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Depressiver Partner/Vater - Räumliche Trennung?

A
Liebe Community,
ich (w,34) bin neu hier und überrascht von der Vielzahl an Themen und Antworten. Genauso freue ich mich über Ratschläge zu meinen Zeilen.
Mein Mann hatte bereits ein Burnout. Zum einen wurde die Arbeit immer mehr und die Kollegen immer weniger aber zum anderen hat er auch eine zur Depression/Überforderung neigende Persönlichkeit. Er ist eher verschlossen, hat wenig Zugang zu seiner Gefühlswelt und kann seine eigenen Bedürfnisse nicht erkennen. Der Betriebsarzt hat ihn damals schnell vermittelt und ihm wurde therapeutisch und medikamentös geholfen. Wir hatten eine sehr gute Zeit und haben mittlerweile zwei Kleinkinder.

Leider musste ich die letzten zwei Jahre mitansehen wie er wieder in eine totale Überforderung rutscht. Ich habe es anfangs im Guten probiert war aber dann nach circa einem Jahr am Ende meiner Geduld und Kräfte. Zum Selbstschutz habe ich im vergangenen Jahr unser Schlafzimmer aufgelöst, gestalte meine Abende alleine und versuche mein Leben soweit möglich mit Positivem zu füllen und Kontakte zu pflegen. Wir haben die letzten Monate monatlich eine Eheberatung besucht allerdings kam die Dame auch sofort zu dem Schluss, dass bei ihm eine starke Depression vorliegt. Alle Anleitungen, Vorschläge etc ihrerseits, kann er aktuell nicht umsetzen. Eine Psychiaterin hat ihm leichte Anti-Depressiva verschrieben. Angeblich bemüht er sich seit Monaten um einen Therapieplatz.

Vor ein paar Tagen kam es zwischen uns zum Show-Down und er hat zugegeben, dass er die Suche nach einem Platz seit Monaten schleifen lässt. In dem Moment ist etwas in mir kaputt gegangen. Klar, es ist die Krankheit aber er hat mich einfach monatelang belogen, wenn ich mich zwischendurch erkundigt habe.

Ich brauche eine Pause. Mit zwei kleinen Kindern nicht einfach. Ich habe ihm mehrere Varianten vorgeschlagen und er hatte dann innerhalb von Stunden ein Zimmer für vier Wochen angemietet. Nun war er heute überraschend nochmal beim Hausarzt, der ihn nun baldmöglichst stationär oder teilstationär einweisen lassen möchte. Die Wartezeiten mal abgesehen. Ich weiß einfach nicht was ich von diesem plötzlichen wilden Aktionismus halten soll. Sofort ein Zimmer buchen, dann doch zum Arzt und jetzt total positiv eingestellt gegenüber einer am liebsten sofortigen stationären Behandlung, die bestimmt alles andere als ein Zuckerschlecken wird.

Ich habe so viel Energie investiert die letzten zwei Jahre und mir ist der Schritt zur räumlichen Trennung der Kinder wegen sowas von schwer gefallen. Zum einen wünsche ich mir die Situation anders für die Kinder und andererseits ist es auch nicht unanstrengend mit zwei Kleinkindern wenn auch nur vorübergehend alleinerziehend zu sein. Angenommen er bleibt positiv gegenüber einer Therapie und die Wartezeiten ziehen sich über Wochen und Monate. Was sind die Vor- und Nachteile einer räumlichen Trennung für mich und ihn in unserer Situation?

16.05.2023 21:46 • x 5 #1


maya60
Hallo @Anna89 und Willkommen im Forum! Ja, es ist ein vielseitiges Forum hier und ich wünsche dir vielen guten Austausch!

Ich finde es gut, bei dir zu lesen, wie du auf deine eigenen Belastungsgrenzen schaust und die letzten 2 Jahre genau daraufhin beobachtest und auch an deine Selbstfürsorge denkst, denn eure beiden kleinen Kinder sind darauf angewiesen und es hat auch für dich selber überhaupt keinen Zweck, wenn du auch noch Krankheit riskierst, weil du überlastet bist.

