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Keine Perspektive

B
Hallo,
ich bin neu hier im Forum und möchte einfach mal hören, ob es anderen ähnlich geht.
Ich war schon immer ein eher ängstlicher, verzagter Mensch mit wenig Selbstwertgefühl. Ich habe das nach außen hin nie gezeigt, war eigentlich immer beliebt. In Phasen, in denen ich unter Leistungsdruck stand, hatte ich schon immer Versagensängste. Ich bin dann immer nahezu zusammengebrochen, bekam Unterstützung (v.a. durch meine Eltern), habe es irgendwie bewältigt und dann ging es irgendwie weiter.
Ich habe geheiratet, zwei Kinder bekommen und obwohl es sehr anstrengend war, ich manchmal nicht erfüllt und überfordert, war ich auf mein Leben, das was ich geschafft habe, irgendwie stolz.
Vor gut 10 Jahren hat mich mein Mann betrogen. Wir sind zusammen geblieben, aber ich hatte oft das Gefühl von ihm nicht geliebt zu werden. Damals wurde erstmals eine rezidivierende Depression diagnostiziert. Ich war 2x in Kliniken, hatte Psychtherapie und habe auch verschiedene Antidepressivas probiert.
Ich habe sicher viele Fehler gemacht, hatte aber vor allem auch diese Depressionen, diese Schwere in mir und habe mein Leben so oft als Kampf empfunden, den ich hinter einer Maske zu verstecken versuchte. Meinem Mann gegenüber war ich offen, aber er konnte das nicht nachvollziehen, wollte es irgendwann auch nicht mehr. Er sprach nichts mit mir ab, hatte kein Interesse an gemeinsam verbrachter Zeit. war gefühlskalt und nie wertschätzend mir gegenüber.
Vor drei Jahren ist er ausgezogen, inzwischen sind wir geschieden - es war eine furchtbare Scheidung, bei der sich herausstellte, dass er mich in den letzten 10 Jahren unserer Ehe im Hinblick auf seine Einkünfte bewusst belogen hatte, wir insofern über unsere Verhältnisse gelebt haben.

Meine Situation in den letzten 3 Jahren hat sich völlig verändert. Nahezu zeitgleich mit meinem Ex ist mein Sohn zum Studium ausgezogen. Unser noch nicht abbezahltes Haus wurde verkauft, ich bin mit meiner Tochter in eine (teure) Mietwohnung gezogen, inzwischen ist sie auch zum Studium ausgezogen.
Der frühere gemeinsame Freundes-/Bekanntenkreis hat sich von mir zurückgezogen, es waren v.a. Mitglieder eines Clubs, in dem eben er Mitglied war.
Ich muss an meinen Ex viel Zugewinnausgleich bezahlen, weil ich ihm in der Ehe blind vertraut hatte - mein Fehler, meine Unselbstständigkeit.

Jetzt lebe ich zum ersten Mal allein, mache mir wegen meiner finanziellen Situation viele Sorgen. Ich kann es schaffen, wenn ich meinen sehr anstrengenden Job schaffe (derzeit Wiedereingliederung).

Ich bin einfach krank, ganz wenig Selbstwertgefühl, habe nur Kollegen, die sehr viel jünger sind oder in Familien leben und wenig Zeit haben. Mit größter Mühe komme ich irgendwie den wichtigsten Verpflichtungen nach, immer mit viel Versagensangst, ohne Antrieb und mit riesiger Angst vor Kritik und Ablehnung meiner Person.
Ich bin viel allein - entweder zwinge ich mich zu den wichtigsten Pflichten oder ich liege rum. Haushalt, Ernährung ich bin allein und schaffe es gerade so zu überleben.
Oft frage ich mich, wozu diese Tortur. Ich finde nichts, was meine Begeisterung weckt, ich finde alles immer nur schön, wenn ich es mit jemandem gemeinsam machen kann. Klar kann ich dazu jemanden finden, aber es gibt niemanden, dem meine Nähe wichtig ist, die Initiative muss auch immer von mir ausgehen.
Ich leide auch darunter, als Frau nicht mehr attraktiv zu sein, werde 52.
Klar, ich verstehe das schon, jemand, der pessimistisch ist, tut niemanden gut, ist auch als Partner null interessant.
Ja, ich fühle mich in allem was ich tue überflüssig, finde mich nicht liebenswert. Dann soll man zu sich selbst finden, eigene Bedürfnisse stillen (meine Bedürfnisse richten sich aber nur an andere) ich hatte jahrelang Psychotherapie, aber es gelingt mir offenbar nicht meine Denkmuster zu verändern, mit mir allein und dem was ist zufrieden zu sein. Und immer wieder überfällt mich große Angst vor der Zukunft. Ich denke so oft, ich halte das nicht noch 20-30 Jahre aus ich bin so resigniert und ja- voller Selbstmitleid,das einfach nicht aufhört.
Für mich ist das Leben so qualvoll und ich sehe nur, dass alles noch schlimmer kommen könnte ich habe irgendwie die Hoffnung verloren, weil schon so vieles vergeblich probiert.
Mit Depression und Angst zu leben ist so wenig lebenswert. Und da ist niemand, der wirklich für mich da wäre. Es ist die Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit und Liebe.
Ich weiß, dass ich es von niemanden erwarten kann. zumal mir selbst die Kraft fehlt, jemand anderem das zu geben. Und nur so funktioniert das ja, wenn man erwachsen ist Ich fühle mich dennoch so allein- und zurückgelassen, bin so erfüllt von Traurigkeit, dass ich es manchmal nicht mehr aushalten kann.
Nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein. Bis vor 10 Jahren hat das irgendwie gestimmt, seither hat mich der Sonnenschein irgendwie verlassen. Vielleicht ist das eine naive Vorstellung vom Leben? Vielleicht gehts darum zu wachsen - aber was tun, wenn es mir nicht gelingt?
Sorry, ist jetzt ziemlich lang geworden. Danke, falls es jemand liest.

