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Ein guter Bekannter namens Hilflosigkeit

M
Ach ich habe hier schon einige tolle Beiträge zum Thema : Angehörige von depressiven Menschen gelesen.
Und mitunter las es sich, wie ein Abbild meiner Gefühle.
Hier daher einmal meine Sichtweise, die vielleicht unkorrekt und falsch sein mag, aber wenn ich abgeklärter wäre, würde ich hier wohl Antworten geben, statt Fragen zu stellen.
Denn neben dem rationalen Umgang mit meiner Beziehung und der Erkrankung meiner Partnerin ist es eben auch die Irrationalität meiner Gefühlswelt, die zeigt, wie wichtig mir diese Frau ist.

Wir haben uns vor ca. einem Jahr auf einem Internet - Portal kennengelernt.
Sie Anfang 40 . aus einer Beziehung kommend, die eher toxisch war. Alleinerziehend mit 3 Kindern.
In vielen Gesprächen hatten wir schon herausgestellt , das Ihre depressiven Denkweisen schon zu Zeiten des damaligen Partners bestanden, und dieser durch seine narzistische Art das ganze wohl noch verschlimmert haben mag.

Ich . über 50 mit einer geschiedenen Ehe . und erwachsenen Kindern. Ein Mann, der sich vom alleinerziehenden Papa wieder zum lebensbejahenden Mann entwickelt hat. Viele gescheiterte Beziehungsversuche, die meine Vorbehalte, sich fest zu binden, immer weiter vergrößerten.

Wir haben also 13 Jahre Altersunterschied, Sie eine diagnostizierte Depression, und uns Hals über Kopf verliebt.

In der Zeit, in der wir nächtelang unsere Lebensgeschichten preis gaben, und auch das eine oder andere Glas Wein im Spiel war, enthemmte uns das, auch die wirklich finsteren Kapitel unseres Lebens preiszugeben.
Ich erzählte vom Selbstmordversuch meiner Ex-Frau, den vielen Aufenthalten meiner Tochter in der Kinderpsychatrie nach der Scheidung und sie von Missbräuchen in ihrer Kindheit und dem problematischen Verhältnis zu ihrer Familie.
Aber wie man so schön sagt, die Dosis macht das Gift.
Ab einem gewissen Punkt wurden die Gespräche dann im Ton aggressiver.
Ich wurde beschimpft, gedemütigt und verhöhnt . wie alt, eingefahren und kaputt ich doch sei . und mein einziger Gedanke war, das ich diese Frau nicht nur mit ihren guten Eigenschaften zu lieben hatte, sondern ich diese Situationen auszuhalten habe.
Meine Maxime war . mich nicht dazu hinreißen zu lassen, ähnlich zu argumentieren, sondern respektvoll zu bleiben, was mir definitiv auch größtenteils gelungen war.
Es gab die guten Abende, in denen wir uns unsere Zeit der Achtsamkeit gönnten, die Nähe zueinander genossen, und ein tiefes Liebesempfinden spürten. Unser S. war außergewöhnlich, und ihre Kinderfreien Wochenenden nutzen wir, um die Koffer in mein altes Cabrio zu werfen, und den Weg zum Ziel zu machen.
Neben mir auf dem Beifahrersitz saß eine Frau, die den Wind und die Sonne genoß, und mir eine Liebe zeigte, die ich so noch nicht zuvor empfunden hatte.
Und auf dem Fahrersitz saß ein Mann, der es vermochte, Ihr die Auszeiten von Ihren Kindern mit Leben und glücklichen Momenten zu füllen.
Nüchtern betrachtet, gaben wir wir uns genau das, was wir in dieser Phase brauchten.

Doch es gab eben auch die dunklen Momente.
Meist, wenn Alk. im Spiel war, hatte ich diese Launen und Demütigungen zu erdulden, weil ich ja schließlich als Partner einer depressiven Frau eben auch Verständnis dafür zeigen muss, wenn es Ihr nicht gut geht.
Irgendwann kam aber auch ich an meine mentalen Grenzen, und mein letzter Rest an Selbstwertgefühl ließ mich meine Sachen packen, und ins Auto verschwinden. Meist unter noch heftigeren Beschimpfungen, und den größten Anstrengungen meinerseits , meiner Wut keine Luft zu machen.
Das tat ich dann später im Auto, drehte die Musik laut auf, fuhr nach Hause und liess die Nacht verstreichen.
Am nächsten Morgen war dann wie sonst auch . alles vergessen, und sie erinnerte sich nicht einmal mehr daran, was sie mir nachts zuvor an den Kopf geworfen hatte.
Unser S. kam vollends zum erliegen, denn ich ekelte mich vor Ihr, wenn ich den Geruch von Weißwein an ihr ausmachte. Das war der Scheitelpunkt unserer Beziehung.

