30

Wenn man nicht mehr helfen kann

S
Hallo, wer kennt es nicht, man arbeitet und merkt nach 8 Stunden, dass man noch lange nicht fertig ist. Man betreut seine 24-26 Patienten und macht zusätzlich seine Wochenenddienste. Schnell kommt man so auf eine Wochenarbeitszeit von über 80 Stunden. Das geht einige Monate gut. Nun war es soweit, dass ich dieses Wochenende nicht mehr konnte, hatte mir freigekommen.
Tatsächlich macht mir die Arbeit Spaß und ich mach sie gerne, aber ich denke 24 Stunden an die Arbeit und träume von der Arbeit. Familie sehe ich selten, Freunde fast gar nicht mehr. Nicht schön. Theorie? Kann ich, wo ich doch meine Dissertation zum Thema Burnout schrieb. Was hilft es einem? Theoretisch möchte ich keinen anderen Arbeitsplatz, aber immer mehr Kollegen haben gekündigt, was die Arbeitsbedingung für uns verbliebenen aggravierte. Nach einem Brandschreiben verbesserte sich die Situation, aber nur für 2 Wochen. Die waren schnell vorbei. Das große unter den kleinen Krankenhäusern ist schön und modern, gut gelegen. Viel wichtiger: Die Kollegen aus Pflege, Assistenzärzten, Oberärzten sehr gut, sogar dee Chef ist nett. Alle Überstunden dürfen wir aufschreiben und theoretisch auch freinehmen. Aber wann soll ich denn die Überstunden abbauen, wenn jede Woche 30-40 dazukommen?

Jetzt bin ich doch am überlegen in einem Hausarztpraxis zu gehen. Geregelte Arbeitszeiten sind hier der Stichpunkt, der mich dazu reizt. Nur hat mir meine Hospitation dort nicht wirklich gefallen: Die Kollegen zwar freundlich, aber die Medizin nicht dies was ich machen will. Für mich eine Zwickmühle.
Was ich will, kann ich so nicht mehr lange machen und was ich könnte, will ich nicht.
Hat jemand von euch gekündigt obwohl die Arbeit wirklich Freude bereitete?
Hallo, wer kennt es nicht, man arbeitet und merkt nach 8 Stunden, dass man noch lange nicht fertig ist. Man betreut seine 24-26 Patienten und macht zusätzlich seine Wochenenddienste. Schnell kommt man so auf eine Wochenarbeitszeit von über 80 Stunden. Das geht einige Monate gut. Nun war es soweit, dass ich dieses Wochenende nicht mehr konnte, hatte mir freigekommen.
Tatsächlich macht mir die Arbeit Spaß und ich mach sie gerne, aber ich denke 24 Stunden an die Arbeit und träume von der Arbeit. Familie sehe ich selten, Freunde fast gar nicht mehr. Nicht schön. Theorie? Kann ich, wo ich doch meine Dissertation zum Thema Burnout schrieb. Was hilft es einem? Theoretisch möchte ich keinen anderen Arbeitsplatz, aber immer mehr Kollegen haben gekündigt, was die Arbeitsbedingung für uns verbliebenen aggravierte. Nach einem Brandschreiben verbesserte sich die Situation, aber nur für 2 Wochen. Die waren schnell vorbei. Das große unter den kleinen Krankenhäusern ist schön und modern, gut gelegen. Viel wichtiger: Die Kollegen aus Pflege, Assistenzärzten, Oberärzten sehr gut, sogar dee Chef ist nett. Alle Überstunden dürfen wir aufschreiben und theoretisch auch freinehmen. Aber wann soll ich denn die Überstunden abbauen, wenn jede Woche 30-40 dazukommen?

Jetzt bin ich doch am überlegen in einem Hausarztpraxis zu gehen. Geregelte Arbeitszeiten sind hier der Stichpunkt, der mich dazu reizt. Nur hat mir meine Hospitation dort nicht wirklich gefallen: Die Kollegen zwar freundlich, aber die Medizin nicht dies was ich machen will. Für mich eine Zwickmühle.
Was ich will, kann ich so nicht mehr lange machen und was ich könnte, will ich nicht.
Hat jemand von euch gekündigt obwohl die Arbeit wirklich Freude bereitete?