10.06.2021 16:55 • x 4 #1


CCC
Hallo Bena,

welche Strategien und Übungen haben Deine Therapeuten (waren es mehrere oder nur einer?) mit Dir durchgesprochen, um Deine Denkmuster zu verändern?

LG

CCC

10.06.2021 17:34 • x 1 #2


A


Hallo Bena,

Keine Perspektive

x 3#3


B
Liebe CCC,

Tipps gegen akute Angstzustände, statt des "aber" einen Punkt setzen, aufs Positive fokussieren, Dankbarkeitstagebuch führen, dem Kind-Ich als Erwachsenen-Ich begegnen, sich die Wertschätzung und Beachtung, die man sich von anderen wünscht, selbst geben, Bewegung,.. Ich hatte zwei Therapeuten, beide Male Verhaltenstherapie.
Ich bin so müde von dem allen, sehne mich danach, leichter und unbeschwerter zu leben, bin noch immer meilenweit davon entfernt. Ich bewerte und vergleiche zu viel

10.06.2021 18:44 • x 1 #3


CCC
hast Du denn Strategien gegen das Bewerten und Vergleichen vorgeschlagen bekommen?

10.06.2021 18:46 • #4


Stromboli
Liebe Bena
Jede und jeder muss den für sie bzw ihn stimmigen Ausweg aus einer solch tiefgreifenden Krise finden und Patentrezepte gibt es da leider nicht. Ich weiss, dass Verhaltenstherapie manchen Menschen gut hilft. Ich selbst konnte damit nie was anfangen und wenn ich lese, was dir für Strategien vorgeschlagen wurden, wird mir flau im Magen. Bei mir wäre sowas kontraproduktiv gewesen und hätte meine ganzen Versagensgefühle verstärkt.
Ich brauchte auf meinem Weg Therapeuten mit viel Empathie und einer kreativen Offenheit für alles, was sich zeigte. Vor allem auch die Offenheit für die alten Wunden in der Seele, die erstmal richtig gefühlt, gesehen und gewürdigt werden mussten, bevor Raum für neue Denkweisen und positivere Gefühle entstehen konnte. Der IST dann so auch entstanden.
Beim Lesen deiner Not drängt sich mir schon der Eindruck auf, dass du noch nicht eine für dich hilfreiche Adresse gefunden hast, um therapeutische Fortschritte zu machen. Die Suche danach kann mühsam sein. Aber wenn du dich nicht wirklich wohl und ernst genommen fühlst bei jemandem, das aber ausblendest und verdrängst, entfernst du dich noch weiter von einer Lösung. Wie gesagt, es liegt mir fern irgendeine Therapiemethode allgemein zu bewerten - aber dass deine Beziehung zum oder zur Thera vertrauensvoll sein muss, das ist das A und O für jeden Fortschritt. Der misst sich letztlich daran, dass du ein neues, liebevolles und selbst-wertschätzendes Lebensgefühl entwickeln kannst.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute!
Stromboli

11.06.2021 13:54 • #5


hlena
Da gebe ich @Stromboli vollkommen Recht.
Trau dich, denTherapeuten zu wechseln.
Habe ich auch einmal gemacht.
Lieber vorrübergehend gar keinen Therapeuten, als einen Schlechten.

