Ketamin bei Depressionen - hilft das wirklich?

J
Interessant fand ich folgenden Artikel im Deutschen Ärzteblatt

aerzteblatt.de/nachrichten/25215/Ketamin_bessert_Depression_binnen_weniger_Stunden_-_Neue_Studie_zum_Suizidrisiko.htm

Anders als Antidepressiva greift Ketamin, ein Narkosemittel, an dem Rezeptor an, der für die Glutamatversorgung/-steuerung zuständig ist. Es gab von den Initiatoren dieser Studie noch eine zweite sehr aktuelle Studie, durchgeführt an Patienten mit einer bipolaren Störung. Die Ergebnisse waren gleichermaßen überraschend positiv.

Die abstracts zu diesen Studien (in Englisch) finden sich im Netz.

Man wird hier nicht damit rechnen können, dass die Pharmaindustrie auf diesen Zug aufspringt, weil Ketamin ein vergleichsweise preiswertes (Patentschutz ist abgelaufen) Präparat ist.

26.11.2010 12:25 • #1


J
Da habe ich doch mal weitergeforscht und folgende Artikel gefunden:

welt.de/wissenschaft/article2514367/Ein-Gen-schuetzt-vor-Depressionen.html

28.11.2010 13:09 • #2


A


Hallo jannis,

Ketamin bei Depressionen - hilft das wirklich?

x 3#3


J
Nachdem ich ein wenig weiter geforscht habe, wurde mir klar, dass Ketamin am NMDA-Rezeptor die Glutamin-Versorgung antagonisiert. Also dachte ich mir, dass das doch eigentlich auch auf anderem Wege möglich sein sollte, ohne zu spritzen und ggf. als dauerhafte Therapie. Und so bin ich auf das Anti-Parkinsonmittel bzw. Grippe Virus-A-Mittel Amantadin gestoßen. Das habe ich mir - off-label - verschreiben lassen, nehme es jetzt seit genau 9 Tagen und siehe da, seit drei Tagen geht es mir richtig gut (wie seit vier Jahren nicht mehr) und ich bin wieder voll leistungsfähig. Ich habe das Mittel eingeschlichen.

Mit pharmafinanzierter Forschung wird nicht zu rechnen sein, denn das Mittel ist patentfrei und damit sehr preiswert, also nicht geeigenet, um dem Patienten auch noch die letzten Kröten aus der Tasche zu ziehen.

17.12.2010 19:41 • #3


P
Jannis, ist das ein Selbstversuch, ich meine - weiß Dein Arzt warum er es Dir verschreiben sollte und ist er mit diesem Experiment einverstanden?

Nur mal so als Denksport für Dich:
Amantadin Nebenwirkungen

* Wahrnehmungs- und Stimmungsbeeinträchtigungen, z. B. Depressionen, Euphorie, Verwirrungszustände, Halluzinationen und Albträume (gelegentlich)
* Konzentrationsstörungen (gelegentlich)
* Störungen beim Wasserlassen (Miktionsstörungen) (gelegentlich)
* Schlafstörungen (gelegentlich)
* Störung der Blutdruckregulation (gelegentlich)
* Übelkeit, Erbrechen, Durchfall (gelegentlich)

17.12.2010 20:01 • #4


Steffi
Jannis, du schreibst, es ginge Dir seit 3 Tagen richtig gut. Was war denn vorher nicht so gut ? Was ist jetzt durch das Amandatin besser geworden ?

18.12.2010 00:10 • #5


J
Hi Steffi, das Mützchen steht Dir richtig gut, solltest Du immer tragen.

Nun, ich war ziemlich antriebslos, habe schlecht geschlafen und hatte vor allem sehr unangenehme Albträume, die mich danach noch lange verfolgt haben, außerdem konnte ich mich nur schlecht auf die Dinge des Alltags konzentrieren, außerdem wurde ich manchmal motorisch zittrig und unruhig (das kann aber auch vom Lithium herrühren) aber hochgradig depressiv empfand ich mich eigentlich nicht, eher emotions- und teilnahmslos - Just below the line. Jetzt schlafe ich gut, habe keine Albträume mehr und kann tagsüber endlich wieder hochkonzentriert arbeiten, habe kaum motorische Unruhe und das bei guter Stimmung, ich freue mich auch wieder auf und über Dinge.

