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Wer ist zufrieden mit SSRIs?

M
Hallo zusammen,

mich würden mal eure Erfahrungen mit SSRIs (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) interessieren. Ich nehme seit 10 Wochen Escitalopram 10 mg und kann bis jetzt noch keine Verbesserung feststellen. Nachdem ich schon häufiger gelesen habe, dass Leute nach Einnahme von SSRIs keine Verbesserung spüren, würde mich mal interessieren ob es auch gegenteilige Meinungen gibt.

Die Studienlage zu SSRIs ist ja sehr durchwachsen. Es gibt Studien, mit dem Ergebnis keinerlei Verbesserung im Vergleich zum Placebo. Dann gibt es Studien, die ein gutes Ansprechen auf die Medikamente bei einem Teil der Probanden feststellen. Die Pharmaindustrie argumentiert, dass es einigen Patienten damit besser geht als ohne und das rechtfertigt den Einsatz. Grundsätzlich finde ich diese Argumentation auch richtig, unter der Voraussetzung, dass SSRIs auch bei einem signifikanten Anteil von Patienten eine Verbesserung erzielen. Dass das wirklich zutrifft, bezweifle ich im Moment etwas.

Was sind eure Erfahrungen mit SSRIs? Geht es euch damit besser? Welcher Wirkstoff und Dosis? Wie lange hat es bei euch gedauert bis die Medikamente gut wirken?

Viele Grüße,
Michi

08.08.2020 12:35 • x 1 #1


maya60
Hallo Michi, ich bin mit SSRIs seit 14 Jahren zufrieden.

Ich habe 2006 begonnen mit Citalopram, erst, als ich so depressiv war, dass ich kaum noch durch meinen Alltag kam und ich innerlich mich so emotionsflach fühlte, dass Null Lebensqualität mehr da war und ich wusste, dass ich das nicht lange aushalte, diese komplette innere Taubheit und die fortwährende Erschöpfung.

Ist Citalopram nicht dasselbe Medikament wie deins, nur von einem andren Hersteller, ich bin mir nicht sicher?

Citalopram 10 mg, womit ich begann, brauchte bei mir ungefähr 2 Wochen, bevor ich seine für mich viel zu minimale Wirkung zu spüren begann. Also hoch auf 20 mg, mein Arzt sagte mir, dass bei meiner schweren Depression wir wahrscheinlich bis 40 mg Citalopram hoch müssten.
Das war auch so, aber die Wirkung entfaltete sich langsam. Und ehe sie dann in alle Lebensbereiche wirksam wurde, ich glaube, nach einem Vierteljahr spürte ich den deutlichen Unterschied und nach einem halben Jahr war die schwere depressive Episode vorbei, aber da sie nicht weiter zurückging als auf eine mittlere bis leichte Depression (die ich fälschlicherweise immer für Gesundheit gehalten hatte . . . ), blieb es bei mir bei 20 mg Erhaltungsdosis. Leider bin ich persönlich die chronische Depression aufgrund von angeborener Grunderkrankung, ADHS, nie losgeworden.

Aber mit Citalopram 40 mg konnte heilen, was zu heilen war und ich konnte wieder fühlen, denken, aktiv sein, die Einschränkungen, die blieben, hatte ich ja schon immer.
Mithilfe dieses SSRI war ich in der Lage, Psychotherapie zu folgen und in Selbsthilfe meinen Alltag anzupassen an meine Belastungsgrenzen.

Nach einigen Jahren bekam ich mit Citalopram leider einen Gewöhnungseffekt und mein Doc stellte mich auf das SSRI Venlafaxin um, das ich auch gut vertrug, hoch dosiert in schweren Episoden, mittel dosiert außerhalb.

Seit Herbst letzten Jahres nehme ich in Absprache mit meinem Doc immer hoch dosierte A.D, weil mein ADHS das erfordert, denn mein Hauptsymptom ist eine extreme Reizoffenheit.

Als es in diesem Jahr einen Lieferengpass von Venlafaxin gab, stellte mich mein Doc auf Duloxetin um, was ein SSNRI ist, weil es auch Noradrenalin-wirksam ist, das ich nach leichten Umstellungseffekten auch gut vertrage.

Ich bin also ein Beispiel für diejenigen, die mit schwer depressiven Episoden (und mit ADHS-Überreizbarkeit) gut auf die SSRI ansprechen und mit dessen Hilfe Lebensqualität und Psychotherapie und Selbsthilfe erst angehen konnten, als das Leben mich dann irgendwann unbehandelt völlig ausgebrannt hatte.
Bei leichten und mittleren Depressionen ist die Wirksamkeit glaube ich eher umstritten, bei schweren die Rettung.

