Das bezweifele ich auch nicht. Ich sehe aber Verwerfungen.
1. Die geringe Anzahl von Frauen in DAX-Vorständen halte ich nicht für das entscheidende Problem, sondern eben eher das Fehlen von Frauen in führenden Positionen in der Breite. Die bereinigte Gender-Pay-Gap bspw betrifft ja weniger die Frauen in der Breite, weil dort in der Regel nach Tarifvertrag bezahlt wird. Die Art der Diskussion um die unbereinigte Gender-Pay-Gap weist darauf hin, dass wir sowohl ein massives Problem mit der Wertigkeit von bezahlter Care-Arbeit haben, aber eben auch ein großes Akzeptanzproblem von Care-Arbeit in der Familie:
2. Es erfolgt nämlich in meinen Augen eine immer weiter voranschreitende gesellschaftliche Abwertung von Care-Arbeit in der Familie und eine immer größere Fokussierung auf Erwerbsarbeit als einzig zufriedenmachende Komponente im Leben.
Die Aufwertung von Care-Arbeit in der Familie sowohl finanziell (Rente, Sozialvesicherung, Absicherung bei Trennung, Vergünstigungen, bedingungsloses Grundeinkommen*) als auch des Ansehens würde eine echte Wahlfreiheit mit sich bringen, ob Frauen oder Männer Care-Arbeit machen wollen oder eher einer Erwerbsarbeit nachgehen möchten.
*) das sollen nur Beispiele sein, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden könnten, ohne dass ich sie als Allheilmittel ansehen will. Interessant ist aber natürlich immer, was NICHT diskutiert wird. Und da fällt mir eben auf, dass wir ausschließlich darüber reden, wie wir es schaffen, dass ALLE erwerbstätig sind.
Wir sind aber mE auch verpflichtet, darüber zu reden, dass namhafte Wissenschaftler*innen und die Profis in den Kitas, die Art und Weise, wie wir unsere Kinder in Krippe und Kindergarten betreuen lassen, in vielen Fällen problematisch finden. Das kann man, wie ich finde, nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, nur weil wir alle erwerbstätig sein wollen müssen. Dieses Problem müssen Frauen und Männer zusammen lösen und die Verantwortung dafür übernehmen.
Warum wird nicht darüber geredet, dass vor 50 Jahren das Einkommen einer einzigen Person in einem vierköpfigen Haushalt ausgereicht hat, um ein durchschnittliches Leben zu führen? Das geht heute nicht mehr. Stichwort 72% Kaufkraftverlust seit 1970 (Entschuldigung, wenn ich mich wiederhole).