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Was kann ich von Therapie erwarten,vom Leben allgemein

C
Abend zusammen!
Ich wünsche mir ein bisschen Austausch in Bezug auf die Fragen im Titel.

Kurz zu mir, habe den Standard Lebenslauf: Miese Kindheit, dann als Jugendliche Sozialphobie und schwere Depressionen entwickelt. Mache jetzt seit einem Jahr Therapie mit medikamentöser Behandlung.

Meine Therapeutin ist super lieb und wir arbeiten gut zusammen. Dank ihr fällt es mir wieder leichter, mein Bett/Haus zu verlassen und die Suizidgedanken werden immer seltener.

Angesichts meiner großen Fortschritte im vergangenen Jahr sprechen wir immer wieder über das Therapieende. Vor einer Weile haben wir uns darauf geeinigt, ein bisschen mehr Abstand zwischen unseren Sitzungen zu lassen, damit ich mich mehr selbst ausprobieren kann.

Damit war ich sehr einverstanden und habe selbst gemerkt, dass ich die Therapiesitzungen nicht wöchentlich brauche und mich stabil fühle.

Aber ich werde doch immer wieder unsicher. Ich habe viel gelernt und kann einiges anwenden, nur noch nicht alles. Und manches hilft auch einfach nicht. Klar, ist alles Übung, aber ich habe irgendwie immer wieder das Gefühl doch ganz allein dazustehen, weil ich mich ganz auf meine eigenen Fähigkeiten verlassen muss. Vorher war das eher ein bisschen so Die Therapeutin kriegt mich schon wieder hin und ich warte mal ab bis ich dran bin. Jetzt mehr allein zu machen erschreckt mich irgendwie doch.

Das kostet einfach alles so viel Kraft. Für mich war es zwar auch nicht förderlich, mich immer wieder krank schreiben zu lassen und nur im Bett zu liegen, während ich entweder stumm da lag oder mir die Augen ausgeheult habe. Aber jeden Tag zu entscheiden Heute stehe ich auf, heute gehe ich arbeiten, heute unternehme ich etwas wird kein bisschen leichter.

Ich habe nicht mehr so arge Suizidgedanken, aber ich frage mich schon was das alles soll, wenn jeder Tag weiterhin ein Kampf ist. Zwar nicht mehr so ein schlimmer, aber immer noch ein Kampf.

Ich meine, habe ich zu viel von der Therapie erwartet? Zugegeben, ich dachte schon irgendwie, dass sich mein ganzes Leben danach verändern würde und dass all meine Probleme gelöst wären. Ziemlich übertrieben, ich weiß. Aber jetzt ist eben alles wie früher mal vor der ersten Episode, nicht so toll aber ich will auch nicht unbedingt aus dem Leben scheiden. Ist halt ok. Vielleicht denke ich da zu dramatisch drüber. Aber mir reicht es nicht, dass Leben nur OK zu finden.

Versteht mich nicht falsch, meine Therapeutin ist für mich da und kennt diese Bedenken. Sie meint auch, ich soll keine Wunder erwarten und man kann die Therapie auch machen bis alle Symptome weg sind, aber wie das mit Depressionen nun mal so ist, muss man sich da natürlich hauptsächlich selbst helfen. Sie meint, ich zeige nur noch Anzeichen von einer leichten Depression (bei Therapiebeginn mittelschwer/schwer) und dass ich auf dem besten Wege bin das alles selbst auf die Reihe zu kriegen.

Aber ich kann mir gar nicht vorstellen, wieder in dieses eintönige Leben zurück zu kehren, wo ich zwar nicht depressiv bin aber eben auch nicht glücklich. Und wo ich nicht sie als meinen neutralen Gesprächspartner, irgendwie fast schon als meinen gesunden Menschenverstand an meiner Seite habe. Und wo ich irgendwie selbst auf die tausend Dinge kommen muss, die ihr sofort einfallen, wenn ich ein Problem schildere.

Ich hoffe, hier können mal ein paar Leute erzählen was sie darüber denken. Und wie ihr damit umgeht, dass das Leben einfach nur OK ist.

25.02.2022 20:25 • x 1 #1


ZeroOne
Hi @Celeste !

Willkommen im Forum!
Ich picke mal das heraus, was mir als die zentrale Aussage in deinem Thread erscheint:

Zitat von Celeste:
Aber mir reicht es nicht, dass Leben nur OK zu finden.