Ob räumliche Nähe stundenweise sich für euch alle in der Familie als gut erweist oder nicht, könnt ihr nur probieren. Depressionen sind eine schwere Krankheit und es ist oft nicht planbar wie sie verläuft und wie sie sich verbessert. Trotzdem lernt man damit über die Jahre, was hilft und solange das Gespräch und das Engagement, sich behandeln zu lassen, nicht völlig weg ist, ist auch das gut und ist sogar entscheidend wichtig, damit es besser wird.

Ihr beide seid ein Ehepaar und Eltern und räumliche Trennung sollte nicht dazu führen, dass sich dies ändert, auch wenn dein depressiver Mann zu wenig Kraft dazu hat, genügend als Familienvater einzubringen.
Du brauchst aber auch deine gesunden Räume, wo du auftanken kannst, soweit mit 2 Kleinkindern möglich, dafür ist stundenweise eine Entlastung, einen kranken Mann ständig um sich zu haben, auch gut.

Probiert es aus.

Solange es nicht zu finanziellen Problemen führt, die ihrerseits wieder Angst und Stress machen würden, kann es etwas Gutes bewirken.

Viel Kraft und liebe Grüße von maya60!

16.05.2023 22:50 • x 6 #2


A


Hallo Anna89,

Depressiver Partner/Vater - Räumliche Trennung?

x 3#3


bones
Ich halte von einer räumlichen Trennung sehr wenig. Weil der depressive dann dazu neigt, noch weniger zu tun. Es wird noch mehr schwieriger da was zu machen, net weil er faul ist, sondern ist der Krankheit geschultet.
Ich bin selber schwer depressiv und habe selber 2 Kinder und eine wundervolle Partnerin. Wenn ich auszieh würde, dann hab ich überhaupt kein Grund und Ziel mehr. Das zieht einen nur noch mehr runter. Ich würde da ach net mehr rauskommen werden. Ohne professionelle Hilfe schon gar net. Es ist wichtig dass ein depressiver Aufgaben übernimmt und Verantwortung nimmt zb die Kinder. Das ist eine gesunde Basis für die Genesung. Natürlich ist und wird es net einfach. Aber ist die richtige Richtung. Dass depressive dazu neigt, hör ich immer wieder. Kann es selber in kleinster Weise nachvollziehen und verstehen. Was soll das bringen und seine Berechtigung haben, den gibt es net.

17.05.2023 09:12 • x 3 #3


Bondgirl
Hier geht es aber nicht nur um den Depressiven Partner und wie dieser unterstützt werden könnte, sondern um die ganze Familie, die darunter leidet, dass er bisher diese Unterstützung nicht genutzt hat.
Vor 10 Jahren war mein Exmann an einer schweren Depression erkrankt und hat keine Hilfe angenommen. Daran ist unsere Familie zerbrochen und erst danach ist er in eine Klinik gegangen.
Daher kann ich sehr gut verstehen, dass dir diese räumliche Trennung helfen kann. Denn er muss sich vor allem selbst helfen, indem er sich wenigstens um eine Therapie bemüht. Und da hätte er dich ja auch in den letzten Monaten um Unterstützung bitten können, wenn es ihm alleine zu viel war. Aber das hat er nicht... Deshalb solltest du jetzt auch überhaupt kein schlechtes Gewissen haben, wenn du für dich einstehst und offen sagst, was du jetzt brauchst um die Kraft zu behalten für deine Kinder stark zu bleiben.

18.05.2023 10:52 • x 2 #4


bones
@Bondgirl wenn du das so schreibst, geht es ja ach net nur um die Partnerin. Es sind Kinder in der Family. Schon mal daran gedacht? Kinder sind in der Hinsicht auf die Wünsche gar net gefragt worden mit zb räumliche Trennung. Und so gesehen die Leidtragende.

