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Unendliche Hürden bei erster Therapieplatzsuche

C
Hallo,
Ich bin 21 Jahre alt, (noch) Studentin aber bald wohl Arbeitslosengeld II-Bezieherin. Ich werde voraussichtlich Ende September mit einem Bachelorabschluss exmatrikuliert und habe keinerlei Plan für die Zukunft. Scheinbar ist es dann der übliche Weg, dass man sich für Hartz IV meldet. Darin liegt ja eigentlich nichts Verwerfliches, allerdings gehen damit so manche Probleme einher .

Ich bin, soweit ich mich erinnern kann, schon spätestens seit meinem 13. Lebensjahr irgendwie psychisch erkrankt. Ich kann lediglich Vermutungen anstellen, was mit mir los ist, weil nie eine Diagnose gestellt wurde, ich war nie bei einem Arzt. Es scheint allerdings im Groben in die Richtung Depression und Soziale Phobie zu gehen, wer weiß was sonst noch alles. Meine Familie und Freunde wissen davon nichts. Das ist alles mit einer riesigen Scham und einem unglaublichen Schmerz verbunden und eine Vertrauensgrundlage für ein Geständnis ist da auch nirgends. Der September rückt allerdings immer näher, sodass ich mich immer schlimmer und verzweifelter fühle. Daher der Plan eine Therapie in Anspruch zu nehmen.
Nun bin ich soweit gekommen ein paar potentielle Therapeuten im Internet recherchiert zu haben, die infrage kämen. Das ist schon ein gewaltiger Schritt zu dem ich zuvor nie in der Lage war.

Allerdings sind diese Therapeuten stundenlange Zugfahrten von sowohl meinem Elternhaus als auch von meiner Mietwohnung in der Unistadt entfernt. Vor Ort waren in beiden Fällen die Online-Suchergebnisse alle sehr, sehr mau und kamen nicht infrage. Die nächsten sind nun eben in einer größeren Stadt und ich habe kein Auto. Mit meinem Studenten-Zugticket käme ich aber wenigstens von meiner Unistadt dorthin. Nun weiß ich allerdings, dass Wartezeiten von sogar mehreren Monaten zu erwarten sind. Bis dahin bin ich dann wohl schon Arbeitslosengeld II-Empfängerin und habe kein Studententicket mehr. Die Monatskarten für die Strecke sind unbezahlbar. Nach einer Google-Suche habe ich dann über Sozialtickets lernen können, die gelten aber nur innerhalb der Unistadt. Ich sitze also fest.

Das ist aber nur eine von vielen Hürden: Es ist eine Liste an komplizierten, verstrickten Hindernissen, die mich davon abhalten endlich nach Jahren mich zu einer Therapie zu trauen. Zum einen stehe ich mir selbst im Weg, ich habe allein so große Angst vor einem klitzekleinen Telefonat zur Vereinbarung eines Erstgesprächs, geschweige denn sehe ich mich in der Lage überhaupt einen Termin bei meinem Hausarzt zu machen oder mich irgendwem überhaupt anzuvertrauen. Auch der Gedanke an Erstgespräche oder tatsächliche Therapiesitzungen ist so beängstigend. Und dass dann womöglich auch noch mehrmals, um den richtigen Therapeuten zu finden?
Je länger ich es in Erwägung ziehe mir Hilfe zu holen, desto schwieriger wird es. Desto unmöglicher erscheint mir alles und desto eher bin ich verleitet einfach alles aufzugeben. Das ist alles so lähmend, ich drehe mich im Kreis und finde keine Lösung. Und ich bin so müde.

Meine Frage ist also, ob ihr vielleicht Auswege erkennt, die ich nicht sehe. Ob ihr Ratschläge habt, was ich unternehmen kann oder was euch geholfen hat endlich Hilfe zu suchen und anzunehmen. Wie ihr mit diesem unendlichen Schamgefühl umgeht und woher ihr die Energie genommen habt, überhaupt etwas zu tun. Ich bin für jede Antwort dankbar.

Liebe Grüße,
crca

(Dieser Beitrag passt thematisch auch vielleicht in mehrere Foren gleichzeitig, ich hoffe ich habe aber ein geeignetes ausgewählt?)

11.08.2020 00:23 • #1


K
Liebe @crca

Informiere dich doch einmal, ob deine Krankenkasse Online-Therapien anbietet. Das tut meine zum Beispiel. Ich hatte das Problem, nicht gut während der Arbeitszeit mal eben so für eine gute Stunde verschwinden zu können und dann evtl. sogar noch verheult wieder zur Arbeit zurückzukehren.
Es ist nicht dasselbe, aber besser als gar nichts. Und es schafft Flexibilität, da du dann natürlich nicht ewig dorthin musst, sondern dich bequem vom heimischen Rechner einloggst.
Viel Glück und bitte nicht entmutigen lassen!

11.08.2020 09:24 • x 1 #2


M
Hallo crca,

ich hatte vor meinem ersten Therapiegespräch auch Angst. Das hat sich aber schon während der ersten Sitzung geändert und inzwischen gehe ich sehr gerne in die Therapie. Es geht mir durch die Therapie wirklich besser. Manchmal sind die Therapiestunden sogar mein Wochenhighlight (traurig, ich weiß, aber so ist das eben ). Ich habe am Anfang mehrere Erstgespräche gemacht und die Therapeuten waren alle unglaublich nett und verständnisvoll. Überhaupt nicht wertend oder vorwurfsvoll (davor hatte ich eigentlich Angst). Ich hätte bei jedem davon sofort eine Therapie begonnen. Am Ende habe ich die Therapeutin gewählt, die als einzige einen freien Platz hatte.

Es gibt mehrere Wege einen Psychotherapeuten zu finden. Meiner Erfahrung nach sollte man alle davon parallel nutzen, weil man damit die Chance erhöht möglichst zeitnah einen Platz zu bekommen. Du kannst bei der Terminservicestelle der kassenärztlichen Vereinigung anrufen und um einen Termin bitten. Dort bekommt man meistens schnell einen Termin für ein Erstgespräch. Außerdem kannst du auch selbst auf die Suche gehen. Eine Liste über die kassenzugelassenen Psychotherapeuten bekommst du von deiner Krankenkasse. Einfach dort anrufen, die schicken dir eine Liste zu. Ich war übrigens erstaunt darüber, wie lang die Liste wirklich ist. Ich hatte bei mir in der Stadt auch nur ca. 30 Therapeuten online gefunden. Das sind aber nur die, die sich um einen Online-Auftritt bemühen. Am Ende habe ich eine zwölfseitige Tabelle bekommen. Allein eine Seite hatte ca. 30 Therapeuten gelistet. Es ist oft schwierig einen am Telefon dranzubekommen, aber versuch ein paar davon abzutelefonieren. Frag ob sie dir ein Erstgespräch anbieten können und ob sie in absehbarer Zeit auch einen freien Therapieplatz haben. Vereinbare gleich mehrere Erstgespräche. Später absagen geht immer noch.

Viele Grüße,
Michi

11.08.2020 12:00 • x 1 #3

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