Nun, es ist kein richtiger Selbstversuch, ich habe nur alles an Studien, dessen ich habhaft geworden bin, gesammelt und bin damit zu meinem Hausarzt und einer Neurochirurgin (sehr enge Freundin) gewackelt. Der Neurochirurgin waren diese Studien bereits bekannt und sie meinte, dass die Forschung in dieser Richtung wohl die derzeit aussichtsreichste sei. Des weiteren habe ich telefonischen Kontakt mit einem Psychiatrie-Prof., dem dieser Wirkungsmechanismus ebenfalls bekannt ist, dem hatte ich zuvor eine entsprechende mail geschrieben, was sein Interesse geweckt hatte. Mein Hausarzt hat mir sodann ein Rezept gegeben, ich habe die Dosierung des Lithiums geringfügig zurückgenommen, weil Amantadin den Spiegel steigen lassen kann (muss ich jetzt öfters kontrollieren lassen).

Oben wurden die Nebenwirkungen angesprochen - Man möge mir mal den Wasch-Zettel irgendeines beliebigen Antidepressivums zeigen, in dem keine Nebenwirkung genannt sind und wenn ich mir den Beipackzettel des Lithium durchlese, frage ich mich, weshalb ich überhaupt noch lebe.

Bei den Antidepressiva, die ich zuvor eingenommen hatte, hatte ich immer den Eindruck, dass sie an einer Stelle ansetzen, an denen das Problem - zumindest bei mir - gar nicht verortet war, sozusagen eine falsche Baustelle angefahren worden ist. Es geht dabei ja immer um Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Wenn die Ursache aber in der Glutamin-Regulation liegt, erreiche ich mit der Beinflussung der anderen Neurotransmitter natürlich nichts.

Ich will hier niemanden überreden, in die gleiche Richtung zu gehen und schon gar nicht ohne Plazet seines Arztes, wer mit seinem Medikament klarkommt, sollte es dabei belassen. Bei mir hatte kein Medikament gewirkt - und ich habe sie alle durch. Es ist bekannt, dass eine recht große Anzahl von Patienten sich bei den gängigen Therapien (die Angaben schwanken zwischen 30% - 50%) resistent zeigten, dies hier könnte (ganz großer Konjunktiv) eine Lösung sein. - Ich werde an dieser Stelle weiter berichten und bin derzeit keineswegs euphorisch oder bereits vollständig überzeugt aber schon vorsichtig hoffnungsvoll.

Wie mir bekannt ist, finanziert La Roche derzeit eine eigene große Doppelblindstudie in dieser Richtung allerdings mit einem eigen entwickelten Medikament (man will schließlich daran verdienen), aber immerhin greift das am selben Rezeptor an.

18.12.2010 12:44 • #6


Steffi
Zitat von jannis:
Hi Steffi, das Mützchen steht Dir richtig gut, solltest Du immer tragen.

Danke Jannis Ich werde mir überlegen, auch nach Weihnachten hier mit Mützchen aufzutreten.

Es freut mich zu lesen, dass es dir dabei gut geht. Ich halte Dich für intelligent genug, die Risiken selbst einzuschätzen. Mich hat vor allem interessiert, wie es Dir bisher ging, denn so richtig kommt das bei Deinen Beiträgen nie zum Vorschein. Du bist sehr kopfgesteuert - wie mir scheint. Nicht alles lässt sich mit dem Verstand regeln, ebenso wenig mit Hilfe von Tabletten. Aber das weißt Du ja.

18.12.2010 14:30 • #7


J
Mit der Kopfsteuerung hast Du völlig Recht und ich finde das auch falsch. Leider ist es damit wie mit der Schwerkraft, man kann dagegen sein wie man will, sie ist einfach Tatsache :-))

Zu meiner Befindlichkeit schreibe ich in der Tat recht wenig, was und wem sollte das auch was bringen? Ich befasse mich damit nicht sehr gerne, denn jedesmal wenn man sich die eigene schlechte performance vor Augen - und das auch noch bewußt - führt, vertieft man diesen Zustand, das ist meine Meinung, mit der ich keineswegs alleine stehe. Man kennt das aus Gesprächen mit depressiven Freunden, die brauchen gefühlte 5 Minuten, um einen so richtig runterzuziehen. Aus Denken wird allzu leicht Grübeln und das hat noch nie jemanden wirklich weitergebracht.

