins Blaue und hoffe auf einen Zufallstreffer. ;-)

22.06.2011 16:39 • #11


A


Hallo Knoten,

x 4#12


Knoten
Es tut gut mit Menschen darüber zu sprechen, die nachvollziehen können, was in mir vorgeht.

@ David und Martina
Ihr habt beide ein Stück weit Recht mit eurer Einschätzung. Ich vermeide es schon mit meinem Chef im Moment zu sprechen und es ist auch eine gewisse Verhaltesweise von mir, dieses Vermeidungsverhalten aus zu üben. Das hängt viel tiefer in mir als so offensichtlich zu sehen ist.
Ich habe mit viel Mühe gelernt unter bestimmten Vorraussetzungen dieses Verhalten im Griff zu bekommen. Ich brauche Kraft um es abzuschütteln und den Schritt ins Gespräch zu wagen. Mein Kompetenztraining ist schon eine Weile her.

Ich denke oft an die Monate in der Klinik zurück und wie stark ich diese verlassen habe. Ich frage mich wohin diese Stärke verschwunden ist.

@ Scorpio
Es ist nicht einfach die Angst vor einer Kündigung zu verlieren. Doch es stimmt, in Deutschland ist es zwar Möglich auf der Strasse zu landen, doch es ist auch nicht normal.
Ich finde, dass Krankheit viel schlimmer ist als Arbeitslosigkeit und manchmal eröffnen sich ganz andere Wege wenn eine Kündigung erfolgt.

Am Freitag habe ich meinen nächsten Termin beim Doc und werde mit ihm über meine Gefühle sprechen.

Ich danke euch für die Anteilnahme. Es hilft mir sehr!

LG, Knoten

22.06.2011 17:42 • #12

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