Kaufsucht Hilfe im Forum - Therapie

S
Schon Wochen schiebe ich es vor mir her, diesen Thread Kaufdrang / Kaufsucht hier zu eröffnen.

Die Gründe sind vor allem Scham und Schuldgefühle. Denn das, was ich hier schildern möchte, ist mir äußerst unangenehm.
Bisher hatte ich dafür eine geheime Schatztruhe, zu der nur ich den Schlüssel habe. Außer mein Psychiater, mein Ex-Therapeut und in kleinen Ansätzen meine Mutter weiß bisher noch keiner davon.

Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich von meiner Depressionserkrankung erzähle. Die habe ich mittlerweile angenommen und stehe dazu. Im Gegensatz zu der Kaufsucht, der ich mich gerade versuche zu stellen.

Ich möchte diesen Thread gerne dafür nutzen, mir ein Bewusstsein zu verschaffen über das, was da geschieht, über das, was ich da tue. Ich möchte hier alles, was mir möglich ist, dokumentieren. Ich möchte sehr ehrlich sein, weil ich es mir vor Augen halten möchte.

Selbstverständlich sind Feedbacks hier herzlich willkommen, aber natürlich nicht zwingend.

Ich denke, das reicht erstmal für heute, denn dieses Thema hier überhaupt öffentlich zu machen, hat mich viel Mut gekostet.

Ich schreibe dann in den nächsten Tagen so viel weiter, wie geht!

26.10.2010 02:18 • #1


Glasscherbe
Hallo Sonnenblume,

mir geht es derzeit ein wenig ähnlich. Ich bemerke, dass ich sehr aufpassen muss - auch ich neige derzeit zum Kaufen, was über ein normales Maß hinaus geht. Es verunsichert mich sehr, da ich immer ein Mensch war, der einen doppelten finanziellen Boden brauchte. Sprich Rücklagen. Die habe ich auch nach wie vor, aber ich habe derzeit das Gefühl, irgendwie die Kontrolle und das Maß zu verlieren ...

Ich bin gespannt auf deine Beiträge und finde gut, dass du das Thema eröffnet hast. Vielleicht ergibt sich ja ein konstruktiver Austausch.

26.10.2010 08:38 • #2


A


Hallo Sonnenblume20,

Kaufsucht Hilfe im Forum - Therapie

x 3#3


F
Hilft es dir, wenn ich von mir erzähle? Ich habe aufgrund meiner Kaufsucht immer noch einen Betrag von ca. 10 T Euro abzustottern ...

26.10.2010 08:49 • #3


S
Hallo Blümchen!

Ich wollte dir nur sagen, dass ich es klasse finde, dass du diesen Schritt wagst. Ich weiß ja wie schwer dir die Entscheidung gefallen ist.

Dein Offentreten wird auch mir bestimmt hilfreich sein in Zukunft das ein oder andere Wort dazu zu verlieren, da ich ja - wie du weißt - auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht habe / mache.

26.10.2010 09:41 • #4


H
Hallo zusammen!!!
Ja, ich kaufe zur Zeit auch gerne. Aber ich weiss warum. Es ist für mich ein Zeichen, dass es mir besser geht.
In meinen schlimmen Zeiten hätte ich niemals daran gedacht einkaufen zu gehen. Habt ihr euch das mal überlegt, ob es nicht ein positiver Fortschritt eurer Genesung sein kann. Dann kommt noch bei mir hinzu, dass ich ganze 6 kg abgenomen habe.
UND DAS OBWOHL ICH MIRTAZAPIN NEHME UND FAST JEDER VON EINER GEWICHTSZUNAHME SCHRIEB.
Das mal ganz nebenbei.
Ja, und wenn man ein paar kg weniger hat, sieht natürlich alles besser aus. Vielleicht schaut ihr mal genau, was ihr kauft.
Ich kaufe nur Dinge die mich aufhübschen.
Es muss nicht immer ein schlechtes Zeichen sein, natürlich solange es sich im Rahmen der jeweiligen finanziellen Situation bewegt.
Seid lieb gegrüsst
Hüpfi

26.10.2010 13:04 • #5


S
Hallo Hüpfburg,

ich glaube du unterschätzt hier die Beiträge der Betroffenen. Es geht nicht um sich was Gutes tun, sondern um eine Erkrankung, die in den Ruin führen kann.

Serafina

26.10.2010 13:09 • #6


H
Upps!!!
OK, so habe ich das nicht gesehen, bin eben von mir ausgegangen.
Kann ja sein, dass ich bei dem ein oder anderen doch nicht so falsch liege.
Zum Glück gibt es die Alten Hasen hier, die einem aufklären wenn man mal falsch liegt. Danke dafür.
Gruss Hüpfi

26.10.2010 13:21 • #7


S
Ehrlich gesagt bin ich positiv überrascht, hier schon so viele Feedbacks bekommen zu haben.

Ich glaube, dass es eine hohe Dunkelziffer von kaufsüchtigen Menschen gibt, denn das Thema ist sehr scham- und schuldbesetzt, muss man doch zugeben, dass man die Kontrolle verloren hat und dass man nicht fähig ist, dies zu steuern.
Man könnte auch sagen, dass man nicht imstande ist, vernünftig zu haushalten, obwohl man intelligent ist und quasi mit beiden Beinen im Leben steht.
Da es hier noch keinen Thread in der Art gab, dachte ich sogar, dass es nicht viele Betroffene gibt.

Dies Thema ist auch deswegen schwierig zu packen, weil der Übergang vom normalem Einkaufen über sich etwas zu gönnen bis zum pathologischen Verhalten schleichend ist.

Schon sehr lange Zeit habe ich an mir beobachten können, dass ich immer mal wieder mehr kaufte, als die anderen.
Natürlich auch unter der Prämisse, mir, die ich es doch so schwer habe, auch mal etwas zu gönnen.Ich war eigentlich nicht in der Lage, Geld, was ich zusätzlich geschenkt bekam, und das war im Laufe meines Lebens gar nicht so wenig, zurückzulegen, entweder um es als Notgroschen zu haben oder auch um es für eine größere Anschaffung anzusparen.

Allerdings war ich auch immer sehr spendabel für andere. Natürlich musste ich auch immer auf Geld achten, aber bei Geschenken für Menschen, die mir am Herzen lagen, gab ich auch schon mal mehr als angemessen aus.

Außer dem üblichen Erziehungsurlaub habe ich immer gearbeitet, wenn auch manchmal nur stundenweise wegen meiner 2 Kinder. Es verdiente also nicht nur mein Exmann Geld, sondern auch ich. Und somit hatte ich ja auch eine Grundberechtigung, auch mal was für mich zu kaufen. Vielleicht hätte ich mir, wenn nur mein Exmann Geld verdient hätte,nicht so viel gegönnt.

Natürlich waren mir meine Kinder auch sehr wichtig und es machte mir auch sehr viel Freude, Dinge für sie zu kaufen.
Die Kleiderschränke meiner beiden Kinder waren immer sehr voll. Dadurch dass Kinder ja auch in manchen Phasen viel wachsen, konnten sie manches gar nicht bis vielleicht nur 1-2 mal anziehen.
Und wenn ich etwas für sie kaufen konnte, mit vollen Tüten nach Hause kam, hat mir das irgendwie immer etwas gegeben.
Die Tüten waren wie Schatztruhen für mich.Es entstand also ein richtiges Glücksgefühl, wenn ich Tüten in der Hand hatte.
Und wenn es um meine Kinder ging, konnte ich mich ja auch immer rechtfertigen und habe immer behauptet, dass sie alles, was ich kaufte, ja auch brauchten.

Was mir auffiel, dass ich die Kleidung für mich sowie auch für meine Kinder immer sehr gut pflegte. Ich wusch alles sehr vorsichtig, alles wurde akorat gebügelt (auch die Kleidchen für meine Tochter). Weil ich vieles, was zu klein wurde, auf einem Kinderflohmarkt verkaufte, bekam ich immer die volle Bewunderung, wie gepflegt die Kleidung war und viele Mesnchen wollten speziell bei mir kaufen, weil die Sachen oft noch wie neu aussahen. Kein Wunder, ich hatte ja zuviel und vieles wurde nicht aufgetragen.

Ich möchte jetzt gleich einmal dazu sagen, dass mir das damals noch nicht bewusst war.
Vieles ist mir erst dieses Jahr so richtig bewusst geworden, weil es dieses Jahr zum ersten Mal so richtig eskalierte.
Da hatte ich wirklich keine Kontrolle mehr, es war mir alles egal und das Geld (ich bekam eine Abfindung, die zwar für andere Peanuts wäre, weil sie nicht den üblichen Höhen entspricht, für mich aber doch recht viel Geld war)
habe ich komplett ausgegeben und zudem noch meinen Dispo bis auf´s letzte ausgereizt (Gott sei Dank habe ich den aber Anfang des Jahres freiwillig reduzieren lassen, trotzdem ist es noch genug, um ihn so einfach wieder auszugleichen).
Ich habe einfach nicht mehr gemerkt, wieviel ich gekauft habe.
Und dabei hatte ich vorher genaue Vorstellungen darüber, wieviel ich mir von der Abfindung zurücklegen wollte und vor allem, für was ich sparen wollte.
Jetzt ist alles weg und ich bin eigentlich sehr geschockt über mich!

26.10.2010 21:19 • #8


S
Hallo Sonne,

ich weiß wovon du schreibst. Mein Analytiker hat mal gesagt, sobald wir erkennen, warum wir was tun, ist das er erste Schritt zur Bwältigung.

Aber ich will mich nicht in diese Riege einreihen. Ich stelle aber auch bei mir fest, daß ich in gewissen, oder nach gewissen, Situationen, kaufe. Ich gehe los und kaufe ohne Ende. Egal ob mein Konto das hergibt oder nicht. Ich brauche dann eine Bestätigung. Der Kauf bringt mir das Erfolgserlebnis, was ich im realen Leben nicht habe. Ich habe es erkannt. Aber ich tue es trotzdem. Das ist sehr niederschmetternd und armselig. Und ich fühle mich dabei ganz klein.

Die Tatsache, ich schaue in den Spiegel und realisiere, dass ich wieder viel Geld, was ich nicht habe, ausgegeben habe, um mich zu befriedigen. Mir ein Erfolgserlebnis zu verschaffen. Wie armselig ist das denn? Ich will und kann nicht darüber nachdenken. Ich könnte heulen.

Sera.