Ich bin weiß Gott kein Medikamentenfreak und habe vieles abgelehnt, was Ärzte in mich hineinfüttern wollte, insbesondere Benzodiazepine und Neuroleptika, deren Verabreichung außerhalb eines Notfalls aus meiner Sicht nichts anderes als Körperverletzung ist. Und ein Notfall, oder sogar suizidal war ich nie. Aus Krisen, die es in der Tat gab, bin ich viel leichter mit der Hypnosetherapie herausgekommen, die meines Erachtens das absolute non plus ultra aller angebotenen Therapiekonzepte ist und das völlig nebenwirkungsfrei. Aber auch die Hypnose kann eines nicht: Neurophysiologisch bedingte Dysregulationen kurieren. Dieser Psychiatrie-Professor, den ich kontaktiert habe, hat eine recht interessante These in die Diskussion gebracht nämlich, dass die Depression letztlich eine Viruserkrankung sei, die eine lokale Entzündung hervorrufe. Dies meint er durch entsprechende Marker nachgewiesen zu haben. Diese Viren seinen für die Dysregulierung im Glutamin-Stoffwechsel verantwortlich. Auf den ersten Blick schien mir das abwegig, weil es dann kaum eine genetische Disposition für die Depression geben dürfte. Wenn man genauer darüber nachdenkt, kann da aber doch was dran sein, denn es kann ja sein, dass der NMDA-Rezeptor in genetisch veränderter Form vererbt wird, so dass er überhaupt erst für das Virus empfänglich wird.

Ich finde diese Zusammenhänge hochspannend und wenn ich nochmal vor einer Berufswahl stände würde ich entweder Pharmakologie oder Medizin studieren und dann in die Forschung gehen.

18.12.2010 16:06 • #8


M
Hallo Jannis

in welcher Beziehung könnte dann die Psychotherapie zur Virusinfektionshypothese stehen, fragt sich Mona. Sie soll ja angeblich auch bei endogenen Depressionen wirksam sein. Ich bringe da keinen Zusammenhang zwischen beiden Polen her. Aber es ist ja noch lange nicht das letzte Wort zum Thema Depression gesprochen.
Dann müssten doch aber auch Mittel, die gegen einen Virus wirken, eine Verbesserung des Seelenzustandes hervorbringen, vorausgesetzt es gibt sie. Immerhin, das finde ich interssant, was du herausgefunden hast. .

19.12.2010 18:57 • #9


M
Tja...Ketamin ist (auch) in der Dro. nicht unbekannt. Sorry, aber der Thread könnte auch von Amphetamin oder Dro. erzählen. So habe ich mich damals auch noch kurzzeitig über Wasser halten können. Wie auch Ketamin ist kein Upper zu langfristigen Selbstmedikation empfehlenswert, selbst wenn es von einem Arzt verschrieben wird.

/edit:
Meiner Meinung nach, ist die biochemische Wirkung relativ egal. Die Hauptsache dieser antriebssteigernden Substanzen ist eben die Antriebssteigerung. Wenn man depressiv ist, fühlt man sich durch diese Substanzen normal.

19.12.2010 21:28 • #10


J
In den USA wird seit 2006 (Zarate) über die antidepressive Wirkung des Narkosemittels Ketamin geforscht. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Antidepressiva setzt dieses an dem NMDA-Rezeptor an. Es wurde beobachtet, dass insbesondere bislang therapieresistente Patienten mehrheitlich sofort darauf ansprachen. Die Wirkung wird nicht etwa als euphorisch beschrieben, sondern als sofortiger Wegfall einer Blockade. Die Wirkung einer einzigen Injektion soll bis zu einer Woche anhalten. Jetzt sollen zwei weitere Studien durchgeführt werden, die eine erneut unter der Leitung von dem o.g. Dr. Zarate und die andere unter Leitung von Dr. Mann an der Columbia Universität. Jetzt geht es gar nicht mehr so sehr um den Beweis der Wirkung, denn diese kann als gesichert gelten, sondern darum wie diese Wirkung langfristig konserviert werden kann.

Auch in Deutschland wird ja angeblich pharmakologische Depressionsforschung betrieben, einen derartigen Ansatz konnte ich allerdings nirgends finden, was ich nach den sehr ermutigenden Ergebnissen aus den USA überhaupt nicht nachvollziehen kann. Insoweit kann ich mir nur zwei Erklärungen für dieses aus meiner Sicht fahrlässige Unterlassen vorstellen:

1. Ketamin wirkt halluzinogen und wird auch als Partydroge (Vitamin-K) missbraucht und daher wird der Wirkstoff tabuisiert. Diese Partydrogen sind lebensgefährlich, deshalb sind sie zur Eigentherapie völlig ungeeignet! Ketamin unterfällt allerdings nicht dem BtmG, weshalb es im sog. Off-Label-Gebrauch ohne weiteres eingesetzt werden darf und dies wohl auch ohne große Gesundheitsrisiken, wenn es unter klinischen Bedingungen geschieht. Derzeit wird es hier als Narkosemittel und als Notfallmedizin bei Menschen und Tieren eingesetzt.