18.05.2023 14:01 • x 1 #5


Bondgirl
So einfach ist das nicht. Je nachdem wie der Vater sich durch die Depression auch verändert hat, kann das auch die Kinder belasten.
Mein Exmann hat die Kinder aus dem nichts heraus angebrüllt und sie waren auch völlig verunsichert und überfordert, wenn er Heulanfälle hatte...

Jede Depression ist anders und jede Familie ist unterschiedlich davon betroffen...

18.05.2023 20:01 • x 1 #6


bones
@Bondgirl ich kann aus dem threadstellerin nicht rauslesen, dass der Vater die Kinder schlecht behandelt. Würde er sie und die Kids schlecht behandeln, wäre sie mit Sicherheit net bei einer Eheberatung gewesen und hat ihn so gut wie geht unterstützt. Das du sowas erlebt hast, tut mir leid für dich. Wirklich. Aber hier ist es net der fall.

18.05.2023 20:46 • x 1 #7


Bondgirl
Ich sage auch nicht, dass das hier der Fall gewesen sein muss. Und oft sollen die Angehörigen alles stillschweigend ertragen, weil der Depressive ja nichts dafür kann...
Aber wenn jemand an einer Depression erkrankt, sollte es doch wenigstens sein Ziel sein, wieder gesund zu werden. Und wenigstens um Hilfe zu bitten, wenn er es nicht schafft einen Therapieplatz zu bekommen.
Aber sie hat ja garantiert auch ihre Gründe, warum sie auf Distanz geht. Und wenn es nur der Fakt ist, dass die Ehe extrem darunter leidet und es ihm anscheinend egal ist...

18.05.2023 23:07 • #8


bones
@Bondgirl

Zitat:
Aber wenn jemand an einer Depression erkrankt, sollte es doch wenigstens sein Ziel sein, wieder gesund zu werden. Und wenigstens um Hilfe zu bitten, wenn er es nicht schafft einen Therapieplatz zu bekommen.


Nun ich stelle fest, dass du selber noch nie an einer schweren Depression hattest. Erstens man ist in sehr vielen Fällen überhaupt net in der lage Hilfe zu holen. Man schottet sich in der Regel komplett ab. Man lässt keinen mehr ran. Ach sind die meisten depressiven total emotionslos. Wie soll da jemand Hilfe holen ?

Es ist ratsam, dass die Partner sich selber sogar Hilfe holen. Sei es Selbsthilfegruppe oder sogar Therapeuten.

19.05.2023 06:47 • x 3 #9


M
Hallo Anna,
ich finde es bemerkenswert, wie du dein Leben mit deinem depressiven Mann bislang auf Richtung gehalten hast. Du schaust auf ihn, auf die Kinder und auf dich. Jetzt braucht du auch einmal Unterstützung und Zeit um wieder durchatmen zu können. Deine Bemühungen haben nicht immer oder nicht immer gleich zum Erfolg geführt, das zehrt ganz schon an einem und nimmt die einem Kraft um weiterzumachen.

Ich bin selbst mit einem Mann verheiratet der an Depressionen leidet und habe mich oft gefragt, ob er meine Bemühungen garnicht bemerkt oder ob er sie mit Absicht ignoriert. Es hat lange Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, dass meine Bemühungen ihn oft noch depressiver gemacht haben, einfach weil er meinen Hilfsangeboten nicht folgen konnte. Das nicht-wollen-können macht noch depressiver. Mir passiert es heute noch, dass ich mal die Nerven verliere und meinen Mann mit einem „nun mach doch mal endlich“ überfordere. An seiner Reaktion merke ich gleich, ich habe eine Grenze überschritten, ich kann mich dann schnell wieder zurücknehmen und die Wogen wieder glätten.