11.06.2021 14:43 • #6


B
Danke für eure Antworten.
Ich hatte so viele Therapiesitzungen, auch eine Verlängerung, sodass jetzt erstmal keine Therapie mehr bezahlt wird.
Ich hatte Vertrauen zu meiner Therapeutin die Dinge zu besprechen führte schon auch zu Erkenntnissen. Mein Lebensgefühl ändert sich nur leider nicht.

Manchmal kommt es vor, dass ich die ganze Nacht nicht schlafen kann. Am Tag danach bin ich müde, habe aber Energie, Interesse und eine ganz andere Wahrnehmung. Hält leider nur für einen einzigen Tag an, den ich dann sehr genieße, und funktioniert auch nur, wenn ich das nicht willentlich herbeiführe.
Ich weiß, dass es die sog. "Wachtherapie" gibt, habe das auch schon zig mal Ärzten erklärt. Das ist doch ein Beleg dafür, dass es (jedenfalls auch) biochemische Ursachen bei mir hat.

Die Antidepressiva setzen da wohl nicht an der richtigen Stelle an Mir geht so langsam wirklich die Kraft aus, immer gegen meine Lethargie anzukämpfen. Der Hinweis, dass nur ich meine Gefühle und Gedanken ändern kann, nimmt mir mein Selbstwertgefühl, weil es mir ja nicht gelingt. Und das Leben ist so wirklich nicht lebenswert. Es muss sich doch auch für mich einen Weg geben. Ich will mit dieser Krankheit so nicht noch 30 Jahre leben müssen.

Vom vielen Reflektieren kann ich gar nicht mehr benennen, was im Außen anders sein müsste, damit es mir besser geht - einfach eine andere Stimmung, so dass es sich nicht länger als überleben anfühlt. Ich wünsche mir so sehr endlich leben zu dürfen.

11.06.2021 17:38 • #7


B
Wie lebt ihr denn mit der Krankheit? Als ich noch Familie hatte, hatte ich noch mehr Hoffnung jetzt allein ist alles so sinnlos.

11.06.2021 17:43 • #8


B
@CCC: Strategie?!? Das Bewerten/Vergleichen sein lassen, überlegen, wie man Situationen wohlwollender bewerten könnte. Und akzeptieren, dass das, was ich mir wünsche, ganz weit von der Realität entfernt ist, ich mit kleinen Schritten zufrieden sein soll - Erwartungen runterschrauben.
Ich habe es versucht es fällt mir schwer.

11.06.2021 17:53 • #9


Catalie
Hallo @Bena tut mir leid, dass es dir so geht und dich deine Therapie scheinbar nicht weiterbringt. Hast du es auch mal über eine anderen Therapierichtung nachgedacht? Tiefenpsycholigisch fundierter statt Verhaltenstherapie? Soweit ich weiß stünde Dir dann auch wieder Stunden von der Krankenkasse zu.
Vielleicht musst du auch nochmal den Weg zum Psychiater gehen und eine Medikamenteneinstellung versuchen. Es gibt so viele verschiedene Arten und Zusammensethtungen, dass es oft dauert das passende zu finden. Auch eine stationäre Therapie wäre noch eine Option. Mal raus aus deinem Trott und der Arbeit, in enger Begleitung nach den passenden Medis suchen...
Ich wünsche dir, dass du eine für dich passende Hilfe findest und es dir besser geht.

LGC

11.06.2021 17:57 • x 1 #10


B
Danke für dein Mitgefühl, Catalie.

11.06.2021 18:01 • #11


Stromboli
Zitat von Bena:
Der Hinweis, dass nur ich meine Gefühle und Gedanken ändern kann, nimmt mir mein Selbstwertgefühl, weil es mir ja nicht gelingt.