An diesem Scheitelpunkt angekommen, beschlossen wir, das es zwei Wege gab.
Der eine würde bedeuten, unsere Beziehung mittelfristig an die Wand zu fahren, oder uns den Alk. zu verbieten, wenn wir eine Zukunft miteinander gestalten wollten.
Und wir waren uns darüber einig, ihre Therapie zu dieser Krankheit wieder aufzunehmen, und die Finger vom Alk. zu lassen.

Was folgte war eine sehr gute Phase, die dann darin mündete, das Ihre psych. Reha im November für 7 Wochen startete.
Und ich sah mich in der Rolle des Menschen, der sich um alle alltäglichen Dinge kümmerte, während Sie sich in der Reha befand.
Aber diese Reha entwickelte sich nicht, wie ich vermutet hatte.

Seit 2 Tagen ist sin nun wieder da, und ich bin komplett hilflos.
Oberflächlich versuche ich Sie zu entlasten, für Sie da zu sein, und ihr Halt zu geben,
Lächle, und nehme mich selbst komplett zurück, versuche, ihr klar zu machen, das Sie erst einmal wieder ankommen muss.
Das ist alles, was ich tun kann .

Nur merke ich in jedem Moment,
wie sehr Sie sich Ihr Zimmer in der Reha zurück wünscht.
den Kontakt zu den Menschen sucht, die sie dort um sich gehabt hat.
mir ihre Verliebtheit zu einer anderen Frau aus der Reha gestanden hat.
Ich sitze neben einer traurigen Frau, die beginnt, zu lächeln, wenn sie von Ihrer Reha erzählt, oder mit Leuten aus der Reha in Kontakt kommt.
Innerhalb dieser Gruppe von Leuten, die ich in der Reha kennengelernt habe, weil ich zu Besuch war, ist aber irgendwie in jeder Sekunde zu spüren, das ich eigentlich ein Fremdkörper bin, und daher dieses Gefüge eigentlich mehr störe.
Es fühlt sich an, als würde ich mit einer Frau zusammenleben, die glückliche Momente hat, wenn sie im Kopf wieder in ihrem kleinen Reha - Zimmer sitzt, und das Leben, das nun wieder mit mir beginnen soll eine permanente Qual ist.

Sie lebt in einer Welt, in der ich Ihr nicht folgen kann.
Und das macht mich momentan wahnsinnig hilflos.

Danke für`s lesen, und das ich mich mal mitteilen durfte.

17.12.2021 18:57 • x 5 #1


Jana7
Hallo,
ich fand Deinen Beitrag sehr interessant und irgendwie spannend.
Du hast Dich um objektive Darstellung bemüht, denke ich.

Du fragst nicht um Rat...

Trotzdem schreibe ich mal, was mir so durch den Kopf ging.

Ihr Verhalten unter Alk. hat mich doch schon geschockt.
Ich frage mich, ob ihr darüber reden konntet... Ob es ihr Leid tut...
Ansonsten bleibt das eine offene Wunde/Rechnung.

Die Abmachung, künftig auf Alk. zu verzichten, ist sinnvoll und ratsam.

Und nun der Reha-Aufenthalt.
Sie hat sich in eine Frau verliebt und fand auch andere Freunde.

Irgendwie kann es schwierig sein, im normalen Alltag Kontakte zu knüpfen - geschweige denn
Freunde zu finden. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass eine Reha hier hilfreich sein kann.
Sie werden sich alle seelisch geöffnet haben - was im Alltag kaum jemand tut.

Du hast Dich vorbildlich verhalten. Ob man das lange durchhalten kann?
Vllt. hat ihr erst Deine Unterstützung die Möglichkeit gegeben, diese Reha zu machen.

Könntest Du Dir eine platonische Freundschaft mit ihr vorstellen?
Mir ist nicht klar, ob ihr zusammengezogen seid und eine Trennung aufwendiger wäre...

Für mich wäre diese Beziehung schon beim ersten Alk. mit Beschimpfungen definitiv vorbei gewesen.
Irgendwie läßt sich verloren gegangener Respekt meist nicht wieder herstellen...

Finde heraus, ob Dir der Kontakt gut tut. Ich denke, sie braucht Dich nicht. Sie gerät in keine Notlage.

Was willst Du von Deinem Leben? Ich bin mir ganz sicher, es warten noch viele unproblematischere Beziehungen auf Dich.