22.10.2023 16:35 • x 1 #1


Pilsum
Hallo Seb.

Ich habe keine Situation erlebt, die mit Deiner beruflichen Lage vergleichbar ist.
Jedoch sage ich mal meine Meinung dazu.
Die hohe Arbeitsbelastung, die Du ständig hast, steht vermutlich kein Mensch lange durch.
Auch wenn Du Deine Arbeit gern machst. Ein Brief hilft da vermutlich eher wenig.
Ein Gespräch mit Deinen Vorgesetzten ist da sicher mehr angebracht.
Wer Dich derart viele Stunden arbeiten läßt, der braucht dringend Arbeitskräfte. Somit solltest Du eine
gute Gesprächsgrundlage haben. Kommt man Dir stundenmäßig nicht deutlich entgegen, sollten sie
wissen, dass Du das gesundheitlich nicht lange durchstehst.

Versuche also entweder bei den Dienstzeiten immer wieder mal Nein zu sagen, oder überlege.
ob das die richtige Arbeitsstelle für Dich ist. In Deinem Bereich werden ja überall Kräfte gesucht.
Du kannst Dich ja einfach mal woanders erkundigen.
Entscheiden musst Du ja nicht sofort etwas.

Viele Grüße
Bernhard

22.10.2023 18:52 • x 3 #2


A


Hallo Seb,

Wenn man nicht mehr helfen kann

x 3#3


S
@Pilsum Danke für deine Antwort! Die Vorgesetzten, unsere Oberärzte sind völlig überlastet. Die Oberärzte müssen zu dritt einen 24 Stunden Dienst gewährleisten und tagsüber mindestens zu zweit da sein. Und der Chef der sagt nur schöne Worte. Zeitweise gab es Leiharbeiter, welche die Krankenhausleitung leider nicht wirklich bezahlen möchte, da ein solcher 35.000-40.000Euro/Monat kostet, da die höhere Löhne haben als wir Festangestellten.

Habe mir Jobofferten heute auf der Arbeit ausgedruckt.

Ich möchte eigentlich im Krankenhaus in diesem Fachbereich bleiben. Nur ist’s bei Kollegen nicht viel besser woanders. Ein Teil meiner Kommilitonen schaffen es nur mit Einnahme von Medikamenten. Dies ist kurzfristig vielleicht ok, langfristig aber keine gute Lösung. Vielleicht ist aber ein Jahr Pause in einer Praxis mit geregelten Arbeitszeiten die beste Lösung.
Eine weitere Option für mich wäre mich von Mehrarbeit befreien zu lassen als Schwerbehinderter. Aber dann fühle ich mich schlecht meine Kollegen im Stich zu lassen.

22.10.2023 21:19 • x 1 #3


Pilsum
Zitat von Seb:
Eine weitere Option für mich wäre mich von Mehrarbeit befreien zu lassen als Schwerbehinderter. Aber dann fühle ich mich schlecht meine Kollegen im Stich zu lassen.


Wenn dies eine Option für Dich sein kann, dann denke darüber ernsthaft nach.
Einerseits finde ich es gut, wenn Du auch an Deine Kollegen denkst. Aber es geht immer
hauptsächlich um Dich selbst. Später bekommst Du kein Lob, weil Du oft an Deine Kollegen gedacht hast.
Auch ich habe oft zu wenig an meine Gesundheit gedacht. Irgendwann bekommen Viele dafür die Quittung.
Wie also macht man es richtig? Entscheide das für Dich alleine.

22.10.2023 23:20 • x 2 #4


HDD
Dein Arbeitgeber scheint ein richtig fieser Ausbeuterladen zu sein. Wie ich höre, ist das nicht selten im Gesundheits- und Pflegesektor.
Zitat von Seb:
Zeitweise gab es Leiharbeiter, welche die Krankenhausleitung leider nicht wirklich bezahlen möchte, da ein solcher 35.000-40.000Euro/Monat kostet, da die höhere Löhne haben als wir Festangestellten.

