Mein Sohn ist psychisch krank - und nun?

C
Mein Kind, mein Sohn ist 19, also fast erwachsen, aber noch an der Schule, er ist noch ganz am Anfang der Behandlung, noch stehen Diagnosen aus, er nimmt nun seine Tablette täglich und wir hoffen, dass er sich zumindest ein wenig stabilisiert.
Alles dreht sich nur mehr um ihn. Wo bleiben wir dabei? Wo sein älterer Bruder?
Wie macht ihr das?
Wie geht ihr als Eltern damit um?
Wie geht ihr mit der Angst um eure Kinder um, also der Angst, dass euer Kind sich etwas antun könnte?
Erzählt ihr Freunden, Bekannten, auf der Arbeit davon, schweigt ihr das tot?
Wie laufen eure Ehen?
Wie sieht es in euch selber aus?
Macht ihr euch Vorwürfe, sucht ihr nach Gründen, nach Schuld?
Unsere Ehe, seit vielen Jahren ein sicherer Hafen, wackelt nun plötzlich, ich fühle mich so zerrissen, mein Mann und mein Sohn, sie haben seit Jahren nicht mehr wirklich miteinander gesprochen. Ich muss immer vermitteln, immer der ruhende Pol sein, muss weiter funktionieren im Beruf, aber ich fühle mich dem nicht mehr gewachsen. Am liebsten würde ich mich trennen und mich alleine um meinen Sohn kümmern.

Ich kann nur sagen, dass ich im Moment noch wie erschlagen bin, die Situation, die sich zwar lange abzeichnete, ist zu neu, zu unbegreiflich, man hat zu lange die Augen zugemacht, nicht sehen wollen und nun stehen wir quasi vor den Scherben. Unser Sohn hat uns jahrelang nur belogen, wir wussten nicht mit ihm umzugehen, er war uns unbegreiflich, er hat uns alles vorgespielt, wir schimpften wegen der Lügen, kein Mensch fragte, wie es in ihm aussah und nun habe ich seine blutig geritzten Arme gesehen und mit ihm gesprochen. Ein Gespräch in aller Offenheit zeigte mir, dass er Hilfe braucht und jetzt ist er in Behandlung und sein Arzt sagt, es sei sehr ernst. Wenn ich mit meinem Sohn rede, weiß ich nicht, wer mir antwortet, es scheint, als würden mehrere Personen in ihm wohnen, er lacht und weint von einem Augenblick zum nächsten, nichts davon wirkt echt, alles ist gekünstelt, er bekommt Krämpfe oder beginnt plötzlich grundlos zu schreien.
Und das hat er all die Zeit vor uns verborgen, ich muss mir die Frage stellen, was wir für eine Familie sind und waren. Wie kann ich mit meiner Schuld nur umgehen?

Ich wäre so dankbar, wenn ihr mir ein wenig erzählt, wie das bei euch war.

12.02.2014 18:45 • #1


David Spritz
Ich kann da zwar aus eigener Erfahrung nichts berichten. Aber in der Borderline-Angehörigen-Selbsthilfegruppe, wo ich regelmäßig hingehe, berichten manchmal Eltern, häufig Mütter, von ihren Erfahrungen mit ihren an Persönlichkeitsstörungen leidenden Kindern. Sie (die Mütter) pendeln oft zwischen den extremen Polen totale Kontrolle und den Dingen ihren Lauf lassen, wirken sehr gestresst und angespannt und haben fast schon zwanghafte Gedanken, die man als nicht-betroffener manchmal nur schwer nachvollziehen kann. Manche Ansichten und Zukunftsperspektiven scheinen jedweder rationalen Grundlage zu entbehren und entspringen wahrscheinlich ihrer bisherigen negativen Erfahrung und ihren viele Male enttäuschten Hoffnungen.

Es scheint also wichtig zu sein, sein eigenes Urteilsvermögen zu schärfen und immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, indem man andere Menschen nach ihrer Meinung dazu fragt. Das kann häufig ganz neue Perspektiven vermitteln, auf die man alleine aus Überforderung und Angst gar nicht mehr gekommen wäre.

Aus meiner Außenperspektive scheint es außerdem wichtig zu sein, die zwanghaften Gedanken, die einem ständig im Kopf kreisen, zu reduzieren und stattdessen lieber über erfreulichere Themen, über das eigene Leben, die eigenen Wünsche nachzudenken. Das ist aber sicher schwierig, kann ich mir vorstellen, da ich selbst auch 2 Kinder habe und weiß, wie man sich immer Sorgen macht. Das tut aber weder den Kindern noch einem selber gut.

