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Wutausbrüche meines Mannes machen mich fertig

K
Hallo,

ich möchte kurz meine Situation schildern und hoffe darauf, dass jemand ähnliches erlebt hat und mir weiter helfen kann.

Mein Mann und ich sind seit 19 Jahren verheiratet und haben zwei Kids (10 und 12 Jahre alt) Von Anfang an war das Thema Leistung heikel, ihm war es sehr wichtig, ich sehe das deutlich lockerer.
Er arbeitet als Lehrer und war in den ersten Jahren seines Berufs sehr engagiert und interessiert. Seit etwa vier Jahren befindet er sich aber in einer Abwärtsspirale, die sich dadurch äußert, dass er mehrere Wochen in totalem Stress und kaum ansprechbar ist und sobald der Stress nachlässt kommt es unweigerlich zu einem Riesenkrach zwischen uns beiden.
Traditionellerweise immer zu den Ferien.
Jetzt ist es wieder so weit. Er fordert dann von mir, ihn komplett in Ruhe zu lassen und bekommt bei ganz kleinen Sachen Wutanfälle, die es in sich haben. Über die Wutanfälle und die jeweiligen Situationen darf ich dann aber auch nicht mit ihm sprechen, auch hier gilt Lass mich einfach nur in Ruhe.
Da ich in den davor liegenden Stresssituationen ja auch schon ständig dafür sorgen soll, dass nur ja nichts zu viel wird und auch in den Ferienzeiten keine Gespräche über Kritik oder Ärger von meiner Seite führen darf, gehe ich mittlerweile auf dem Zahnfleisch.
Egal, was ich sage, egal, wie ich es sage, er macht sofort zu.
Da ich selber auch als Lehrerin arbeite, bräuchte ich die Ferien selbst als Erholungszeit, kann aber die Uhr danach stellen, dass es mindestens einen Riesenkrach gibt, der mir alle Kraft aussaugt und mich hilflos und, ja ich muss es sagen, tief verzweifelt zurück lässt.
Nach meiner Einschätzung befindet er sich in eine Art Dauer Burn - out, lehnt Hilfe aber völlig ab, sagt nur Immer bin ich der Böse. Gesundheitlich geht es ihm auch schon dauernd mies.
Zwar habe ich jetzt schon Hilfe bei einer Beratung gesucht, die mir auch schon gute Tips geben konnte, aber ich weiß einfach nicht mehr, wie ich mit dieser inneren Verzweiflung umgehen soll.
Kann mir jemand da etwas berichten?

13.06.2019 06:31 • x 2 #1


A
Liebe Kranich,
fein, dass du zu uns ins Forum gefunden hast! Hier versuchen wir uns wertschätzend gegenseitig zu helfen.
Ich war bis vor kurzer Zeit auch Lehrerin, bin nun wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden.
Die Jahre zuvor war ich an den meisten Tagen des Schuljahres einschließlich der Ferien so erschöpft, dass ich auch nur noch in Ruhe gelassen werden wollte. Bei mir lag die schwere Erschöpfung an meiner chronischen Krankheit. Ich war nur noch unleidlich, beteiligte mich nicht mehr an gemeinsamen Unternehmungen und lehnte jegliche Hilfe ab.
Es gab oft Krach mit der Familie und mit meinem Mann.
Geholfen hat mir der völlige Rückzug meines Mannes. Ich musste selber dahinter kommen, dass ich mir Hilfe suchen muss. Das war nochmals eine schwierige Zeit, denn es dauerte, bis ich mich auf mich selber wieder einstellen konnte.
Als mein Mann sah, dass ich gewillt war, für die Besserung meines Befindens etwas tun zu wollen, wurde auch die Beziehung wieder besser. So lange ich der Auffassung war, umsorgt werden zu müssen, verlangte ich von meinem Mann viel zu viel. Er hat neben seinem Beruf Haus und Garten in Ordnung gehalten, eingekauft, Behördengänge gemacht.
Wir sind heute ein gutes Team, wir unternehmen vieles zusammen, aber auch Freiräume werden gegenseitig respektiert. Wenn ich aus gesundheitlichen Gründen wieder in ein kurzes Tief abrutsche - das passiert ziemlich oft -
bemühe ich mich, den Alltag mitzugestalten, so weit ich es kann. Manche Dinge funktionieren nicht mehr, planen kann ich auch nicht mehr. Vieles muss spontan entschieden werden. Das alles ist sehr belastend. Wenn ich mit mir am Hadern bin und in eine depressive Phase hineingerate, ermuntere ich meinen Mann, alleine etwas zu unternehmen. Es fällt mir jedoch schwer, weil ich in den Episoden der Krankheit ziemlich wütend auf mich selber werde.