Und was kostet ein Festangesteller? Ich schätze mal, deutlich unter 10kEuro/Monat. Leiharbeit macht wirtschaftlich nur Sinn, wenn der Arbeitsanfall zeitlich begrenzt ist. Ist er doch aber nicht bei euch, oder? Also ist diese Argumentation seitens der Leitung schlicht Quatsch. Man dachte gar nicht daran, hier Abhilfe zu schaffen.

Ich kann dir nur raten, auf deine Gesundheit zu achten und Mehrarbeit auf das wirklich absolut Nötige zu beschränken. Melde deinen Überstundenausgleich vorher an, so dass er eingeplant werden kann und nimm ihn dann auch!

Ich verstehe schon, dass du deinen Kollegen da was zumutest - aber ihr alle zusammen solltet euch nicht auf diese Weise von eurem Arbeitgeber moralisch erpressen lassen.

Mein Argumentation wäre ganz einfach: Doppelte Arbeit = Doppelter Lohn. Das ist gerecht, und dieser Logik kann niemand ernsthaft etwas entgegen setzen. Entweder geht der Arbeitgeber darauf ein (unwahrscheinlich), oder es wird eben nur für soviel gearbeitet, wie auch bezahlt wird - oder du musst halt bereit sein, die Konsequenzen zu ziehen und dir eine andere Arbeit zu suchen. Nach dem was man hört, werden händeringend Kräfte gesucht...

22.10.2023 23:48 • x 2 #5


buddl1
ich kann dir nur raten, dich beruflich so zu ändern, dass du wieder in dein eigenes Gleichgewicht kommst.
es mag sein, dass ein Gefühl des im Stich lassen aufkommen könnte, aber der Arbeitgeber und meist auch die Politik im Gesundheitswesen (und nicht nur da) muss sich ändern, damit die qualitative hoch anspruchsvolle Arbeit nicht nur wieder ihre Wertung sondern auch die Machbarkeit bekommt. dort zu warten bis all die anderen gehen?
ne, alles wissen darüber Bescheid und sagen, sie können nix machen. na dann, ab zum neuen Job!
warum will keiner mehr als Aushilfe in einer Gaststäte arbeiten, warum ist der Pflegeberuf so unattraktiv?
alle wissen das, aber allein das Bürgergeld wurde für die unteren Einkünfte um 12 %erhöht, ganz ohne Streik oder so.
da kämpfen einige Berufszweige vergeblich....
ich bin nur enttäuscht, dass die wenigen bis zur Selbstaufgabe ihre Arbeit, ihren Beruf nachkommen und man zuckt nur mit dem Schultern...
buddl1,

23.10.2023 06:57 • x 1 #6


BlackKnight
War bei mir in einer anderen Branche allerdings ähnlich. Nach 10 Jahren habe ich gekündigt. Bin nun 7 Monate beim neuen AG. Und bin seeehr froh diesen Schritt gemacht zu haben. Ärgere mich nur deshalb, dass ich es hätte früher tun sollen.... (was aber nicht heisst, dass beim neuen AG alles perfekt ist. Nur: Wertschätzung, Jobinhalt und Geld passen... das ist das Wichtigste für mich und das läuft (bis jetzt‍️)

23.10.2023 07:13 • x 3 #7


Dys
Ich glaube es ist im medizinischen/pflegenden Beruf eher die Berufung, die Menschen dazu bewegt, diese Arbeit zu tätigen. Ich habe noch nie verstanden, dass diese Tätigkeiten nicht besser vergütet werden, denn dann würden die sich berufen Fühlenden auch sorglos ihrer Tätigkeit nachgehen können und es wären sicher einige mehr tätig, sodass die Arbeiten gleichmäßiger und nicht überlastender verteilt werden könnten.

Allerdings ist das meiner Meinung nach nicht nur ein politisches sondern auch ein gesellschaftliches Problem und hat vielleicht mit der Mentalität zu tun, die ein blauer Markt für Unterhaltungs-Elektronik mal kreiert hat.

