Einen todkranken Menschen aus Selbstschutz verlassen?

L
Liebe Foristen,

ich schreibe hier zum ersten Mal und hoffe auf etwas Trost von Menschen, die sich mit Depressionen auskennen.

Es geht um mich und meinen Lebensgefährten, mit dem ich seit 2,5 Jahren zusammen bin. Er ist 43 Jahre alt, ich 38. Vor 5 Monaten ist er zu mir und meinen beiden Kindern (8 und 11 Jahre) gezogen.

Ich wusste, dass er in der Vergangenheit schon schwere Zeiten hatte (mehrere gescheiterte Beziehungen, Burn out, schwere Erkrankung durch Schilddrüsenfehlfunktion und mit Augen-Problmen, woraus 2016 und 2017 insgesamt 6 OPs folgten), aber er hat sich meinem Empfinden nach auch immer wieder gefangen und er ist ein sehr liebenswerter Mensch, sodass ich mir mit ihm eine gemeinsame Zukunft vorstellen konnte.

Während der Augen-OPs habe ich ihn nach Kräften unterstützt, bin fast täglich in die 100km entfernte Spezialklinik gefahren, um bei ihm zu sein. Es war eine heftige Zeit für meinen Lebensgefährten, weil er zwischenzeitlich wochenlang im Sehen stark eingeschränkt war und es nicht sicher war, ob er wieder richtig würde sehen können. Aber letztlich ist alles gut verheilt.

Infolge seiner (zu spät erkannten) Schilddrüsenerkrankung und der Augen-OPs hat er eine Hypochondrie entwickelt, außerdem hatte er zwischendurch immer wieder depressive Verstimmungen, die sich v.a. durch eine große Antriebs- und Motivationslosigkeit auszeichneten, und seit Anfang 2017 hat er eine Angststörung entwickelt (mit Panikattacken, Herzrasen usw.).

Durch den Umzug in meine Wohnung hatten sich die Symptome erst verstärkt, weil es eine völlig neue und damit stressige Situation für ihn war. Er ist daher etwa 3 Wochen nach dem Umzug (im September 2017) zu einem neuen Hausarzt in meiner Stadt gegangen. Dieser hat ihn in ein MRT geschickt und wir erhielten kurz darauf den schockierenden Befund: mein Lebensgefährte hat einen Hirntumor! Wahrscheinlich ein Astrozytom und bösartig.

Nun kann man sich vorstellen, dass bei uns alles noch viel schlimmer und schwieriger geworden ist: die Angstzustände (schließlich hat sich die hypochondrische Horror-Erwartung erfüllt!) nahmen zu, mein Lebensgefährte verfiel in eine schwere Depression, infolgedessen er unfähig war, eine Therapie zu beginnen. Die ANgst hat ihn komplett gelähmt, er hat jeden weiteren Arztbesuch abgelehnt. Außerdem hat er seinen Job verloren.

Obwohl ich mich als eine grundsätzlich positive und stabile Persönlichkeit bezeichnen würde und ich meinen Freund nach wie vor liebe, wird es für mich immer schwieriger, die Situation auszuhalten. Ich habe einen anstrengenden Job, muss mich um meine beiden Kinder kümmern, den Haushalt schmeißen (einkaufen, waschen, putzen, kochen) und halte die Antriebslosigkeit meines Freundes kaum aus.

Vor allem seine Angst vor einer Therapie macht mir schwer zu schaffen, denn es wird dadurch ja nichts besser. Obwohl ich natürlich verstehen kann, dass es für ihn unglaublich hart ist und ich sehr viel Mitgefühl habe! Dennoch belastet es das Familienleben und manchmal bin ich dann auch unglaublich traurig und erschöpft. Ich fühle mich dann sehr allein, auch wenn es ganz sicher nicht seine Absicht ist, mich mit allem allein zu lassen. Er kann eben nicht anders. Ich weiß aber nicht, ob ich das noch länger mittragen kann. Ich habe sogar schon über Trennung nachgedacht, aber ich kann meinen Freund ja in dieser ohnehin schon schweren Zeit nicht hängen lassen. Ich will aber auch, dass es meinen Kindern gut geht (die ja immerhin auch schon meine Trennung von ihrem leiblichen Vater durchmachen mussten) und ich kann nur gut für sie sorgen, wenn es mir selbst gut geht.

Was würdet ihr an meiner Stelle tun?

Danke schon mal an alle, die mir antworten!

06.01.2018 12:04 • #1


B
Zitat von Lilatiger:
Was würdet ihr an meiner Stelle tun?


Ich glaube, diese Frage kann man wohl nicht beantworten, wenn man nicht in derselben Lage war. Außerdem denke ich auch nicht, dass es jetzt für dich hilfreich wäre zu hören, was jemand tun würde, wäre er/sie in dieser Situation. Aber kann es vielleicht sein, dass du dir diese Frage eigentlich selbst schon beantwortet hast?

Mal eine Frage: Was ist denn mit dem Hirntumor? Wurde der jetzt gar nicht mehr behandelt? Mein Vater hatte ebenfalls einen Hirntumor und ist daran letztes Jahr verstorben. Allerdings wurde er schnellstens operiert, nachdem das verdammte Ding entdeckt wurde. Letztlich ist mein Vater zu Hause verstorben, und besonders die letzten Minuten waren nicht schön für ihn. Davon mal abgesehen, wie es für uns war. Ich finde es jedenfalls traurig, dass dein Partner diese Erkrankung unbehandelt lässt. Sich die Frage zu stellen, wie deine Kinder eine solche Situation aufnehmen würden, ist sicherlich berechtigt. Wie empfinden denn deine Kinder die derzeitige Situation?

Ich kann das Dilemma, in dem du steckst, durchaus nachvollziehen. Aber wem gegenüber du die größe moralische Verantwortung hast - das wird ja vermutlich die Frage sein, die du dir stellst -, kannst nur du selbst wissen. Und schließlich hast du ja auch schon erkannt, dass du auch auf dich selbst achten musst.

06.01.2018 20:23 • #2

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