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Burnout - meine Erfahrungen und Erkenntnisse

A
Hallo zusammen, ich habe bereits über einige Punkte in anderen Foren geschrieben.

Ich bin nun am Ende meiner Reise angelangt und habe angefangen ein Buch darüber zu schreiben.
Ich glaube, dass es sehr viele gibt, die sich entlang dieses Weges irgendwo wiederfinden. Denen möchte ich Mut machen und meine Erfahrungen und Erkenntnisse mitteilen und hoffe, auf Resonanz und wilde Diskussionen

Zu meiner Situation Folgendes:

ich habe in meinen 20ern gegen eine seit der Kindheit/Jugend mitgetragene soziale Phobie gekämpft und kann behaupten, diese ziemlich gut im Griff zu haben. Daraus entstand bei mir ein Mantra, dass ich mich immer dem, was mir am meisten Angst macht, stellen muss, dann verliert die Angst ihre Macht. Nach diesem Mantra habe ich glücklich einige Jahre gelebt. Ich fuhr alleine in den Urlaub, sprach Frauen auf der Straße an, bei denen ich dachte niemals eine Chance zu haben und ging alleine feiern und neue Leute kennenlernen. Dadurch hat sich mein Selbstbewusstsein extrem gestärkt, ich erweiterte meine Komfort-Zone und die Angst wurde immer weniger.

Der nächste Schritt war die Karriere, dessen erste Hürde ich erfolgreich gemeistert hatte und das Gefühl bekam, es gäbe keine Grenze nach oben. Doch dann kam die Wendung: Umstrukturierung und Pandemie stellten mich vor neue Herausforderungen und aus ständig auf Achse sein musste ich mich viel um interne Aufgaben kümmern. Dinge, die ich weder gut konnte, noch mochte. Doch ich biss die Zähne zusammen und hielt durch. Das gehört nun mal zum Karriere machen dazu, hatte ich mir damals eingeredet.

Immer mehr und mehr, passte ich mich unwillkürlich der Umgebung an. Alles stresste mich, Die Kollegen, die Aufgaben, die Umgebung. Aus einem lebensfrohen jungen Kerl wurde innerhalb von 1-2 Jahren ein mürrischer alter Sack. So fühlte ich mich. Meine lockere Art, aus mir heraus zu kommen, immer Lösungen zu finden, den Menschen offen und unvoreingenommen zu begegnen und Dinge loszulassen, die ich nicht beeinflussen kann, ging verloren. Nun war ich sehr verbissen an die Dinge herangetreten, und regte mich immer wieder auf, wenn ich vor verschlossene Türen lief. Darauf hin folgte, eine stillschweigende Degradierung, die mich noch tiefer ins Loch fallen ließ, da bei mir berufliche Verwirklichung mittlerweile ganz oben auf der Liste stand. Immer mehr musste ich gegen innere Widerstände ankämpfen und habe mich nicht mehr meinen Ängsten freiwillig gestellt, sondern stellte mehr und mehr fest, dass ich davor fliehe. Gefühlt fiel ich immer tiefer. Ich fing an körperliche Gebrechen zu zeigen, die durch die emotionale Situation um ein vielfaches dramatischer wahrgenommen wurden.

Irgendwann habe ich mich entschlossen zur Therapie zu gehen, weil ich nicht mehr alleine rauskam. Nach einigem Nachbohren und hinterfragen, brachte er mich auf den Pfad der langsamen Erkenntnisse. Es ging darum, dass ich die Selbstwahrnehmung verloren hatte und nicht mehr wusste, was für mich gut und schlecht ist, folglich also gegen mich arbeitete. Die Reise zu mir selbst hatte damit begonnen. Eine schmerzhafte, aber bitternötige Erfahrung.
Ich fiel in ein Loch, in Depressionen, verlor die Kraft meinen Alltag zu bewältigen und kam kaum noch aus dem Bett raus. Ich musste mich krankschreiben lassen, darauf hin den Job kündigen, weil ich nicht mehr gegen diese inneren Widerstände ankämpfen wollte/konnte. Es gab Tage, da hatte ich Angst verrückt zu werden. Mit aller Kraft wollte ich da raus, aber auch das war eben das Ankämpfen gegen einen Widerstand. Der Verstand hatte sich komplett gegen mich gestellt und malte alles unglaublich schwarz. Als ich irgendwann zu müde war anzukämpfen, hob ich innerlich die Arme und sagte zu meinem inneren Gegner: du hast gewonnen, ich kann nicht mehr, mach mit mir was du willst.