So wünsche ich dir, dass du auch möglichst schnell mit der richtigen Dosierung und weiteren Behandlung gesund wirst, denn nur ein Drittel aller Depressiven sind chronisch depressiv.

Liebe Grüße! maya

08.08.2020 13:27 • x 3 #2


A


Hallo Michi87,

Wer ist zufrieden mit SSRIs?

x 3#3


M
Hallo Maya,

danke für deinen Beitrag und es freut mich, dass es dir hilft.


Zitat:
Ist Citalopram nicht dasselbe Medikament wie deins, nur von einem andren Hersteller, ich bin mir nicht sicher?

Wenn ich mich recht erinnere, dann besteht Citalopram aus zwei Komponenten. Später hat man festgestellt, dass nur eine davon wirksam ist. Escitalopram ist eine Weiterentwicklung und enthält nur die wirksame Komponente von Citalopram. Nach den üblichen Dosierungen gilt in etwa 20 mg Citalopram = 10 mg Escitalopram.


Bin mir gerade noch nicht ganz sicher wie ich mit den Medikamenten weitermachen soll: einfach mehr Geduld haben? Nochmal zum Arzt und die Dosis anheben? Oder langsam wieder ausschleichen? Auf ein anderes Präparat möchte ich auf jeden Fall nicht wechseln. Wenigstens hilft bei mir die Psychotherapie ganz gut. Immerhin.

08.08.2020 14:31 • x 1 #3


maya60
Hallo Michi, ich bin keine Fachärztin, aber wenn du diese Frage stellst, erscheint es mir gemessen an meiner eigenen Erfahrung so, als hättest du zum Glück keine schwere Depression, die in ihrer Not niemals 10 Wochen abwarten würde, ob etwas wirkt oder nicht? Liege ich damit richtig? Sonst überlies das einfach.

Wie ist denn die Verabredung mit deinem Arzt dazu?

Ich hätte mir in meiner Not eine 10wöchtige Wirkungslosigkeit gar nicht leisten und ertragen können.

Wenn 10 mg Escitalopram 20 mg Citalopram entsprechen, wie du schreibst, dann hast du ja damit auch schon eine mittlere Dosierung?

Und du merkst Verbesserungen durch die Psychotherapie. Du bist also in der Lage, der Psychotherapie zu folgen, das war ich ja nicht mal mehr.

Jetzt nur rein nach meinen unfachlichen Einzelerfahrungen finde ich deine momentanen Ideen nachvollziehbar: Nochmal zum Arzt und ggfs auszuschleichen. Es sei denn, 10 mg Escitalopram sind doch nur eine leichte Einstiegsdosis. Davon kann man nicht zuviel erwarten. Dann wäre der Versuch mit einer höheren mittleren Dosierung vielleicht noch sinnvoll, wenn der Arzt es so sieht.

Liebe Grüße! maya

08.08.2020 14:45 • x 1 #4


M
Hallo Maya,

die Diagnose des Psychiaters lautet auf mittel- bis schwergradige depressive Episode (warum auch immer er hier die Zwischenstufe gewählt hat). Laut seiner Aussage verschreibt er bei leichten bis mittleren Depressionen grundsätzlich keine Antidepressiva. Ich sei so ein Grenzfall, bei dem man über den Einsatz von Antidepressiva nachdenken kann. Als ich damals bei dem Psychiater in der Praxis war, da habe ich auch keine andere Lösung gesehen, als Antidepressiva zu nehmen, obwohl der Arzt eher zögerlich war. Am Ende habe ich die Praxis mit einem Rezept für Escitalopram 10 mg wieder verlassen. Später haben mein Hausarzt und meine Therapeutin das auch für gut befunden. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich der Psychotherapie wahrscheinlich auch nicht folgen können.

Was ich mir damals erwartet habe war: ich komme durch die Medikamente wieder in meinen alten, normalen Zustand zurück. Ich kann mein Leben wieder normal bewältigen. Ich kann eine Psychotherapie machen und sobald ich meine Probleme überwunden habe, kann ich auch die Medikamente wieder absetzen. Für mich stand immer fest, dass ich die Medikamente nur übergangsweise nehmen möchte. Die erhoffte Starthilfe ist allerdings ausgeblieben. Eine kleine Verbesserung kam eher durch externe Umstände zustande.


Zitat:
Wie ist denn die Verabredung mit deinem Arzt dazu?

