Verstelldichfix
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wir, das sind meine Frau und ich, haben eine Tochter, 17 Jahre alt. Ich bin nicht der leibliche Papa, aber wir kennen uns seit sie 3 war und daher ist sie auch mein Kind, wenn auch nicht auf dem Papier. Sie ist jetzt in der 11. Klasse auf dem Gymnasium und die Probleme werden immer größer. Diagnostiziert ist eine Angst- und Panikstörung. Wir denken aber, dass auch eine Depression dazu kommt.
Unsere Tochter war schon immer zurückhaltend, introvertiert und ruhig. Meine Frau war als Kind genauso, was für uns überhaupt kein Problem ist. Sie ist wie sie ist und wir lieben sie so, wie sie ist. Je älter sie wurde, desto schwerer wurde es für sie. Sie igelte sich immer mehr ein, hatte kaum soziale persönliche Kontakte und wollte dies auch nicht. Seitdem sie 13 ist wurde es jedoch wirklich schlimm aus unserer Sicht. Sie lag oft im Bett und verschwand in der digitalen Welt, Youtube, Snapchat, TikTok oder Serien. Als sie 14 war fanden wir beim aufräumen einen Abschiedsbrief. Daraufhin hat sich meine Frau mit ihr hingesetzt und sie sprachen darüber, naja, meine Frau sprach mehr, unsere Tochter meinte aber, da ist nichts dran, das sei aus einer Laune raus entstanden mit einer Freundin zusammen und sie wollten sowas mal schreiben, versicherte uns, dass sie sich auf keinen Fall was antun würde. Der Druck in ihr schien zu wachsen, sie find an mit dem Ritzen an Armen und Beinen, an nicht sichtbaren Stellen und später auch an sichtbaren Stellen. Das war der Zeitpunkt, an dem wir entschieden haben, wirklich gegenzusteuern. Nicht durch Verbote oder Meckern sondern wir haben zusammen entschieden, dass wir ihr Hilfe suchen, aber ohne dabei die Kette anzulegen. Termine bei Kinderpsychologen zu finden ist eine Herausforderung. So haben wir fast ein Jahr gebraucht, bis wir nach ständigem Telefonieren und Nachfragen endlich jemanden fanden, der ein Erstgespräch mit ihr machen konnte. Dabei haben wir sie nicht allein gelassen, sie war einverstanden mit dem Termin und haben ihr die Wahl gelassen. Mittlerweile ist sie 17 und seit über einem halben Jahr in der Gesprächstherapie. Sie zeigt auch Fortschritte, kleine, aber erkennbar. Was uns derzeit Sorge bereitet ist neben der Schule (Mathe aktuell 0 Punkte) auch der Umstand, dass sie auf TikTok wieder anfängt, extrem depressive Dinge zu reposten. z.B. Wo siehst du dich in 5 Jahren? Und dann taucht plötzlich ein Bild von einem Friedhof auf.
Sie hat wenig mit keine Interessen. Einzig Musik, Taylor Swift etc. und Serien sind ihre Welt. Dieses Jahr waren wir sogar auf 3 Taylor Konzerten bzw. 2, weil Wien abgesagt wurde. Dafür sind wir 1000km gefahren. Sie war bei Adele, nächstes Jahr Billy Eilish und wir haben Karten für Lana del Rey in Dublin bekommen. (Auch eine ihrer Lieblingssängerinnen) Dafür fliegen wir dann dahin und bleiben ein paar Tage. Sie wollte schon immer nach London. ok, machen wir. Jetzt nach Weihnachten für 5 Tage, spontan. Das kostet uns natürlich extrem viel Geld, ich hab derzeit einen Vollzeitjob und einen Nebenjob damit wir das finanzieren können. Meine Frau hat einen Vollzeitjob. Wir versuchen ihr Dinge zu ermöglichen, damit sie raus kommt aus ihrem Trott, aus ihrer Bubble, aus ihrer Angst und ihrer Negativität. Ja, es sind nur materielle Dinge, aber damit verbunden sind auch Erlebnisse, die bleiben.
Ihr Leidensdruck ist groß. Gerade in der Schule. Letzte Woche war ein Elterngespräch. Mathe. zwei Tests, beide ohne Punkte. Hat sie auf dem Halbjahreszeugnis keinen Punkt in Mathe, wars das mit der 11. Klasse. Wir haben ihr Zeit gegeben, weil sie sagte, sie schafft das. Und sie geht auch zur Schule, fehlt nie. Jetzt haben wir Nachhilfe organisiert, zum ersten Termin ging sie aber nicht, weil sie Unterleibsschmerzen hatte. Was wenn sie die Schule nicht schafft? Dann hat sie mittlere Reife, aber sie absolut keine Idee, was sie später machen soll. Keine Idee, wohin die Reise geht. Und wir auch nicht. wir stehen daneben, wir wissen, dass wir nicht alles machen können, ihr das Leiden nicht abnehmen können. Sie sagt immer, es ist alles gut. Aber jeder sieht, dass es nicht so ist. Unsere Mittel sind begrenzt, unsere Nerven blank. Meine Frau weint oft und ich versuche positiv zu denken, schaffe es aber nicht oft. Auch ich habe eine diagnostizierte Angststörung, aber durch Tabletten soweit alles im Griff, auch dank Therapie.
Was haben wir an Möglichkeiten? StationäreTherapie? Lernt sie da nicht noch mehr Leid durch die Anderen dort?
Tabletten als Unterstützung? Oder ist es noch das Alter und die Pupertät? Was wenn sie sich doch etwas antut und wir haben nichts getan?
Ich persönlich denke, dass sie einfach untertauchen möchte in der Masse der Menschen, z.B. in einer Großstadt. Sie will nicht auffallen, nicht im Mittelpunkt stehen, nicht Mainstream sein, unsichtbar sein. Aktuell wohnen wir in einer Kleinstadt mit 40.000 Einwohnern.
Wir sind mental einfach durch, wissen nicht, was wir tun sollen. Und wir haben einfach Angst, dass es zu spät ist zu helfen. Vielleicht hätten wir auch früher handeln müssen, ja. Aber dafür ist zu spät. Die Vergangenheit können wir nicht ändern.
Gruß und Danke an alle!