Die hauptsächlichen Umbrüche im Gesundheits- und Pflege-System resultieren meiner Meinung nach aus der Privatisierung von Kliniken und dem Wegfall des Zivildienstes aufgrund der ausgesetzten Wehrpflicht. Die Leiharbeit trägt da ebenso ihren Beitrag. Aber einzelne Faktoren alleine zu ändern wird nicht reichen, das System zu verbessern.

Spätestens wenn jemand aus der Pflege mit dem Gehalt an seine Grenzen kommt, wird er, sofern er Beruf bleiben will, ein besseres Angebot einer Zeitarbeitsfirma in Betracht ziehen. Ungeachtet dessen, das diese ja auch nur Profitorientiert ist und der Zeitarbeiter seine Kollegen und Vorgesetzte in der Zeitarbeitsfirma mit finanziert. Deshalb kostet den Kunden ja ein Zeitarbeiter meist ein Vielfaches eines selbst fest angestellten Mitarbeitenden. Bei kurzfristigen Einsätzen mag das rentabel für den „Kunden“ sein, nur eben nicht für längere.
Wenn aber quasi nur noch Zeitarbeiter zu bekommen sind, beißt sich das. Es ist also auch da, wie bei so vielem, eine Abwärts-Spirale vorprogrammiert und irgendwann lässt sich das auch dann nicht mehr finanzieren.

So bedauerlich das ist, ich verstehe jeden, der irgendwann nur noch sieht, wie es für einen selbst am besten ist und hoffe, dass derjenige nicht irgendwann in ein moralisches Dilemma verfällt wenn keine Berufung mehr gesehen wird. Leider gehen die Entwicklungen wohl in diese Richtung und ich denke die schaden vielen im Allgemeinen und nutzen leider trotzdem wenigen auf unterschiedlichen Weisen. Meistens halt wenns ums Geld geht.

23.10.2023 11:11 • x 3 #8


S
@Dys Über das Gehalt kann ich nicht klagen, ich verdiene alleine doppelt so viel wie meine Eltern in der Industrie zusammen und habe als Assistenzarzt, auch wegen der Überstunden ein fünfstelliges Bruttomonatsgehalt. Es will leider keiner diesen Beruf abseits der großen Städte machen und ich bin kein Stadtmensch. Es ist das Arbeitspensum. Mehr als 12 Patienten kann man in 8 Stunden nicht sorgfältig betreuen meiner Meinung nach. Private Krankenhäuser sind da nicht schlechter als öffentliche Häuser, was die Arbeitsbedingungen angehen. Habe jetzt mit einer Kollegen noch vom Spätdienst gesprochen. Diese will sowieso Hausärztin werden. Die arbeitete bis 20 Uhr um am nächsten Wochenendmorgen zum Frühdienst zu kommen. Als gute Krankenhausführung müsste man von anderen Häusern mehr abwerben. Dies passiert leider kaum bei uns.

23.10.2023 17:32 • #9


S
@HDD Mein Gehalt dreht sich so um 12.000-14.000Euro je nach Anzahl der Überstunden, wobei das Leiharbeitergehalt in dieser Höhe für 40 Wochenstunden gilt. Seitdem ich 600 Überstunden habe, lasse ich mir den Rest auszahlen. Bringt ja nichts, wenn ich nur noch mehr ansammle.
Mein Arbeitgeber ist aber noch ganz fair. Überstunden werden notiert und aufgeschrieben. Im kommunalen Krankenhaus der Stadt ist dies nicht so. Heute bin ich mal fast pünktlich raus und ließ den Mitarbeitern im Büro mitteilen, dass ich meine Patientenakte abschließe, sobald ich dafür in der regulären Arbeitszeit Platz finde. War ganz schön so.

23.10.2023 17:38 • x 1 #10


S
@buddl1 Habe nun in der Praxis angerufen und gehe dort hospitieren. Wenn mir gefällt müssen die Zahl der Urlaubstage gleich denen im Krankenhaus sein und dann bleibe ich wahrscheinlich in der Praxis. Danke!

23.10.2023 17:40 • x 1 #11


S
@BlackKnight Wertschätzung durch Vorgesetzte und Gehalt passen bei mir auch. Es ist nur das Arbeitspensum und die Krankenhausverwaltung die mich so massiv stören.