Ich habe im Moment keine regelmäßigen Termine beim Psychiater. Er hat damals gesagt, falls die Dosis nicht ausreicht, dann könne man sie ja noch erhöhen. Leider dauert es hier so unglaublich lange bis ich einen Termin bekomme, dass ich bei kleineren Sachen lieber zum Hausarzt gehe. Außerdem würde der Psychiater mir wahrscheinlich auch nur empfehlen, noch etwas mit der Dosis hoch zu gehen. Was soll er auch anderes machen? Schließlich ist das Medikament bis 20 mg zugelassen und Blutwerte/EKG sind in Ordnung. Wenn ich nur wüsste, ob es mit 20 mg besser wird, dann hätte ich es schon längst ausprobiert.

Liebe Grüße,
Michi

08.08.2020 15:56 • x 1 #5


maya60
Hallo Michi, all diese Überlegungen würde ich genauso dem Arzt mitteilen und schauen, was er vorschlägt, denn ganz nach dem, was er nun an verbessert bei dir sieht, wird er dir sagen, ob dich die Psychotherapie allein weiterbringt oder eine erhöhte Dosierung des Medikamentes.

Wie lange eine Depression dauert, kann man nicht genau sagen, besonders, wenn sie schwer war.

Liebe Grüße! maya

08.08.2020 20:02 • #6


M
Hallo Maya,

ich habe jetzt nochmal eine Nacht drüber geschlafen und heute eine Entscheidung getroffen. Ich schleiche das Medikament langsam aus. Scheinbar gehöre ich nicht zum Personenkreis, die auf SSRIs ansprechen. Nach 2-3 Wochen sollte sich eine Wirkung abzeichnen. Bei mir sind 10 Wochen vergangen und es hat nichts geholfen. Dafür bemerke langsam aber sicher die Nebenwirkungen. Die Bilanz ist jetzt negativ.

Habe auch schon überlegt nochmal zum Arzt zu gehen. Aber welche Optionen hat der Arzt denn? Entweder die Dosis erhöhen oder das Präparat wechseln. Dosis erhöhen kommt wegen den Nebenwirkungen für mich jetzt doch nicht mehr in Frage. Das Präparat wechseln auch nicht. Mein Fazit: Antidepressiva waren einen Versuch wert. Bei mir hat es leider nicht hingehauen.

Viele Grüße,
Michi

09.08.2020 09:31 • x 1 #7


bones
Was ist denn der Grund warum du kein anderes Antidepressiva möchtest?

09.08.2020 13:54 • #8


M
Zitat:
Was ist denn der Grund warum du kein anderes Antidepressiva möchtest?

Ich möchte - wenn überhaupt - nur SSRIs nehmen. Weil sie nach aktuellem Kenntnisstand nicht süchtig machen, vergleichsweise geringe Nebenwirkungen haben und keine Langzeitschäden verursachen. Die drei Punkte sind für mich ein Muss. So wie ich das sehe, treffen die Punkte nur auf SSRIs/SSNRIs zu. Eine andere Wirkstoffklasse kommt für mich damit nicht in Frage.

09.08.2020 14:34 • #9


maya60
Hallo Michi, dazu würde ich mir aber doch nochmal die Ansicht des Arztes anhören. Dass er selber überlegte, ob du Medikamente brauchst, weil sie eigentlich erst ab schweren Depressionen gegeben werden und deine zwischen mittleren und schweren anzusiedeln waren, zeigt nicht, dass er unsicher ist, sondern dass er verantwortlich ist und abwägt.
Jede Depression ist anders und kann nicht schematisch behandelt werden.

Da sind seine fachlichen Erfahrungen und sein Wissen um und mit Depressionen sicherlich umfassender als deine Spekulationen.

Wie ich schon sagte, falls 10 mg Escitalopram nur eine Anfangsdosierung von der Stärke her sind, dann kann man noch gar nicht bei schweren Depressionen zufriedenstellende Wirkungen erwarten, bevor man nicht mindestens eine mittelstarke Dosierung erreicht hat oder eine hohe.

Du schreibst, dass du schon Verbesserungen deiner Depression in letzter Zeit erfahren hast, die du aber deiner Psychotherapie zuschreibst.
Und wenn diese Verbesserung aber durch das Medikament und die Psychotherapie kam?

Medikation ohne Fachärzte geht nicht. Und wenn keine Wirkung da ist, hast du recht, ans Ausschleichen zu denken, das muss aber mit dem Arzt zusammen geschehen und vorher beraten werden. Und sicherlich, das hast du ja schon in seinem Überlegen gemerkt, ist er keinesfalls dagegen, Medikamente wegzulassen, wo keine (mehr) gebraucht werden.