Ja, genau das kann ich sehr gut nachfühlen, und es kann, zur falschen Zeit der falschen Person gesagt, total entmutigend sein.
Depressionen und andere schwere psychische Erkrankungen haben oft Wurzeln, die in die präverbale Lebenszeit zurückreichen. Nur um kurz anzudeuten, was ich meine: Fühlt sich ein Embryo im Mutterleib schon ganz unerwünscht und spürt die Ablehnung der Mutter und ev. des weiteren Umfelds, so prägt sich das bereits in seine Zellen ein, lange bevor das werdende Kind überhaupt Gedanken fassen und ausdrücken kann.
Findet dieses Baby später als erwachsener Mensch trotz allen Bemühens um positivere Gedanken und Gefühle nicht aus seiner Angst und Not heraus, so ist es m.E. zynisch und arrogant, ihm den von dir erwähnten Hinweis zu geben. Zum Zeitpunkt der Entstehung seiner schlimmen Gefühle war es komplett ausgeliefert und völlig ausserstande, sich zu wehren. Der Stress, die Angst und Verzweiflung aber haben sich tief ins Unbewusste eingeprägt und mit bewusster Anstrengung allein ist dem nicht beizukommen.
Catalies Tipp mit Tiefenpsychologie finde ich deshalb absolut angebracht.
Das heisst natürlich nicht, dass eine Schuldzuweisung an das damalige Umfeld das Problem lösen wird. Aber der Zugang zu den verschütteten Gefühlen ist wichtig, selbst wenn das eine Phase mit ohnmächtiger Wut, mit Hass und Anschuldigungen beinhaltet. Solche waren damals adäquat und deshalb kein Grund für ein schlechtes Gewissen.
Wo deine Probleme ihre genauen Wurzeln haben, weiss ich natürlich nicht. Ich weiss aber, dass Menschen oft überrascht und gar schockiert sind, wenn sie entdecken, was wirklich an der Wurzel lag.

Zitat von Bena:
Wie lebt ihr denn mit der Krankheit?


Als ich vor 8 Jahren quasi alle wichtigen Standbeine verlor (Familie, Beruf, Gesundheit), folgte eine sehr schwere Zeit, in der ich oft am Rand der Verzweiflung stand. Dass es seit 3-4 Jahren deutlich besser geworden ist, hat schon mit der langfristigen therapeutischen Begleitung zu tun und es hat viel Ausdauer gebraucht. Auch die passenden Medikamente sind wichtig, bis heute.
Oft war es einfach ein Durchhalten. Aber es hat sich gelohnt.

Zitat von Bena:
Vom vielen Reflektieren kann ich gar nicht mehr benennen, was im Außen anders sein müsste, damit es mir besser geht - einfach eine andere Stimmung, so dass es sich nicht länger als überleben anfühlt. Ich wünsche mir so sehr endlich leben zu dürfen.


Ich kann dir das so gut nachfühlen. Wenn möglich, lass die Gedanken einfach rattern und schenk ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit. Sie lassen sich nicht auf Knopfdruck abstellen, werden aber selten helfen.
Tut dir die Natur gut? Vielleicht immer mal die Natur aufsuchen, einen Wald, einen See oder Fluss ... Oder hilft dir bestimmte Musik? Für mich sind das manchmal gute Hilfen. Oder, wenn möglich, kleine Kontakte mit Menschen, die dir gut tun?

Ich drück dir fest die Daumen und hoffe, das sich ein neuer Weg auftut für dich!

11.06.2021 19:11 • x 1 #12


B
Vielen Dank für alle Hinweise!

11.06.2021 20:25 • #13


M
Hallo Bena,
wie geht es dir denn zur Zeit?
Als ich Deinen Post gelesen habe, hat mich das sehr mitgenommen..! Ich weiß, wie du dich fühlst, denn mir geht es ähnlich wie dir- ich bin quasi dein 15 Jahre jüngeres Ich(Kinder und Mann noch im Haus).
Was hältst du denn von dem Rat, eine tiefenpsychologische Therapie zu machen oder eine Selbsthilfegruppe zu besuchen? Lg

13.06.2021 09:23 • #14


B
Liebe Myrra,
danke, dass du nachfragst.
Ich fühle mich nicht gut, alles ist ein "hinter mich bringen", auch wenn da rational nichts "Schlimmes" ist - ich verstehe selbst nicht, was da mit mir los ist.
Mit meinem Sohn habe ich gestern gegrillt, wir waren drei Stunden wandern in der Natur. Ich bin dankbar dafür
Und doch schlafe ich abends mit dem Gedanken ein, dass ich am liebsten nicht mehr aufwachen würde und morgens, wenn ich aufwache, will ich den Tag nicht beginnen. Manchmal denke ich, dass sich Leben für mich einfach nicht gut anfühlt. Ich sehne mich danach, die Verantwortung dafür abgeben zu dürfen. Und weil das natürlich nicht geht, wäre es mir am liebsten, dass es einfach aufhört.
Einfach ist es leider nicht
Ja, vielleicht probiere ich das mit einer tiefenpsychologischen Therapie irgendwann nochmal.
LG

13.06.2021 11:30 • x 2 #15


A


Hallo Bena,

x 4#16


Kate
Zitat von Bena:
und morgens, wenn ich aufwache, will ich den Tag nicht beginnen.

Ich könnte auch jeden Morgen alles hinschmeißen.

13.06.2021 11:59 • x 1 #16

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