23.10.2023 17:41 • x 2 #12


HDD
@Seb: Tut mir Leid wegen der Gehaltseinschätzung, ich hatte dein Posting nicht genau genug gelesen. Aber ich finde es gut, dass du anfängst, Kante zu zeigen. Nur so wird das was.

Ich wünsche dir jedenfalls gutes Gelingen!

23.10.2023 20:37 • #13


S
@HDD Ist ja nicht schlimm. Ich weiß nicht wieso Leute glauben im Krankenhaus seien die Gehälter niedrig. Das Problem sind die Bedingungen und das Arbeitspensum, tatsächlich nicht die Gehälter.
Habe nun eine Nachricht auf meinem Schreibtisch gefunden… Dass ich nicht vergesse, ich hätte Arbeit.

24.10.2023 07:25 • x 1 #14


Dys
Zitat von Seb:
Es ist das Arbeitspensum. Mehr als 12 Patienten kann man in 8 Stunden nicht sorgfältig betreuen meiner Meinung nach.

Wenn ich gerade so an meinen Aufenthalt wegen einem Herzinfarkt letztens denke, so hatte ich nach der Stentsetzung gerade 2 mal ca. 10 minütige Gespräche mit der Assistenzärztin auf der Station. Wenn ich nicht schon Erfahrung und Wissen über meine KHK seit dem ersten Infarkt gehabt hätte, wäre ich ziemlich ahnungslos aus dem Krankenhaus herausgegangen. Daher sprach ich die Berufung an und weil der Titel Deines Themas ja hergibt, dass es schwierig ist, helfen zu können.

Als Patient möchte ich natürlich die Zuwendung, die ich brauche, um mich zumindest etwas sicher fühlen zu können und die erwarte ich eigentlich nur von jemandem, der sich auch tatsächlich berufen sieht, Menschen helfen zu wollen.
Zitat von Seb:
Als gute Krankenhausführung müsste man von anderen Häusern mehr abwerben. Dies passiert leider kaum bei uns.

In dem städtischen Krankenhaus hatte ich von der Einlieferung bis zu Entlassung mit insgesamt 4 verschiedenen Ärzt:innen Kontakt, von denen 3 recht gebrochen deutsch sprachen und es bisweilen schwierig war, diese richtig zu verstehen. Es wird meines Erachtens schon abgeworben, nur überwiegend im Ausland. Wobei ich Abwerben auch etwas kritisch sehe, denn jeder Abgeworbene fehlt ja woanders. Mir wären mehr Studiengänge für sich berufen Fühlende da tatsächlich lieber. Auch was die Versorgung mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten angeht, da viel wichtiger und tatsächlich auch lieber.

Was das Pflegepersonal angeht, sieht es ja auch nicht besser aus und da scheint mir zudem halt auch die Vergütung zusätzlich mit reinzuspielen, denn die Patientenanzahl ist ja auch da nicht unerheblich. Wenn man dazu noch bei den momentanen Lebenskosten auch noch mit dem Gehalt gerade so über die Runden kommt, lässt das sicher jegliche Berufung irgendwann ins Hintertreffen geraten.

Ich hatte in den 80er Jahren einen Motorradunfall und da sah alles ganz anders aus mit genügend Personal und Zivildienstleistenden. Da empfand ich schon, dass jegliche Bemühungen irgendwie mehr „von Herzen“ kam, die mir zuteil wurde. Damals war das städtische Krankenhaus auch tatsächlich eins, heute ist es teil einer Kette mit tollem Namen und hat halt nur den städtischen Versorungsauftrag.

Es ist also ein Dilemma, als Patient würde ich eigentlich auf die Frage, „Wenn man nicht mehr Helfen kann?“ eigentlich antworten, „dann sollte man es, auch im Interesse des Patienten, lieber lassen“. Nur das wäre natürlich bezüglich der medizinischen Versorgung von Menschen fatal. Ein missgelaunter Arzt, der aber hilft, ist mir dann immer noch lieber, als garkeiner, wenn ich drauf angewiesen bin, dass man mir hilft. Und ein fitter und ausgeschlafener ebenso.