Er ist ja auf deiner Seite und will deine Gesundheit.

Liebe Grüße! maya

09.08.2020 15:13 • x 1 #10


bones
Zitat von Michi87:
Ich möchte - wenn überhaupt - nur SSRIs nehmen. Weil sie nach aktuellem Kenntnisstand nicht süchtig machen, vergleichsweise geringe Nebenwirkungen haben und keine Langzeitschäden verursachen. Die drei Punkte sind für mich ein Muss. So wie ich das sehe, treffen die Punkte nur auf SSRIs/SSNRIs zu. Eine andere Wirkstoffklasse kommt für mich damit nicht in Frage.



Das kann man nicht pauschal sagen, dass nur ssri/ssrni wenig Nebenwirkung haben. Kommt ja von Mensch zu Mensch drauf an wie der Körper reagiert. Es gibt soviele Antidepressiva die man nehmen könnte. Ich zb habe nie wirklich groß Schwierigkeiten gehabt an Nebenwirkungen. Einzig was ich hatte, war leichte Schwindel gehabt am Anfang einer Dosis.

Wenn du aber ohne gut klar kommst, dann ist es super.

09.08.2020 15:26 • x 1 #11


bones
Übrigens macht keins der Antidepressiva süchtig. Was man aber machen sollte ist, dass man es ausschleichen tut, dann hat man in der Regel nix zu befürchten.

09.08.2020 15:50 • x 1 #12


M
Zitat von bones:
Übrigens macht keins der Antidepressiva süchtig. Was man aber machen sollte ist, dass man es ausschleichen tut, dann hat man in der Regel nix zu befürchten.

Ja, stimmt. Das habe ich verwechselt mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Benzos).

09.08.2020 16:00 • x 2 #13


M
Zitat:
Hallo Michi, dazu würde ich mir aber doch nochmal die Ansicht des Arztes anhören. Dass er selber überlegte, ob du Medikamente brauchst, weil sie eigentlich erst ab schweren Depressionen gegeben werden und deine zwischen mittleren und schweren anzusiedeln waren, zeigt nicht, dass er unsicher ist, sondern dass er verantwortlich ist und abwägt.

Ich muss noch dazusagen: es gab zu keinem Zeitpunkt Selbstverletzungsabsichten. Es ging mir nur über eine längere Zeit sehr elend, ich habe mich immer mehr zurückgezogen, hatte Schlafprobleme, Konzentrationsprobleme, und einiges mehr. Dagegen sind die Antidepressiva. Es besteht aber keine Gefahr für Leib und Leben wenn ich die Medikamente ausschleiche. Das nur der Vollständigkeit halber.


Zitat von maya60:
Du schreibst, dass du schon Verbesserungen deiner Depression in letzter Zeit erfahren hast, die du aber deiner Psychotherapie zuschreibst.
Und wenn diese Verbesserung aber durch das Medikament und die Psychotherapie kam?

Ja, da hast du Recht. Darüber habe ich schon nachgedacht und das kann tatsächlich sein. Die Einflüsse kann ich nicht auseinanderhalten. Es war aber immer so, dass wenn es mir besser ging, dann konnte ich das eindeutig einem vorangegangenen Ereignis zuordnen (z.B. Grillabend mit Freunden, Sport, etc.). Wenn ich nur den ganzen Tag in meiner Wohnung rumhocke, dann geht es mir mit den Medikamenten genauso elend wie ohne.


Zitat:
Wie ich schon sagte, falls 10 mg Escitalopram nur eine Anfangsdosierung von der Stärke her sind, dann kann man noch gar nicht bei schweren Depressionen zufriedenstellende Wirkungen erwarten, bevor man nicht mindestens eine mittelstarke Dosierung erreicht hat oder eine hohe.

Es haben sich jetzt doch ein paar Nebenwirkungen eingestellt, die für mich unangenehm sind. Mal ein Beispiel: ich war neulich Dart spielen mit Freunden. Dabei habe ich mich kaum bewegt. Trotzdem ist mir der Schweiß aus den Haaren gelaufen. Es war echt unheimlich. Klar, es war dort warm und stickig. Aber nicht SO warm. Vermehrtes Schwitzen ist laut Beipackzettel eine häufige Nebenwirkung. Das trat schon kurz nach dem Einschleichen auf und wurde dann immer mehr. Außerdem ist ständig heiß und das nicht nur wegen dem Wetter. Eine Dosiserhöhung schließe ich deswegen im Moment aus. Es gibt noch weitere Nebenwirkungen. Alle davon sind nur lästige, kleinere Beeinträchtigungen. Nichts davon wäre für mich ein Dealbreaker. Ich würde das alles in Kauf nehmen. Wenn das Medikament denn wirken würde. Das ist aber leider nicht der Fall. Der Körper gibt einem schon zu verstehen wenn er etwas nicht mag. Und am Ende des Tages bin ich genauso für meine eigene Gesundheit verantwortlich wie die Ärzte (oder noch mehr). Deswegen beende ich hier das Experiment. Ich habe mir wirklich lange Gedanken darüber gemacht und die unterschiedlichen Optionen durchgespielt. Die Entscheidung fiel mir auch nicht leicht, aber ich muss es jetzt probieren.