18.12.2021 14:51 • x 1 #2


A


Hallo Mino,

Ein guter Bekannter namens Hilflosigkeit

x 3#3


M
Hallo Jana,
erst mal vielen lieben Dank für die Zeilen.
Schön mal, ein anderen Standpunkt zu lesen.
Auch, wenn der Plan war, mir mal den Mist von der Seele zu schreiben

Mein Leben mit dieser Frau vor der Reha war iregndwie einfacher.
Klar, sie hat mich beschimpft und verletzt, aber letztendes waren wir uns immer unserer Liebe bewusst gewaorden, und haben danach klaren Tisch gemacht.
Ihre Gefühlsausbrüche waren ja nicht nur im negativen verstärkt, sondern auch im positiven, weswegen sie an guten Tagen die liebevollste Frau ist, die Du dir vorstellen kannst.

Jetzt ….nach der Reha sieht das anders aus.
SIe ist ein Schatten ihrer selbst.
Klar, da ist dieses Reha - Loch, in das Du erstmal fällst.
Aber ich habe einfach nicht mehr das Gefühl, ihre Vertrauensperson zu sein.
Körperliche Nähe meinerseits ist auch sehr problematisch.
Ich seh sie nur leiden, und das macht mich echt fertig.
Ja, sie hat 3 Kinder, denen ich emotional auch schon sehr nah bin, aber wir leben getrennt.
Und nach der Scheidung nochmal eine Bezugsperson zu verlieren ist für Die Kids wahrscheinlich die Hölle.

Bei einer Sache bin ich allerdings nicht so bei Dir.
Es geht ja in einer Beziehung nicht darum, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Sondern darum, da zu sein, wenn es mal miserabel läuft. Und sich zu einem Menschen zu bekennen ?
Das würde ich mir jedenfalls auch von einem Menschen wünschen.
Und bei diesem Gefühl möchte ich ankommen.
Eine rein platonische Beziehung finde ich natürlich nüchterm gesehen als sehr vernünftig.
Aber das mit den blöden Gefühlen lässt sich nur sehr schwer unterdrücken.

Einen Menschen, den Du tef und innig liebst … kann man da auf "platonisch" schalten ?

Aber ich gebe Dir recht .. vernünftiger wäre es

18.12.2021 16:29 • x 1 #3


Motte41
Lieber Mino,

gab es Punkte in diesem Alk. Nächten, die du bereust und weggelassen hast?
Meist gibt es ja zwei Seiten.
So schmerzhaft sie sind…..
transparenter wäre da die ganze Geschichte!


Hat sie dir gesagt, dass sie sich in eine verliebt oder verkuckt hat?
Oder hat sie andere Sachen gesagt?
Wie zB um Erlaubnis gefragt mal eine Erfahrung mit einer Frau alleine zu machen. Erfahrungen, die schon da sind, nur nicht alleine? Erfahrungen, die sie nie alleine machen konnte durch Beziehungen und toxische Beziehungen?
Die man ja auch nur machen möchte , wenn das gegenüber einen anspricht und richtig sympathisch ist. Oder?
Fiel jemals das Wort verliebt oder sogar meinetwegen verkuckt?

Hat sie diese gemacht? Oder hat sie eure Gespräche und Absprachen eingehalten?

Kann man erwarten, dass ein Mensch nach 6 Wochen Reha-psychosomatisch wegen Depressionen-
zack da ist? Nach 3 Tagen?
Kann man sagen dass man es weiß und versteht.
WIRKLICH zu verstehen gehört mind eine normale Reha-Erfahrung dazu?!
Kann man das so stehenlassen?

Warst du wirklich bereit für dieses ganze Rad? Willst du, dass es ihr besser geht?
Weil vorher weil anscheinend alles besser?
Wenn’s so ist, zieh dir Reißleine.
Und überlege welche Frau dir vorschwebt.

Mit Alk. Sachen zu betäuben? Hmmm … wer kann sich davon frei sprechen?!
Kannst du das?
Schätzungsweise versucht es jeder normaler Mensch damit erstmal.
Erfolg: steht in den Sternen;
manche können das anscheinend.
Anscheinend!
Wenn man weiß, dass man eine depressive Episode hat und weiß, dass Alk. dies nicht betäubt sondern *beep* off verstärkt, vielleicht sogar gepaart mit ADHS.
Und anfängt und sogar lebt dieses nicht mehr zu tun, ist das kacke und sie ist nicht mehr die Alte (gepaart mit ihren S. Trieben ? ) ?
Hmm …
Hat sie erkannt dass Alk. ihr an diesen Abenden, diesen Phasen nicht gut tut, dues begriffen und setzt es um? Ihr setzt es um?
Hut ab!

Wie ist es dir ergangen in dieser Zeit?

10.01.2022 00:45 • #4

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