Wie umgehen, wenn das Gegenüber nicht konfliktfähig ist

Generell habe ich im Leben die Erfahrung gemacht, dass es verpuffte Energie ist, mit Menschen die nicht konfliktfähig sind. (also die meisten, denn nirgends lernen wir offen Konflikte auszutragen, die Devise ist eher sie unter den Tisch zu wischen. ) mich diesbezüglich überhaupt auseinander zu setzen. Deshalb wurden meine Freunde mit der Zeit immer weniger, da für mich gewisse Verhaltensweisen und / oder Verletzungen inakzeptabel waren. Mit den wenigen Familienmitglieder, die noch existieren, besteht ein distanziertes Verhältnis, was manchmal angenehmer als Kontaktlosigkeit ist. Konfliktaustragen bei der ganzen Verwandtschaft ein No-Go. Ich war lange das schwarze Schaf als ich mir noch vergeblich Mühe machte.

Zur Zeit gibt es jedoch in meinem Leben meine Freundin C., die ich mit 14. Jahren in einer Berner Schule kennen lernte. Ich kam grad aus Köln und war die Neue. C. und ich wurden schnell Busenfreundinnen, auch weil wir beide noch ausgeschlossen waren in der Klasse. Zwei Jahre später wurde mein Vater nach Washington D.C. versetzt und C. und ich wurden abrupt getrennt. Trotzdem hielten wir den Kontakt immer wieder ( wenn auch mit Unterbrüchen) bis heute aufrecht. Wie überall in Beziehungen hatten auch wir unsere Meinungsverschiedenheiten und unsere Missverständnisse, doch alles in allem können wir uns sehr viel geben und haben auch einige Gemeinsamkeiten. Jedenfalls fühlen wir uns authentisch und echt miteinander, was von unschätzbarem Wert ist.

Es gibt jedoch ein mich zunehmend belastendes Problem zwischen uns: immer wenn C. von mir enttäuscht ist ( das kann auch schon sein, wenn ich ein Treffen aus psychischen aber auch körperlichen Gründen absagen muss. ) hüllt sie sich in Schweigen. Alles was sie jeweils sagt , ist schade und ward nicht mehr gehört. Mache ich sie auf diesen Rückzug aufmerksam, weicht sie aus. Heute ( wieder mal so weit) schrieb sie mir, sie sei sich eines solchen Rückzugverhaltens nicht bewusst. Doch sie wolle mich unbedingt weiterhin als Freundin bei behalten. Das sei ihr wichtig. Leider, aber typisch, lief diese Kommunikation im SMS-Telegrammstil. Meinerseits antwortete ich, mir sei unsere Beziehung ebenfalls wichtig, doch ich könne mit ihrem Schweigen und Negieren gewisser Konflikte wirklich nicht umgehen. Wir würden gemeinsam einen Weg finden müssen das zu ändern. Fantasie sei gefragt. C. schrieb zurück, sie melde sich später ( sie war grad im Zug unterwegs). In der Zwischenzeit dachte ich mir, dass ich bei Euch vielleicht Ideen und Hilfen erhalten könnte. So eine Art Brainstorming : was tut ihr, wenn Euch ein Mensch wichtig ist und mit dem Ihr viel Positives teilen könnt, doch er versteht nicht wo von ihr sprecht ?

Hallo aurora333,

Wie umgehen, wenn das Gegenüber nicht konfliktfähig ist

Ich finde den Ansatz von @EmptyLife sehr gut. Sie bringt es genau auf den Punkt.
Es gibt tatschlich keine Norm, wie man bei Konflikten reagieren soll.
Und ich sehe es jetzt auch nicht als Konflikt an, dass sie auf deine Absagen hin nur mit schade antwortet. Es zeigt zwar ein Vermeidungsverhalten, aber das kann ja viele Gründe haben.

Ich habe selber schon festgestellt, dass es am besten ist, anschwellende Konflikte immer 1:1 zu klären, nie schriftlich. In der Schriftlichkeit entstehen nämlich in der Regel schneller Verletzungen oder es fallen Sätze, mit denen das Gegenüber wenig anfangen kann. Oder die man im Nachhinein auch bereut. Darum mein Tipp: Nimm das Telefon in die Hand und rufe sie an! Auch wenn das womöglich schwieriger ist als zu schreiben.

Zitat von Kitten:

Ich habe selber schon festgestellt, dass es am besten ist, anschwellende Konflikte immer 1:1 zu klären, nie schriftlich

Stimmt genau. Vor allem die per messenger wie whatsapp versuchten Konfliktlösungen enden meistens in einem desaster.

Liebe Community,

danke für Eure vielen Reaktionen. Genau, ich bin auch immer dafür, dass man sich grad bei so wichtigen Gesprächen in die Augen schauen kann um auch Nonverbales ( manchmal ja mindestens so wichtig wie Geschriebenes) beim Gegenüber mitzubekommen. So habe ich C. als erstes ein Treffen um über die Situation zu reden vorgeschlagen. Was sie jedoch ablehnte. Ihrer Ansicht nach haben wir ja keinen Konflikt....Und natürlich hat sie das Recht mit Konflikten auf ihre Weise umzugehen ,und schlussendlich werde ich dann meine Konsequenzen daraus ziehen müssen. Da habt Ihr Recht.

Nochmals bedanke ich mich für Eure Inputs und sende liebe Grüsse, Aurora333

Nein, Du stellst keine dumme Frage. Es ist mit Abstand die Frage die mir am meisten in meinem Leben gestellt wurde !

Besonders als ich meine enormen, traumatischen Eheprobleme hatte wunderten sich manche Leute, dass mir als Therapeutin so was überhaupt passieren konnte !. Oder als es sich damals zeigte, dass ich mich in Anwesenheit meiner eher sadistischen Mutter innert kürzester Zeit von einer relativ selbstbewussten Frau zu einem Würmchen verwandeln konnte. Und noch vieles mehr.

Ich weiss jetzt nicht, in wie weit TherapeutInnen die schlechtesten Partner sind, doch die einfachsten sind sie bestimmt nicht. Es sind oft eher diejenigen Menschen , die der Wahrheit auf die Spur kommen wollen, müssen , können ...sich auseinandersetzen wollen, müssen, können. Eben nicht an der Oberfläche stecken bleiben. Ähnlich wie ich manche TeilnehmerInnen die ich bis jetzt hier im Forum erlebte. Wir sind hier vieles, aber sicher nicht oberflächlich.

Oft wählen Menschen vorerst mal unbewusst einen Helferberuf. Weil sie z.B. ihre eigenen Probleme angehen wollen ,und/oder es ihnen nicht mehr gelingt sie erfolgreich zu verdrängen. Verdrängen kann man auf tausend Arten. Ich werde den Klienten nie vergessen, der in Therapie kam, weil alles andere nicht mehr nützte. Er war richtig glücklich als er sich nach drei Sitzungen mit strahlenden Augen verabschieden konnte: der Arzt habe jetzt einen Grund für eine weitere OP entdeckte ! Sigmund Freud beschrieb die ganzen Verdrängungsmechanismen ausgezeichnet. Ich selbst bin eher humanistisch orientiert ( Carl Rogers), doch es gibt bei fast allen theoretischen Richtungen Brauchbares.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass Menschen den Therapeutenberuf auch aus positiv gefühlten Motivationen ergreifen können: zum Beispiel wegen der Faszination des Dunkeln und des Unbewussten. Es ist ein grosses Privileg jemanden in diese vorerst Abgründe, später auf dem Genesungsweg positiven Veränderungen begleiten zu dürfen !
Es gibt nicht Spannenderes als Unbewusstes nach und nach bewusst zu machen usw.

Carl Gustav Jung, ein bekannter Schweizer Analytiker beschrieb die Persönlichkeit des idealen Therapeuten einmal folgendermassen : er sollte so krank wie möglich, so gesund wie nötig sein !


Auch wenn es hart sein kann , jemanden durch schwarze Tunnels zu begleiten, ist es genauso befriedigend miterleben zu dürfen, wenn der Weg des Klienten ganz langsam - zu Beginn noch fast unmerklich - ans Licht führt. Wenn die Verdrängungsmechanismen nach und nach durchschaut werden, Selbstreflexion möglich wird und Lebendigkeit auf jedem Sektor wächst und wächst. Das ist das Allerschönste was ich im Leben erleben durfte (neben meinen beiden Kindern) und wenn wieder mal eine Krise wegen eines neuen Knorzes der zum Vorschein kam ( so wie jetzt ...) vor der Tür steht, dann gibt es die leise Hoffnung, dass wenns ok vorbei ist, ich dafür besser begleiten kann...und natürlich selbst achtsamer werden, mit mir und mit meiner Umwelt.

Ich könnte hier noch einen Roman schreiben, denn mein Beruf ist meine Leidenschaft, doch das reicht jetzt mal. Ich hoffe, ich konnte Dir ein paar Antworten geben liebe Kate. Liebe Grüsse !

Liebe Kate,

ja , da ahntest Du ( leider ) richtig ! Auch ich möchte mich bei Dir herzlich bedanken, dass Du mir so ein liebes Feedback gegeben hast. So was tut immer gut !

Ich wünsche Dir alles Gute und sende liebe Grüsse Aurora333

Zitat von aurora333:

immer wenn C. von mir enttäuscht ist ( das kann auch schon sein, wenn ich ein Treffen aus psychischen aber auch körperlichen Gründen absagen muss. ) hüllt sie sich in Schweigen. Alles was sie jeweils sagt , ist schade und ward nicht mehr gehört.