09.08.2020 16:59 • x 1 #14


maya60
Michi, natürlich ist es letztlich deine Entscheidung des mündigen Patienten, das ist auch gut so und sehr wichtig. Wir müssen mitdenken und können ja auch mal an schlechte Ärzte geraten. Aber die größere fachliche Erfahrung und das größere fachliche Wissen der Fachärzte ist dennoch ein Fakt, um sich zu beraten.

Diese magische Sicherheit des Körpers, zu wissen, was für mich oder wie du schreibst, für dich das Richtige ist, obwohl du kein Fachmann bist, zweifele ich sehr an. Ganz einfach, weil sie uns niemals vor der Depression schützte und uns auch ohne unsere Ärzte nicht sagen konnte, was genau es ist.

So ist dein Beispiel, dass es dir nach konkreten Geselligkeiten besser ging, nicht der Beweis dafür, dass du genau weißt, ob es dir insgesamt wegen der Medikation oder der Psychotherapie besser geht. Dein Beispiel zeigt nur, dass Selbstisolation depressiver macht. Denn das betrifft die 3. Behandlungssäule neben Medikation und Psychotherapie, nämlich die Selbsthilfe in der Lebensführung.

Also, unterm Strich, ich wünsche dir, dass deine Depression nicht mehr schwer ist und dass du keine Medikamente mehr brauchst und mithilfe von Psychotherapie und Selbsthilfe gesund wirst. Lass dir aber die Fachärztlichkeit dabei nicht entgehen, das wäre mein dringender Rat.

Liebe Grüße! maya

09.08.2020 18:04 • x 1 #15


M
Danke Maya für deine Kommentare.

Zitat:
Aber die größere fachliche Erfahrung und das größere fachliche Wissen der Fachärzte ist dennoch ein Fakt, um sich zu beraten.

Volle Zustimmung. Ich habe Vertrauen in die Fachärzte. Die Praxen sind hier nur so dermaßen überlaufen, dass es Ewigkeiten dauert bis man einen Termin bekommt. Dazu fehlt mir einfach die Geduld. Die Vorstellung schon wieder 4-8 Wochen untätig zu sein ohne irgendeine Veränderung macht mich wütend. Ich denke dann, ich muss jetzt irgendetwas machen. Der Gedanke daran, das nochmal weitere zwei Monate meines Lebens einfach an mir vorüberziehen, macht mich fertig. Die ständige Untätigkeit ist das schlimmste.


Zitat von maya60:
So ist dein Beispiel, dass es dir nach konkreten Geselligkeiten besser ging, nicht der Beweis dafür, dass du genau weißt, ob es dir insgesamt wegen der Medikation oder der Psychotherapie besser geht. Dein Beispiel zeigt nur, dass Selbstisolation depressiver macht.

Ja, das stimmt. Ich glaube das ist die zutreffendere Interpretation.


Zitat:
Lass dir aber die Fachärztlichkeit dabei nicht entgehen, das wäre mein dringender Rat.

Das war auch die Empfehlung von Hausarzt und Therapeutin letzte Woche. Es ist ja auch die vernünftige Vorgehensweise. Alle haben mich - wie du auch - daran erinnert, dass es mir jetzt ja wieder etwas besser geht. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Jetzt bleibe ich erst einmal bei der aktuellen Dosis und lasse mir einen Termin beim Psychaiter geben.

10.08.2020 12:48 • x 2 #16


A
Hallo Michi,

als ich damals zu meinem Hausarzt gegangen bin, habe ich zuerst Escitalopram verschrieben bekommen.
Nach zweieinhalb Monaten war trotz hoher Dosierung keine Verbesserung meines Zustands festzustellen. Also habe ich das Medikament wieder abgesetzt und einen Termin mit meiner Psychiaterin vereinbart.
Meine Psychiaterin hat mir dann vor etwa 5 Wochen Venlafaxin verschrieben, und siehe da: Mein Zustand hat sich von Woche zu Woche DEUTLICH gebessert.
Kein Morgentief mehr, meine innere Unruhe ist so gut wie weg, ich fühle mich viel gelassener und kann alltägliche Dinge wieder erledigen.