(Doch ich weiß, was mich davon abbringen kann, allerdings gibt es diesen Mann nicht)

26.10.2010 21:30 • #9


F
Ich oute mich dann auch, das tat ich oben bereits und nannte eine Zahl. Das ist der Rest, der noch abzuzahlen ist. Den mein Mann jetzt zahlen darf, was mich auch runterzieht ohne Ende, zumal ich gar kein Einkommen mehr habe. Jetzt, da ich von ihm abhängig bin, kann ich auf einmal bewußter mit Geld umgehen, ABER:

Sobald ich Geld in den Händen habe, sprich von meiner Mutter mal einen Schein bekomme, oder auch mal etwas mit meinen Massagen verdient habe, kam auch wieder dieses Glücksgefühl. Dieser Drang. Mir ist klar, dass ich immer gefährdet sein werde, genauso wie mit meiner Eßstörung, die mich eben so lange begleitet wie dieser Kaufdrang/zwang/sucht.

Ich versuche das mal in Worte zu fassen und das fällt mir grad sehr schwer. Jedoch finde ich es gut, Sonnenblume, dass du den Mut hattest, hier anzufangen. Mir brennt das auch schon lange unter den Nägeln.

Wenn ich etwas kaufte, freute ich mich. Es gab dieses Glücksgefühl. Auch ich arbeitete auch fast immer, bzw. ich fing dann wieder an, als die Kinder im Kindergarten waren, ich hatte einen Betrag insgesamt zur Verfügung, von dem viele Familien träumten. Mein Ex-Mann ist Akademiker mit dem entsprechend hohen Gehalt. Ich konnte kaufen, was ich wollte. Gab auch viel für die Kinder aus, aber auch hatte ich den Drang, unsere Wohnung oft neu zu gestalten. Möbeltechnisch hielt mein Ex-Mann den Finger drauf, weil wir die Antiquitäten seiner Großmutter in der Wohnung stehen hatten, jedoch konnte ich die Farben der Accessories laufend wechseln vom Geschirr bis zur Bettwäsche, von Bilderrahmen bis Handtücher.

Mir war das wichtig, um mich gut zu fühlen. Ich fand nie MEINES, worüber ich mich definieren konnte. Ich ahmte anderen nach, sie zeigten vor, ich wollte auch und auch umgekehrt. Hatte ich tolle Ideen, fuhren die anderen die gleiche Schiene. Ich schäme mich heute noch für dieses Doofsein. Ich wollte über meinen Ex-Mann, seine Leistungen und das Geld und was ICH davon kaufen, Anerkennung erhalten. Ich brauchte ihn und das Geld, um zu glänzen. Heute durchschaue ich, dass es den anderen Frauen damals genauso ging. Wir versuchten, uns gegenseitig zu übertrumpfen.

Diese Sucht hielt an, als ich mich trennte. Ich haute innerhalb von drei Jahren einen Betrag von 30 T DM auf den Kopf, immer weiter machend. Ich sah Zahlen, sie interessierten mich nicht, wird schon irgendwie gehen. Ich arbeitete ja auch immer. Ignorierte, machte irgendwann keine Rechnungen mehr auf bis zu dem Tag, als der Geldautomat sagte: Njet !

Und ich versuchte, weiter zu negieren, verkaufte meinen Bausparvertrag, Lebensversicherungen und und und, um an Geld zu kommen. Ich könnte auch über dieses Thema einen Roman schreiben. Ein tiefer Seufzer begleitet mich gerade. Ich lebte immer über meine Verhältnisse, weil mir der Richter auch damals sagte, ich müsse den Standart zum Leben haben, wie ich es gewöhnt war (altes Scheidungsrecht). Das holte ich mir immer als Bestätigung für mein Kaufen heran. Das war einfacher, als bei sich zu schauen, was da nicht in Ordnung ist. Auch ich habe keine Spareinlagen etc., ich schaffe das nicht.

Wie gesagt, es dauerte eine Weile bis zum Gau, und ich mußte umfinanzieren, keine Bank wollte es zunächst. Ein Bekannter holte mich aus der Misere heraus. Das war vor ca. sechs Jahren. Seither übe ich. Und zahle ab.

Ab und zu gehen die Pferde mit mir durch, wenn ich meine, ich muß unbedingt das neue Teil haben, damit ich schön sein kann. Ältere Kleidung befriedigt mich dann nicht. Ich kann mich manchmal so da rein steigern, dass ich mich wie Aschenputtel fühle, obgleich die Ratio mich warnt. Ich habe dann wohl auch diesen Dackelblick, zeige meinem Mann ein Kleid im Katalog und sage, wie sehr ich mich freuen würde, wenn ich das haben könnte. Ich kriege es dann auch.

ABER: ich habe vorher mit ihm darüber gesprochen, mit welchen Mitteln ich meiner Sucht befriedigen kann. Er kennt meine Masche genau! Augenaufschlag, Seufzen. Ich weiß jetzt, wie abgedroschen das für viele klingt, jedoch sagt mein Mann, dass ich in seinen Augen eher anspruchslos sei, ob Schuhe, Taschen, Mäntel etc. Ich solle mir einfach das kaufen, was ich brauche. Nur das darf ich nicht zulassen und lasse mich z. Zt. noch von ihm kontrollieren. Deshalb will ich auch keine Kontovollmacht über SEIN Konto. Es muß unbedingt seines bleiben, ich möchte meine Partnerschaft nicht wg. diesem Mist gefährden.

Mit unserem Haus habe ich angefangen, dass ich meine Ruhe gefunden habe. Deko interessiert mich nicht mehr wie damals. Wir haben unser Heim eingerichtet, wie es UNS gefällt, nicht nur mir. Mein Mann möchte Mitspracherecht und das erleichtert mich so. Ich habe sämtlichen Ballast, den ich in allen Farben hatte, fortgeworfen. Mein Mann und ich haben in unserem Leben ausgemistet. Ich habe keinen Druck mehr, hier aktiv zu werden.

26.10.2010 22:40 • #10


F
Ich bin jedoch nach wie vor gefährdet, wenn es um Lebensmittel geht. Ich meine, nur das Beste kaufen zu müssen, ich muß mich richtig kontrollieren, mir sagen, dass es nicht immer die Markenprodukte sein müssen. Jedoch empfinde ich beim Betrachten vieler Küchenutensilien diese tiefe Genugtuung, wenn ich die Dinge habe, die man mir vorgaukelt, die man haben müßte (Werbung, Kochsendungen, Zeitungen). Daran merke ich ES noch ... hat es sich nur verlagert?

Ich bin seit zwei Wochen dabei, meine neue HP zu gestalten, mir eine Domänadresse zuweisen lassen. Ich habe vor zwei Wochen beschlossen, wieder mein Ziel ins Visier zu nehmen. Im November werde ich wieder anfangen zu üben, zu berühren. Manche scharren schon mit den Füßen. Ich sagte heute auch, dass ich irgendwann eine Entscheidung treffen muß, wie es weitergeht. Diese Abhängigkeit macht mich mürbe. Ich möchte eigenes Geld verdienen. Das Thema geht Donnerstag an meine Therapeutin.

Ich kann für mich nicht die Hand ins Feuer legen, anderen Ratschläge geben, wie man aus der Nummer herauskommt. Ich führe eine schöne Partnerschaft, dadurch hat sich eh vieles verändert. Ich brauche meinem Mann nichts beweisen, das spüre ich Tag für Tag. Er nimmt mich glatt so, mit allen Macken (und Süchten - er weiß über jeden Gedanken von mir Bescheid).

Ist es das Geheimnis, der neue Mann? Dass ich nicht mehr um Anerkennung kämpfen muss? Dass ich eine Linie gefunden habe, dass ich mich selbst zum glänzen gebracht habe, ohne mich über andere zu profilieren? Ich habs noch nicht ganz so für mich klar und ich möchte auch dieses Thema irgendwie Antidepressiva acta legen, jedoch traue ich mir selbst noch nicht.

Mich würde es auch freuen, wenn andere sich noch trauen würden ... es ist grad so erleichternd (ich habe das Thema noch nie in Therapie besprochen, irre)

26.10.2010 22:40 • #11


Glasscherbe
Hallo,

also zugegebener Maßen bin ich nicht ganz so dick drin wie ihr - vielleicht ist es ja dennoch hilfreich, wenn ich ein wenig schreibe. Ich habe seit meiner letzten Trennung wieder verstärkt zugegriffen. Ich habe das Gefühl, nachdem ich jahrelang anderer Leute Finanzen in den Griff bekommen habe (ich hatte tatsächlich immer nur Partnerschaften, in denen die Leute nicht mit Geld umgehen konnten, mein letzter Freund hatte ne Privatinsolvenz laufen, der Vater meiner Kinder bekam und bekommt Geld nie auf die Reihe, was mich derzeit auch wieder zum Anwalt treibt wegen Unterhalt etc. pp.) und dafür auch mich selbst kurz gehalten habe, was nachholen zu müssen. All die alten Klamotten, teilweise viele Jahre alt - ich habs ordentlich krachen lassen die letzten Monate.

Es ist nicht akut bei mir, ich bin weder im Minus noch sind meine Reserven aufgebraucht. Aber wenn ich ehrlich bin, erkenne ich schon Tendenzen bei mir, die mir nicht gefallen. Es kommt immer phasenweise. Und ich hab immer das Gefühl: Mädel, pass bloß auf ... Gerade im Augenblick merke ich, wie mir alles über den Kopf steigt, weil ein paar unvorhergesehene Ausgaben anstehen. Und dann noch etliche Geburtstage, Weihnachten, die Kinder, die irgendwie ständig neue Klamotten brauchen ... und ich möcht auch ... Ich hab dabei immer das Gefühl: Ja, ich bin auch was wert. Eigentlich total bescheuert. Ich hab ehrlich Angst, die Kontrolle zu verlieren. Bisher konnte ich mich immer gut einbremsen. Nur jedes Mal, wenn wieder so eine Phase kommt, habe ich Angst, dass es nicht mehr klappt.

27.10.2010 08:49 • #12


S
Zitat von Glasscherbe:
Es kommt immer phasenweise.

Ja, das kenne ich auch. Ich habe tatsächlich meine vernünftigen Phasen. Aber bisher hatte ich die nur, wenn ich am untersten Limit war, wo gar nichts mehr ging. Wo ich ganz sparsam leben musste, damit ich überhaupt wieder einen kleinen Freiraum schaffen konnte, um auch Geld wieder ausgeben zu können.
Wenn dann gar nichts mehr geht, dann habe ich zwar auch den Drang, aber die Vernunft siegt. Denn die Vorstellung mich so hoch zu verschulden, wie manchmal bei Schuldnerberater Peter Zwegat zu sehen, die lässt mich doch sehr davor zurück schrecken. Und trotzdem ist es sehr anstrengend, denn ich muss mir wirklich laufend und ständig vor Augen halten, dass nichts mehr geht! Und die Zeit, bis wieder irgendwas geht, die kommt mir dann so ellenlang vor.