Bei manchen der Eltern, die ich kennengelernt habe, habe ich tatsächlich überlegt, ob sie so zwanghaft geworden sind, weil ihr Kind an Borderline leidet, oder ob ihr Kind an Borderline leidet, weil sie so zwanghaft sind. Manche fühlen sich auch schuldig deswegen und fragen sich, ob es vielleicht an ihnen liegt. Meine Meinung dazu ist: Selbst wenn man einen Anteil zum Leiden seiner Kinder beigetragen hat, muss man sich dafür nicht schuldig fühlen, sondern man hat es ja so gut gemacht wie man konnte und wusste es einfach nicht besser. Ich denke, für die Kinder ist es dann aber ganz wichtig, dass man sich als Eltern seiner Verantwortung stellt und dazu steht, in der Vergangenheit nicht immer alles perfekt gemacht zu haben.

Ich weiß, sagt sich alles leicht, wenn man nicht selbst betroffen ist!

14.02.2014 15:19 • #2


A


Hallo ClaudiaMaria,

Mein Sohn ist psychisch krank - und nun?

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C
Danke für deine Zeilen!

Es ist so schwer, nicht ständig zu grübeln, was falsch gelaufen ist. Ich versuche zu verstehen, ich möchte mich nicht in Schuld zerfressen, weil ich ja nicht absichtlich handelte, sondern schlimmstenfalls aus Dummheit. Heute bin ich klüger, einfach weil ich weiß, wie es dann gelaufen ist und könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich manches anders machen. Aber konnte ich damals mit den zur Verfügung stehenden Informationen anders handeln, als ich es tat?
Es ist schwierig...

Ich suche tatsächlich gerade diesen Blick von außen, damit ich mich nicht verliere in dem Ganzen, damit ich auch noch die guten Dinge sehen kann. Darum schreibe ich hier.

So traurig es ist, dass es andere gibt, die das durchmachen müssen, so froh bin ich, nicht alleine zu sein und es wäre schön, wenn man sich gegenseitig stützen kann.

14.02.2014 21:40 • #3


David Spritz
Zitat von ClaudiaMaria:
Aber konnte ich damals mit den zur Verfügung stehenden Informationen anders handeln, als ich es tat?

Hättest Du das gekonnt, dann hättest Du es auch getan. Da bin ich mir ganz sicher. Nicht, weil ich der Meinung wäre, Dich zu kennen, sondern weil ich weiß, dass das bei jedem Menschen so ist.

Zitat von ClaudiaMaria:
Ich suche tatsächlich gerade diesen Blick von außen, damit ich mich nicht verliere in dem Ganzen, damit ich auch noch die guten Dinge sehen kann. Darum schreibe ich hier.

Ich sag nur: Selbsthilfegruppe! Forum ist ja nicht schlecht, aber es ist weitaus hilfreicher, sich im persönlichen Gespräch mit Gleichgesinnten auszutauschen. Außerdem hilft es, einem in regelmäßigen Abständen zu zeigen, wo genau man selber eigentlich gerade steht. Es erinnert einen, dass man immer noch in dieser Situation steckt, an die man es so gerne vermeidet zu denken. Und es erinnert einen, dass es andere wie einen selbst gibt und dass es Wege gibt, mit der eigenen Situation zurechtzukommen.

Gibt es bei Dir in der Nähe Angebote? Falls ja, gibt Dir nen Ruck! Das erste Mal ist das schwerste, danach wird es leichter.

16.02.2014 10:00 • #4


C
Selbsthilfegruppen sind nichts für mich, aber danke für den Tipp.
Ich schreibe lieber und vor allem lese ich lieber, weil ich da das Geschriebene öfter durchlesen und durchdenken kann. Gesprochenes ist so schnell vorüber und die Informationen kommen zu geballt.
Und die Selbsthilfegruppen, die ich bis jetzt besuchte, waren eine einzige Jammerei, vielleicht hatte ich aber einfach nur Pech. Und gerade bei diesem Problem möchte ich gerne anonym bleiben, ich möchte auch nicht, dass mein Sohn das mitkriegt, dass ich seine Geschichte evtl. in einer Runde ausbreite, bzw. möchte ich ihm nicht zusätzlich ein schlechtes Gewissen machen, meine Mutter braucht Hilfe meinetwegen.

Ich hätte eben gerne in einem anonymen Forum ein wenig diskutiert und andere Erfahrungen gelesen.

16.02.2014 12:35 • #5

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