Du hast die Verantwortung für die Kinder, ich habe selbst einen Sohn aus einer früheren Beziehung. Man will das Beste für die Kinder, ihnen den depressiven Vater und alles was sich daraus ergibt nicht zumuten, aber ob eine Trennung, auch nur auf Zeit, das Beste für die Kinder ist? Verlust und Trennung wiegen schwer, auch wenn es nur auf Zeit sein soll. Das abzuwägen, dazu würde ich einen Kindertherapeuten oder -therapeutin mit hinzuziehen.

Die Situation so annehmen wie sie ist, nicht versuchen den Partner zu ändern, damit es einem selber besser geht. Wir verbrauchen Energie um für den Partner zu sorgen, einem Partner, der vielleicht nur seine Ruhe haben will und garnicht darum bittet, be- und vesorgt zu werden. Wenn dein Mann mit den Kinder gut klarkommt, dann könnte die Trennung von euch ihn möglicherweise noch mehr belasten.

Du könntest dich vielleicht psychologisch unterstützen lassen, auch mit einem niederschwelligen Angebot durch soziale Dienste, die es in jeder größeren Stadt gibt.

Alles Gute für Euch und viel Kraft für die Zukunft

19.05.2023 08:11 • x 4 #10


Bondgirl
Zitat von bones:
Nun ich stelle fest, dass du selber noch nie an einer schweren Depression hattest.

Nein. Ich habe eine mittelgradige Depression...
Was auch mit daran liegt, dass ich eine weitere Beziehung zu einem Mann mit schweren Depressionen hatte und ich es nicht geschafft habe, mich abzugrenzen. Er hat seine Depressionen in Alk. ertränkt und mir an allem die Schuld gegeben.
In meinen Fällen war es beide Male so, dass die Männer durch die Krankheit verbal aggressiv wurden. Ich hatte beide als sehr ruhige und liebevolle Männer kennengelernt.
Und da hätte es mir auch nicht geholfen, wenn mir eine Therapeutin erzählt hätte, er meint das nicht so...

Aber das Thema gehört Anna... Und sie sucht hier Unterstützung.

19.05.2023 11:14 • x 2 #11


A


Hallo Anna89,

x 4#12


A
Update: Mein Mann hat seit zwei Wochen überraschend einen Platz in einer Tagesklinik angenommen und heute auch schon einen Termin für eine eventuelle psychotherapeutische Anschlussbegleitung. Ich hoffe, er kann die Hilfe annehmen und sich öffnen.

Vielen Dank für die bisherigen Antworten und Erfahrungen. Es hilft mir wirklich sehr zu spüren, dass ich nicht alleine damit bin. Ich kann glücklicherweise auch mit ausgewählten Freunden sprechen aber nur wenige teilen eigene Erfahrungen oder haben bisher wenig Berührungspunkte gehabt.

Mein Hintergrund: Ich bin als Einzelkind einer Alk. Mutter und eines depressiven Vaters in einer nach aussen hin gut funktionierenden Familie aufgewachsen. Das Thema Verständnis und Akzeptanz der Krankheiten Depression und Alk. beschäftigen mich schon mein Leben lang. Auch mir hat oftmals eine helfende Handreichung in Richtung der Angehörigen und ein detaillierter Blick auf die Familiensituation gefehlt. Ich bin gespannt, ob hierfür Platz in der Therapie meines Mannes ist - nicht gleich aber in der Zukunft.

Ich bin in meiner Situation noch verantwortlich für zwei Kleinkinder daher zerbreche ich mir auch so den Kopf. Mich abgrenzen, Zeit für mich nehmen und alleine oder mit Freunden schöne Dinge unternehmen ist in meinen Alltag aktuell nicht so leicht zu integrieren aber ich versuche es sooft es geht. Ich überlege schon seit Längerem mir auch therapeutische Unterstützung zu suchen.

@manou59: Vielen Dank für deine Erfahrungen. Ich fand deine Zeilen besonders spannend zu lesen. Die Formulierung in Ruhe lassen triggert mich total merke ich gerade.

27.06.2023 10:03 • x 1 #12

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