2. Die Pharmalobby hintertreibt die Forschung, weil der Wirkstoff seit den 1960er Jahren bekannt und daher nicht patentierbar ist. D.h. Damit läßt sich kein Geld verdienen.

Mir ist es völlig schleierhaft, weshalb unsere hiesige Wissenschaft angesichts dessen still vor sich hinpennt und bislang therapieresistente Patienten ihrem Schicksal überlässt.

20.04.2012 09:25 • #11


Steffi
jannis, das Thema hatten wir schon mal. Deshalb habe ich es zusammen geschoben.

20.04.2012 10:23 • #12


J
Nachdem die Forschung in den USA weitergegangen ist, habe ich ein update für nötig gehalten. Bin mal gespannt, ob sich Dres. Zarate und Mann auf meine gestrige mail melden. Hier finden sich noch Informationen, mit welcher Zielsetzung und Methode die aktuelle Studie vom amerikanischen Gesundheitsamt genehmigt worden ist. Es handelt sich um vier Teilstudien, die sich auf uni- und bipolare Depressionen beziehen: http://clinicaltrials.gov/show/NCT00088699

20.04.2012 10:37 • #13


Steffi
immer noch kämpferisch unterwegs, jannis ?

20.04.2012 12:13 • #14


J
Zitat von Steffi:
immer noch kämpferisch unterwegs, jannis ?


;-) Steffi, Du kennst mich doch. Aber sei beruhigt: Immer nur mit Worten.

Ich empfinde es als einen geradezu unglaublichen Vorgang, wenn sehr erfreuliche amerikanische Studienergebnisse hierzulande schlicht ignoriert werden, irgendwer wird doch wohl etwas englisch können, um diese zu verstehen. Ich habe mal eine Zusammenstellung dieser Studien im Volltext und mit deren abstracts an ein paar deutsche Wissenschaftler gemailt, die vorgeben, in Sachen Depression zu forschen, mit der Bitte um einen Kommentar. Das war gestern, mal schauen, was und ob da was kommt.

20.04.2012 13:08 • #15


J
Nachfolgend liefere ich noch eine Fundstelle nach, die sehr genau zusammenfasst, was ich mit mühsam aus den amerikanischen Fundstellen der Volltexte erarbeiten musste. Kurz: Es gibt keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Ketamin-Behandlung.

Unsere psychiatrischen Forscher sind Vollidioten und Erfüllungsgehilfen der Pharmalobby, weil sie diese Option aus fiskalischen Gründen nicht einmal in Betracht ziehen.

24.04.2012 20:08 • #16


J
Heute rief mich ein Psychiater des Max-Planck-Instituts, München, an. Dort wird in Sachen Depression geforscht. Ich hatte ihm per mail die Frage gestellt, ob in Deutschland tatsächlich nicht mit Ketamin geforscht werde. Er bejahte das und kannte auch nur die veröffentlichten Studien aus den USA. In München hat er aber einige therapieresistente Patienten mit Ketamin behandelt und zwar mit dem gleichen sehr guten Erfolg wie in den Staaten. Statt es iV zu verabreichen hat er es aber mündlich gegeben.

Wenn schon feststeht, dass das Zeug hilft, und dass das auch noch alle wissenschaftsnahen Kreise wissen, kann ich nicht verstehen, weshalb hier buchstäblich nichts von den forschenden Stellen unternommen wird..

27.04.2012 15:49 • #17


D
hallo,

in wien hat es herbst 2016 ein projekt der meduni wien mit der biopsychiatrie gegeben, um einen nasenspray mit ketamin zu entwickeln. unklar ist aber bei den ganzen sachen, wann das wirklich marktreif wird. ich habe mal gelesen, obwohl die nmda-agonisten /-antagonisten ketamin und rapastinel in den usa breakthrough-status haben und somit schneller auf den markt kommen, dauert es schätzungsweise 2 jahre bis das in den usa bei der fda durch ist.
und dann erst noch in europa.. also schätzungsweise wirds in der EU noch später der fall sein. irre eigentlich, was da für zeit versch...en wird und wieviele menschen hier in der zwischenzeit draufgehen.
lg david

08.03.2017 10:15 • #18


B
Ich habe gerade das erste mal davon gehört, hier: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ ... p?id=72847
Finde es sehr interessant.

21.11.2017 12:07 • #19


A

19.10.2020 17:58 • #20


D
Ja, ich habe es probiert.
War ein Fehler. Danach ging es mir noch schlechter.

22.10.2020 16:18 • x 1 #21


A


Hallo jannis,

x 4#22


A

05.02.2021 19:35 • #22

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