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Mag keinen mehr um mich haben, auch in guten Phasen

S
Guten Morgen zusammen, ich habe eine ganze Zeit lang überlegt wie ich mein Anliegen formulieren soll, da ich egal wie ich es drehe und wende eigentlich immer als die Böse dastehe. Aber vielleicht kann jemand von euch mir helfen, die Situation zu lösen.

Und zwar habe ich schon seit etwa 5 Jahren Depressionen, war dann aber auch in therapeutischer Behandlung sowie bekam Medikamente. In der Zeit standen mir mein Partner und meine Freunde die ganze Zeit zur Seite und halfen mir bei vielen meiner Tiefs nicht den Verstand zu verlieren.

Nun habe ich dank der Therapie gelernt, selbstständiger zu sein und mich auch allein um meine Probleme zu kümmern. Das hatte dann meine Beziehungen auch enorm verbessert, da ich nicht mehr so abhängig von anderen Menschen war und natürlich auch sowieso durch die Therapie wieder an Lebenslust gewonnen hatte.

Mittlerweile ist es aber so, dass ich viel mehr Zeit für mich brauche. Mein Freund und ich führen eine Fernbeziehung, unter der ich lange ziemlich gelitten habe, nun habe ich gemerkt, dass ich ihn eigentlich nie vermisse. Wenn wir uns treffen freue ich mich natürlich trotzdem, und ich liebe ihn auf jeden Fall immer noch, aber ich habe selten das Bedürfnis von mir aus Kontakt aufzunehmen und bin irgendwie immer erleichtert, wenn ein Telefonat oder ein Treffen vorbei ist und ich wieder für mich bin. Deswegen fühle ich mich miserabel, weil ich absolut nicht weiß ob das einfach normal ist, weil ich jetzt viel stärker auf meine eigenen Bedürfnisse achte, wozu nun mal viel Alleinsein gehört, oder ob das eher ein Zeichen von Abkapseln und Zurückziehen ist, wie es ja oft in depressiven Episoden vorkommt. Ihm ist das natürlich aufgefallen und er denkt es wäre letzteres, aber auch wenn ich gute Laune habe, will ich lieber für mich sein und ich habe Angst, dass ich ihn irgendwann gar nicht mehr in meinem Leben haben will.

Bei meinen anderen Freunden ist es nämlich ähnlich, ich habe durch die Therapie auch bei einigen gemerkt, dass es keine guten Freunde sind oder ich zumindest keinen allzu engen Kontakt möchte, aber langsam habe ich irgendwie bei jedem das Gefühl, dass sie mir mehr Energie nehmen als geben, und das ohne dass etwas Schlimmes vorgefallen wäre. Auch da wurde ich schon drauf angesprochen warum ich mich zurückziehe und ich wusste nicht wie ich erkläre sollte, dass es mir gut geht, aber nur solange die Treffen nicht zu lang und zu oft werden.

Im Moment rutsche ich wegen Stress auf der Arbeit auf jeden Fall wieder in ein Tief rein, aber was ich hier beschrieben habe ist mir schon vor Monaten aufgefallen. Auch wenn ich jetzt so über das vergangene Jahr nachdenke, oder genauer an all die guten Phasen und Erlebnisse, war das ausnahmslos immer dann, wenn ich was allein unternommen habe bzw. mit Menschen außerhalb meines inneren Kreises (Urlaub allein, Konzert allein, viele Spaziergänge allein, Abendessen mit Arbeitskollegen usw. nirgendwo in meinen schönen Erinnerungen kommt mein Partner oder jemand von meinen Freunden vor). Gerade jetzt wo es mir tatsächlich wieder schlechter geht ist deswegen auch das Bedürfnis groß, alle Beziehungen zu beenden, damit ich nicht weiter so ein schlechtes Gewissen haben muss.

Und das wäre dann auch meine Frage. Denkt ihr, da läuft etwas falsch bei mir? Ist das normal, dass ich nach einer Lebenskrise und Therapie mich selbst so verändere? Oder sind das nur Anzeichen, dass ich die ganze Zeit noch Depressionen hatte?

10.11.2022 10:05 • x 2 #1


H
Guten Morgen @Sonnenstrahlen !

Erstmal herzlich willkommen im Forum und danke für das teilen deiner Geschichte!

Ich bin selber noch sehr frisch hier und möchte deswegen meine Perspektive erzählen. Ich bin normalerweise gerne von Freunden umgeben und auch von meiner Partnerin. Sobald es mir schlechter geht und ich wieder in eine Phase der Depression eintauche, würde ich mich am liebsten von allen abkapseln, außer meiner Familie.. Ich frage mich dann, welcher Kontakt tut mir gut, welcher nicht. Mit wem verbringe ich gerne Zeit, mit wem nicht. Welche Gespräche tun mir gut, welche nicht.

Interessant ist, dass du beschreibst, dass du das Gefühl hast, dass die die treffen Energie nehmen. Warum hast du das Gefühl woran liegt es? Kannst du dir das beantworten?

Bzgl. deines Partners kann ich teilen, dass ich das kenne. Aktuell bin ich froh, wenn ein Telefonat endet, weil ich es anstrengend finde zu reden. Das habe ich aber bei jedem Telefonat und bin deshalb der Meinung, dass es bei mir von der Depression kommt. Du beschreibst, dass du sehr lange unter der Fernbeziehung gelitten hast, vielleicht tust du es unterbewusst immer noch?

10.11.2022 12:33 • x 1 #2


A


Hallo Sonnenstrahlen,

Mag keinen mehr um mich haben, auch in guten Phasen

x 3#3


Moosgrün
Hallo,
ich glaube, dass man sich durch die Krankheit und die Therapie verändert. Im besten Fall erkennt man warum die Depression zugeschlagen hat. Man lernt sich besser kennen, reflektiert was einem gut tut und was nicht, kommuniziert direkt oder indirekt die eigenen Bedürfnisse, lernt Selbstfürsorge.
Von daher denke ich, dass bei dir gar nichts falsch läuft.
Es braucht viel Zeit bis man seinen ! Weg gefunden hat.

10.11.2022 14:05 • x 2 #3


A
@Sonnenstrahlen

Guten Morgen, Sonnenstrahlen.

Hast dir einen schönen Namen ausgesucht.

Bei dir läuft gar nichts falsch.
Durch Therapien und Selbstfürsorge verändert man sich, auch du, auch ich, auch andere.
Seit 22 Jahren habe ich D. und ja, war auch öfters an dem Punkt mich sowas von in ? zu stellen.
Ich muß erst aus der D. wieder raus sein, um Sachen bearbeiten zu können.
Du selbst weißt nicht, verhälst du dich wegen deiner eigenen Veränderung so, oder ist es eine D. .
Ja, das zu trennen ist jetzt bei dir nicht einfach.
Ich finde es gu,t wenn du alleine Sachen machen kannst.
Ich kann mir gut vorstellen, das du da von anderen beneidet wirst, die es gerade bei dir lesen.
Ich kann auch alleine Sachen machen und dann da ganz tief eintauchen, ohne auf jemanden Rücksicht nehmen
zu müssen.
Ich sehe es sogar als ein Geschenk an.
Schau mal drauf wie es dir anschließend geht.
Ich denke ein schlechtes Gewissen zu haben ist unangebracht, oder?.
Von Menschen, die mir meine Energie Rauben, habe ich mich nach und nach getrennt.
Alerdings erst nach der D. , weil ich erst dann wieder klar denken kann.

Du liebst deinen Freund, schreibst du.
Du hast dich verändert und liebst ihn weiterhin.

Ich wünsche dir alles Gute

11.11.2022 08:52 • x 2 #4


Kintaro-Oe
Guten Morgen @Sonnenstrahlen,

auch ich bin noch nicht lange hier im Forum und möchte dich als erstes ebenfalls Willkommen heißen.

Zu deiner Situation kann ich selbst gar nicht viel sagen. Ich empfinde es auch als falsch, dir irgendwelche Ratschläge geben zu wollen (in dem Wort Ratschläge steckt auch immer das Wort Schläge drin).

Ich möchte dir lediglich von einem Bekannten erzählen der sich in einer ähnlichen Situation befunden hat wie du im Moment.
Dieser Bekannte ist ebenfalls in eine schwere Depresion gerutsch und hat professionelle Hilfe in Form einer Verhaltentherapie in Anspruch genommen. Die Unterstützung durch Familie, Freunde und Bekannte war stark. Seine damalige Lebenspartnerin hat das Abrutschen in die depressiven Episoden miterlebt. Sie war tatsächlich auch der Antrieb für ihn eine Therapie anzufangen. Die Therapie ist fortgeschritten und mein Bekannter hat viel durch die Therapie über sich, seine Motivation für seine Handlungen, seine Art Beziehungen zu führen etc. gelernt. Seine Partnerin begleitete ihn durch den gesamten Therapieprozess. Dennoch haben seine therapeutischen Erfahrungen zu großen Veränderungen (Verhaltensweisen, Ansichten, Wahrnehmung) geführt. Diese Veränderungen betraffen ihn selbst und sein komplettes Umfeld. Die Therapie endete und mein Bekannter ist in seinem Handeln deutlich selbstständiger geworden. Er traute sich Dinge alleine zu unternehmen, sich auszuprobieren, was für ihn ein riesen Erfolg darstellte. Diese Selbstständigkeit, dieses Selbstvertrauen was er sich über die Therapie erarbeitet hat, führte letzten Endes dazu, dass seine Partnerin sich trennte.

Was möchte ich damit sagen. Niemand weiß, wie sich die persönlichen Veränderungen auf andere Auswirken und vor allen wie diese Veränderungen sich auf das Verhalten und die Entscheidungen der Anderen auswirken. Ich denke wichtig ist, dass du für dich mit diesen Veränderungen zufrieden bist, ja vielleicht sogar glücklicher werden kannst. Therapie bedeutet in den meisten Fällen eine Veränderungen. Ob alle mit um dich herum mit diesen Veränderungen glücklich und zufrieden sind, ist nicht der springende Punkt. Der Punkt ist, tun dir diese Veränderungen gut.

Um deine Frage abschließend zu beantowrten: Nein, ich denke nicht das bei dir was falsch läuft.

11.11.2022 09:33 • x 2 #5


S
Vielen Dank für eure Ansichten, da bin ich zumindest erleichtert, dass meine Situation nichts schlechtes sein muss.

Gerade mit meinem Partner ist es einfach eine ungewohnte Situation, wir waren lange voneinander getrennt und ich konnte damit nicht umgehen, dann haben wir beide daran gearbeitet uns öfter zu sehen und ich selbst vor allem daran, selbstständiger zu sein und nachdem ich dieses Jahr so viele gute Erfahrungen allein gemacht habe, hatte ich dann fast schon so etwas wie das Gefühl, meinen Freund gar nicht mehr zu brauchen. Und deswegen habe ich natürlich Angst, dass er mich irgendwann verlässt oder ich ihm das Herz breche.

Früher haben wir zum Beispiel jeden Tag telefoniert, hauptsächlich auf meinen Wunsch, und irgendwann hab ich dann gesagt, dass mir das mittlerweile zu viel ist bzw. das Bedürfnis nicht mehr so stark und das hat er verstanden, weil er dachte wegen der Depression brauche ich Ruhe, oder vielleicht war er auch einfach froh dass ich nicht so abhängig von ihm war. Was auch irgendwie stimmt, aber selbst wenn ich gute Tage habe, will ich dann weiter für mich allein sein und möchte gar nicht ihm erzählen was ich gemacht habe und er sorgt sich deswegen auch manchmal, dass ich zu depressiv bin um Kontakt aufzunehmen, während ich einfach nur froh bin, keine langen Telefonate führen zu müssen. Dabei konnte ich früher stundenlang mit ihm reden.

Ich werde erstmal schauen wie sich das weiterentwickelt, an sich muss das ja nicht zum Ende unserer Beziehung führen, wenn ich mehr auf eigenen Beinen stehe. Zumindest will ich das eigentlich auch nicht als Ende sehen, sondern als Chance dass er nicht immer meinen Aufpasser spielen muss.

12.11.2022 17:05 • x 1 #6


Kintaro-Oe
Hallo Sonnenstrahlen,

ich finde deinen letzten Absatz liest sich sehr schön. Das klingt nach ergebnisoffener Veränderung. Die Wortwahl ergebnisoffen klingt mal so richtig doof.

Veränderung ist weder negativ oder positiv. Ob Veränderung negativ oder eben positiv ist, entsteht dadurch, dass die betrachtende Person, diese Veränderung bewertet. Nur unsere Bewertungen von Veränderungen, machen es negativ oder positiv.

Deine wachsende Selbstständigkeit ist für dich eine positive (tolle) Veränderung. Für deinen Partner mag es in erster Betrachtung vielleicht eine nicht so positive Veränderung sein. Aber dafür gibt es das Mittel zur Kommunikation und man kann miteinander reden, Verständnis beim Gegenüber schaffen.

Beste Grüße

15.11.2022 19:01 • x 1 #7

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