Liebe Alomie,
toll! Es ist echt toll! Erstens: mit Dir darüber reden. Zweitens: dass Dein Freund Dich dreimal am Tag fragte wie es Dir geht. Ich glaube, dass viele Männer ihren Frauen schon ewig lange nicht mehr diese Frage gestellt haben (ebenso gilt es auch umgekehrt) bzw. es wurde nur als rein rhetorische Frage gestellt, also ohne ein ehrliches Interesse an der Antwort.
Ich habe großes Glück. Mein Mann verhält sich einfach...traumhaft. Er fragt mich jeden Tag, aber nicht zu viel, so dass es nerven würde. Er macht nicht viele Worte, sondern gibt mir ganz viel körperliche Nähe, die ich eben zur Zeit sehr brauche (nach 20 Jahren Beziehung ist das halt doch nicht mehr so selbstverständlich ;-). Mein Chef ist auch sehr einfühlsam. Er erfasste die Situation sofort und legte mir (nach einem schlimmen Moment) wortlos eine angefangene Tafel Schokolade auf meinem Schreibtisch. Irgendwo musste er diese noch ausgebuddelt haben. Naja, jedenfalls war es in dem Moment genau das Richtige.
Du hast so viele Fragen. Mal sehen, ob ich alle beantworten kann.
Tja, seit gestern geht es mir relativ gut. Mal gucken, ob diese Phase ausnahmsweise mal länger anhalten wird. Letzte Woche ging es mir nämlich ausgesprochen schlecht. Aber vielleicht wirkt nun das Medikament langsam???
Ja, das beantwortet auch schon Deine nächste Frage. Nachdem ich ein halbes Jahr hoffte, dass ich es allein schaffen würde, ging ich vor 14 Tagen zu meiner Hausärztin. Seit September 2009 spürte und ahnte ich, dass da eine Depression o.ä. vorliegen könnte. Ende September / Anfang Oktober war es für eine Woche ganz ganz schlimm. Aber: The Show must go on!
Außerdem hatte ich im Oktober eine Woche Urlaub. Und ich dachte, dass ich mich da erholen könne. Und obwohl ich nichts im Urlaub machte und viel schlief und spazieren ging, war der Erholungseffekt gleich null. November ging dann irgendwie. Ich funktionierte...Was am schlimmsten war: ich konnte nicht mehr schlafen. Tagsüber dann der Vollzeitjob, Kinder, Haus, Hund.... naja. Meine Hoffnung lag auf Weihnachten. 17 Tage frei. Wir fuhren nicht weg, schlugen alle Einladungen aus und luden auch keine Freunde ein. Und ich saß da und wartete darauf, dass ich mich erholte.. und am 30.12. spürte ich eine ganz kleine Erholung. Aber am 04.01. musste ich schon wieder arbeiten.
Mein Chef war noch im Urlaub, die Woche darauf krank, so dass ich ihn in den wichtigsten Angelegenheiten vertrat (und da kam einiges), dazu hatte ich eh viel zu tun und Stress auf Arbeit (ich liebe meinen Job!)....naja, da merkte ich: ich komme da nicht allein raus. Ich brauche professionelle Hilfe.
Also besorgte ich mir einen Termin bei der Hausärztin, ging gemeinsam mit meinem Mann hin und fragte mich im Wartezimmer immer wieder: was sage ich meiner Ärztin nur? Wie soll ich das erklären? Ich wollte wieder gehen, mein Mann aber nicht...naja, meine Ärztin fragte dann, was los sei (so ganz lieb fragte sie). Und ich musste weinen und sagte nur: ich weiß es nicht. Da meinte sie: das ist was psychisches, das sehe ich doch (sie kennt mich schon sehr lang). Sie verordnete mir Mitrazapin und schrieb mich 14 Tage Arbeitsunfähigkeit. Das Medikament half auch sofort und ich kann wieder schlafen! 10 Stunden jede Nacht.
Nun war ich vorgestern wieder bei meiner Hausärztin. Dachte, ich könne wieder arbeiten gehen. Aber ...naja, nun habe ich einen Ü-Schein zum Psychologen und ich denke, dass das auch gut so ist. Ich habe da einige Baustellen....Meine Ärztin würde mich auch gern zur Kur schicken. Mal sehen.
Mir ist eigentlich alles egal, was gemacht wird, Hauptsache, es wird mir geholfen. Vor einigen Wochen noch habe ich ein Antidepressivum strikt abgelehnt...usw. Ich merke, dass ich es nicht allein schaffe und dass ich meiner Hausärztin vertrauen will und muss.
Oh ja, bis zu meiner Krankschreibung war ich ein wahrer Verwandlungskünstler. Meine Schwester macht sich Vorwürfe, dass sie nichts merkte (sie wohnt zwar 500km weg, aber wir telefonieren oft und sehen uns auch ab und an), meine Kollegen merkten schon, dass da was ist, einige meiner Schüler merkten auch was....aber außer meinem Chef ahnte wohl niemand, dass es so schlimm sei...
Meinen Kindern (17 und 11) sagten wir, dass ich wegen Überarbeitung (vorerste Diagnose lautet depressives Erschöpfungssyndrom) krank geschrieben sei.
Meine große Hoffnung ist halt, dass ich noch nicht so tief drin stecke, so dass mir relativ schnell und leicht geholfen werden kann.
Was mir noch gut hilft, sind lange Spaziergänge mit meiner Hündin. Da gehts mir richtig gut und bei diesem schönen Winterwetter machts auch Spaß. Es dauert zwar immer, bis ich mich aufraffen kann, aber wenn ich draußen bin, ists einfach toll. Vielleicht hast Du ja auch einen Hund oder in der Nachbarschaft oder Du meldest Dich beim Tierheim an?? So ein Tier ist der beste Therapeut. Vielleicht magst Du auch reiten oder so?
So, nun habe ich einen halben Roman geschrieben. Alles Liebe für Dich!
FreieHeide
31.01.2010 14:39 •
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