Vielleicht geht es deinem Mann ähnlich? Er wird merken, wie sehr er sich verändert hat und mit der Situation noch nicht umgehen kann. Wie würde er denn reagieren, wenn du seinem Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, nachkommst? Auch wenn ihr früher viel zusammen gemacht habt: Wäre es möglich, dass du mit deinen Kindern die Ferien an einem anderen Ort verbringt? Du hast es ganz richtig gesehen, dass du auch die Ferien für dich selber brauchst, um zu Kräften für den nächsten Schuljahresabschnitt zu kommen.
Einstweilen viele Grüße von Mayke

13.06.2019 08:08 • x 3 #2


A


Hallo Kranich,

Wutausbrüche meines Mannes machen mich fertig

x 3#3


K
Hallo, Mayke,

erstmal Danke für deine Antwort und Danke für die Ermutigung dadurch, dass ihr immer noch zusammen seid.

Hier aber meine weitergehende Frage:
Wie sah der denn aus, der völlig Rückzug deines Mannes von dir?

Denn eigentlich bin ich ja schon die ganze Zeit dabei, dafür zu sorgen, dass mein Mann nur ja nicht unter Stress gerät.
Nur leider sagt er mir nie einfach, dass er jetzt Ruhe braucht, sondern sorgt für einen Riesenkrach, bei dem er mich und die Kinder von vorne bis hinten kränkt. (schei. Familie, Hauptsache, euch gehts gut, Immer blockerst du mir alles zu)

Ich versuche, für meinen Mann ansprechbar zu bleiben, aber nach einer Weile ertrage ich es nicht mehr (vor allem dann, wenn noch nicht einmal ein einfacher Fahrdienst funktioniert), mir brennt die Sicherung durch und dann bekomme ich zu hören Lass mich mit deinen Diskussionen in Ruhe. So kann ich nichts mehr ansprechen, denn in Stresssituationen geht es nicht, weil halt Stress ist und in den Ferien geht es nicht, weil er Ruhe braucht.

Da ich diejenige in der Familie mit einem Sozialleben bin, ist es für mich nicht schwierig, ihn in Ruhe zu lassen.
Aber ich bin emotional immer noch sehr angreifbar durch ihn. Hat wohl mit Bedürfnissen zu tun.

Wie hat es also dein Mann gemacht? Hat er gar nicht mehr mit dir geredet? Ist er freundlich geblieben oder war er abweisend?

Danke für deine Antwort.

13.06.2019 08:28 • x 1 #3


A
Liebe Kranich, ich bin grad auf dem Sprung, antworte dir aber gern später, versprochen!
LG Mayke