Aber ich kann natürlich auch nicht dafür garantieren, dass es mir nie passieren würde. Denn in Phasen, wo mir das Geld nur so durch die Finger fließt, da ist mir nämlich alles egal. Ich kann da sogar mit der Vorstellung leben, dass die Bank mir mein Konto sperrt und finanziell alles über mir zusammenbricht. Ich habe in so einer Phase sogar den Wunsch, dass es einfach mit mir geschehen soll. Da würde ich die Verantwortung auch gerne abgeben.In dieser Phase bin ich mir egal, da gibt es in meiner Vorstellung keine Zukunftsperspektiven für mich.

Vielleicht hilft es mir ja auch, dass ich noch zwei Kinder habe, die noch nicht selbstständig sind. Wenn ich mir vorstelle, es käme hier der Gerichtsvollzieher ins Haus und ich müsste ihnen sagen, dass ich sie nicht mehr versorgen kann, weil ich nicht haushalten konnte, dann könnte und würde ich auch im Erdboden versinken.

Ja, da ist es auch wieder: Ihnen bei vollem Bewusstsein zu erklären, dass ich zwanghaft Geld ausgeben MUSS, weil ich nicht anders kann, das würden sie wahrscheinlich nie verstehen!

Zitat von Serafina:
Der Kauf bringt mir das Erfolgserlebnis, was ich im realen Leben nicht habe. Ich habe es erkannt. Aber ich tue es trotzdem. Das ist sehr niederschmetternd und armselig. Und ich fühle mich dabei ganz klein.

Genauso fühle ich mich dann auch. Ich könnte es bei mir sogar so bezeichnen, dass es für mich nicht unbedingt ein Erfolgserlebnis darstellt, sondern etwas, was ICH mir schenke, weil es bei mir emotionale Bedürfnisse gibt, die nicht erfüllt wurden und werden. Sozusagen fühle ich mich, was das betrifft, im Dauerhungerzustand, der durch Kaufen ein bisschen gebessert wird. Leider nur sehr kurz !

Zitat von Serafina:
Mein Analytiker hat mal gesagt, sobald wir erkennen, warum wir was tun, ist das er erste Schritt zur Bwältigung.

Das ist ein sehr weiser Satz. Und genau das ist auch mein Beweggrund, diesen Thread eröffnet zu haben. Ich möchte mir ganz ehrlich anschauen, was da mit mir passiert und vielleicht herausfinden, warum es passiert. Damit ich durch dieses Bewusstwerden Wege finden kann, aus dieser Sucht rauszukommen.

Und jetzt habe ich noch ein Anliegen:

Ich habe diesen Thread für MICH eröffnet, um einen Platz zu haben, mein Kaufverhalten und die Auswirkungen für mich zu dokumentieren.
Ich habe auch geschrieben, dass Feedbacks willkommen sind. Dazu stehe ich auch auf alle Fälle noch.

@Angelika, ein so ausführlicher zweiseitiger Bericht Deiner Lebensgeschichte war aber damit nicht gemeint. Das ist mir dann doch zuviel, hierbei würden auch meine eigenen Dokumentationen untergehen, was ich nicht möchte.

Ich habe diesen Thread aber auch bewusst nicht im Tagebuchbereich eröffnet, weil er im Suchtforum eher wahrgenommen wird und damit auch zur Information dienen kann, zumal es hier noch keinen Thread mit diesem Thema gibt!

28.10.2010 23:28 • #13


Glasscherbe
Zitat von Sonnenblume20:
Genauso fühle ich mich dann auch. Ich könnte es bei mir sogar so bezeichnen, dass es für mich nicht unbedingt ein Erfolgserlebnis darstellt, sondern etwas, was ICH mir schenke, weil es bei mir emotionale Bedürfnisse gibt, die nicht erfüllt wurden und werden. Sozusagen fühle ich mich, was das betrifft, im Dauerhungerzustand, der durch Kaufen ein bisschen gebessert wird. Leider nur sehr kurz !


... und ich glaube, genau darin liegt die Gefahr und auch der Grund, warum es immer wieder und phasenweise passiert. Weil zum ersten dieser Dauerhunger nicht gestillter emotionaler Bedürfnisse da ist und weil es zum zweiten nur sehr kurz vorhält, was meiner Meinung nach daran liegt, dass du ja nicht das eigentliche Bedürfnis stillst sondern dir anderweitig die Bestätigung holst - auf eine Art und Weise, die in keinem Zusammenhang mit dem eigentlichen Bedürfnis steht.
Klingt alles so, als hätt ichs voll raus, oder? Hab ich aber nicht. Trotz der Erkenntnis gelingt es mir nicht, damit aufzuhören ... Ersatzhandlungen sind für mich derzeit nicht vorhanden.

29.10.2010 07:54 • #14


P
Hallo,

bin ja ganz neu hier im forum...und bin gerade über deinen beitrag gestoßen......auch ich hbae diese anzeichen an mir festgestellt.....

es ist teilweise wie ein zwang..aus dem haus zu gehen und was zu kaufen...dann kommt z.b. ein prospekt ins haus..in dem ein pulli abgebildet ist.....und denn finde ich dann toll.....und dann werde ich innerlich so unruhig...bis ich dann doch extra dort hinfahre.... ...dass macht mi rschon angst....ich habe das nicht täglcih...aber doch schon so..das ich denke das das nicht ganz natürlich sein kann...

lg

29.10.2010 10:23 • #15


S
Liebe Moon,

vielen Dank für Deinen Beitrag!

Zitat von Moonlightwoman:
Kaufst (oder hast gekauft) Du nur in Geschäften oder beziehst Du die Dinge auch über Versandhäuser?

Ich kaufe natürlich auch über Versandhäuser. Das hat natürlich genau denselben Grund, den Du beschreibst, dass man dort in Raten bezahlen kann.
In Geschäften habe ich in diesem Jahr öfter gekauft, denn da hatte ich ja Geld, ich konnte bezahlen, weil ich ja die Abfindung hatte.

Jetzt bin ich ja wieder in der Situation, nichts mehr zu haben und deswegen bin ich eher wieder auf Versandhäuser konzentriert. Dass die Sachen mir noch nicht gehören, weil ich ja noch nicht komplett bezahlt habe, daran denke ich gar nicht. Für mich sind sie meine Sachen, ein Schatz, den ICH HABE, weil die Dinge ja in meinem Schrank liegen.

Allerdings muss ich dazu ´sagen, dass ich bisher die Raten immer bezahlt habe und irgendwie auch konnte. Irgendwie ist mir das auch sehr sehr wichtig.
Es wäre das schlimmste für mich, so zu enden wie so manch andere, die einen Stapel ungeöffneter Mahnungen im Schrank haben und überhaupt nicht mehr wissen, was sie wem in welcher Höhe schulden.

Den Überblick habe ich z.Zt.wieder. Den habe ich immer dann, wenn ich mich absolut runtergewirtschaftet habe.
Im Moment mache ich mir wieder am Anfang des Monats eine Aufstellung, was genau in diesem Monat abgebucht wird, was an außergewöhnlichen Ausgaben dazu kommt um genau zu wissen, wieviel Geld ich zur Verfügung habe.
Aber auch nur, weil es mal wieder KURZ VOR ZWÖLF ist.
Ich habe absolut KEINE Rücklagen mehr, worauf ich zurück greifen kann. Ich habe dieses Jahr einen Bausparvertrag gekündigt. Es war noch nicht so viel drauf, aber wieder ist mal eine Rücklage verschwunden, mit der ich später einmal etwas anfangen könnte. Dann habe ich noch einen kleinen Sparvertrag aufgelöst, das reichte gerade so, um nicht über das Dispolimit zu kommen, was mir ja oberstpeinlich gewesen wäre.

Zitat von Moonlightwoman:
Du hast von den Frauen und Eurem Verhalten von früher geschrieben. Wie gehen andere außenstehende Menschen mit Deiner Kaufsucht um? Versteckst Du es vor anderen

Es weiß keiner davon, außer meinem Psychiater (das habe ich ihm aber erst im Sommer erzählt, weil es so akut war und ich wirklich Angst bekam, dass ich die Spirale nicht mehr aufhalten könnte), mein Extherapeut und meine Mutter.
Die hat es erkannt, weil sie selbst unter Kaufsucht litt. wie es heute ist, weiß ich nicht so genau, sie kauft doch noch recht viele Dinge. Aber bei ihr waren die Auswirkungen nicht so fatal, meine Eltern hatten immer recht viel Geld und somit hat sie die Finanzen dadurch nicht runter gewirtschaftet.Meine Kinder ahnen es vielleicht, weil sie evt. auch mal Gespräche zwischen mir und meiner Mutter mitbekommen haben. Mein Sohn spricht mich öfter darauf an, wenn wir einkaufen sind und ich irgendetwas in der Hand halte, was nicht zur Kategorie Lebensmittel gehört, dann sagt er immer: Denk dran, das brauchen wir nicht, Du kannst es wieder zurücklegen! Auch das ist superpeinlich!

Natürlich habe ich trotzdem gekauft, obwohl meine Mutter mir das Versprechen abringen wollte, dass ich jetzt nichts mehr kaufe, weil ich doch gar nichts mehr brauche und ich doch einfach mal meine finanzielle Situation sehen soll! Wenn ich was gekauft habe, dann habe ich die Tüten bis spätabends im Auto gelassen, damit meine Kinder nichts sehen können. Dann wird es nachts ausgepackt und sofort in den Schrank gelegt.
Schon seit längerer Zeit lasse ich die Sachen aus Versandhäusern immer in einen Paketshop liefern. Denn zu der Zeit, als ich noch arbeiten ging, war meine Mutter immer mittags hier, um für die Kinder zu kochen, da bekam sie öfter mit, dass schon wieder ein Paket kam. Und sie stellte mir immer unangenehme Fragen und ich musste mir immer wieder neue Ausreden einfallen lassen.

01.11.2010 01:18 • #16


S
Dass ich jetzt öfter kontrolliert werde, ja meine Mutter sogar schon meinen Kindern den Auftrag gab, ihr zu erzählen, wenn sie mitbekommen würden, dass ich was gekauft habe, das finde ich auf der einen Seite ungehörig.Das fühlt sich so entmündigt an und spiegelt mir ja auch, dass man mir nicht vertrauen kann. Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass es vielleicht gut ist, wenn ich unter Kontrolle lebe.
Aber das hat mich nur noch mehr animiert, alles heimlich zu machen, denn alleine das Wissen, dass ich nichts mehr brauche und auch die Tatsache, dass das Geld alle ist, haben mir ja leider nicht dabei geholfen, standfest zu bleiben.
Immer wieder rutsche ich doch wieder rein, zur Zeit vielleicht nicht so hart, weil ja nichts mehr geht, aber an kleinen Dingen kann ich irgendwie öfter nicht vorbeigehen.Selbst ein Supermarkt und die Discounter bieten ja auch so viele Möglichkeiten, denn es gibt ja mittlerweile auch dort nicht nur Lebensmittel, wie es früher mal war, sondern ganz viel anderes, was einem ständig vor Augen geführt wird.