Vorab: mir geht es ähnlich.
Und ich denke, dass man auch so empfinden darf und deshalb z.B. kein schlechtes Gewissen o.ä. haben sollte. In meinem Umfeld haben Leute auch schon mit Kopfschütteln reagiert, weil sie das als Unzufriedenheit, mangelnde Dankbarkeit, etc. interpretieren, da sie denken, dass ich bei allem, was ich habe, ein glücklicher Mensch sein müsste. Aber ich finde, dass das ein individuelles, subjektives Empfinden jedes einzelnen ist, weil jeder andere Bedürfnisse hat.

Für mich ist das Thema mit Wünschen, Bedürfnissen und Zielen verbunden, die über die existenzielle Grundversorgung hinausgehen.
Und darin sehe ich auch das große Problem: Dinge im Leben zu finden, die einen derart erfüllen, dass es nicht mehr nur OK ist, die aber auch realisierbar und keine Luftschlösser sind.
Hast du diese Punkte für dich ausreichend betrachtet: deine ganz persönlichen Bedürfnisse, Vorstellungen und Ziele, sowie deren Umsetzbarkeit, bzw. was dich blockiert und davon abhält?

Was dein Therapieende betrifft:
Hast du schon über eine (oder mehrere) Selbsthilfegruppen nachgedacht? Vielen hilft dieser Austausch ungemein. Insbesondere, wenn man sich am Ende einer längeren Therapie noch unsicher und alleine fühlt. Ich persönlich hatte das Angebot auch schon wahrgenommen und kann jedem nur empfehlen, es mal auszuprobieren.

Eine Idee könnte auch sein, noch einen anderen Therapie-Typ nachzuschieben. Bei einem Wechsel gibt es auch nicht das Problem mit der Sperrzeit. Hast du bislang Verhaltenstherapie in Anspruch genommen?
Vielleicht könnte auch ein tiefenpsychologischer, oder analytischer Ansatz mal ganz interessant sein? Generell die Fragestellung Wo komm ich her? Wer bin ich? Wo will ich hin? Was blockiert mich?

Zitat von Celeste:
Ich hoffe, hier können mal ein paar Leute erzählen was sie darüber denken.


Ist somit geschehen - zumindest mal eine Meinung.

26.02.2022 11:48 • x 2 #2


A


Hallo Celeste,

Was kann ich von Therapie erwarten,vom Leben allgemein

x 3#3


A
Liebe Celeste,

das sind für mich nachvollziehbare Gedanken, die ich da lese.
Ich denke auch Therapie ist kein Hexenwerk, aber schön, dass es dir schonmal etwas geholfen hat.
Ich schreib jetzt einfach mal ein paar Fragen auf, die mir beim Lesen in den Sinn kamen. Falls sie nicht stimmig sind, lass sie einfach fallen.

Was gäbe es außer der Therapie noch, was dich stabilisieren könnte? (Vielleicht eine Selbsthilfegruppe, Yoga, Meditation, ein neues Hobby?)
Was bedeutet für dich glücklich sein?
Wenn du alleine bist, würde dir auf die Frage Was würde meine Therapeutin wohl dazu sagen? etwas einfallen?

Liebe Grüße
Alma

02.03.2022 19:36 • x 1 #3


Meneater
Ich kann deine Gedanken verstehen.

Wenn du dich aber vielleicht noch gar nicht bereit fühlst dich auf deine Fähigkeiten zu verlassen, würde ich vielleicht einfach nochmal das Gespräch suchen? Irgendwann ist es natürlich auch ratsam aus der ,,Komfortzone'' zu gehen und langsam wieder einige Schritte selbst zu machen und es gehört auch irgendwo dazu denke ich. Klar ist es entscheidend wie es dir dabei geht und ich kann und möchte das auch gar nicht beurteilen.

Es ist aber ein gutes Zeichen das du so tolle Fortschritte gemacht hast und nun der nächste Schritt kommt klar ist dieser auch immer mit ein wenig Angst verbunden gerade, wenn man sich dann bestimmten Situationen stellen muss oder man bedenken hat.

Ich hoffe du wagst es dich und schaust was passiert. Du weißt ja das sie dich nicht im Stich lässt.

02.03.2022 21:55 • x 1 #4


C
Guten Abend zusammen, ich habe mich nach einer recht langen Bedenkzeit doch nochmal dazu entschieden, auf eure Antworten einzugehen. Erstmal danke für eure Worte!

Zitat von ZeroOne:
Hast du diese Punkte für dich ausreichend betrachtet: deine ganz persönlichen Bedürfnisse, Vorstellungen und Ziele, sowie deren Umsetzbarkeit, bzw. was dich blockiert und davon abhält?

Habe ich bisher nicht, im Grunde ging es mir die ganze Zeit nur darum, meine Depression zu überstehen und weiter habe ich nicht gedacht. Aber so simpel es klingt, das wäre tatsächlich eine gute Idee mich einfach Mal hinzusetzen und entsprechende Ziele zu verfassen evt. auch gemeinsam mit meiner Therapeutin.