Ich war mein Arbeitsleben lang im Dienstleisungssektor beschäftigt und sah meistens auch eine gewisse Berufung in meinem Job und dementsprechend war meine Leistung in der Firma, aber vor allem gegenüber der Kundschaft, von der ich glaube, dass es kaum eine gab, die sich schlecht behandelt gefühlt hat. Meine zahlreichen Überstunden konnte ich abfeiern, als feststand, dass die Firma geschlossen wird und eine Auszahlung nicht in Frage kam. Ich fand mein Gehalt auch immer angemessen, wobei ich natürlich ein höheres sicher nicht abgelehnt hätte. Hätte ich zu irgendeiner Zeit meine Berufung nicht mehr gesehen und nicht mehr den Kunden „helfen“ können, wie ich es tat, hätte ich mir was anderes gesucht. Bei den beiden Jobs, die ich nach der Firmenschließung hatte, war das dann auch tatsächlich der Fall. Da sah ich keine Berufung mehr und das machte mich endgültig Krank. Ich hab diese Jobs dann gelassen, weil da garnichts mehr passte, weder Gehalt noch Wertschätzung und eben auch die Berufung fehlte, weswegen ich mich ja sonst immer ins Zeug legte.

Mir ist natürlich klar, dass nahezu jeder Arbeitgeber eine Berufung des Angestellten auch ausnutzt und nicht nur als nützlich ansieht. Nur im medizinischen Bereich sollte der Patient nicht nur als Arbeit oder Etwas angesehen werden, das es abzuarbeiten gilt, weil das nächste „Projekt“ schon wartet. Leider geht die Entwicklung meiner Meinung nach genau in diese Richtung. Mit Menschen in schwierigen Situationen umzugehen, kann nicht einfach nur als ein Job angesehen werden, ohne sich berufen zu fühlen, meiner Meinung nach. Mit Menschen die mit mir nur so umgehen, weils deren Job ist und wenigstens das Gehalt stimmt, mag ich auch eher nichts zu tun haben. Weder bei Institutionen, noch im medizinischen Sektor. Leider kommt es natürlich trotzdem immer wieder vor, dass ich es mit solchen Menschen zu tun bekomme.

Thats Life

24.10.2023 07:52 • x 1 #15


S
Tatsächlich wurde ich abgeworben. War zufällig in Deutschland im Urlaub, bin mit Luftnot in die Notaufnahme, wurde toll behandelt. War gerade am Ende meines Medizinstudiums. Da war die Frage ob ich in Rumänien bleibe oder den Wunsch meiner damaligen Freundin (war aus Tunesien und lebte seit 2015 in Rumänien) nach Deutschland zu ziehen folgte. Ich machte dies dann, aber sie bemühte sich nicht ums Visum. Schlussendlich bin ich in Deutschland gelandet.

Das große Problem: Mit der Überarbeitung passieren Fehler und damit diese nicht passieren muss man dann umso mehr arbeiten. Dies ist quasi ein Teufelskreis.
Sie wissen sicherlich was ich meine, wenn ich mir Ihren Kommentar durchlese.
Ich wünsche Ihnen alles Gute! Viel Gesundheit!

24.10.2023 13:53 • x 2 #16


Alexandra2
@Seb
Ich wurde auch massiv ausgebeutet mit 400% mehr Arbeitspensum als vorgesehen und hatte es nicht mehr geschafft, den Arbeitgeber anzuzeigen bei der Berufsgenossenschaft. Mich hat es immer interessiert, das mal zu tun. Außerdem ist mit den desolaten Arbeitsbedingungen nachweisbar die Fürsorgepflicht verletzt, das müsste eigentlich auch anzuzeigen sein. Anwalt für Arbeitsrecht
Liebe Grüße Alexandra

24.10.2023 14:31 • x 1 #17


S
@Alexandra2 57 notierte Verstöße gegen das Aebeitszeitgesetz hatte ein Kollege im August, da hatte ich 55 Verstöße. Ist schade ums Krankenhaus wenn alle gehen, aber wenn sich niemand für die Ärzte verantwortlich fühlt… Tatsächlich wurden als mal zeitweise Krankenschwestern unterbesetzt waren eine Station gesperrt (gibt sonst Strafen bei Unterbesetzung). Interessanterweise ist die ärztliche Besetzung aber gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Morgen habe ich ein Gespräch mit dem Chef nochmal und Dienstag gehe ich in einer Praxis hospitieren.