13.06.2019 08:47 • x 1 #4


A
Liebe Kranich,
nun haben wir unsere selbst auferlegten Kuranwendungen hinter uns, sind wieder in unserer Unterkunft angelangt und machen nun Siesta bis Abend.
Du wolltest wissen, wie der Rückzug meines Mannes aussah. Er ging schrittweise vonstatten. Ich habe lange Zeit nur wenig von meinen gesundheitlichen Störungen erzählt. Erst als ich immer schwächer wurde, gingen die Meinungsverschiedenheiten los. Ich brauchte ihn, weil ich z.B. nicht mehr selber mit dem Auto fahren konnte und andere Störungen traten auch phasenweise auf.
F. sagte klipp und klar, dass er mich zu den Ärzten begleiten werde, aber mehr auch nicht. Eine lange Zeit redeten wir nur sachlich über Notwendiges. Er ging seinen beruflichen Verpflichtungen nach, machte oft auch Überstunden und an Wochenenden vertiefte er sich in den Umbau des Hauses. Ich weiß, dass er Angst vor meinen Herzanfällen hatte und vor meinem Leid davonlief. Er war überfordert damit, helfen zu wollen, es aber nicht zu können. So zog er sich in den einen Hausteil zurück und ich wohnte im anderen, mehr schlecht als recht. Eine Kommunikation fand nur selten statt. Meine Einkäufe ließ ich mir nach Hause liefern. F. war nicht unfreundlich zu mir, wenn wir uns begegneten, aber er sagte oft, dass ich mit mir selber klarkommen müsse, weil er mir nicht helfen konnte. Mir hätte damals schon eine Umarmung oder ein Trostwort gereicht, um mir nicht so fürchterlich einsam vorzukommen.
Aus dem Rückzug meines Mannes habe ich gelernt, dass ich für mich selbst sorgen muss und das auch kann. Der Wunsch, weitere Fachärzte aufzusuchen, kam von mir selber, denn ich hatte niemanden, den ich direkt hätte fragen können. Unsere Kinder hielten sich aus allem heraus, aber das war abgesprochen.
Mühsam raffte ich mich auf, an störungsfreien Tagen aus meinem Schneckenhaus zu kriechen. Vor allem aber war ich von einer erfahrenen Psychotherapeutin gut betreut. Mein Mann hatte sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen.

Nach einem deutlichen Gespräch mit einem Facharzt konnten F. und ich uns wiedere annähern. Mein Mann erfuhr, dass meine Krankheit immer auch von depressiven Phasen begleitet wird und dass ich mich keinesfalls nur anstelle. Ich selber erfuhr, dass ich lernen soll, mit der Krankheit zu leben, gute Tage zu nutzen. In schwachen Episoden soll ich achtsam in mich hineinhören, ob eine Teilnahme am Alltagsleben möglich sei. Wenn ja, dann bitte tun, wenn nein, im Sessel sitzen bleiben.
Seit dem vergangenen Winter sind mein Mann und ich wieder ein Team und derzeit in Urlaub.

13.06.2019 15:53 • #5


K
Vielen Dank für deine Offenheit.
Bei uns hat es sich gerade ein bisschen beruhigt. Meine Eheberaterin hat mir auch gesagt, dass mir immer klar sein muss, dass eine Ehe mit einem solchen Mann sehr viel Energie verschlingt und wenn ich das nicht will, muss ich mich umorientieren.
Will ich aber nicht, also durchhalten und versuchen, Wege zu finden.
Euch noch einen schönen Urlaub.

13.06.2019 16:03 • #6


O
Hallo Kranich, ich bin neu in diesem Forum und habe genau nach dieser Art Frage gerade gesucht. Mein Freund hat ebenfalls Depressionen und ist dann zeitweise unberechenbar. Ich habe ihn mit dieser Krankheit kennengelernt und mich direkt angefangen zu informieren, weil ich anfangs gemerkt habe wie die Situation durch meine Worte schlimmer wurde und ich gar nicht verstanden habe warum. Aber das habe ich gelernt. Doch eine Sache habe ich noch nicht gelernt und das sind seine bösen Attacken dann mir gegenüber. Seine Depression ist merkbar besser geworden. Das schreibe ich auch mir zu, da er selbst sagt, daß ich einen Zugang zu ihm habe, den keine Partnerin vor mir hatte. Aber manchmal sind seine Ausbrüche so extrem, daß ich so sauer werde. Er beleidigt mich, redet von Trennung und gibt mir das Gefühl irgendwas falsch gemacht zu haben. Dabei war bis dahin alles super. Ganz plötzlich. Und ich hab solche Schwierigkeiten damit umzugehen. Er weiß genau wie er mich verletzt und wie er mich von sich wegstößt. Ich versuche immer gegen an zu halten und einfach ruhig zu sein und sage ihm das ich ihn Liebe, aber diese Distanz tut sehr weh

18.06.2019 20:40 • #7


mutmacher
hallo, Kranich
Ich war 7 Jahre mit einem cholerischen Psychopath verheiratet, habe in dieser Zeit 2 Kinder geboren und schlicht die Hölle durchgemacht! Warum bin ich nicht früher gegangen ?-- viel Leid wäre mir und den Kindern erspart geblieben. Meine Vorstellung, eine Familie unbedingt zusammenhalten zu müssen, war falsch. Irgendwann hat man einfach keine Kraft mehr, die Kinder leiden und es gibt nur eins- nix wie weg! Heute bin ich so dankbar, diesen Schritt gemacht zu haben- er hätte uns alle kaputt gemacht.

19.06.2019 19:24 • #8


Ilse77
Hallo Ostseekind,
ich bin kein Experte im Thema Depression, aber auch eine Erkrankung gibt niemandem das recht, einen anderen runterzuputzen und zu beleidigen. Vielleicht steckt noch etwas anderes dahinter. Ich dachte lange, mein Ex Mann hätte Depressionen. Hatte er vielleicht ein Stück weit, aber da war noch mehr faul. Er sagte auch, ich wäre die einzige Frau die ihn verstünde. Am Ende wäre ich fast in eine schwere Depression gekommen. Gib auf dich acht. Pass auf, dass du dich nicht in eine Retter-Position begibst. Dieses Zuckerbrot und Peitsche Prinzip kann psychisch abhängig machen. LG ilse77

19.06.2019 19:43 • #9


A


Hallo Kranich,

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M
Hallo Kranich,
ich weiß nicht, wie es dir und deinem Mann mittlerweile geht. Hoffe gut! Habe gesehen, dass dein Beitrag schon etwas her ist. Ich bin neu hier, habe ihn gerade entdeckt und möchte gern darauf antworten, weil ich mich zu einem kleinen Teil darin wieder erkenne - und zwar in dem Teil, der von Burnout und Wutanfällen handelt.
Ich bin ebenfalls Lehrerin und man hat mir vor ein paar Monaten ein Burnout diagnostiziert, das schleichend kam, und langfristig mein Verhalten und meine Persönlichkeit verändert hat. Mein Mann (ohne Burnout und in einem technischen Beruf tätig) hat mich mehrfach darauf hingewiesen, dass er mich manchmal nicht wiedererkennt. Die ursprünglich fröhliche und optimistische Frau, die er geheiratet hat, war einem wandelnden Pulverfass gewichen. Es war nicht so drastisch, dass ich andere angeschrien oder beleidigt hätte oder ausfallend geworden wäre. Aber Zynismus und Sarkasmus waren an der Tagesordnung und oft bin ich bei lebensunwichtigen Kleinigkeiten ausgeflippt. Nach dem Hinweis meines Mannes habe ich nachgedacht, warum das eigentlich so war. Mein Fazit: Ich befand mich oft in der Defensive, weil ich befürchtete, dass man keine Rücksicht auf mich nimmt bzw. meine Bedürfnisse nicht berücksichtigt und meine Grenzen nicht respektiert werden. Das konnte aber nur soweit kommen, da ich meine Bedürfnisse selbst nicht genug respektiert hatte und nicht ausreichend in der Lage war, anderen Grenzen zu setzen.
Mit meiner Nachricht möchte ich keine Wutausbrüche verteidigen, die tatsächlich eine Form von verbaler Gewalt oder Übergriffigkeit darstellen (= absolut intolerabel!) Da teile ich die Meinung einiger Teilnehmer hier im Forum, dass das eigene schlechte, durch Burnout oder Depression ausgelöste Wohlbefinden nicht rechtfertigt, andere schlecht zu behandeln.
Was ich sagen will: Wutausbrüche sind oft eine Form von versteckter Defensivhaltung - nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung. Der Betroffene sollte nicht anderen die Schuld geben (es gäbe rein theoretisch immer eine Erklärung, was andere angeblich falsch machen, das die eigene Wut begründet...). Er sollte lieber hinterfragen: Was hat dazu geführt, dass ich jetzt so reagiere? Welcher unbewusste Teil in mir reagiert da gerade?
Ich hoffe, bei euch hat sich mittlerweile alles eingerenkt und du hast dich - wie einige hier geschrieben hatten - nicht in die Retterrolle drängen lassen.
LG,
me_and_myself

27.10.2020 17:53 • x 2 #10

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