Zitat von Moonlightwoman:
Welche Ausreden verwendest Du

Es gibt nicht mehr viele Ausreden. Ich bin so heimlich geworden, dass es die anderen nicht mitbekommen. Und wenn ich was geschickt bekommen habe und meine Muter es entdecken würde, dann würde ich sagen, dass ich das alles nur zur Ansicht bestellt habe, weil man ja auch nie sicher sein kann, dass einem die Dinge auch passen oder dass sie einem wirklich gefallen. Ich würde sagen, dass ich fast alles wieder zurückschicke, außer vielleicht die Bettwäsche, die haben wir dringend gebraucht, weil die alte Bettwäsche schon abgenutzt war und viele Löchér hatte (das nur mal so zum Beispiel).

Seit diesem Jahr beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema, weil es mir so sehr bewusst wurde. Beim Recherchieren im Internet las ich oft, dass kaufsüchtige Menschen völlig unnötige Sachen kaufen würden. Da wurde geschrieben, dass manche Menschen z.b. massenweise Schuhe zuhause hätten, die unbenutzt im Schrank landen würden und auch nach Jahren noch die Preisschilder dran wären, weil sie gar nicht benutzt würden. Sofort dachte ich: Na Gott sei Dank, dann gehörst Du ja doch nicht dazu!
Weil ich die Sachen, die ich kaufe, eben auch benutze, sie auch anziehen möchte, was mir jetzt unter dieser Kontrolle sehr schwer fällt. Viel zu groß ist die Angst, wieder erwischt zu werden und dann eingestehen zu müssen, dass ich mein Versprechen wieder nicht gehalten habe.
Immer wenn es klingelt und ich merke, dass es meine Mutter ist, dann geht mein Blick sofort an mir herunter und ich schaue auch schnell, was evt. im Wohnzimmer rumliegt, was eben neu ist und was sie entdecken könnte.
Wenn ich irgendwas anhabe, was neu ist und sie nicht kennt, dann ziehe ich mich ruckzuck um und öffne ihr erst dann die Tür. So weit bin ich schon.

Ich habe z.b. im Keller einen DVD-Player stehen (in dem Fall könnte ich sogar rechtfertigen, dass ich ihn brauche, weil ich vorher gar keinen hatte), der zwar recht günstig war, aber der nun schon 3 Monate im Keller steht, weil ich ihn hier im Wohnzimmer zum Fernseher stellen müsste und ich Angst habe, dass es jemandem auffällt.
Dasselbe gilt für eine Art Tischfeuer, eine Art Kamin , den ich so gerne haben wollte, weil er zusätzlich warm macht und weil es einfach schön aussieht. Er war auch sehr günstig (Ich nehme nicht grundsätzlich das teuerste) und auch er steht schon seit Wochen im Karton im Keller. Denn wenn er hier stehen würde, dann würde es auf jeden Fall auffallen und ich müsste mich rechtfertigen.

Bei verschiedenen Menschen achte ich darauf, wenn ich auf sie treffe, dass ich nichts neues anhabe. So oft bin ich schon gefragt worden: Hast Du das neu? Viele achten komischerweise sehr oft auf meine Kleidung. Ich bekomme zwar auch viele Komplimente, ich hätte so einen tollen Geschmack und immer so tolle Sachen an, aber ich merke auch komische Blicke.
Ich habe oft erzählt, wie wenig Geld ich habe und wie sehr ich den Cent umdrehen müsste. Das kommt natürlich nicht gut, wenn ich gleichzeitg so tolle und immer wieder andere Kleidung anhabe.
Am liebsten hätte ich, es würde keiner darauf achten und mich keiner danach fragen. Ich frage die anderen doch auch nicht immer, ob sie was neues anhaben und wo sie das gekauft haben und wie teuer es war.

Ich habe mich letztes Jahr z.b. darauf beschränkt, immer zu sagen, ich hätte eine Frau kennen gelernt, die mir ihre gebrauchte und sehr gut erhaltene Kleidung verkaufen würde (also Second Hand), weil sie selbst zugenommen hätte und ihr die tollen Sachen jetzt leider nicht mehr passen. So konnte ich wenigstens vermeintlich vermitteln, dass ich eben nicht zuviel Geld ausgebe, weil ich ja auch nichts habe.

01.11.2010 01:19 • #17


S
Zitat von Moonlightwoman:
So empfinde ich am Ende meiner Zeilen es erst recht mutig, Dich hier zu äußern, Dich mit Deiner Scham zu konfrontieren

Ja, die Scham ist immer wieder riesengroß und deswegen dachte ich ja auch, ich kann hier im Forum üben, das alles zuzugeben und lerne vieleicht dadruch auch, dass ich es irgendwann auch draußen kann.

Zitat von Moonlightwoman:
Man hat es geschafft, nicht mehr vor diesem unangenehmen Gefühl wegzulaufen, ist stehengeblieben und hat sich umgedreht, um damit zu beginnen sich anzuschauen, wovor man eigentlich wirklich wegläuft.
Es hat auch irgendwie etwas erlösendes. Es ist so unheimnlich anstrengend, immer etwas vor der Außenwelt verbergen zu müssen. Ständig muss man auf der Hut sein, nicht entdeckt bzw.nicht aufgedeckt zu werden.

Zitat von Moonlightwoman:
Gibt es heute andere Verhaltensweisen, die ähnliche Gefühle wie das Kaufen von Dingen hervorrufen (nicht so schädliche oder ebenfalls eben ebenfalls nicht gutttuende)?

Da kann ich noch nicht wirklich was entdecken. Dieses Glücksgefühl , was sich beim Kaufen oder danach kurzzeitig einstellt, das habe ich sehr selten in anderen Bereichen oder bei anderen Tätigkeiten empfunden.
Manchmal könnte es man mit dem Gefühl vergleichen, das sich bei mir einstellt, wenn vielleicht mal jemand, von dem ich es mir so sehr wünschen würde, mich anruft und nach mir fragt, sich vielleicht Sorgen macht und sich WIRKLICH für mich interessiert.
Wenn er mir das Gefühl vermittelt, dass ich ihm wichtig bin, weil er mich einfach mag. Wenn er mir womöglich erzählt, dass er mich vermisst etc. So ähnlich könnte der Vergleich sein.
Nach z.b. so einem Telefonat stellt sich ein ähnliches Glücksgefühl ein.

Zitat von paula39:
es ist teilweise wie ein zwang..aus dem haus zu gehen und was zu kaufen...dann kommt z.b. ein prospekt ins haus..in dem ein pulli abgebildet ist.....und denn finde ich dann toll.....und dann werde ich innerlich so unruhig...bis ich dann doch extra dort hinfahre....

Auch das kenne ich sehr gut, Paula. Selbst wenn ich die Prospekte vernünftigerweise doch in die Paoiertonne werfe, kam es auch schon vor, dass ich sie wieder herausgeholt habe und ständig geschwankt bin zwischen Vernunft, schlechtem Gewissen und dem Drang, dieses SCHÖNE und ja auch noch GÜNSTIGE Stück haben zu müssen.
Selbst wenn ich auch schon mal aus dem GEschäft gegangen bin, weil ich tapfer war, kam es auch schon oft vor, dass ich am nächsten Tag extra nochmal den Weg gefahren bin, um dann doch zu kaufen!

Ja, es ist ein DRANG, der einen innerlich so bedrängen kann, dass man ihm nicht mehr standhalten kann.Ich bin manchmal derart getrieben,dass es einfach nur unangenehm ist.
Es ist eine Unruhe, die éinen ständig umgibt. Ich verbringe so viel Zeit damit, hin- und her zu überlegen, mit aller Macht dem Drang standhalten zu wollen und am Ende vielleicht doch wieder zu scheitern.

01.11.2010 01:20 • #18


S
Zitat von Moonlightwoman:
wäre die Frage: Was kann das Verhalten der KaufSUCHT ersetzen?

Gute Frage, nächste Frage.

Ja, wenn ich das wüsste. Ich ahne, warum dieser Drang mich immer wieder überfällt. Und ich weiß auch, was ich sehr schmerzlich vermisse.

Ich bin eigentlich sehr auf mich alleine gestellt. Ich war schon immer irgendwie alleine, oder habe mich zumindest so gefühlt.
In meiner Kindheit/Jugendzeit war ich relativ alleine. Klar, es gab ab und an eine Freundin, aber ich merke, dass ich mich frühestens schon da nirgendwo zugehörig gefühlt habe. Ein Familienzusammenhalt gab es nicht. Ich kenne es nicht, dass einer für den anderen da ist. Höchstens so, dass ich für andere da war, soweit dies nötig war. Meine Mutter wurde zur Alk. und ich als erst 10-jähriges Mädchen fühlte mich verantwortlich. Zumindest so, dass ich versuchte, dass es nicht eskalierte.

Meinen Vater kenne ich nur wütend oder auf gewisse Weise grausam, was das Thema angeht. Also musste ich obwohl ich meinen Vater auch irgendwie verstand, meine Mutter vor ihm schützen, soweit es mir möglich war.

Heute weiß ich natürlich, dass es so wichtig gewesen wäre, wenn wir als Kinder eine Begleitung gehabt hätten.
Einen Menschen, der mal nach uns geschaut hätte, einen, der festgestellt hätte, dass es nicht gut ist, dass uns keiner geholfen hat und dass wir Beschützer für meine Mutter spielen mussten.
Aber wie auch? Das wichtigste war, dass es geheim gehalten wurde. Keiner der Außenstehenden durfte es merken (was auch ganz gut gelang). Wer es wusste, das war meine Oma, die bei uns im Haus lebte. Aber die verurteilte meine Mutter nur und kam auch nicht auf die Idee, dass wir Kinder damit völlig überfordert waren.

In meiner Jugendzeit war ich auch fast alleine. Ich hatte eine gute Freundin, wir beide waren nicht unbedingt in die damalige Clique eingebunden. Aber wir hatten ja uns, wenigstens zum Teil.

Später in meiner Ehe war ich auch alleine mit meinen Gedanken und mit den Erlebnissen, die ich ganz geheim hielt und niemandem davon erzählte.Wir hatten einen Bekanntenkreis, aber es war keine Freundin in dem Sinne dabei.

Und dann kam die Trennung und all das was dann auf mich zukam, mit was ich mich plötzlich zwangsläufig beschäftigt habe, habe ich alleine bewerkstelligt.
Habe ich mir Unterstützung gewünscht? Ja, irgendwie schon. Aber gleichzeitig wollte ich auch keinen belasten und ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass ich jemanden so sehr in Anspruch nehmen konnte.
In der Zeit kurz nach der Trennung bekam ich einige Anrufe. Viele wollten wissen, wie es mir jetzt damit geht, manche riefen an, weil sie es irgendwo gehört hatten, dass ich mich getrennt habe und wollten wissen warum.

Auf eine gewisse Art und Weise hat es gut getan, das gebe ich zu. Wenn Menschen Anteil nehmen, sich interessieren, dann fühlt es sich gut an. Das hielt natürlich nicht so lange an. Ist ja auch normal. Jetzt wussen es alle und es war nichts neues und interessantes mehr.Und wieder war ich alleine. Und habe mich so durchgekämpft. Ja, ich könnte stolz sein, dass ich alles irgendwie hinbekommen habe und das auch noch alleine!!!

Ja und manche boten mir auch Hilfe an! und was habe ich gemacht? Ich hab sie nie in Anspruch genommen!
Sie hielten es sehr allgemein: Wenn was ist, wenn Du Hilfe brauchst, dann kannst Du anrufen.

Wenn ich meine depressiven und traurigen Phasen hatte, da rief ich keinen an. Das mache ich heute noch nicht.
Ich kam mir als Belastung vor, ich hatte Angst, dass jemand mich für einen Jammerlappen hält. Und vor allen Dingen hatte ich Angst, dass es allen ganz schnell zu viel werden könnte.
Es gibt nicht viele Freundinnen. Abends z.b. sind die unabkömmlich. Entweder will der Mann nicht, dass sie abends noch weg gehen oder auch nur telefonieren oder sie möchten abends selbst ihre Ruhe haben.

Und weil ich das weiß, würde ich nie die Schwelle übertreten und anrufen, weil es mir schlecht geht.
Und wenn ich es tatsächlich mal ausnahmsweise tue, dann geht es mir so, dass ich mich, wenn der Hörer wieder aufgelegt wird, auch wieder alleine fühle.

Jetzt habe ich mich hier ganz in meinen Ausschweifungen verloren. Aber ich glaube, dass das Thema in großem Zusammenhang steht.

Vielleicht könnte ich es so formulieren, dass Zuwendung, Angenommensein und ein Dazugehörigkeitsgefühl zu den existentiellen Grundbedürfnissen der Seele zählen. Da fehlt mir also ganz schön viel.

Und wenn der Seele etwas fehlt, sozusagen kurz vor dem Verhungern ist,dann könnte es ja sein, dass man versucht, irgendwie einen Ersatz zu suchen, der einem wenigstens kurzfristig ein ähnliches Glücksgefühl bringen wird.Ein kurzes Sättigungsgefühl sozusagen.
Das würde auch erklären, dass dieses Kaufverhalten schon ganz früh in meinem Leben anfing, sozusagen, seit ich das erste eigene Geld verdiente.

10.11.2010 01:11 • #19


S
Zur Zeit ist Stillstand.

Ich muss mich ja erst langsam wieder hocharbeiten. Ich habe es jetzt zwei Wochen geschafft, kein Geld auszugeben, außer für Essen und Trinken und die notwendigen Fixkosten. Das geht auch nicht anders. Zu knapp ist das mir zur Verfügung stehende Geld und zu groß die Angst vor der Bank! Gott sei Dank habe ich diese Angst. Das hilft mir zumindest dabei, im Moment sehr realistisch und vernünftig zu denken.

Oberste Priorität war für mich jetzt erst mal, dass ich meiner Tochter das ausgeliehene Geld zurückzahle.
Das habe ich jetzt ganz knapp hinbekommen und deswegen gibt es im Moment auch keinerlei finanziellen Spielraum.
Ich kann nur hoffen, dass das restliche Geld wenigstens noch für Essen und Trinken bis zum Monatsende reicht.
Es gibt im Moment sehr billiges Essen bei mir, kein Fleisch (ist zu teuer), höchstens mal günstiges Hackfleisch.

Wenn ich mal so darüber nachdenke, in welcher finanziellen Spannung ich gerade lebe (und das habe ich ja auch schon oft genug erlebt), wo ich wirklich mit jedem Cent rechnete und echt Sorge hatte, dass wir noch mit einem Minirestgeld hinkommen, dann gibt es schon das BEdürfnis, diese Spannungen künftig nicht mehr erleben zu wollen.
Denn das lähmt, das steht morgens mit mir auf, beschäftigt mich den ganzen Tag und geht abends mit mir ins Bett.
In so einer Zeit zieht sich die Zeit bis Monatsende so sehr in die Länge, dass ich das Gefühl habe,der Monat hat mind. 50 Tage statt 30 Tage.

Und jedesmal nehme ich mir vor, dass ich in Zukunft vernünftig bin, denn diese Anspannung ist kaum auszuhalten.
Ich schaue täglich auf meinen Kontostand, weil ich Angst habe, es kommt noch eine Abbuchung dazu, an die ich nicht gedacht habe. Jeder Cent ist im Moment verplant.

Wenn das Telefon klingelt, habe ich Angst, es könnte doch die Bank sein, weil ich vielleicht in meinen Berechnungen doch was vergessen habe. Und leider ist erst der 10.10. Wäre doch der 30. schon da!

Wie es weitergeht? Keine Ahnung! Aus Erfahrung weiß ich, dass die Vernunft dann plötzlich nachlässt, wenn die finanziellen Schnüre wieder lockerer gespannt sind . Dann wird der Drang wieder größer, weil es dann ja wieder zu kleinen Teilen möglich ist.

So long erstmal!

10.11.2010 01:26 • #20


Magda
Zitat von Sonnenblume20:
Aus Erfahrung weiß ich, dass die Vernunft dann plötzlich nachlässt, wenn die finanziellen Schnüre wieder lockerer gespannt sind . Dann wird der Drang wieder größer, weil es dann ja wieder zu kleinen Teilen möglich ist.


Irgendwie erinnert mich das an den bekannten JoJo-Effekt nach einer Diät ...

Ich bin jetzt mutig und schreib was dazu, trotz Angst, mich in die Nesseln zu setzen, weil ich - glaub ich - eher die entgegengesetzte Krankheit habe: Verarmungswahn

Deswegen gleich: ich schreib das hier nicht, um Dir mit einem erhobenen Zeigefinger zu kommen. Ich weiß von meinen eigenen Süchten und Phobien, daß das null Sinn hat.

Ich möchte nur verdeutlichen, wie man das Thema Kaufen auch sehen kann.

Seit der Finanzkrise ist es mir irgendwie eklig, daß ich überhaupt kaufen muss - es sei denn beim kleinen Handwerker, wobei die, die ich kenne, finanziell auch irgendwo auf Hartz 4 Niveau rumkrebsen.

Am liebsten wäre ich kein Teil dieser Maschinerie, mit der derzeit Geld von unten nach oben gescheffelt wird. Wenn ich die Regaleinräumer im Supermarkt herumhetzen sehe, möchte ich rückwärts wieder raus - besonders, da man weiß, wie gut sie bezahlt werden. Und bei vielen Artikeln weiß man nicht, ob nicht Kinder die in der dritten Welt zusammengebaut haben.

Natürlich geht es nicht anders. Und natürlich ist es nur symbolisch, wenn ich Holunder pflücke und Saft koche (was wiederum Energie verbraucht ) und Brot selber backe (natürlich hab ich die Backmischung gekauft ). Aber es gibt mir vermutlich etwas Ähnliches wie Dir das Kaufen. Das Gefühl, einen, wenn auch nur sehr losen Bezug zur Natur zu haben, die mir ein Gefühl von Angenommensein vermittelt (zumindest will der Holunderstrauch keine Rendite optimieren ...)

Und natürlich gebe ich trotzdem zuviel Geld aus: wegen meiner Sucht, der Raucherei ...

Wenn Du damit jetzt nichts anfangen kannst, ist das ok - ich versuchs einfach mal, mich am Gespräch zu beteiligen - zumal das Thema Kaufen für mich auch eine große Bedeutung hat, wenn auch anders ...

Liebe Grüße

Magda

11.11.2010 10:41 • #21


S
Liebe Magda,

Du brauchst überhaupt keine Bedenken zu haben, Dich bei mir in die Nesseln zu setzen! Im Gegenteil, ich lese Deine Beiträge immer sehr gerne!

Spannend, dass Kaufen und Kaufverweigerung so dicht beieinander liegen.

Obwohl ich Deine Beweggründe der Kaufverweigerung mit großem Respekt betrachte, kann ich mir im Moment gar nicht vorstellen, so enthaltsam zu leben, denn noch brauche ich all die Konsumgüter, um irgendetwas in mir aufzufüllen.
Nahrung ist bei mir z.b. ein Stiefkind.
Ich würde z.b.auch gerne vorwiegend Bioprodukte kaufen, aber da ich ja trotzdem nicht so viel Geld für uns drei zur Verfügung habe, gebe ich es dann doch eher wieder für Konsumprodukte aus, denn ich würde es im Moment noch gar nicht schaffen, so enthaltsam zu leben zu Gunsten von Naturprodukten.

Ich finde es aber sehr gut, wenn man durch ein bestimmtes Verhalten oder auch durch bewussten Verzicht symbolisch einfach ein Zeichen setzt, wie Du es tust, indem Du Saft selber herstellst oder auch Brot selber zubereitest.

Mir ist sogar bewusst, dass ich durch meine Kaufsucht so manches Unheil unterstütze, was ich ansonsten mit einem anderen Bewusstsein und ohne diese Sucht wahrscheinlich auch gar nicht in dem Maß tun würde, aber im Moment kann ich einfach noch nicht anders.

Obwohl ich hier z.b. einen Katalog liegen habe, der nur Kleidung hergestellt aus Natruprodukten verkauft und vor allen Dingen wird die Kleidung ausschließlich in Europa hergestellt.Da kann man zumindest die Gewissheit haben, dass keine Kinderarbeit mit im Spiel ist.

Diese Kleidung ist natürlich auch sehr sehr teuer. Und weil ein Pulli (ich habe einen, der mir supergut gefallen würde, der kostet aber EUR 160,--) für den restlichen Winter mir ja wahrscheinlich nicht genügen wird, muss ich eben auf die günstigeren Produkte zurückgreifen, damit die Konsummenge auch befriedigt werden kann.
Wenn die Kaufsucht für mich kein Thema wäre, dann würde ich mir vielleicht wirklich diesen Pulli kaufen, um vielleicht auch ein Zeichen zu setzen, aber dafür sonst nichts, weil mein Budget ja auch sehr begrenzt ist.

11.11.2010 22:55 • #22


Magda
Liebe Sonnenblume,

es freut mich, daß Du unsere Unterschiede als spannend empfindest, und nicht der Meinung bist, daß ich in diesem Thread nichts zu suchen habe.

Aber zu dem Thema Verzicht möchte ich nochmal was sagen.
Mit symbolisch habe ich nicht gemeint, daß ich ein Zeichen setzen will. Sondern, daß ich das Gefühl brauche, wenigstens ein Stück weit unabhängig von der Konsummaschinerie zu sein - was natürlich völlige Illusion ist! Mein bischen Holunderkochen macht mich nicht wirklich unabhängiger. Um Verzicht handelt es sich also nicht, sondern vielmehr um die Erfüllung eines dringlichen Bedürfnisses! So gesehen bin ich genauso irrational in meinem Verhalten wie Du - meine Form von Irrationalität ist nur im Moment etwas praktischer (was diesen Aspekt angeht).

Und, es stecken meiner Meinung nach dieselben oder ähnliche Gefühle dahinter. Der Wunsch, angenommen zu sein. Der Wunsch, im Überfluß zu leben, Glücksempfindungen zu haben. Der Wunsch, angesichts problematischer (oder flüchtiger, nicht tragender) menschlicher Beziehungen, einen Ausgleich im Materiellen zu finden.

Und an diesen Wünschen finde ich auch nichts verkehrt. Auch nicht das Materielle - schließlich trägt uns alle diese höchst materielle Erde, und zumindest für mich ist die Verbindung mit Pflanzen und Tieren, Wald und Feld, Hügel und Fluß immer schon essentiell.
Und da bietet sich für mich persönlich Einkochen oder Brotbacken an, denn irgendwie passt das zu meiner emotionalen Vorstellung von Überfluss, Beschenkt-Werden und Gutem Leben (mehr Holunder, als ich pflücken kann, für kein Geld, ... und toll, wie groß so ein aufgehender Brotteig wird ...)

Bitte, halte das nicht wieder für etwas moralisch Besseres oder Respekt Verdienendes, denn darum geht es gar nicht.
Es ist einfach Glück, daß ich lebensgeschichtlich darauf verfallen bin anstatt auf Konsumgüter. Mir gehts hier mehr darum, das Gemeinsame herauszustellen, weil dann die Kaufsucht weniger erratisch und unverständlich erscheint.

Und es bringt mich auf etwas, was Moonlightwoman schon angesprochen hat: Wodurch ließe sich die Kaufsucht ersetzen? So gefragt, klingt das, denke ich, nur erschreckend - als solltest Du die Kaufsucht en block wegnehmen und hast dann keinen Ersatz.
Aber wie sieht es denn aus, wenn Du das Thema mehr auseinandernimmst? Also zum Beispiel, welche Gegenstände werden gekauft (ich entnehme Deinen Texten, daß es mehr Kleidung und Wohnungseinrichtung betrifft, Nahrung hingegen nicht)? Was genau, verschafft die Befriedigung? Wenn es neue, hübsche Klamotten sind (kann ich sehr gut verstehen!), wäre ein Tauschring eine Möglichkeit? Wäre Flohmarktbesuch eine Möglichkeit, oder müssen die Sachen fabrikneu sein? Oder sollen es viele verschiedene Dinge sein (gelegentlich komme ich aus einem Ein-Euro-Shop mit einer Tüte mit 30 Gegenständen für 30 Euro heim...)
Also das sind jetzt nur Beispiele, die mir einfallen. Ich weiß nicht, ob Dir solche Fragen etwas bringen - aber es wäre eine Möglichkeit, anzusetzen ...

Liebe Grüße

Magda

12.11.2010 10:14 • #23


S
Zitat von Magda:
Und es bringt mich auf etwas, was Moonlightwoman schon angesprochen hat: Wodurch ließe sich die Kaufsucht ersetzen? So gefragt, klingt das, denke ich, nur erschreckend - als solltest Du die Kaufsucht en block wegnehmen und hast dann keinen Ersatz.

Da muss ich mir natürlich auch die Frage stellen: Für was steht die Kaufsucht?
Im Vordergrund steht meiner Meinung nach die emotionale Unterversorgung. Da fängt das Problem aber schon an: Wie schaffe ich es, dass ich emotional versorgt bin? Wie schaffe ich es, dass mein emotionalen Bedürfnisse gestillt werden?

Ich müsste zu Menschen, die ich mag, hingehen und sie bitten, dass sie sich quasi um mich kümmern sollen.
Ich müsste sie bitten, für mich da zu sein. Ich müsste sie bitten, mir das Gefühl zu geben, dass ich ein wichtiger und wertvoller Mensch bin. Ich müsste sie bitten, dass sie mir zur Verfügung stehen, wenn es auch mal um körperliche Berührungen geht, z.b. mal irgendwo im Arm liegen und gehalten werden. Das heißt, sie müssten in Kauf nehmen, dass sie mir zur Verfügung stehen, wenn ich etwas brauche und gleichzeitig müssten sie in Kauf nehmen, dass ich sie, wenn es mir zuviel wird, auch wieder wegschicke. Sie müssten in Kauf nehmen, dass es erst mal nur um mich geht und sie mit ihren eigenen Bedürfnissen außen vor bleiben.

Das klingt jetzt natürlich unverschämt und ist es ja im Grunde genommen auch und genau aus diesem Grund könnte ich das auch nicht tun.
Außerdem stellt sich ja auch die Frage, ob sie das überhaupt wollen.

Ein No-Go wäre für mich aber auch, wenn sie merken würden, wie bedürftig ich bin. Wenn sie wüssten, dass ich sie brauche.
Bedürftigkeit zu zeigen ist für mich immens schwer.
Ich war ja einige Jahre in Gruppen aktiv und dort habe ich ein Stückweit meine Bedürfnisse stillen können.
Alleine schon dort unter Menschen zu sein, ich war ein Teil von ihnen (auch wenn ich das nicht immer spüren konnte, denn ich fühle mich oft auch einsam und verlassen inmitten von Menschen) und dort haben sich immer mal Möglichkeiten ergeben, dass man körperliche Berührungen, erfahren konnte, was mir auch immer gut getan hat.

Zitat von Magda:
Also zum Beispiel, welche Gegenstände werden gekauft (ich entnehme Deinen Texten, daß es mehr Kleidung und Wohnungseinrichtung betrifft, Nahrung hingegen nicht)?

Es betrifft vorwiegend Kleidung und Wohnungseinrichtung mit Accessoires. Nahrung ist bei mir ein Stiefkind.
Für meine Kinder kaufe ich schon ein, was sie möchten und auch brauchen. Aber für mich kaufe ich sehr einfach und billig ein, was Nahrung betrifft und in finanziell knapperen Zeiten würde ich bei mir eher an Nahrung sparen, als an etwas anderem.

Zitat von Magda:
Was genau, verschafft die Befriedigung?

Hhm, auf jeden Fall muss es schön sein. Mittlerweile merke ich auch, dass es etwas besonderes sein muss. Dabei geht es mir noch nicht mal um eine Marke (bei Markenkleidung entferne ich oft sogar die Modelabels ), auf jeden Fall finde ich es eher unangenehm, wenn man eine Marke erkennen kann, es geht eher um die besonders schöne vielleicht auch ausgefallene Form der Kleidung. Und wenn ich das anziehe, dann habe ich das Gefühl, etwas besonderes zu sein. Ich kann mich damit quasi schmücken und auch verschönern.
Ich bin auch kein Mensch, der sich wahllos Sachen kauft (z.b. die elfte weiße Bluse, obwohl ich schon 10 im Schrank habe), sondern ich schaue schon, ob mir vielleicht noch eine bestimmte Farbe fehlt, die ich noch nicht im Schrank habe, die aber besonders gut zu dem RockXY passen würde)

Die Befriedigung verschafft mir auch schon alleine eine volle Tüte. Wenn ich einkaufen gehe und mehrere Tüten habe, dann mache ich oft, wenn ich noch nicht gleich nach Hause gehe, irgendwo eine Pause, setze mich hin und schaue immer wieder in die Tüten rein, um festzustellen, wie schön die Sachen sind. Ich habe schon mal erwähnt, dass diese Sachen für mich wie Schätze sind und zuhause lege ich sie erstmal ausgebreitet irgendwo hin, um das Gefühl zu genießen, wieviel schönes ich da habe.

Manchmal mache ich einfach so meinen Schrank auf und schaue mir die Sachen (die ja meine Schätze sind) an. Und obwohl ich oftmals gar nichts fühlen kann, zieht aber doch irgendein Gefühl durch mich durch und ich kann erahnen, dass es ein schönes Gefühl ist.
Das verflüchtigt sich natürlich sofort wieder, sobald ich den Schrank zu mache.

Abe ich weiß, das ist NUR mir, das kann mir keiner wegnehmen. Damit könnte ich den Menschen dienen, das könnte ich den Menschen vorweisen.

20.11.2010 00:02 • #24


S
Zitat von Magda:
Wäre Flohmarktbesuch eine Möglichkeit, oder müssen die Sachen fabrikneu sein?

Also es muss nicht fabrikneu sein, es muss nur schön sein, etwas besonderes eben. Irgendwas ausgefallenes.
Ich bin sogar ein Mensch mit Mut, was Kleidung angeht. Mir macht es nichts aus, wenn die Farben auffällig sind, im Gegenteil.
Ich habe auch schon mal einen guten Second-Hand-Laden ausfindig gemacht, der hochwertige Sachen verkauft hat, natürlich zu günstigen Preisen, weil die Sachen ja gebraucht waren. Leider hat er wieder zu gemacht.

Ich habe z.b. keine Ansprüche bei Kosmetik (ich schmínke mich eh nicht viel) oder Duschgel oder so.
Da kaufe ich wirklich das billigste, Hauptsache es tut seinen Dienst.
Und ich mache auch gerne Schnäppchen. Wenn ein teures Kleidungsstück, was ich mir für den Preis doch nicht gekauft hätte, um die Hälfte oder sogar mehr reduziert ist, dann kann ich mich richtig freuen. Leider ist das aber auch keine Sparmaßnahme, denn so habe ich ja wieder Geld zur Verfügung, um mir noch mehr zu kaufen.Es gibt schon auch Preisgrenzen bei mir. Denn ich kaufe auch lieber günstiger, dafür mehr Artikel, als teuer und dafür nur einen Artikel.

Und das komische ist ja auch, dass ich trotz eines übervollen Kleiderschrankes dann doch immer wieder das Gefühl habe, dass ich nichts zum Anziehen habe, wenn es darum geht, sich für einen Anlass entsprechend was rauszusuchen.
Nach einer Zeit sind viele Sachen, die ich im Schrank habe, nicht mehr viel wert für mich und ich meine dann wieder, etwas neues zu brauchen.

20.11.2010 00:04 • #25


S
Zitat von Moonlightwoman:
Was ich nicht nur bei Dir, Sonnenblümchen gelesen habe, Ihr kündigt Eure Rücklagen auf. Yeap, kenne ich von meiner Ma. Nur, was ich mich seit 15 Jahre frage: eshalb schließt man irgendwelche Sparverträge, Lebensversicherungen usw. ab, wenn man doch eigentlich weiß, dass das nicht funktioniert

Dass man so etwas abschließt, das ist der vernünftige Teil in einem, zumindest bei mir.
Ich habe ja, auch durch die Kaufsucht und durch meine jetzige Situation als EU-Rentnerin bedingt, starke Existenz- und Verarmungsängste. Und ich weiß, dass es bei uns im Land nicht besser werden wird. Die Kosten steigen immer mehr und das, was man einnimmt, stagniert oder wird weniger.
Also habe ich in solchen vernünftigen Zeiten oder in Zeiten des Stillstandes solche Verträge abgeschlossen, sei es ein Bausparvertrag, eine Lebensversicherung, eine private zusätzliche Rentenversicherung.
Und genau genommen haben die Dinge mir ja auch dabei geholfen, dass ich noch nicht ganz in die Falle abgerutscht bin, sprich mit enormen Schulden und evt. Zahlungsunfähigkeit, mit Mahn- und Vollstreckungsbescheiden etc.

Ich habe mir auch immer wieder vorgenommen, nie an diese Rücklagen zu gehen. Und musste es dann doch tun, denn ich kam ja immer wieder auch an untere Grenzen und mit den gekündigten Sparverträgen konnte ich mich auch immer wieder retten. Denn die Euros, die ja jeden Monat automatisch von meinem Konto auf die Verträge gebucht wurden, hatte ich ja nicht mehr und ich konnte sie in dem Moment auch nicht mehr ausgeben.

Und immer, wenn ich wieder einen Sparvertrag auflösen musste, nahm ich mir immer ganz fest vor, dass das der letzte ist, an den ich gehe. Ja und beim guten Vorsatz blieb es dann....

Jetzt habe ich aber keine Rücklagen mehr, obwohl ich wenigstens wieder einen Sparvertrag habe und auch wieder eine neue private Rentenversicherung. Aber da ist noch nicht viel drauf und ich weiß sehr genau, dass ich jetzt auf nichts mehr zurückgreifen kann. Wenn es wieder eskalieren würde, dann würde ich feststecken und ich müsste der Bank reinen Wein einschenken, die mich ja dann auch in die Mangel nehmen würden.

Zitat von Moonlightwoman:
Meine Mutter musste ich wegen der finaziellen Lage (Insolvenz usw. lehnt sie natürlich auch strickt ab) zweimal in Folge die Miete bezahlen, zusätzlich natürlich die Mietsicherheit. SIE bestand auf einen Vertrag zwischen ihr und mir, in dem sie fgestlegte, sie zahle jeden Monat 50 Euronen zurück. Mir war allerdings klar, dass dem trotzdem nicht so sein wird. Zweimal bekam ich 50 Euro

Das ist natürlich wirklich ein starkes Stück und ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich so etwas getan hätte.
Mir war es schon wie ein Gang nach Kanossa, als ich meine Kinder bitten musste, mir kleine Beträge auszuleihen. Deswegen war es für mich auch erste Priorität, es ihnen auch wieder zurückzuzahlen. Da hätte ich lieber die Bank hintenan gestellt.
Es wäre ein No-Go für mich, wenn mich meine Kinder mal irgendwann finanzieren müssten, weil ich wegen meiner Kaufsucht gar nichts mehr hätte.

Schade, dass Deine Mutter dieses Bewusstsein nicht hat.Hat die Sucht vielleicht bei ihr schon so überhand genommen, dass sie sogar sozusagen den letzten Respekt verloren hat?

20.11.2010 01:31 • #26


S
Zitat von Moonlightwoman:
Gab es denn vor Deinem sehr selbstreflektierendem Hintergrund einen Moment oder eine Zeit, der/die, letzteres wenn überhaupt wohl eher, wo Du heute rückblickend sagen kannst, da in etwa war der Punkt, wo es in die Kaufsucht gekippt ist?

Das kann ich gar nicht unbedingt sagen, weil es erstens einmal schleichend war und ich zweitens jahrelang gar kein Bewusstsein hatte, dass es Kaufsucht sein könnte. Ich kenne diesen Begriff auch noch gar nicht so lange und als ich anfing, darüber nachzudenken, da habe ich mir noch vieles schön geredet. Ähnlich einem Alk., der immer wieder bestätigt, dass er jeder Zeit aufhören kann.
Selbst in diesem Jahr, wo ich das erste Mal googelte, ob ich zu den Kaufsüchtigen gehöre, habe ich noch öfter gedacht, dass ich ja nicht dazugehöre. Immer wieder las ich von diesen Kaufanfällen, wo Menschen quasi wirklich unnützes gekauft haben, was sie nie benutzen und wo sie kistenweise noch nicht ausgepackte Ware bei sich horten.
Wo Menschen beispielsweise 100 Paar Schuhe zuhause haben, die meisten noch mit Preisschild und ungetragen im Schrank.

Bei mir ist das ja schon anders. Ich benutze die Sachen auch, eben nur nicht immer, wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin, um nicht zu doll aufzufallen.

Zitat von Moonlightwoman:
Bei meiner Mutter hat ihr ihre Mutter das mit dem Bestellen leider vorgelebt. Eigentlich kein Geld, doch hatte meine verstorbene Oma zu jedem Kostüm das passende paar Schuhe, auch wenn sie nichts davon trug.

Auch wenn es früher keiner diagostiziert hatte, weil meine Mutter auch nicht darüber redete, hat es mir meine Mutter quasi vorgelebt. Sie war, aus heutiger Sicht, auch kaufsüchtig. Ich bekam als Kind/Jugendliche schon mit, dass sie immer viel kaufte und vor allem bekam ich es auch deswegen mit, weil meine Eltern immer lauthals über den Kontostand stritten.
Mein Vater war immer wütend, weil das Konto immer mehr überzogen war und es gab mal eine Zeit, wo mein Vater ihr die Scheckkarte abnahm und das Konto für sie sperren lies. Sie bekam dann Haushaltsgeld und musste damit auskommen.
Irgendwann wurde das dann wieder aufgehoben und es kam alles wieder.

Meine Mutter kauft heute auch noch mehr, als vielleicht andere Frauen. Aber nicht mehr so, dass das Konto am Anschlag wäre, außerdem haben meine Eltern heute auch viel mehr Geld als früher. Meine Mutter gibt aber auch horrente Summen für Lebensmittel aus. Immer das beste Fleisch, den Fisch und Salate aus Feinkostläden etc.

Sie sagte mal zu mir, wenn sie schon so lieblos mit meinem Vater zusammen leben musste, so musste sie sich eben immer wieder auch mal eine Freude machen.

Zitat von Moonlightwoman:
Tablettensucht ist ab und an allgemein Thema, aber Kaufsucht? Wie selten hört man davon.

Ich kenne außer mir und meiner Mutter auch keinen, der unter Kaufsucht leidet. Zumindest nicht offiziell. Da ich es ja auch versuche zu verheimlichen und außer mit meiner Mutter und mit Euch noch mit keinem meines persönlichen Umfeldes gesprochen habe, gehe ich aber auch mal davon aus, dass es ja doch noch den ein- oder anderen geben könnte, der es eben auch so gut versteckt.

Die gesellschaftliche Anerkennung fehlt bei der Kaufsucht wahrscheinlich vollständig. Es ist ja auch eine Sucht, die man einem erstens nicht anmerkt und zweitens kann man ja damit auch nicht nur sich selbst, sondern auch die komplette Familie (Mann und Kinder, wenn vorhanden) ruinieren.Und da spätestens hört das Verständnis der anderen auf.

Wie kann es auch sein, dass ein erwachsener Mensch, der vielleicht auch noch hochintelligent ist, mit Geld nicht vernünftig haushalten kann? Man muss doch auch an die Kinder denken. Sie bekommen somit etwas vorenthalten, denn das, was ihnen zugute kommen könnte, wird ja in so viel unnützes Zeug investiert.

20.11.2010 01:33 • #27


S
Meine Tochter benötigt eine neue Brille. Ihre Sehstärke hat sich zwar nicht geändert, aber das Modell gleicht eher einem Kindermodell und jetzt, wo sie auch den Führerschein bestanden hat und die Brille immer im Auto braucht, habe ich ihr vorgeschlagen, dass sie eine neue haben kann. Urspünglich wollte ich sie an zweite Stelle setzen, denn ich brauche schon seit Monaten eine neue Lesebrille. Aber ich habe jetzt beschlossen, dass ich noch warten kann (ich habe mir eine Billigbrille aus dem Supermarkt zugelegt, das geht auch mal eine Zeitlang) und sie erst mal dran ist.
Das ist auch mit ein Ausgleich meines schlechten Gewissens.

Moon, Du hattest glaube ich auch mal gefragt, ob es denn tatsächlich noch keiner aus meinem persönlichen Umfeld gemerkt hat?
Außer meiner Mutter weiß es zumindest niemand. Ob es jemand ahnt, das kann ich nicht sagen, ich wurde noch nicht darauf angesprochen. Ich habe ja auch so einige Tricks auf Lager, dass es heimlich bleiben kann.
Erstens einmal habe ich im Gegensatz zu früher recht selten viel persönlichen Kontakt mit Bekannten oder Freunden.

Wenn man sich mal 8 Wochen nicht gesehen hat und ein neues Kleidungsstück anhat, dann fällt das ja auch nicht so auf.
Zumal sie ja nicht viel von mir sehen, weil sie mich nicht oft sehen, würde es auch keiner merken, dass ich Ständig was neues anhabe.
Ích schaue aber auch darauf, dass ich beim nächsten Treffen evt.etwas anziehe, was sie schon kennen, um nicht Gefahr zu laufen, dass es doch mal auffällt.

Ich rede oft davon, dass meine Mutter mich finanziell unterstützt (was sie ja auch immer mal wieder getan hat, jettzt aber nicht mehr) und erkläre immer allen, wenn sie doch mal bemerken, dass ich etwas schönes anhabe, das vielleicht nicht danach aussieht, als hätte es nur EUR 5,-- gekostet, dass mich eben meine Mutter unterstützt und ich so auch mal die Möglichkeit habe, mir etwas zu gönnen, was ja sonst bei meinem niederigen Einkommen und als alleinerziehende Mutter nicht möglich wäre.

Es ist mir aber immer unangenehm, wenn Leute bemerken, dass ich immer so toll und geschmackvoll gekleidet bin. Die Kleidung wäre von Kopf bis Fuß farblich aufeinander abgestimmt. Sogar die Schuhe würde oft farblich passen und natürlich auch der Schal zur passenden Jacke. Das ist mir immer sehr unangenehm, denn ich habe immer Angst vor den Fragen, woher ich denn das ganze Geld habe. Denn blöd werden sie auch nicht sein und können ahnen´, dass es viel Geld kostet, wenn man so viel farblich unterschiedliche Schuhe, Schals und Jacken hat.

Es gibt eine Freundin, die immer fragt, wenn sie bemerkt, dass ich etwas schönes anhabe: Oh, das ist schön, ist das neu?

Da sage ich ganz oft, Nein, ist schon vom letzen Jahr, Du hast mich nur noch nicht damit gesehen. Meist betone ich noch dazu, dass es sehr günstig war (weil sehr reduzierter Preis). Manchmal bin ich sogar richtig ärgerlich, wenn sie mich das fragt. Ich komme mir kontrolliert vor und habe eben Angst, immer mehr entdeckt zu werden.
Mittlerweile habe ich mir eine Lüge einfallen lassen und habe gesagt, dass ich eine Frau kennen gelernt habe, die an Gewicht zugelegt hat und jetzt nach und nach ihre zu klein gewordenen Sachen privat an mich second hand verkauft.
Es würde eben wie die Faust auf´s Auge zu mir passen.
Auf die Frage hin, warum das denn alles noch so neu aussieht, habe ich geantwortet, dass die Frau viel Geld hat und sich extrem viel kauft und gar keine Zeit und Gelegenheit hat, das alles aufzutragen.

Das sind die Punkte, wo ich mich am meisten schäme. Dass ich zur Notlüge greife aus Angst, entdeckt zu werden.

Ich habe ja meiner Mutter seit ca. 6 Wochen hoch und heilig versprechen müssen, jetzt nichts mehr zu kaufen, wirklich nur noch das, was gebraucht wird.
Daran habe ich mich natürlich nicht gehalten, obwohl ich es gerade stark reduziert habe (musste).
Heute hatte ich aber einen Pulli an, den ich im September gekauft habe. Ich telefonierte mit ihr und sie sagte, sie käme in 10 min. mal bei mir vorbei.

Als sie auflegte, schaute ich zufällig an mir runter und sah, dass ich ja den neuen Pulli anhatte.
Ich zog mich schnell um und zog etwas an, das sie meiner Meinung nach schon kennt.
Ich hätte ja sonst bekennen müssen, dass ich mein Versprechen nicht gehalten habe.Denn meine Mutter schaut sich mittlerweile bei mir immer genau um. Sie schaut mich immer von Kopf bis Fuß an, sie schaut an die Garderobe, ob sie eine neue Jacke entdeckt und sie betrachtet die Schuhe im Flur, ob sie neue entdeckt. Naja, ich habe schon ein bisschen mehr Schuhe wie andere und die passen nicht alle in den Flur. Meine Kinder haben ja auch Schuhe und so sind die meisten von mir im Keller und oben stehen nur die, die alle schon kennen.

Und sie schaut sich in der Wohnung genau um, ob sie neue Deko oder sonstiges entdekcen kann.

Ja, so long erstmal.

Ich möchte Euch gerne nochmal sagen, dass mir Eure Beiträge und Fragen sehr dabei helfen, mich noch intensiver und genauer mit dem Thema zu beschäftigen.

20.11.2010 01:33 • #28


Magda
Zitat von Sonnenblume20:
Also es muss nicht fabrikneu sein, es muss nur schön sein, etwas besonderes eben. Irgendwas ausgefallenes.
Ich bin sogar ein Mensch mit Mut, was Kleidung angeht. Mir macht es nichts aus, wenn die Farben auffällig sind, im Gegenteil.

Also, da haben wir entschieden etwas gemeinsam .
Diesen Herbst habe ich einem Paar türkisfarbener Stiefeletten und einem brombeerfarbenen Pulli nicht widerstehen können - allerdings abgetrotzt meinem schlechten Gewissen, das mir sagt, daß ich am Verarmen bin, und daß meine vorhandenen Pullis wärmetechnisch bis an mein Lebensende reichen dürften. Diese Gegenkräfte sorgen dann dafür, daß es bei wenigen Spontankäufen bleibt. Wenn es bei Dir anders ist, muß da noch mehr dahinterstecken als die Freude an schönen Farben ...

Oft ziehe ich allerdings auch nur Jeans und irgendein Shirt an, weil ich gerade auf andere Dinge und nicht auf mein Aussehen konzentriert bin. Wenn mich dann jemand plötzlich fragen würde, was ich anhabe, könnte ich es nicht sagen ...
Zu dem Zweck habe ich einiges in Schwarz und Dunkelblau, damit es keine Farbunfälle gibt.

Hast Du auch solche Grundfarben und unauffälligen Kleidungsstücke, oder ziehst Du Dich immer besonders an?
Du schreibst, daß Du schon darauf achtest, daß z.B. Deine Mutter oder eine Freundin Dich nicht dauernd in neuen Sachen sieht - was passiert, wenn Du so etwas mal absichtlich machst? Ich meine, Dir ein paar unauffällige und/oder ältere Sachen vorne in den Schrank hängst und eine Woche oder so nur das anziehst - fühlst Du Dich dann unwohl?


Zitat von Sonnenblume20:
Abe ich weiß, das ist NUR mir, das kann mir keiner wegnehmen.

Das geht mir mit meinen Schätzen auch so. Allerdings neige ich dazu, sie dann auch zu behalten und nie mehr was wegzuwerfen , bis ich nach 10 Jahren etwas wiederentdecke und neu kombiniere. Anstatt neu einzukaufen ...

Zitat von Sonnenblume20:
Damit könnte ich den Menschen dienen, das könnte ich den Menschen vorweisen.

Das ist wiederum mir nicht verständlich - wo Du doch im Gegenteil sogar die Menschen belügst, also das mit dem Vorweisen gar nicht funktioniert ...

Überhaupt ist mir nicht klar, welche Rolle das Kaufen dabei eigentlich spielt. Den Überfluß, und das Gefühl, über Schätze zu verfügen, brauche ich auch. Aber richtig genußvoll ist das für mich nur, wenn es nicht mit Kaufen verbunden ist - sei es, daß ich etwas in der Natur finde (geht auch mit Deko sehr gut), etwas selber mache (auch z.B. Deko, oder Malen: also, ich erzähle dann jedem stolz, daß ich etwas Besonderes bin , weil bei mir nur Originale an der Wand hängen - übrigens durchaus auch abstrakte Bilder, nur aus schönen Farbflächen)
Oder, ich genieße es, wenn ich etwas geschenkt bekomme. Natürlich kein Lockvogelangebot oder so ...Ein Beispiel: letztens hat der Kindergarten in einem Nachbarort gerade alles für den Sperrmüll rausgestellt - eine Freundin und ich kamen zufällig dazu, und mit der Erlaubnis des Kindergartens haben wir dann gleich ungefähr die Hälfte auf die andere Straßenseite geräumt. Während meine Freundin ihr Auto holte, sass ich auf dem ganzen Berg und fühlte mich wie Krösus

Was ich damit sagen will: das meiste, was Du schreibst, was Du so seelisch brauchst, kann ich durchaus nachvollziehen. Aber irgendwo ist da noch eine Lücke für mich: nämlich, wieso dazu gerade - übermäßiges - Kaufen notwendig ist ...

Liebe Grüße

Magda

20.11.2010 11:02 • #29


A


Hallo Sonnenblume20,

x 4#30


S
Ich habe ja ganz schön lange hier nicht mehr geschrieben.

Zitat von Magda:
Wenn es bei Dir anders ist, muß da noch mehr dahinterstecken als die Freude an schönen Farben ...

Es steckt tatsächlich noch etwas anderes dahinter. Schöne Farben sind meist auffällig. Und man sticht eher unter anderen Menschen hervor, die doch oft neutral gekleidet sind.
Ich habe das Gefühl, dass es bei mir eine Sehnsucht gibt, etwas besonderes zu sein. Und da ich mich nicht so fühle und mir auch nicht vorstellen kann, dass andere mich so sehen könnten, ist zumindest das Tragen von farbenfroher, außergewöhnlicher Kleidung ein Versuch, auf zu fallen bzw. sich von anderen hervorzuheben.

Ich hatte am Freitag mein 2. Probegespräch bei meiner neuen Therapeutin und wir sprachen über die Kaufsucht und unsere Familienkonstellation. Sie stellte fest, dass ich wohl das Aschenputtel bin. Diejenige, die spült, Tisch deckt und meine Mutter unterstützt, dass sie nicht so viel Arbeit hat. Im Gegenzug dazu weist meine Mutter meiner Schwester keine solcher Aufgaben zu. Wenn wir uns treffen, darf sie sich entspannen. Es wird alles so bereitet, dass sie sich wohlfühlen kann.
Es wird z.b. ihr Lieblingsessen gekocht und was wohl ausschlaggebend ist, sie bekommt die volle Aufmerksamkeit meiner Mutter. Alle Gespräch drehen sich nur um sie. Meine Mutter ist stets bemüht, nichts aufkommen zu lassen, was meine Schwester ärgern könnte.

Zitat von Magda:
Hast Du auch solche Grundfarben und unauffälligen Kleidungsstücke, oder ziehst Du Dich immer besonders an?

Ich habe auch unauffällige Kleidungsstücke. Ich mag z.b. auch gerne die Farben Dunkelblau und Grau.
Wenn ich aber so etwas anhabe, dann trage ich, zumindest wenn ich raus gehe, doch irgendeinen farbigen Schal dazu, der so eine Art Blickfang darstellt.

Zitat von Magda:
Was ich damit sagen will: das meiste, was Du schreibst, was Du so seelisch brauchst, kann ich durchaus nachvollziehen. Aber irgendwo ist da noch eine Lücke für mich: nämlich, wieso dazu gerade - übermäßiges - Kaufen notwendig ist ...

Das habe ich auch noch nicht rausgefunden, es muss wohl irgendetwas tieferes geben.

Der neuste Stand der Dinge ist: Ich habe von meinem Psychiater eine Einweisung in eine Klinik bekommen.
Da ich nicht aufhören konnte zu kaufen und ich jetzt wirklich am untersten Limit angekommen bin, muss einfach jetzt etwas passieren. Ich habe mich nicht im Griff, mittlerweile sind die Ratenzahlungen mehr geworden.
Ich könnte mich noch retten und das alles noch bewältigen, wenn ich JETZT aufhören kann. Ist das aber nicht der Fall, dann werde ich immer mehr in die Schuldenfalle geraten. Und das will ich auf keinen Fall!

Morgen habe ich ein Aufnahmegespräch in einer Klinik und ich hoffe, dass diese mir zusagt und vor allen Dingen, dass sie bald einen Platz haben.

Ich bin trotz der Ängste und Scham aber doch erleichtert, dass ich mich dieser Sucht jetzt stellen kann.

Vielleicht werde ich dieses TB weiterführen, wenn ich in der Klinik bin, als Dokumentation sozusagen.

Aber spätestens, wenn ich aus der Klinik wieder entlassen bin, werde ich hier weiter schreiben.

23.01.2011 15:00 • #30

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