Man muss geduldig sein, ein wenig herumprobieren und das passende Medikament für sich finden. Ich weiß das ist nervig und dauert eine gefühlte Ewigkeit, aber am Ende kann es sich lohnen.

14.08.2020 22:03 • x 2 #17


M
Danke für die Antwort. Wie sieht es bei dir mit Nebenwirkungen aus? Hattest du welche bei Escitalopram? Hast du welche bei Venlafaxine?

14.08.2020 22:16 • x 1 #18


A
Bei Escitalopram war meine Libido futsch, sonst eigentlich nichts woran ich mich erinnern kann.

Bei Venlafaxin hatte ich beim einschleichen mehr Nebenwirkungen, die aber nach etwa einer Woche nach erreichen der gewünschten Dosis(150mg) verschwunden waren:
- erhöhter Blutdruck
- Erektionsstörungen
- leichte Übelkeit an den Tagen der Dosissteigerung (überhaupt nicht schlimm gewesen, absolut aushaltbar, verschwand nach einer Stunde)
- verminderter Appetit

Geblieben sind mir an Nebenwirkungen trockene Augen, die ich abends immer habe.
Die antriebssteigernde Wirkung von Venlafaxin habe ich bereits nach etwa 2-3 Tagen feststellen können. Eine antidepressive Wirkung war nach etwa 2 1/2 Wochen zu spüren, die dann von Woche zu Woche noch besser wurde.

14.08.2020 22:36 • x 2 #19


M
Zitat von Ancap:
Bei Escitalopram war meine Libido futsch, sonst eigentlich nichts woran ich mich erinnern kann.

Das kann ich leider bestätigen.

Wie läuft die Umstellung ab? Schleicht man erst das eine Medikament langsam aus und danach das andere langsam ein? Oder fährt man das eine runter und parallel dazu das andere hoch?

15.08.2020 07:40 • #20


bones
Normal schleicht man das zuerst aus und fängt dann mit ein anderes an mit einer einschleich dosisierung. Venlafaxin ist ein sehr gutes Antidepressiva, aber was das Libido betrifft, ist es sehr oft der Fall , dass es darunter auch leidet. Bei mir war es auch so. Aber was die Wirkung betrifft, ist es in mein Augen , einer der effektivsten Antidepressiva , die man haben könnte.

15.08.2020 11:36 • x 1 #21


maya60
Soweit ich es auch selbst erst in diesem Jahr erfahren habe, müssen Antidepressiva aus derselben Wirkgruppe nicht beim Wechsel des Medikaments erst ausgeschlichen werden, um dann wieder von vorne mit der Eingangsmedikation langsam zu beginnen.

Bei mir war es der Wechsel von Venlafaxin (SSRI) zu Duloxetin (SSNRI) wegen eines Lieferengpasses von Venlafaxin und ich bekam gleich die entsprechend hohe Dosierung Duloxetin wie ich sie bei Venlafaxin brauchte.

Sowas kann aber eben nur ein Facharzt bestimmen, vor allem auch, welche Dosis des einen Medikamentes welcher Dosis des anderen entspricht, wenn die sehr unterschiedlich ausfallen. Beispiel: 90 mg Duloxetin entsprechen 250 mg Venlafaxin (und nicht 75 mg Venlafaxin).

Ich persönlich habe bei Citalopram und Venlafaxin auch eine flache Libido bekommen, auch wenn sich das über die Jahre verbesserte. Aber es verbesserte sich nochmal deutlich mit der Einnahme von Duloxetin. Allerdings habe ich auch schon gehört, dass es bei anderen deutlich die Libido abflachte. Leider passiert das oft, was schon beweist, dass es einem schon wirklich schlecht gehen muss, ehe man diese NW in Kauf nimmt.

Liebe Grüße! maya

15.08.2020 13:01 • #22


bones
Zitat von maya60:
Soweit ich es auch selbst erst in diesem Jahr erfahren habe, müssen Antidepressiva aus derselben Wirkgruppe nicht beim Wechsel des Medikaments erst ausgeschlichen werden, um dann wieder von vorne mit der Eingangsmedikation langsam zu beginnen.

Bei mir war es der Wechsel von Venlafaxin (SSRI) zu Duloxetin (SSNRI) wegen eines Lieferengpasses von Venlafaxin und ich bekam gleich die entsprechend hohe Dosierung Duloxetin wie ich sie bei Venlafaxin brauchte.