Ich hatte das für das Aufgeben gehalten, von dem ich immer geflohen war, jedoch, war das Aufgeben die Erlösung, und der erste Schritt in Richtung Kontrolle. Nach und nach konnte ich also falsches Selbstbild, negative Gedanken von meinem eigentlichen ich trennen und kam mehr und mehr zurück zu meiner positiven Grundhaltung und zu alter Stärke.

Daraus habe ich folgende Erkenntnisse gewonnen, die anfing aufzuschreiben, zunächst mal für mich selbst, nun aber dabei bin ein Buch darüber zu schreiben, weil ich der Meinung bin, dass das doch einigen helfen könnte. Die wichtigsten Punkte habe ich hier einmal zusammengefasst.

-Raus aus der Komfort-Zone, sich selbst kennenlernen Wenn man jung ist, hat man keine Ahnung was man machen will, was man später werden will. So ging es zumindest mir und wahrscheinlich auch dem ein oder Anderen. Umso wichtiger ist es sich auszuprobieren, seine Grenzen kennenzulernen zu verstehen, was die eigenen Werte sind, wo man bereit ist zu Kompromissen und wo man auf gar keinen Fall Kompromisse eingehen möchte und sollte.
Daraus kann man ein grafisches Wertesystem ableiten. Idealerweise sollte man dieses Wertesystem ansehen als eine Art Kompass und bei wichtigen Entscheidungen, neuen Jobs etc. mit berücksichtigen, aber auch zur Erkenntnis, wenn man gegen sich selbst arbeitet und sich damit unbewusst schadet.

Beziehung zu sich selbst stärken Burnout bedeutet im Fortgeschrittenen Stadium Identitätsverlust. Im gestressten Alltag, mit Job, Familie und Hobbies, machen wir häufig Dinge um sie abzuhaken. Selbst Hobbies können da zur lästigen Pflicht werden. Deshalb ist es wichtig einen Zugang zu sich selbst zu haben, seine Emotionen, Gefühle zu erkennen. Der Körper gibt einem früh genug Warnzeichen, dass etwas nicht stimmt. Hier können auch Yoga oder Meditation sehr gut helfen.

Wann stecke ich mitten drin? Ab wann ist ein Schlussstrich erforderlich? Wann macht es Sinn mich krankschreiben zu lassen? Wenn man sich morgens aus dem Bett quält und keine Erholung am Wochenende oder im Urlaub findet ist es meist schon zu spät und doch höre ich immer wieder von Leuten im Freundes/ Bekanntenkreis, die sich genau in dieser Situation befinden. Das Verwunderliche ist aber, eigentlich müssten sie das gar nicht. Es geht hier oftmals gar nicht mehr nur ums Geld verdienen und trotzdem nehmen wir die Schmerzen in Kauf. Wenn wir uns zu lange in dieser Schmerzspirale begeben haben, fangen wir an uns damit zu identifizieren und wollen irgendwann paradoxer Weise im Unterbewusstsein gar nicht, dass es uns besser geht. Diesen Gedankengang, gilt es zu erkennen und daran zu arbeiten ihn aufzulösen. Spätestens an diesem Punkt macht es durchaus Sinn zur Therapie zu gehen.

Aufarbeitung
Wenn man dann den Schlussstrich gezogen hat, merkt man erst, was man sich die ganze Zeit angetan hat. Oftmals fällt man dann in ein Loch. Das ist normal und doch beängstigend. Man fängt an Dinge zu hinterfragen und das Gedankenkarussel dreht sich ständig. Es ist hilfreich seine Gedanken aufzuschreiben, mit Leuten darüber zu reden und sich professionelle Hilfe zu holen. Meistens kommen dann auch die Erkenntnisse, wo man falsch abgebogen ist, welche Verhaltensmuster, Dinge oder Menschen einem nicht gut tun und wie man das Ganze lenken kann. Wichtig ist, sich nicht von eigenen Gedanken in die Ecke treiben zu lassen und nicht so streng mit sich selbst zu sein.

Alles akzeptieren, sich selbst verzeihen
Ab einem gewissen Punkt hilft nur noch zu akzeptieren, dass man gegen sich gearbeitet hat, dass man gerade nicht mehr kann und dass man nicht weiß wie es weiter geht. Dieses akzeptieren fällt besonders schwer, wenn man voller Leidenschaft an etwas gearbeitet hat oder sich nur im Vollgas-Modus kennt. Umso schlimmer ist es, wenn das akzeptieren erst eintritt, wenn man bereits keine Kraft mehr hat aufzustehen und ständig dagegen arbeitet. Die sich ständig kreisenden Gedanken, die alles schwarz malen und keinen Ausweg finden sind nicht echt. Dies zu erkennen, gibt die Möglichkeit zu sagen: Na dann ist das gerade eben so. Und das ist der erste Weg zu ursprünglicher Kraft zu gelangen.

Bitte teilt mir eure Erfahrungen, Meinungen oder auch Kritik mit. Ich möchte wissen, ob sich Leute, die einen Burnout durchlebt haben darin wiederfinden und ob dies als eine Art Hilfestellung dienen kann. Ich möchte denen die mittendrin sind Mut machen, denn bei aller Verzweiflung: Es wird besser!

17.01.2022 17:01 • x 4 #1


Kate
Hi, ein wirklich aufmunternder Text. Ich habe allerdings kein Burnout und kann da gar nicht viel zu sagen.
Allerdings finde ich es mutig und gut ein Erfahrungsbericht zu schreiben, ich hoffe, Du kannst damit viele Menschen erreichen und ihnen mit Deiner Erfahrung helfen.

LG Kate

17.01.2022 17:15 • #2


A


Hallo An_dre,

Burnout - meine Erfahrungen und Erkenntnisse

x 3#3


A
Oh, doch so viele Gleichgesinnte

18.01.2022 14:02 • #3


K
Hallo Andre,
ich habe deinen Beitrag gelesen und bin auch gerade wegen Burn out Zuhause. Ich selbst habe es bei mir nicht wahrgenommen das ich auf dem besten Wege dahin war und gelandet bin. Erst jetzt wo die Katze aus dem Sack ist und für mich realisiert habe das ich Burn out habe, konnte ich einige Dinge bei mir selbst hinterfragen warum das so ist. Ich selbst bin auf Arbeit sehr genau , manchmal schon fünf Schritte voraus, vieles erledigte ich selbst damit es richtig ist und man es nicht zweimal machen muss ect. Ich merkte nicht das mein Körper eigentlich auch nicht mehr wollte , denn die Anzeichen die schon da waren z.B. rauschen auf den Ohren, immer die gleichen Rückenschmerzen und Völlegefühl nach dem ersten Bissen hatte ich bis dato dann immer nur einzeln versucht zu lösen, also Rücken zum Orthopäden und bei den Ohren ab zum HNO. Dabei hängen die Dinge alle bei einander bei einem Burn out. Ich kann mich auch in einigen Dingen von dir wiederfinden z.B das auch ich von Kollegen dann schon genervt war oder oder mürrischer Alter Sack gut ich bin eine Frau, aber die Aussage trifft es.
Seine Gedanken aufschreiben und darüber sprechen ich auch meine Methode das zu verarbeiten, aber man muss schauen mit wem man sich unterhält. Der Partner ist dazu eigentlich nur bedingt geeignet, denn der will nicht ständig deine Gedankengänge hören, da die Situation schon belastend genug ist.
Für mich war wichtig erstmal zu verstehen das es ein Burn out ist, das war am Anfang nicht so , weil man ja funktioniert hat.
Dann brauchte ich wirklich 2 einhalb Monate Ruhe, das das grübeln über das warum wieso aufgehört hat. Ich muss mir übrigens nicht selbst verzeihen, für was denn? ich bin nun mal ein 150% Mensch und damit umzugehen muss man lernen. Oder zumindest versuchen einen Weg zu finden auch mal Sachen liegen zulassen. Und das ist schwer für jemand der seinen Job gerne und mit Hingabe macht. Oder dann Kollegen hat wo man sich denkt wieso arbeiten die hier eigentlich, woanders wären die rausgeflogen nur weil diese Personen nicht die Arbeitseinstellung haben wie ich selber.
Damit muss man sich auseinandersetzen und an sich arbeiten. Ich für mein Teil habe jetzt nächsten Monat eine Reha in einer Klinik. Freue mich schon darauf und hoffe das ich noch ein paar Tipps und Verhaltensregeln auf den Weg bekomme.
Wichtig finde ich für Burn out Betroffene, also so ging es zumindest mir, das zuhören und zusprechen und wenn die schlimme Phase da ist sich um Hilfe bemühen. Ich hatte das Glück das ich selber merkte so jetzt ist es höchste Eisenbahn ich brauch professionelle Hilfe und hab diese dann auch gesucht. Das Problem ist nämlich das manche das nicht können in der Situation sich Hilfe holen und noch mehr ins Loch rutschen bis eventuell was schlimmes passiert. Was ich sehr traurig finde in der heutigen Zeit. Ich meine kein Termin beim Arzt, Klinik nicht zuständig ect. bis man Hilfe bekommt.
Bei diesem Thema sind glaube ich die betroffenen Personen unterschiedlich.

18.01.2022 16:24 • x 2 #4


Caritom
@An_dre

Vielen Dank

08.03.2022 12:06 • #5

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