25.10.2023 22:30 • #18


Alexandra2
@Seb
Soweit ich weiß, speist sich die Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsvertrag. Und die Arbeit muss zu schaffen sein, das ist eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers. Wenn das nicht leistbar ist, ist eindeutig, dass der AG zu wenig Mitarbeiter einsetzt. Und damit ist wieder die Fürsorgepflicht und Vertragspflicht verletzt....
Und die Berufssbezeichnung im Vertragpflicht den AG zur Einhaltung berufstypischer Arbeiten.
Es gibt doch Ärztegewerkschaften, machen die keine Rechtberatung und unterstützen Klagen bzw führen sie stellvertretend durch?
Und die Berufsgenossenschaft en sind verpflichtet für alle Arbeitnehmer des Betriebes Gesundheitsschutz zu betreiben.
Arbeitgeber sind raffiniert und unverschämt, ihre Pflichten zu unterlassen. Erst Recht im Gesundheitswesen.

26.10.2023 08:10 • x 2 #19


S
@Alexandra2 Ja klar sind wir zu wenig. Wir haben nicht mal die Hälfte der genehmigten Stellen besetzt. Hatte ein Mitarbeitergespräch mit dem Chef. Seine Antwort im Groben zusammengefasst: Arbeiten Sie weniger, sagen Sie auch mal nein und ich solle mich nur auf die wesentliche konzentrieren. Nebensächliches dem Hausarzt quasi überlassen. Toll.
Eine werdende Vorgesetzte hat erfahren, dass ich gehen möchte. Hat mir gesagt, ich solle mir einen Plan B überlegen, weil die Kollegen xyz auch überlegen zu kündigen. Sie hätte ich gerne als Oberärztin: Medizinisch toll, menschlich ehrlich und stets hilfsbereit. Sie arbeitet auch sehr gründlich. Aber würde ich ihr empfehlen bei uns Oberärztin zu werden? Eigentlich nicht. Eigentlich nicht. Mit bis zu zehn 24-Stundendiensten (Rufbereitschaft) pro Monat zusätzlich zu den normalen Tagdiensten habe ich das Gefühl, dass die wirklich ausgenommen werden und die beiden älteren Oberärzte sind meiner Meinung nach kurz vor dem Burnout (man merkt, dass sie auf fragen mittlerweile sehr agitiert antworten usw.).

26.10.2023 22:06 • x 2 #20


Alexandra2
@Seb viele Unternehmen im Gesundheitswesen arbeiten mit dieser Doppelmoral, Beschäftigte opfern ihre Gesundheit, damit die Herren sich die Taschen vollstopfen können. Es war einer der größten Fehler der Politiker, die Kliniken zu privatisieren.
Ehrlich? Ich würde trotzdem einen Anwalt für Arbeitsrecht einschalten. Von 2 Fällen weiß ich, die dadurch große Verbesserungen erreichten: einee
Einer eine Abfindung von 1 Mio und Einhaltung Arbeits- und Schwerbehindertenrecht, das letztere zeigt doch die Verschlagenheit, einfach widerlich. Beide Fälle waren (subtiles) Mobbing.
Ich wünsche Dir, dass Du immer genügend Kraft für Dich zurück behältst, um Deinen Weg zu gehen.
Liebe Grüße Alexandra

27.10.2023 08:03 • #21


A


Hallo Seb,

x 4#22


Dakota
Man kann sich auch fragen, wie authentisch ist ein System eigentlich, dass Kranke und Bedürftige versorgt und die Versorgenden gehen selbst kaputt dabei ...

27.10.2023 16:51 • x 1 #22

Pfeil rechts




Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag