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Alles verloren Augen zu und durch?

K
Hallo zusammen,

ich hadere schon seit längerem damit, mir hier einmal meinen Kummer von der Seele zu reden. Wer weiß: Vielleicht hilft es ja!

Ich fange mal beim Anfang an: Ich bin Ende 30 und habe vor einiger Zeit einen ziemlich schweren Rückschlag erlitten. Und jetzt habe ich echte Probleme, wieder auf die Beine zu kommen. Ich komme aus einer langen Beziehung von 10 Jahren. Die Frau, mit der ich zusammen war, war für mich wirklich meine Traumfrau. Intelligent, witzig, wunderhübsch, eigenwillig, zielstrebig. Wir hatten uns zu ihrer Studienzeit kennengelernt, und haben eine tolle Beziehung gehabt. Sie war wirklich meine ganz große Liebe, und der Mensch, für den ich ohne zu zögern mein Leben (auf-)gegeben hätte. Natürlich hatten wir Höhen und Tiefen: Ihr Studium war hart und anstrengend, und später hatte ich eine ziemlich schwierige Zeit, während ich meine Doktorarbeit geschrieben habe. Wir waren beide mal eklig zueinander, aber es gab selten Streit und nie ein besseres Team. Sie hat mir durch meine bisher schwerste Kriese durch einen unerwarteten Todesfall in der Familie geholfen, wofür ich ihr mein Leben lang dankbar sein werde. Für mich hat es nie einen wertvolleren Menschen gegeben, und ich dachte ganz ernsthaft, dass ich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen würde.

Aber Ihr könnt es wohl schon erraten: Die Beziehung ging am Ende doch in die Brüche. Es war unser beider Versagen, aber in erster Linie meine Schuld. Meine Freundin war sehr ehrgeizig und hat großen Wert auf ihre Arbeit gelegt. Sie ist sehr jung in Führungspositionen großer Unternehmen geraten, womit ich, obwohl ich mich auch immer sehr angestrengt habe, leider nicht mithalten konnte. Wir sind nahe an ihrem Arbeitsplatz zusammengezogen, weshalb ich mir dann. sagen wir: irgendeine Arbeit vor Ort gesucht habe, die mich sehr unglücklich gemacht hat. Aber sie war es mir wert, und wir waren insgesamt trotzdem glücklich. Leider hat sie sich mit den Jahren immer mehr auf ihre Arbeit konzentriert, und immer weniger auf die Beziehung. Versteht mich nicht falsch: Sie war liebevoll und hätte alles für mich getan. Aber die Arbeit stand trotzdem an erster Stelle. Sie kam immer später heim, war oft überarbeitet und schlecht gelaunt. Hatte selten Nerven für meine Sorgen und hat mich oft ein wenig alleingelassen. Nie in böser Absicht allerdings. Nur aus Stress. Das klingt an dieser Stelle so als wäre sie total ungerecht gewesen, aber das war sie eigentlich gar nicht. Sie ist, wenn sie sich die Gelegenheit dazu gegeben hat, einfach der herzlichste und liebevollste Mensch gewesen, den man sich ausmalen könnte.

Da ich im Berufsleben nicht so erfolgreich war wie sie, wollte ich sie erst einmal ihren Weg gehen lassen und sie dabei begleiten. Wir wollten Kinder, haben das aber ihrer Arbeit zuliebe Jahr für Jahr vor uns hergeschoben. Ich habe ihr und mir gesagt: Ich werde bald genug verdienen, um uns beide und unsere Kinder problemlos zu halten. Und daran habe ich wirklich gearbeitet. Aber ich glaube inzwischen, dass sie den Gedanken, Kinder zu haben, eigentlich eher unheimlich fand. Die Karriere war einfach zu wichtig für sie. Ich hätte auch auf Kinder verzichtet, das wäre mir es auf jeden Fall wert gewesen. Aber leider kam ich mit der Vernachlässigung in der Beziehung nicht gut klar. Ich bin ein schwieriger Mensch - gleichzeitig sehr stolz und sehr unsicher. Ich habe ständig und verzweifelt nach Bestätigung gesucht, und dabei die schlimmsten Fehler meines Lebens gemacht: Auf der einen Seite wollte ich für meine Freundin wieder mehr in den Fokus rücken. Ich habe Instrumente gelernt, Sport gemacht wie ein Blöder und versucht, mich beruflich zu entwickeln. Aber leider alles ohne den gewünschten Effekt für die Beziehung. Stattdessen habe ich (verdammter Vollidiot!) mir eine Art Zweitleben im Netz aufgebaut. Internetvideos, eine Webseite, eine Chatgruppen zu meinen Hobbies. Es war nicht geheim, sondern einfach meine Freizeit - nur konnte ich meine Freundin nie dafür interessieren. Sie hat mich machen lassen, und ich habe es gemacht. Dort habe ich, als relativ kreativer Mensch, viel Zuspruch finden können. Und dadurch habe ich mich nicht nur immer weiter von meiner Freundin distanziert, sondern auch heftigst geflirtet - und eine andere Frau offensivst angemacht. Ich hatte besagte andere Frau schon lange gekannt, aber nie zuvor in meinem Leben getroffen, und habe daher meine Fehler nicht ernst genug genommen. Ich habe nicht richtig realisiert, wie schlimm das ist, was ich damit tue. Ich wollte meine Freundin absolut nicht betrügen, sie war noch immer mein Ein und Alles. Aber trotzdem waren meine Flirtereien Betrug, und Ihr könnt mir glauben, dass ich mich jeden Tag furchtbar dafür hasse. Ich war nie ein Frauenheld. Ich wollte es nie sein, und mir geht nichts über meine Familie. Und sie war meine engste Familie.

Trotzdem ging das zu lange so. Ich habe die Warnsignale nicht rechtzeitig erkannt. Ich erinnere mich noch: Etwa einen Monat, bevor meine Freundin dann mit mir Schluss gemacht hat, habe ich mich bei meiner Mutter beschwert, dass es gerade nicht gut läuft - aber ich nicht wegen des Ärgers, den ich habe, gleich die Beziehung in Frage stellen würde. Es war für mich ABSOLUT undenkbar, dass das ernsthaft in die Brüche geht. Meine Freundin sagte mir so oft, wie sehr sie mich liebte, und wie dumm man sein müsste, mit mir Schluss zu machen. Aber die Enttäuschung, die sie empfunden hat, als sie wohl meinen Chatverlauf gesehen hatte (ich glaube, ein enger Freund, der auch im Chat war, hat sie darauf verwiesen), war so groß, dass sie mich sofort komplett aus ihrem Leben gelöscht hat.

Das ist passiert, kurz nachdem ich meine Arbeit gewechselt habe. Wir hatten gemeinsam ausgemacht, dass wir beide nach neuen Jobs suchen. Wer zuerst einen findet, der bestimmt den Ort, an dem wir leben wollten. Hauptsache war: näher bei unseren Familien. Ich habe zuerst einen gefunden - einen guten Job, den sie mir sogar herausgesucht hatte. Weil sie noch ihre alte Arbeit beenden wollte, bin ich zuerst in den neuen Ort gezogen, und sie wollte kurz darauf nachkommen. Doch anstatt sich einen neuen Job in meiner Nähe zu suchen, hat sie die Beziehung dann lieber beendet. Ich bin von einer Auslandsreise heimgekommen und hatte sie einen Tag später am Bahnhof abholen wollen. Dort hat sie mir dann nur gesagt, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein möchte. Und ist dann für immer aus meinem Leben fortgefahren.

Was mich daran besonders mitnimmt: Ich wusste, dass es gerade sehr schlecht läuft. Aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt meine Fehler dann doch erkannt. Ich hatte aber endlich einen Job, der gut genug war, um sie zu halten. Ich wollte ein Jahr damit verbringen, die Dinge wieder gerade zu rücken. Und danach wollte ich ihr einen Heiratsantrag machen. Egal ob mit oder ohne Kinder.

Dazu ist es nie gekommen. Ich habe sie nur noch einmal gesehen, als ich meine Sachen aus der alten Wohnung geholt habe. Sie hatte bereits alle Bilder von mir entfernt und mich komplett aus ihrem Umfeld gelöscht. Sie sagte mir beim Trennungsgespräch noch, dass sie mich liebt, und dass es vielleicht in einem Jahr nochmal eine Chance gibt. Gab es aber nie. Sie kam ohne mich wohl besser klar als mit mir. Und das tut schon sehr weh.

Ich habe mich dann, viel zu schnell, noch einmal auf eine neue Beziehung eingelassen. Mit einer Frau, mit der ich lange befreundet war, und der ich großes Vertrauen geschenkt habe und die ich immer sehr geschätzt habe. Sie kannte die Situation zwischen mir und meiner Dann-Ex-Freundin und hatte mir damals oft den Rücken gestärkt. Aber das hat sich später als sehr problematisch erwiesen: Während sie vor unserer neuen Beziehung noch mein Verhalten nachvollziehen konnte (wenngleich sie es schon immer falsch fand), drehte sich diese Einstellung plötzlich um 180°. Während wir vorher engste Freunde waren, hatte sie nun ihr ganzes Vertrauen in mich verloren. Und dieses Misstrauen war so extrem, dass sie totale Angszustände entwickelt hat - sie hielt (und hält) mich für irgendeine Art frauenverachtendes, notgeiles Monster, das eigentlich nur noch triebgesteuert handelt. Sie hat mich wüst beschimpft und versucht mich zu kontrollieren, wie sie nur kann. Sie versucht nun, mich mit allen Mitteln von anderen Frauen fernzuhalten - privat wie auf der Arbeit. Das geht so weit, dass ich meine Kontakte in sozialen Netzwerken löschen muss (mit Ultimatum sogar), meine Diensthandnummer nicht an weibliche Kontakte ausgeben darf und mich auf Dienstreisen krank melden soll, bei denen ich auf Frauen treffen könnte. Wenn ich mich weigern will, nutzt sie alle Mittel, um mich irgendwie zu zwingen. Manchmal stellt sie mir sogar fallen und überprüft, ob ich irgendwie verdächtig (d.h.: an Frauen interessiert) reagieren könnte. Die Sache ist: Ich sehe mich überhaupt nicht nach Frauen um. Eigentlich möchte ich nur wieder ein halbwegs normales Leben führen. Eine Zukunft haben. Aber das ist aktuell einfach nicht mehr möglich. Das ist nur die Spitze des Eisbergs an Problemen in der neuen Beziehung. Es läuft so schlecht, dass ich ihr schon oft gesagt habe, dass es so keine Zukunft hat. Ich habe inzwischen vielfach Schluß gemacht, aber sie tut am nächsten Tag einfach so als wäre nichts gewesen. Sie zwingt mich so oft, wieder zu sagen, dass Schluss ist, bis ich es irgendwann nicht mehr kann (eine Beziehung zu beenden ist für mich ganz furchtbar, ich kriege das kaum EINMAL über die Lippen!). Sie sagt dann einfach, dass ich zu schnell aufgebe, und dass sie so enttäuscht von der Situation und vor allem von mir ist, bis ich keine Kraft mehr habe, dagegen anzuarbeiten. Ich muss nicht einmal sagen, dass wir es noch einmal versuchen. Es reicht nur, wenn ich nicht wiederhole, dass Schluss ist, und damit geht die Beziehung für sie offiziell weiter. Ich habe sie sogar schon aus meiner Wohnung geworfen und mit Polizei gedroht, aber sie bleibt dann einfach da. Sofern ich nicht wirklich richtig bösartig werde, was ich einfach nicht kann und will, stehe ich völlig mittellos da.

Der Punkt ist, dass sie eigentlich ein wirklich guter und fürsorglicher Mensch ist. Sie leidet aber massiv unter ihrem Misstrauen mir Gegenüber, dass sie quasi daran zerbricht. Sie kann nicht wirklich etwas dafür, aber wir landen dadurch immer wieder in unlösbaren, schwer belastenden Situationen. Und weil sie (äußerst!) hochsensibel und ziemlich labil ist, habe ich Sorge, was passiert, wenn ich noch härter mit ihr umspringe. Ich will niemandem schaden, aber scheinbar geht es nicht ohne. Ohne es weiter auszuführen: Ich bin über all das wirklich verzweifelt.

Freude am Leben habe ich im Augenblick nicht mehr. Mein Traum von meiner eigenen Familie ist komplett zerstört, und meine neue Beziehung ist noch kaputter als die alte, und zwar aufgrund des Misstrauens, das ich durch die Fehler in meiner alten Beziehung aufgebaut habe.

Damit bin ich an einem toten Punkt angelangt. Zu lange auf Familie gewartet, zu viel Mist gebaut, zu alt für eigene Kinder geworden, zu viele Menschen enttäuscht. Ich war zu feige, zu unehrlich, zu stolz, zu empfindlich und zu dumm. Und ich finde keine richtige Adresse mehr für Frust und Ärger und Enttäuschung.

Natürlich kommt mir der Gedanke, dass mein Leben so wenig Sinn ergibt. Suizidgedanken habe ich jetzt nicht. Ganz abgesehen davon, dass jeder immer noch Chancen im Leben hat, wenn er sie nur zulässt, ist der Gedanke, meine Angehörigen durch so eine Dummheit eine noch viel schlimmere Hölle zu stürzen als das Theater, das ich durch meine Geschichte durchmache, ziemlich abartig. Aber einfach mal für eine Weile nicht mehr da sein zu müssen, oder wenigstens einmal durchatmen können - oder noch besser: einfach einmal von vorne anfangen zu dürfen. Das wäre schon toll.

Mein einziger Trost ist der Rest meiner Familie. Ich helfe meiner doch sehr angeschlagenen Familie (Eltern, Schwester, Neffe), so viel ich kann, und ich bekomme dafür sehr viel Dankbarkeit und Liebe zurück. Insbesondere meinem Neffen (Scheidungskind mit einem Vater, der ein noch größerer Trottel ist als ich) bin ich eine wichtige Bezugsperson. Ich möchte ihn nicht desillusionieren und versuche daher, mich für ihn einzusetzen. Manchmal empfinde ich das allerdings eher als Last denn als Trost, weil ich das Gefühl habe, dass ich ein anderer - schlechterer - Mensch bin als der, als den sie mich sehen.

Da heißt es wohl: Augen zu und durch, richtig? Ich weiß übrigens natürlich, dass es Menschen gibt, die es viel, viel schlechter getroffen haben als ich. Aber Schmerz ist relativ - und für mich ist damit (abgesehen von Todesfällen bei geliebten Menschen) das Schlimmste passiert, was ich mir ausmalen konnte.

Danke fürs Zuhören!


Allen, denen es ähnlich oder auf andere Weise schlecht geht, möchte ich an der Stelle aber trotzdem noch mitgeben: Kopf hoch! Ich glaube fest daran, dass es am Ende der Optimismus ist, der einem eine reelle Chance gibt, wieder nach vorne blicken zu können. Egal, wie sehr das Leben manchmal wehtut.

13.07.2021 00:48 • x 6 #1


O
Oh Mann, was für eine Geschichte!

Erst mal herzlich Willkommen hier!

Da machst Du ja ganz viel mit zu Zeit und auch davor.

Was mir auffällt ist, dass Du wohl wirklich auch sehr viel mit Dir machen lässt.

Es ist längst Zeit...
Zitat von KeepSmiling:
wenigstens einmal durchatmen können - oder noch besser: einfach einmal von vorne anfangen zu dürfen. Das wäre schon toll.

Das ist durchaus möglich, denke ich.

Vielleicht findest Du den Weg oder holst Dir professionelle Hilfe als Unterstützung?

Alles Gute!

13.07.2021 08:57 • x 1 #2


A


Hallo KeepSmiling,

Alles verloren Augen zu und durch?

x 3#3


CCC
Ich vermute, dass Dich hauptsächlich Schuldgefühle so lähmen und runterziehen. Einen Neuanfang kannst Du mit einem Therapeuten vorbereiten, der mit Dir Deine Schuldgefühle bearbeitet. Solltest Du so schnell keinen Platz bekommen und nicht zu einem privaten Therapeuten gehen können, wären Bücher über Schuldgefühle ganz hilfreich.

Ich habe drei Neuanfänge hinter mir, auch viel schei. erlebt, aber letztlich gut draus gelernt (ja, früher wär toll gewesen ) und nun bin ich am richtigen Platz.

13.07.2021 09:18 • x 3 #3


Stromboli
Lieber KeepSmiling (sic! - da hast du dir ja den super Nicknamen ausgesucht)

Auch von mir her erstmal herzlich willkommen! Ich hoffe, das Schreiben hier und eventuell die Rückmeldungen helfen dir ein wenig weiter.

Ich möchte mich relativ kurz halten. Aus deiner langen Geschichte kommt mir vor allem zweierlei entgegen:
- erstens ein gnadenloser innerer Kritiker, der dich veranlasst, dich selbst immer wieder als Vollidiot, Trottel usw. runterzumachen,
- zweitens höchst widersprüchliche Aussagen zu den Frauen, mit denen du eine Beziehung führst oder geführt hast: zum einen beschreibst du ein Verhalten von ihnen, das ich mir bestimmt so nicht würde gefallen lassen - zum anderen nimmst du sie dann sofort wieder in Schutz und schreibst, eigentlich seien sie ja die reinen Engelwesen.

Für mich zeigen sich darin starke (auto)destruktive Muster, in denen du gefangen zu sein scheinst.

Aus meiner Sicht wäre es primär wichtig, dass es dir gelingt, die ständige Neuverstrickung mit diesen Frauen nach und nach zu lösen. Sie sind weder für dein Glück noch für dein Leid verantwortlich und spiegeln dir letztlich nur etwas, was in dir liegt. Sie sind - wie du auch - Menschen mit Stärken und Schwächen und bestimmt sind sie keine Engel. Aber arbeiten musst du an dir und nicht an ihnen.

Auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, ist schwierig und vielen Menschen fällt es leichter, ihre Emotionen auf andere zu projizieren. So idealisierst du die Frauen und verteufelst zugleich dich selbst. Beides entspricht nicht der Realität.

Spontan hab ich das Gefühl, eine ausreichend lange Zeit ohne Beziehung wäre ev. Voraussetzung, um bei dir selbst zu bleiben und ein zugleich liebevolleres und objektiveres Verhältnis zu dir selbst und deinem Leben zu gewinnen. Meine eigene Erfahrung zeigt, dass dies erst die Grundlage erschaffen hat für eine gesunde Beziehung.

Ich wünsche dir viel Kraft und Mut, dich dir selbst zuzuwenden und zu dir zu finden.

13.07.2021 15:38 • x 5 #4


K
Hallo zusammen!

Meinen lieben Dank für die freundlichen und hilfreichen Antworten.

@ohneFunktion: Ich habe tatsächlich ziemliche Probleme, nein zu sagen. Insbesondere, wenn es um Menschen geht, denen gegenüber ich eine Schuld oder eine Schuldigkeit fühle. Bis ich mal wirklich auf den Tisch haue, muss schon wirklich was passieren. Das ist übrigens ein Problem, das ich seit ewigen Zeiten erfolglos bekämpfe. Ich vermute mal, dass das daran liegt, dass ich erstens nicht mit Ablehnung klarkomme und zweitens nicht gut damit umgehen kann, wenn ich wichtige Menschen enttäusche. Aber ich denke, Du wirst schon richtig liegen.

@CCC: Auf jeden Fall habe ich ganz massive Schuldgefühle. Ich hab mir die ja auch hart erarbeitet. Ich wollte früher immer so leben, dass ich nie was zu bereuen habe. In der Praxis hat sich das als viel komplizierter herausgestellt als in der Theorie. Im Augenblick habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich mich jemals so recht von den Schuldgefühlen lösen können werde, weil meine Fehler jetzt eben ein Teil von mir sind.
Aber ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass so ziemlich jede noch so ausweglos Situation mit genügend zeitlicher Distanz entschärft werden kann. Der Weg dahin ist aber manchmal ganzschön steinig.
Das Paradoxe daran ist, dass ich auf der anderen Seite aber auch irgendwie dickköpfig werde. Denn bei allem, was ich faktisch falsch gemacht habe, finde ich die Folgen einfach unglaublich heftig. Ich kenne Menschen, die ihre Partner willentlich, rücksichtslos und ohne schlechtes Gewissen auf massivste Weise betrogen haben - viel extremer als ich es mir auch nur vorstellen möchte. Und solche Menschen erhalten dann eine zweite und manchmal auch eine dritte Chance. Manchmal verdient, manchmal völlig unverdient.
Und dann denke ich mir: Nach zehn Jahren Beziehung hätte meine Freundin mich gut genug kennen müssen um zu wissen, dass ich kein rücksichts- und liebloser Mensch bin und auch nicht sein will. Eine zweite Chance hätte mir alles bedeutet. Und irgendwie denke ich auch, dass ich sie verdient hätte.
Aber das Leben ist nunmal kein Wunschkonzert. Nach vorne zu blicken bedeutet eben nicht nur ein Ziel vor Augen haben, sondern loszulassen und Offenheit für neue Perspektiven zu entwickeln. Das ist allerdings wieder so ein Theorie- vs. Praxis-Dilemma!

@Stromboli: Vielleicht hast Du da schon Recht. Meine Art, mich selbst manchmal klein zu reden ist unter anderem dem Versuch geschuldet, nicht anderen die Schuld für eigene Verfehlungen in die Schuhe zu schieben. Insbesondere dann nicht, wenn ich nicht genau weiß, ob Schuld vorliegt, und an wem oder woran es gelegen hat. Ich weiß natürlich eigentlich, dass ich auch einen eigenen Wert besitze. Vermutlich habe ich aber das Problem, dass ich den nicht mehr so gut erkennen (bzw. ihm glauben) kann, wenn er mir nicht von außen bestätigt wird. Natürlich ist es trotzdem nicht besonders clever, sich selbst klein zu reden. Und ich bin ja durchaus stolz - und bedingt sich bei mir durchaus durch ein gewisses Selbstwertgefühl. Als meine lange Beziehung noch in Ordnung war, habe ich mich eigentlich gerne gemocht. Ich dachte, ich wäre gar nicht mal so ein übler Fang für meine Freundin. Und das hat sie mir auch immer gerne bestätigt. Dadurch, dass sie mich aber jetzt so plötzlich und scheinbar völlig mühelos abgestoßen hat, muss ich zugeben, dass ich das alles arg in Frage stelle. Das driftet mitunter ins Philosophische ab - wer außer einem selbst darf einen überhaupt bewerten? Nach welchen Maßstäben? Was, wenn diese Maßstäbe plötzlich zerbrechen?

Ein gutes Gegenbeispiel ist mein eigener Bruder. Der genügt sich selbst. Er ist ein guter, lieber Mensch. Er hat Schwächen, die er akzeptiert. Und er kann prima mit sich selbst leben. Und wenn ein anderer Mensch ihn nicht akzeptiert, dann ist das eben so. Das ist eine grundsolide Einstellung, die ich bewundernswert finde, aber so nicht nachleben kann. Versucht habe ich das. Ob ich jetzt ein anderer Typ Mensch bin oder einfach den Weg in diese Lebensweise nicht finden kann, kann ich nicht beantworten. Schön wäre es!

Übrigens weiß ich, dass die beiden Frauen keine Engel sind. Das ist natürlich niemand. Aber die beiden können sich an dieser Stelle nicht äußern, und ich fände es unfair, sie jetzt zu einseitig zu beleuchten. Ich habe daher versucht, schon zu sagen, was nicht okay ist - ohne aber den Fakt auszulassen, dass sie beide eben liebenswert sind und entweder gemeinsam mit mir, oder vielleicht durch mein Zutun in Situationen geraten sind, in denen sie sich bedrängt oder verzweifelt gefühlt haben. Es ist ziemlich schwer, so eine komplexe Geschichte fair und neutral zu erzählen.

Nochmal vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit zum Lesen und Antworten genommen habt. Das weiß ich sehr zu schätzen!

13.07.2021 18:00 • x 4 #5

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