Deine Freundin reagiert wie ich, wenn jemand mir das Gefühl gibt unwichtig zu sein. Von daher verstehe ich, dass sie einsilbig antwortet. Natürlich kann man einmal keine Zeit haben, oder es kommt etwas dazwischen... nur wenn mir jemand immer wieder Verabredungen absagt, komme ich mir wie eine ungeliebte Verpflichtung vor. Ich finde Zuverlässigkeit in einer Freundschaft extrem wichtig, zumal man sich auf das Treffen nicht nur freut, sondern auch andere Termine oft dafür zurückstellt. Da kommt so eine erneute Absage schon mal verletzend rüber.

Falls du die Freundschaft erhalten möchtest wäre mein Rat, ihr gegenüber zuverlässiger zu werden. Ein Telefonat hier und da, einfach nur zum reden, oder auch eine WhatsApp ab und an, helfen schon sich nicht vergessen zu fühlen. Wenn ihr dann etwas ausmacht geh´ wirklich hin, oder trefft euch bei dir zuhause. Groß darüber diskutieren ob zwischen euch ein Konflikt existiert macht für mich nur Sinn, wenn sie ebenfalls einen Konflikt sieht. Nachdem das nicht so ist, ließe ich das Thema ruhen und würde mich darauf konzentrieren, mich wieder mehr um sie zu kümmern.

Guten morgen aurora,

Zitat von aurora333:

was tut ihr, wenn Euch ein Mensch wichtig ist und mit dem Ihr viel Positives teilen könnt, doch er versteht nicht wo von ihr sprecht ?

da denke ich gibt es viele unterschiedliche Wege. Einige Möglichkeiten wird man aus Angst eher nicht
versuchen zu probieren. Und außerdem kommt es sehr auf die Ebene an, auf der man persönlich
miteinander kommuniziert.

Zitat von aurora333:

Es gibt jedoch ein mich zunehmend belastendes Problem zwischen uns: immer wenn C. von mir enttäuscht ist ( das kann auch schon sein, wenn ich ein Treffen aus psychischen aber auch körperlichen Gründen absagen muss. ) hüllt sie sich in Schweigen. Alles was sie jeweils sagt , ist schade und ward nicht mehr gehört.

Ist das Deine Bewertung, dass sie enttäuscht ist? Oder sagt sie Dir das?
Aus dem Wort schade, höre ich eher noch keine Enttäuschung.

Zitat von aurora333:

Mache ich sie auf diesen Rückzug aufmerksam, weicht sie aus. Heute ( wieder mal so weit) schrieb sie mir, sie sei sich eines solchen Rückzugverhaltens nicht bewusst. Doch sie wolle mich unbedingt weiterhin als Freundin bei behalten. Das sei ihr wichtig.

Kann es sein, dass ihr beide etwas unterschiedliche Vorstellungen habt, wie häufig und wie intensiv
eure Kontakte erfolgen sollen?

Zitat von aurora333:

Meinerseits antwortete ich, mir sei unsere Beziehung ebenfalls wichtig, doch ich könne mit ihrem Schweigen und Negieren gewisser Konflikte wirklich nicht umgehen.

In Beziehungen haben Menschen unterschiedlichen Redebedarf. Und Beziehungen entwickeln und verändern
sich auch, wenn sie gesund sind.
Hat sich bei euch da etwas verändert? Was war früher anders?

Zitat von aurora333:

Wir würden gemeinsam einen Weg finden müssen das zu ändern.

Diesen gemeinsamen Weg finden, das wünsche ich euch. Allerdings sagt sie Dir ja offensichtlich,
für sie ist es in Ordnung, wie eure Beziehung läuft.

Hallo aurora333,

Doch, doch C. ist jeweils enttäuscht wenn sie schade sagt. Denn wenn wir uns persönlich treffen, erwähnt sie manchmal beiläufig, dass sie damals ( kann Wochen zurückliegen) dann schon sehr enttäuscht gewesen sei, als ich absagte. Doch jetzt sei alles wieder ok. Wenn ich auf das Thema eingehen will, wehrt sie schnell ab indem sie sagt, sie wolle jetzt nicht wieder darüber laentieren, wo wir es doch grad so schön hätten...

Tatsächlich haben wir unterschiedliche Vorstellungen in Sachen Häufigkeit, Intensität sowie Redebedarf in der Beziehung ! Das war schon immer so, also nicht anders als früher. Danke lieber Pilsum dass Deine Zeilen mir die Bedeutung davon bewusster machten. Wahrscheinlich fallen diese Unterschiede jedoch heute für mich mehr ins Gewicht als früher.

Vielen Dank , auch für die guten Wünsche für C' und meine Beziehung. Liebe Grüsse, Aurora333