Sowas kann aber eben nur ein Facharzt bestimmen, vor allem auch, welche Dosis des einen Medikamentes welcher Dosis des anderen entspricht, wenn die sehr unterschiedlich ausfallen. Beispiel: 90 mg Duloxetin entsprechen 250 mg Venlafaxin (und nicht 75 mg Venlafaxin).

Ich persönlich habe bei Citalopram und Venlafaxin auch eine flache Libido bekommen, auch wenn sich das über die Jahre verbesserte. Aber es verbesserte sich nochmal deutlich mit der Einnahme von Duloxetin. Allerdings habe ich auch schon gehört, dass es bei anderen deutlich die Libido abflachte. Leider passiert das oft, was schon beweist, dass es einem schon wirklich schlecht gehen muss, ehe man diese NW in Kauf nimmt.

Liebe Grüße! maya



Du redest von Antidepressiva in der selben Gruppe. Venlafaxin sowohl Duloxetin sind beide ssnri. Nicht ssri was das venlafaxin. Da kann man das natürlich machen. Ich hatte paroxetin gehabt damals als man das mit venlafaxin austauschte. Das wiederum kannste nicht einfach tauschen von heute auf morgen.

15.08.2020 18:07 • x 1 #23


Caro63
Sehr interessant euer Austausch hier zum Thema.
Ich bin mittlerweile davon überzeugt ,dass jeder Patient seine eigenen Erfahrungen mit der Einnahme von SSRI machen sollte,
das immer mit Absprache des Arztes.
Ich nehme Citalopram 20 mg nun schon seit 7 Jahren und dabei folgende Erfahrungen gemacht:
Mir hat es insofern geholfen, dass ich ruhiger wurde, runterfahren konnte, gleichgültiger wurde den Stressbedingungen im Job gegenüber. Sagen wir mal so, es hat mich geerdet in der Form, dass ich nicht überall und bei jedem Problem ja sagen musste, mehr meine eigene Arbeit sah und so von dem hohen Level der doch letzendlich von mir selbst ausgelösten hohen Belastbarkeit herunter kam.(jeder AG freut sich natürlich über solche 150% MA)
-Stimmungsaufheller NEIN, bei mir Wirkung eher drosselnd und eine gewisse allgemeine Gleichgültigkeit hervorrufend.
-Libidoverlust JA ,total bis heute ,was ich sehr bedaure, zum Glück fanden wir miteinander andere Möglichkeiten
-Gewichtszunahme JA ,total inzwischen ca.25 kg ,was dem Allgemeinzustand auch zugrunde liegt
-Müdigkeit JA , permanente Erschöpfungszustände ohne heute triftigen Grund (da bin ich gerade wieder am klären,woran das
liegen könnte)
- Rückzug mittlerweile nahezu komplett vom sozialen Umfeld ( ich bin heute sehr gern mit mir bzw. uns zwei Menschleins),
diesen neu gewonnenen Egoismus genieße ich /wir )
- Konzentrationsprobleme JA
3 Ausschleichversuche über jeweils 1 Jahr missglückten mit Rückfall in alte Strukturen und der Entscheidung meinerseits ,
dass es solange ich arbeite nicht ohne diese SSRI -Bremse für mich gehen wird.
Inzwischen bin ich seit 2 Wochen auf 10 mg runter ,4.Versuch( Corona Krise brachte mich in ALG1) und wir werden sehen,wie es weiter geht.
Erschöpfungszustand nun ohne Arbeit 100 % , ich weiss gerade gar nicht, wie ich das bisher alles schaffen konnte.
Sozusagen befinde ich mich gerade im Lokdown für mich selbst und wahrscheinlich werde ich nun endlich der lange angesprochenen REHA zustimmen beim nächsten Psych.Termin.

Abschliessend möchte ich jeden warnen, da ohne Rücksprache mit einem Arzt zu agieren und lieber ein offenes Gespräch suchen ,denn eine Lösung gibt es für jeden.
Sorry, ich musste doch etwas weiter ausholen und hoffe, es kommt halbwegs verständlich an bei euch.
LG Caro60

15.08.2020 19:00 • x 2 #24


Hoffnung21
Hallo zusammen,

ich kann wenig zu SSRI´s sagen, da jeder Versuch, eines zu nehmen sofort scheiterte. Mir war so übel, dass ich nicht mal aufstehen konnte und bei mir schnellt bei SSRI´s der Blutdruck hoch. Also keine Chance für diese Gruppe für mich. Aber ich muss hier auch sagen, dass wirklich jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Beim Einen ist es das Mittel der Wahl, beim anderen geht es halt nicht. Probieren geht über Studieren!

@Caro60 , gut hört sich dein Erfahrungsbericht für mich nicht an. Außer ein bisschen psychische Stabilität in Form von ruhiger und gelassener werden zählst du nur Nachteile auf. Das Absetzen scheint auch sehr schwer zu sein. Kannst du nicht auf ein anderes Präparat umsteigen, das vielleicht ein bisschen besser hilft, oder hast du schon andere ausprobiert? Ich denke bei solchen Aussagen immer an den Chefarzt meiner Rehaklinik, der sich fürchterlich darüber beschwert hat, dass die niedergelassenen Kollegen die Patienten 1* einstellen, vielleicht noch 1* umstellen, aber dann bleiben die Patienten dabei, egal ob es ihnen gut geht oder nicht. Und das zum Teil über Jahre. Oft kommen sie dann kurz vor der Aussteuerung in die Klinik, werden von ihm umgestellt und fragen dann, warum das der bisherige Psychiater nicht schon lange mal ausprobiert hat. Natürlich konnte er auch nicht jedem helfen, aber manchen eben schon. Und jeder Patient, dem es danach besser geht, ist es Wert. Seitdem weiß ich, dass man sich nicht zufrieden geben sollte, ohne wirklich alles versucht zu haben. Bei mir hat es auch viele Umstellungen gegeben und medikamentös bin ich austherapiert, aber zumindest weiß ich, dass ich alles versucht habe.

15.08.2020 19:26 • x 1 #25


Irgendeine
Zitat von Michi87:
Was sind eure Erfahrungen mit SSRIs? Geht es euch damit besser? Welcher Wirkstoff und Dosis? Wie lange hat es bei euch gedauert bis die Medikamente gut wirken?

Ich hatte erst Sertralin. Davon war ich 6 Wochen quasi dauerhigh. Dann bekam ich Citalopram. Davon wurde ich so müde, dass ich es irgendwann abends genommen hab. Zum Schluss war ich bei 40mg und bin nach einem Suizidversuch auf der Geschlossenen gelandet.
Da wurde auf mein Drängen hin auf Venlafaxin in Kombi mit Valdoxan umgeschwenkt.
Das Venla hat mir zwar besser geholfen, allerdings waren einige der NW (u.a. verminderte Libido) für mich nicht mehr tragbar. Valdoxan war auch nicht so das Wahre.
Danach bekam ich Bupropion in Kombi mit Mirtazapin.
Bupropion bzw. die Kombi davon mit dem Mirta, ist das Erste, was mir über einen längeren Zeitraum relativ gut geholfen hat.
Aktuell geht's mir aber (leider) auch damit nicht mehr wirklich gut.

15.08.2020 19:30 • x 2 #26


A


Hallo Michi87,

x 4#27


M
Zitat von maya60:
Soweit ich es auch selbst erst in diesem Jahr erfahren habe, müssen Antidepressiva aus derselben Wirkgruppe nicht beim Wechsel des Medikaments erst ausgeschlichen werden, um dann wieder von vorne mit der Eingangsmedikation langsam zu beginnen.

Das macht Sinn. Erstens, weil man dann nicht zwei Monate lang in der Luft hängt und zweitens, weil der Körper ja schon vorkonditioniert ist. Wobei man dann auch in der Übergangszeit halbe, halbe machen könnte. Nur um auf Nummer sicher zu gehen. So hat der Körper Zeit das alte Präparat wieder zu vergessen. Schließlich adaptiert sich der Körper ja an einen spezifischen Wirkstoff. Aber das wissen die Ärzte sicher besser als ich. War nur so ein Gedanke.


Zitat:
@Caro60 , gut hört sich dein Erfahrungsbericht für mich nicht an. Außer ein bisschen psychische Stabilität in Form von ruhiger und gelassener werden zählst du nur Nachteile auf.

Finde ich auch. Zumal Gleichgültigkeit und sozialer Rückzug ja Ausdruck einer Depression sind bzw. die Depression eher aufrecht erhalten.


Zitat:
Ich denke bei solchen Aussagen immer an den Chefarzt meiner Rehaklinik, der sich fürchterlich darüber beschwert hat, dass die niedergelassenen Kollegen die Patienten 1* einstellen, vielleicht noch 1* umstellen, aber dann bleiben die Patienten dabei, egal ob es ihnen gut geht oder nicht. Und das zum Teil über Jahre.

Sehr gut beschrieben. Das ist leider die Realität.

17.08.2020 13:24 • x 1 #27