Zitat von ZeroOne:
Hast du schon über eine (oder mehrere) Selbsthilfegruppen nachgedacht?

Das kam mir schon in den Sinn, aber irgendwie stelle ich es mir unangenehm vor meine Gedanken mit mehreren Fremden zu teilen, auch wenn diese im gleichen Boot sitzen wie ich. Online finde ich das nicht so schwer, aber was man hier im Forum so macht oder im Chat mit anderen kommt wahrscheinlich auch nicht an das echte Erlebnis dran. Es wäre auf jeden Fall auch eine gute Idee, mich zumindest zu informieren.

Zitat von ZeroOne:
Hast du bislang Verhaltenstherapie in Anspruch genommen? Vielleicht könnte auch ein tiefenpsychologischer, oder analytischer Ansatz mal ganz interessant sein? Generell die Fragestellung Wo komm ich her? Wer bin ich? Wo will ich hin? Was blockiert mich?

Ah, gut zu wissen das mit der Sperrzeit. Genau, bisher Verhaltenstherapie. Ich hatte auch am Anfang, als gefragt wurde ob ich auch diese Therapieform machen möchte, den Eindruck, dass das am besten zu mir passt. Ich bin eher jemand, der nach vorn schauen und machen will und das schien mir in der Form am ehesten der Fall zu sein. Ich gebe aber zu, dass die von dir genannten Fragen bei mir noch offen sind. Danke für die sehr ausführliche Antwort und deine eigenen Erfahrungen!

Zitat von Alma:
Was gäbe es außer der Therapie noch, was dich stabilisieren könnte? (Vielleicht eine Selbsthilfegruppe, Yoga, Meditation, ein neues Hobby?)

Jetzt wo es bergauf geht haben sich auf jeden Fall ein paar neue Hobbies bei mir entwickelt, aber ob die ausreichen um mich stabil zu halten, weiß ich noch nicht. Mein Eindruck wäre, dass noch irgendetwas fehlt, vielleicht auch etwas was über meine Komfortzone herausgeht. Bisher sind meine Interessen doch recht ähnlich und ich habe teilweise auch einfach Sachen wieder aufgenommen, die ich schon vor der Depression mochte.

Zitat von Alma:
Was bedeutet für dich glücklich sein?

Glücklichsein ist für mich, wenn man abends zufrieden auf der vergangenen Tag schaut und sich schon auf den nächsten freut.
Das klingt so ausgeschrieben einfacher als es ist. Im Alltag sind für mich die negativen Dinge oft noch überwiegend. Heute zum Beispiel wäre mein erster Gedanke, dass es nicht so gut gelaufen ist. Aber an die kleinen schönen Momente denke ich dabei gar nicht. Und der Abend ist auch noch jung.

Zitat von Alma:
Wenn du alleine bist, würde dir auf die Frage Was würde meine Therapeutin wohl dazu sagen? etwas einfallen?

Je nach Situation ja. Manchmal sind meine Gefühle zu stark sozusagen, gerade was die Antriebslosigkeit bei Depression angeht kann mich manchmal einfach nichts bewegen oder mir fällt gar nicht erst ein, wie man die Situation anders betrachten könnte.
Bei der sozialen Angst klappt das ganz gut, weil wir das auch aktuell mehr geübt haben, und weil die Angst einem ja auch irgendwie die Energie gibt, mit der Situation umzugehen und darüber nachzudenken. Ich danke auch dir nochmal für die Anregungen, das sind sehr interessante Fragen gewesen.

Zitat von Meneater:

Wenn du dich aber vielleicht noch gar nicht bereit fühlst dich auf deine Fähigkeiten zu verlassen, würde ich vielleicht einfach nochmal das Gespräch suchen? Irgendwann ist es natürlich auch ratsam aus der ,,Komfortzone'' zu gehen und langsam wieder einige Schritte selbst zu machen und es gehört auch irgendwo dazu denke ich. Klar ist es entscheidend wie es dir dabei geht und ich kann und möchte das auch gar nicht beurteilen.

Da hast du recht! Ich denke da bin ich auch gerade dabei. Wir haben die Therapie jetzt nochmal um 12 Stunden verlängert, die wir ein bisschen auseinanderziehen, damit der Übergang so leicht wie möglich ist. Ich werde auf jeden Fall aufpassen, dass ich es weiterhin in meinem Tempo mache und wie du auch sagtest, meine Therapeutin steht da auch hinter mir. Danke für deine netten Worte!

11.03.2022 20:19 • #5

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